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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 31.07.2006
Aktenzeichen: Verg 2/06
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 107 Abs. 3 Satz 1
Ein Bieter, der im Vergabeverfahren Kenntnis von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften erlangt, kann sofort einen Antrag auf ein Nachprüfungsverfahren nach § 107 Abs. 2 GWB stellen, wenn die ihm angekündigte Erteilung des Zuschlags an einen anderen Bieter unmittelbar bevorsteht. Der Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB wird dann dadurch genügt, dass unverzüglich nach Kenntnis vom Vergabeverstoß der Nachprüfungsantrag gestellt und in diesem Antrag der Verstoß gerügt wird. Eine gesonderte Rüge gegenüber der Vergabestelle ist in solchen Fällen nicht erforderlich.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen BESCHLUSS

Geschäftsnummer: Verg 2/06

verkündet am: 31.07.2006

in Sachen

hat der Vergabesenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2006 unter Mitwirkung der Richter Blum, Dierks und Wolff

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird die Entscheidung der 2. Vergabekammer der Freien Hansestadt Bremen vom 31. Mai 2006, Az.: VK 2/06, aufgehoben.

Die Vergabekammer wird verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats über den Nachprüfungsantrag erneut zu entscheiden.

Der Vergabekammer wird auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB übertragen.

Die Hinzuziehung von Prozessbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren war notwendig.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 16.477,11 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerdegegnerin schrieb Anfang 2006 im Rahmen der Baumaßnahme Klinikum , Neubau eines medizinischen Versorgungszentrums, II. Bauabschnitt, Innentüren/WC-Trennwände im offenen Verfahren aus. In der Angebotsanforderung (EVM (B) A EG) war unter der Überschrift: "Vergabestelle" angegeben:

"Angebotsabgabe bei:

Gebäude- und TechnikManagement Bremen,

Gebäude Hutfilterstr., Verdingung 5. Etage

Hutfilterstr. 1-5, 28195 Bremen".

Nach Ziffer 1.

"ist beabsichtigt, die in beiliegender Leistungsbeschreibung bezeichneten Leistungen zu vergeben im Namen und für Rechnung

Klinikum gGmbH

Str. 1/D-28277 Bremen"

Ziffer 2. lautet:

"Auskünfte werden erteilt, nicht beigefügte Verdingungsunterlagen können eingesehen werden bei/beim: Klinikum gGmbH, Str. 1/D-28277 Bremen/Technischer

Leiter Herr A. f"

Im Leistungsverzeichnis werden u.a. aufgeführt

- unter Pos. 1.07 ff. : Aluminiumzargen für Holz-Drehtüren in Trockenbauwänden - das Fabrikat Küffner hardline, Typ USBV/G48-5/42S oder gleichwertiges Produkt (es folgt eine genaue Spezifikation der Anforderungen)

- unter Pos. 2.00 ff. - Innentüren mit HPL-Beschichtung - Türblätter mit 0,8 mm HPL-Schichtpressstoffauflage (High Pressure Laminate) nach DIN EN 438 Fabrikat Westag-Getalit oder gleichwertig (es folgen weitere detaillierte Spezifikationen).

Nach Ziffer 5.3 ist Zuschlagskriterium "das wirtschaftlich günstigste Angebot bezüglich Preis, Gewichtung 100 %."

Mit Schreiben vom 22.03.06 teilte die Gebäude- und TechnikManagement Bremen (im Folgenden: GTM) den Bietern u.a. mit, dass für die Ausschreibung der angesetzte Submissionstermin vom 24.03.2006 auf den 05.04.06, 11:15 Uhr verlegt worden sei.

An der Ausschreibung beteiligten sich 10 Bieter; das Angebot der Beschwerdeführerin lag mit € 329.542,14 an 6. Stelle. Der Erstplatzierte, die H. H. GmH aus H. , hatte ein Angebot über € 301.159,76 abgegeben. Die Bieter an 4. und 5. Stelle wurden vom Vergabeverfahren ausgeschlossen.

Die Beschwerdegegnerin entschied, den Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erteilen, und teilte dies mit Schreiben vom 26.04.06 den Bietern mit verbunden mit dem Hinweis, dass sie beabsichtige, der H. GmbH den Zuschlag am 11.05.06 zu erteilen.

