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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 24.03.2004
Aktenzeichen: 4 W 6/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
Das Landgericht, bei dem Prozesskostenhilfe für eine eingereichte Klage beantragt wird, deren Streitwert in die landgerichtliche Zuständigkeit fällt, darf die beantragte Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung versagen, Erfolgsaussicht bestehe nur für einen Teil der Klage, dessen Wert unterhalb der landgerichtlichen Zuständigkeit liege. In einem solchen Fall ist vielmehr Prozesskostenhilfe für den erfolgversprechenden Teil zu bewilligen.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen BESCHLUSS

Geschäftszeichen: 4 W 6/04

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen unter Mitwirkung der Richter Wever, Schumann und Behrens auf Grund der Beratung vom 24.03.2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Bremen vom 26.01.2004 zu Ziffer 2 des Tenors wie folgt abgeändert:

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Rechtsanwalts Heitmann in Bremen bewilligt, soweit sie ein Schmerzensgeld in Höhe von € 3.000,-- begehrt.

Der weitergehende Prozesskostenhilfeantrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist begründet.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts durfte die begehrte Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung gänzlich versagt werden, hinsichtlich des erfolgversprechenden Teils fehle es an der Zuständigkeit des Landgerichts.

Das Landgericht stützt die Versagung der Prozesskostenhilfe für die Klägerin darauf, dass allenfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von € 3.000,-- angemessen erscheine, weshalb der Zuständigkeitsstreitwert des Landgerichts von über € 5.000,-- nicht erreicht, sondern die Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben sei.

Das Landgericht durfte trotz der nach seiner Ansicht gegebenen Erfolgsaussicht bis zu einem Betrag von € 3.000,-- die beantragte Prozesskostenhilfe nicht insgesamt versagen, denn die Klägerin hat eine unbedingte Klage mit einem über € 5.000,-- liegenden Streitwert eingereicht. Anders als in den Fällen einer nur bedingten Klage, d.h. eines Klagentwurfs, bei dem die Klagerhebung von vornherein nur im Umfang der Prozesskostenhilfebewilligung beabsichtigt ist ( dazu OLG Saarbrücken NJW-RR 1990, 575), ist bei einer unbedingten Klageinreichung die vollständige Versagung der Prozesskostenhilfe bei teilweiser Aussicht auf Erfolg mit der Begründung der mangelnden Zuständigkeit nicht zulässig, wenn für den erfolgversprechenden Teil an sich die Zuständigkeit des Landgerichts fehlen würde (OLG Dresden MDR 1995, 202; OLG München MDR 1998, 922; Stein/Jonas, ZPO Kom. 21. Aufl., § 117 Rn. 10; Thomas-Putzo/ Reichold ZPO Kom., 25. Aufl., § 114 Rn. 3). Allerdings wird in der hier vorliegenden Fallkonstellation, in der zwar eine unbedingte Klage eingereicht, diese jedoch nicht zugestellt worden ist, teilweise die Ansicht vertreten, es könne die begehrte Prozesskostenhilfe insgesamt versagt werden, wenn der erfolgversprechende Teil den Zuständigkeitsstreitwert des Landgerichts nicht erreicht (OLG Brandenburg MDR 2001, 769; OLG Hamm MDR 1995, 1065). Dieser Ansicht folgt der Senat jedoch nicht. Sie unterstellt einen hypothetischen Sachverhalt, der tatsächlich nicht zur Entscheidung ansteht, nämlich die Frage, ob die Klage zulässig wäre, wenn sie nur im erfolgversprechenden Umfang eingereicht wäre. Im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussicht stellt sich jedoch die Frage der Zulässigkeit der tatsächlich anhängigen Klage. Ist diese bereits unbedingt anhängig gemacht, so ist die Zuständigkeit des Landgerichts zu bejahen, wenn dessen Zuständigkeitsstreitwert erreicht ist. Auf die Frage der Erfolgsaussicht kommt es nur für die Begründetheit der Klage an. Nur in den Fällen der bedingten Klage ist die Klageerhebung von vornherein nur im Umfang der Erfolgsaussicht beabsichtigt und nur dieser Teil ist Gegenstand der Zuständigkeitsprüfung. Die oben genannte Auffassung hätte zudem zur Folge, dass sich das Amtsgericht für unzuständig erklären müsste, falls ein Kläger dort seine Klage weiterverfolgen und seinen Klagantrag nicht auf den erfolgversprechenden Teil beschränken würde, wozu er nicht gezwungen werden kann.

Ihre am 12.02.1999 eingereichte Klage hat die Klägerin nicht von der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag abhängig gemacht. Dementsprechend hat sie mit Schriftsatz vom 26.11.2003 auf Nachfrage nochmals erklärt, ihre Klage sei unbedingt "erhoben". Mit ihrem Prozesskostenhilfeantrag war daher nicht etwa nur ein Klagentwurf verbunden, sondern der Rechtsstreit ist bereits anhängig gemacht worden. Damit hatte das Landgericht seine Zuständigkeit jedenfalls für die Prozesskostenhilfeentscheidung zu unterstellen. Die sachliche Zuständigkeit wird durch den Streitgegenstand bestimmt, der sich danach richtet, was ein Kläger begehrt und nicht danach, inwieweit die eingereichte Klage Aussicht auf Erfolg hat. Den Streitgegenstand und damit den Zuständigkeitsstreitwert gemäß § 3 ZPO legen der Klagantrag und die dazu vorgetragene Begründung fest. Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage und nicht der der Zustellung maßgebend (§ 4 ZPO). Bei Einreichung der Klage lag der Wert zweifellos im Bereich der landgerichtlichen Zuständigkeit, denn die Klägerin hat neben der Zahlung von DM 10.000,-- auch einen Feststellungsantrag geltend gemacht. An diesem Umstand hat auch die Rücknahme des Feststellungsantrages nichts geändert, denn die Klägerin verfolgt mit einem Schmerzengeld von € 5.112,92 weiterhin einen Anspruch, der in die Zuständigkeit des Landgerichts fällt. Die Klägerin ist dadurch, dass das Landgericht die Erfolgsaussicht der Klage nur zum Teil bejaht, nicht gehindert, ihren Klaganspruch in voller Höhe weiterzuverfolgen. Allerdings muss sie die Rechtsverfolgung insoweit selbst finanzieren und ggf. einen ergänzenden Kostenvorschuss einzahlen. Erst wenn die Klägerin einen solchen Vorschuss nicht leistet oder die Klage vor Rechtshängigkeit entsprechend der Schmerzensgeldvorstellung des Landgerichts bis auf einen Betrag von € 3.000,-- zurücknimmt, stellt sich die Frage, ob die Sache auf Antrag an das Amtsgericht abzugeben wäre.

Da sich die Klägerin jedenfalls im Beschwerdevorbringen nicht gegen die Ansicht des Landgerichts zur Schmerzensgeldbemessung gewandt hat und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse keiner weiteren Aufklärung bedürfen, kann der Senat die Prozesskostenhilfebewilligung im Umfang der Erfolgsaussicht selbst vornehmen.

Ende der Entscheidung

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