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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 26.08.2002
Aktenzeichen: 1 U 15/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1357 Abs. 1
Zur Bindungswirkung von Krankenhausverträgen, die ein Ehegatte im Namen des anderen, die Krankenhausleistungen in Anspruch nehmenden, Ehegatten abschließt.
1 U 15/02

Verkündet am 26. August 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 5. August 2002 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ####### sowie die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 30. Januar 2002 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts ####### geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.069,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basis-Zinssatz nach § 1 Abs. 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes seit dem 15. November 2000 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten, einer Sozialhilfeempfängerin, Krankenhauskosten für ihre Behandlung. Die Beklagte wurde am 1. Juni 2000 im ####### als Notfall (Darmdurchbruch) in nicht ansprechbarem Zustand aufgenommen und bis zum 20. Juli 2000 behandelt, u. a. auch operiert. Ihr Ehemann unterzeichnete unter Vorlage der ####### den 'Behandlungsvertrag' am 1. Juni 2000 als 'Vertreter mit Vertretungsmacht i. S. v. § 164 BGB'.

Die Behandlungskosten - laut Rechnung vom 6. Juli 2000 13.826,10 DM - wurden weder von der Beklagten, noch der ####### (Prämien waren nicht gezahlt; außerdem Vertragsrücktritt wegen Täuschung über Vorerkrankungen) noch vom Sozialamt ####### beglichen.

Die Beklagte hat eine persönliche Zahlungspflicht bestritten. Die Krankenhaus-Einweisung sei aus Anlass eines Notfalles von ihrem Ehemann veranlasst worden. Vollmacht habe er dazu nicht gehabt. Als klar gewesen sei, dass die ####### nicht zahlen werde und auch das Sozialamt Einwendungen gegen den abgerechneten Leistungskatalog und die Sätze erhoben habe, habe der Kläger in einem Telefonat mit ihr erklärt, er werde sich selbst um die Kostenübernahme durch das Sozialamt kümmern. Danach habe sie bis zur Klageerhebung von der Sache nichts mehr gehört. Der Kläger müsse sich weiterhin an das Sozialamt ####### halten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen: Ein Vertragsschluss mit der Beklagten sei nicht erfolgt. Deren Ehemann habe zwar als Vertreter unterschrieben, er habe aber keine entsprechende (rechtsgeschäftlich erteilte) Vollmacht gehabt.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, die Vertretungsmacht des Ehemannes der Beklagten folge aus § 1357 Abs. 1 BGB. Eine medizinisch gebotene ärztliche Behandlung ohne Inanspruchnahme von Sonderleistungen sei stets eine Maßnahme zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie. Mit der Selbstzahlerrechnung von 6. Juli 2000 sei ausschließlich nach den Sätzen der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet worden, Wahlleistungen habe die Beklagte nicht in Anspruch genommen, solche seien auch nicht berechnet.

Die Beklagte verweist den Kläger nach wie vor auf das Sozialamt ####### und meint, über § 1357 Abs. 1 BGB sei es wegen Satz 2 dieser Vorschrift deshalb nicht zu ihrer Haftung gekommen, weil die Höhe der voraussichtlichen Behandlungskosten zu der schlechten wirtschaftlichen Lage der Familie außer Verhältnis gestanden habe. Außerdem bestreitet sie mit Nichtwissen, dass der Kläger ausschließlich auf der Basis der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet habe.

II.

Die Berufung ist begründet. Das Landgericht hat die Zahlungsklage zu Unrecht abgewiesen. Zwischen der Beklagten und dem Kläger ist ein Krankenhausvertrag zustande gekommen, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet ist, den streitgegenständlichen Betrag zu zahlen. Zwar hat die Beklagte den Behandlungsvertrag nicht persönlich abgeschlossen, jedoch wurde sie durch ihren Ehemann nach § 1357 Abs. 1 BGB wirksam verpflichtet. Nach § 1357 Abs. 1 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen.

Der Anwendung des § 1357 BGB steht zunächst nicht im Wege, dass der Ehemann der Beklagten ausdrücklich erklärt hat, er schließe als Vertreter im Sinne von § 164 BGB den Behandlungsvertrag ab. Bereits bezogen auf die frühere Fassung des § 1357 BGB von 1957 (BGBl. S. 610) wurde vertreten, dass die Ehefrau den Ehemann sowohl bei denjenigen Geschäften, die sie im eigenen Namen abschloss, mitverpflichten konnte, als auch den Ehemann rechtlich binden konnte, wenn sie als dessen Vertreterin auftrat, wobei sich in diesem Fall die Vertretungsmacht aus § 1357 BGB ergeben sollte (gesetzliche Vertretungsmacht; vgl. hierzu Büdenbänder, FamRZ 1976, S. 662, 666). Mit der Neugestaltung des § 1357 BGB durch das 1. Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (BGBl. 1976, S. 1422) wurde lediglich die in § 1357 BGB der Ehefrau eingeräumte Rechtsstellung auch auf den Ehemann ausgedehnt, die Wirkung von § 1357 BGB sollte ansonsten aber nicht eingeschränkt werden (vgl. Büdenbänder, aaO; Holzhauer JZ 1985, S. 684). Folglich ist davon auszugehen, dass § 1357 BGB nicht nur die Mitverpflichtung und Berechtigung des nicht handelnden Ehegatten aus solchen Verträgen beinhaltet, die der andere Ehegatte im eigenen Namen abgeschlossen hat, sondern auch ein gesetzliches Vertretungsrecht enthält, im Anwendungsbereich von § 1357 BGB Verträge im Namen des jeweils anderen Ehegatten abschließen zu können (in diesem Sinne auch BGH JZ 1985, 680; Käppler AcP 179 (1979), S. 244, 276). Die notwendige Begrenzung der gesetzlichen Vertretungsmacht ergibt sich dabei aus dem Umstand, dass nur für solche Geschäfte eine Vertretungsmacht besteht, die zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie notwendig sind.