Mit Schriftsatz vom 09.05.06, per Fax eingegangen am 09.05.06 um 8:59 Uhr, hat die Beschwerdeführerin bei der Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung gestellt und geltend gemacht, sie sei in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt worden, denn die ihrem Angebot vorangehenden Angebote hätten ausgeschlossen werden müssen. Diese Bieter böten zu den Pos. 1.07 ff. mit Fabrikaten des Herstellers AZ (Aluminiumzargen) sowie zu den Pos. 2.00 ff. (Zargen und Innentüren) Fabrikate von Herstellern an, die nicht mit den im Leistungsverzeichnis genannten Fabrikaten Küffner hardline (Pos. 1.07 ff.) bzw. Westag-Getalit (Pos. 2.00 ff.) gleichwertig seien. Der Beschwerdegegnerin ist der Schriftsatz von der Vergabekammer am 09.05.06 um 13:15 Uhr zugestellt worden. Die Beschwerdeführerin will an demselben Tag um 9:31 Uhr per Fax eine entsprechende Rüge gegenüber der GTM vorgebracht haben; unstreitig ist eine erneute Rüge gegenüber der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 30.05.06 erfolgt.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 31. Mai 2006, der Beschwerdeführerin zugestellt am 08.06.2006, den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin sei allerdings gemäß §§ 107 Abs. 2 Satz 1, 97 Abs. 7 GWB antragsbefugt. Sie habe aber ihren Nachprüfungsanspruch verloren, denn sie sei ihrer Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht nachgekommen. Ihr angebliches Fax vom 09.05.06 an die GTM sei nicht an den richtigen Adressaten erfolgt, denn diese sei weder die Vergabestelle gewesen noch von dieser bevollmächtigt worden. Das Schreiben an die Vergabestelle vom 30.05.06 sei verspätet gewesen. Im Übrigen wäre auch eine Rüge vom 09.05.2006 zu spät vorgebracht worden, denn die Beschwerdeführerin hätte bereits Ende der 18. Kalenderwoche (04./05.05.06) die Rüge schriftlich oder mündlich/telefonisch anbringen müssen, was näher erläutert wird.

Mit der per Fax am 22.06.06 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde wiederholt die Beschwerdeführerin ihre Behauptung, sie habe mit Fax bereits am Morgen des 09.05.06 gegenüber der GTM ihre Rüge vorgebracht. Kenntnis von den der Rüge zugrunde liegenden Verstößen habe sie erst zum Ende der 18. Kalenderwoche am 05.05.06 erlangt; eine Besprechung mit ihrem Anwalt sei am Montag, den 08.05.06, erfolgt und an diesem Tage sei dann der die Rüge enthaltende Schriftsatz gefertigt worden. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass sie damit ihre Rüge "unverzüglich" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB vorgebracht habe, und widerspricht der Auffassung der Vergabekammer, dass die Rüge nur der Beschwerdegegnerin gegenüber hätte ausgesprochen werden können. Sie meint zudem unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.07.01, Verg 16/01, sowie Verg. 69/02; OLG Naumburg, Beschluss v . 25.10.05, Az. 1 Verg 5/05, und OLG Dresden, Beschluss v. 17.08.01, Az. WVerg 5/01, dass zwischen der Erklärung der Rüge und der Einreichung des Nachprüfungsantrags keine Wartefrist einzuhalten sei. Zur Sache wiederholt sie ihre Behauptung, die ihr vorstehenden Anbieter hätten nicht gleichwertige Produkte angeboten, so dass sie nach ihrer Ansicht auszuschließen sind.

Die Beschwerdeführerin beantragt - nach Rücknahme des Antrags, die Vergabestelle zu verpflichten, ihr den Zuschlag zu erteilen - nunmehr,

1. die Entscheidung der Vergabekammer der Freien Hansestadt Bremen vom 31.05.2006 zum Az. VK 2/06 aufzuheben,

2. die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden,

3. die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten durch die Beschwerdeführerin für notwendig zu erklären,

4. der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin macht sich die Ausführungen der Vergabekammer zu Eigen. Sie bestreitet weiterhin, dass der GTM am 09.05.06 ein Fax der Beschwerdeführerin zugegangen sei. Nach den Erklärungen des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin sei zudem davon auszugehen, dass diese bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dem angeblichen Verstoß erlangt habe. Es sei im Übrigen falsch, dass alle 5 vorstehenden Bieter zur Pos. 1.07 Aluminiumzargen der Firma AZ angeboten hätten; die Angebote der an 4. und 5. Stelle eingestuften Bieter hätten das in der Ausschreibung aufgeführte konkrete Fabrikat enthalten. Tatsächlich seien die Aluminiumzargen der Firma AZ aber auch gleichwertig.

Die Beigeladene ist dem Verfahren in der Beschwerde beigetreten und schließt sich den Ausführungen der Beschwerdegegnerin an.

Der Senat hat auf Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 4. Juli 2006 gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängert.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 116 Abs. 1 Satz 1 und 2 GWB), form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 117 Abs. 1 und Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GWB) und daher zulässig.

Sie ist im Rahmen der jetzt noch gestellten Anträge auch begründet. Die Vergabekammer wird unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats über die Rügen der Beschwerdeführerin zu entscheiden haben (§ 123 Satz 2, 2. Alt. GWB).

Während die Vergabekammer zutreffend die Antragsbefugnis der Beschwerdeführerin für das Nachprüfungsverfahren nach den §§ 107 Abs. 2 Satz 1, 97 Abs. 7 GWB bejaht, kann ihr nicht darin gefolgt werden, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer am 09.05.06 vorgebrachten Rüge nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB auszuschließen und deshalb ihr Antrag unzulässig ist. Der Senat hat hierzu in seinem Beschluss vom 4. Juli 2006 u.a. ausgeführt:

"Auch die Vergabekammer geht von einer Kenntnis der Beschwerdeführerin zum Ende der 18. Kalenderwoche aus, ohne dass allerdings ersichtlich ist, warum die Vergabekammer auch den 04.05.06, den Donnerstag, als Zeitpunkt der Kenntniserlangung für möglich hält. Jedenfalls teilt die Vergabekammer nach Anhörung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin nicht die jetzt vorgetragene Einschätzung der Antragsgegnerin, dass die Beschwerdeführerin bereits vorher Kenntnis von den der Rüge zugrunde liegenden Tatsachen gehabt habe. Der Senat geht daher im Rahmen des Antrags nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB von einer Kenntniserlangung der Beschwerdeführerin am 05.05.06 aus. Es entspricht allgemeiner und vom Senat geteilter Ansicht, dass dem Bieter die Möglichkeit eingeräumt werden muss, sich vorher extern beraten zu lassen, insbesondere einen Rechtsanwalt zu konsultieren (siehe z.B. Reidt in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 2. Aufl., § 107 GWB, Rdnr. 34). Unter Berücksichtigung des dazwischen liegenden Wochenendes ist dies durch die Beschwerdeführerin umgehend, nämlich am 08.05.06, geschehen. Angesichts des für einen Rechtsanwalt erforderlichen Zeitaufwandes zur Absetzung der Schreiben wäre mithin die Vornahme der Rüge am 09.05.06 rechtzeitig.

Dahinstehen mag, ob das Fax vom 09.05.06 an die Gebäude- und TechnikManagement Bremen dieser an demselben Tage zuging und ob ihr gegenüber die Rüge hätte erfolgen können. ...

Jedenfalls sind aber der Antragsgegnerin im Zuge des gleichfalls am 09.05.06 eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens die Rügen der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gelangt; ausweislich der Vergabeakte ist die Antragsschrift der Antragsgegnerin noch am 09.05.06 gegen 13:15 Uhr zugestellt worden.

Dem Nachprüfungsverfahren steht auch nicht entgegen, dass selbst nach Vortrag der Beschwerdeführerin der Nachprüfungsantrag zeitlich vor Erhebung der Rüge gestellt worden ist. Dabei mag dahinstehen, ob generell bei einer Rüge zeitgleich mit dieser die hierauf gestützte Stellung eines Nachprüfungsantrags zulässig ist (so KG, Beschl. v. 15.04.2002, KartVerg 3/02, VergabeR 2002, 398 ff.). Auch wenn das Gesetz für den Nachprüfungsantrag keine Wartepflicht vorsieht, geht § 107 Abs. 3 GWB ersichtlich davon aus, dass mit der Rüge der Vergabestelle vor Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens die Gelegenheit gegeben werden soll, der Rüge nachzugehen und sie gegebenenfalls im Ausschreibungsverfahren zu berücksichtigen (so Horn, Anm. zu KG, VergabeR 02, 403 f.). Das setzt aber einen zeitlichen Ablauf voraus, der dem Rügenden ohne die Gefahr eines Rechtsverlustes die sichere Möglichkeit belässt, aufgrund seiner - nicht präkludierten - Rüge das Nachprüfungsverfahren durchzuführen. Im vorliegenden Fall stand der Zuschlag unmittelbar bevor; die Antragsgegnerin hatte die Zuschlagserteilung für den 11.05.06 angekündigt. Der Antragsgegnerin standen daher allenfalls 2 volle Tage zur Verfügung, der Rüge nachzugehen und gegebenenfalls eine interne Entscheidung herbeizuführen sowie diese den Bietern mitzuteilen, mit der sich aus Sicht der Beschwerdeführerin ein Nachprüfungsverfahren erledigt hätte. Der Senat teilt die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass für sie angesichts der zeitlichen Enge ein weiteres Abwarten mit der Stellung des Nachprüfungsantrags unzumutbar war."