Bei dem hier streitbefangenen Krankenhausvertrag handelt es sich um ein solches Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie. Wie der BGH (NJW 1972, S. 910) entschieden hat, ist eine medizinisch gebotene ärztliche Behandlung ohne Inanspruchnahme von Sonderleistungen unabhängig von den sonstigen bei der Anwendung des § 1357 BGB zu beachtenden einschränkenden Kriterien grundsätzlich eine Maßnahme zur angemessenen Deckung des Bedarfs der Familie. Hierbei kommt es auch nicht darauf an, ob die mit der Behandlung verbundenen erheblichen Kosten die finanziellen Möglichkeiten der Eheleute sichtlich übersteigen, was ansonsten ein Begrenzungskriterium für § 1357 Abs. 1 BGB wäre (Palandt-Brudermöller, BGB, 61. Auflage, § 1357 RdNr. 17). Werden hingegen kostspielige Wahlleistungen vereinbart, sind diese von § 1357 BGB nur erfasst, wenn sie auch den wirtschaftlichen Lebensverhältnissen der Familie entsprechen.

Im vorliegenden Fall sind jedoch keinerlei Wahlleistungen vereinbart worden. Zutreffend hat der Kläger ausschließlich entsprechend der Bundespflegesatzverordnung (BPflVO) 95 i. d. F. vom 1. Januar 2000 abgerechnet. Dem steht - anders als dies die Beklagte meint - nicht entgegen, dass die Selbstzahlerrechnung vom 6. Juli 2000 gesondert die Leistungsposition 'Teilresektion des Kolons' abrechnet. Nach § 14 Abs. 3 BPflVO können neben dem Basispflegesatz und dem Fachabteilungspflegesatz auch Sonderentgelte berechnet werden, soweit diese vom Sonderentgeltkatalog für Krankenhäuser erfasst sind. Nach Anlage 2 SG Nr. 12.6 konnte zum Zeitpunkt der hier fraglichen Krankenhausbehandlung bei einer Teilresektion des Kolons ein Sonderentgelt in Höhe von 4.066,57 DM geltend gemacht werden, was der Rechnung des Klägers vom 6. Juli 2000 exakt entspricht. Mithin hat der Kläger lediglich den Basispflegesatz und den Fachabteilungspflegesatz sowie das vorgesehene Sonderentgelt nach der Bundespflegesatzverordnung mit der Klage geltend gemacht und mithin keinerlei Wahlleistungen abgerechnet. Für derart medizinisch notwendige Ausgaben kommt es mithin, wie bereits ausgeführt, nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie an.

Eine Einschränkung für die rechtsgeschäftliche Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus §1357 Abs.1 Satz 2 BGB, wonach durch die Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie eine Berechtigung und Verpflichtung beider Ehegatten ausnahmsweise dann nicht eintritt, wenn sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Zwar ist richtig, dass der BGH aus dem unterhaltsrechtlichen Gepräge von § 1357 BGB abgeleitet hat, dass eine Mitverpflichtung selbst bei medizinisch indizierten unaufschiebbaren ärztlichen Behandlungen nicht gegeben sei, wenn die hierdurch verursachten Kosten die finanzielle Leistungsfähigkeit des in Anspruch genommenen mitverpflichteten Ehegatten überschreiten; die finanzielle Leistungsfähigkeit des mitverpflichteten Ehegatten gehöre zu den Umständen im Sinne von § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB (BGH NJW 92, 909, 910). Das durch das unterhaltsrechtliche Gepräge von 1357 BGB gebotene und in § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB verortete Merkmal der Leistungsfähigkeit des mitverpflichteten Ehegatten kann allerdings nur eingreifen, wenn es um die Mitverpflichtung desjenigen Ehegatten geht, der selbst nicht der Begünstigte und der Leistungsempfänger des Vertrages (Patient) ist. Verpflichtet hingegen der Ehegatte aufgrund der gesetzlichen Vertretungsmacht, welche § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB ihm einräumt, nur den anderen Ehegatten als Patienten, können die zusätzlichen vom Unterhaltsrecht her bestimmten Einschränkungen nicht eingreifen. Vielmehr hat es in diesen Fällen bei der Begrenzung der Vertretungsmacht allein durch die zu § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB entwickelten Kriterien zu verbleiben. Medizinisch dringend notwendige Maßnahmen sind daher in jedem Fall ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensunterhalts der Familie, zu deren Abschluss der andere Ehegatte gesetzliche Vollmacht hat, und zwar unabhängig von der Leistungsfähigkeit der Familie.

Folglich ist der Klage mit den Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO stattzugeben.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die rechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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