Der Senat hält an dieser Auffassung fest:

Soweit die Beschwerdegegnerin darauf verweist, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin nach seinen eigenen Erklärungen vor der Vergabekammer bereits am Tage der Submission davon ausgegangen sei, die Beigeladene lege ihrem Angebot Produkte der AZ GmbH zugrunde, folgt hieraus keine Kenntnis im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB, die eine unverzügliche Rüge erfordert hätte. Hierbei handelte es sich erkennbar um eine Vermutung, die darauf basierte, dass die Beigeladene nach Einschätzung der Beschwerdeführerin generell mit der AZ GmbH zusammenarbeitet. Derartige Mutmaßungen rechtfertigen eine Rügeobliegenheit nicht. Wann, wodurch und ob überhaupt sich diese spekulativen Erwägungen zu einer Kenntnis im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB verdichtet haben, bleibt letztlich unklar. Insbesondere beruft sich die Beschwerdegegnerin nicht darauf, dass bei der Verdingungsverhandlung am 05.04.06 auch die von den jeweiligen Bietern zu den Positionen 1.07 ff. und 2.00 ff. angebotenen Produkte bekannt gemacht worden seien und dass die Beschwerdeführerin bei der Eröffnung zugegen gewesen sei. Die Niederschrift ist nur von einem anderen Bieter als richtig anerkannt worden und das Protokoll weist lediglich einen Bieter aus, der sich als solcher ausgewiesen hatte. Die Beschwerdegegnerin verweist im Gegenteil selbst darauf, dass der Beschwerdeführerin bis zum 05.05.2006 nicht bekannt gewesen sei, welche Produkte einer bestimmten Typenserie die Beigeladene im Angebot unterbreitet habe. Der Senat knüpft daher weiterhin mit der Vergabekammer an den Zeitpunkt an (Ende der 18. Kalenderwoche), den die Beschwerdeführerin selbst als Zeitpunkt der Kenntnis angibt. Dabei bleibt offen, kann aber angesichts der oben skizzierten Auffassung des Senats auch dahingestellt bleiben, ob sich auch noch zu diesem Zeitpunkt die Kenntnis lediglich auf die Schlussfolgerung beschränkte, dass die Beigeladene angesichts ihres günstigeren Preises und ihrer ständigen Zusammenarbeit mit der AZ GmbH wohl deren Produkte angeboten haben müsse. Derartige spekulative Erwägungen fielen nach Ansicht des Senats nicht unter die Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3 GWB.

Der Senat teilt nicht die Ansicht der Beschwerdegegnerin, dass die Berücksichtigung der im Nachprüfungsantrag erhobenen Rüge daran scheitert, dass die Beschwerdeführerin erst mit Schreiben vom 30.05.06 der Beschwerdegegnerin gegenüber die Rüge erhoben habe. Wenn - wie im vorliegenden Fall - aufgrund der besonderen Umstände bereits der Nachprüfungsantrag vor Erhebung der Rüge gestellt werden darf, muss es genügen, dass die Vergabestelle mit dem ihr unverzüglich übermittelten Nachprüfungsantrag Kenntnis von der betreffenden Rüge erhält. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerdegegnerin liefe auf eine bloße Förmelei hinaus, die bei dem vorliegenden Sachverhalt weder vom Schutzzweck des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB geboten noch mit dem Anspruch des Bieters auf effektiven Rechtsschutz zu vereinbaren ist (siehe auch KG, VergabeR 2002, 398, 401).

Die Vergabekammer wird sich daher - gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe - mit der Frage befassen müssen, ob aus Sicht der mit der Ausschreibung angesprochenen Bieterkreise die von der Beigeladenen und den an Rangstelle 2 und 3 gesetzten Bietern zu den gerügten Positionen angebotenen Produkte die dort im Einzelnen aufgeführten Leistungskriterien erfüllen und damit als gleichwertig zu den konkret genannten Fabrikaten gewertet werden durften.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB ist der Vergabekammer zu übertragen, denn die Kostenverteilung bemisst sich danach, zu wessen Gunsten das Nachprüfungsverfahren im Endergebnis ausgeht (siehe KG, Besch. v. 31.05.2000, KartVerg 1/00, KG VergabE C-3-1/00, Rn. 33; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.04.99, Verg 1/99, OLG Düsseldorf VergabE C-10-1/99, Rn. 54).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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