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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 02.12.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 362/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Der Senat vertritt nicht die Auffassung - die schon vom Gesetzeswortlaut widersprechen würde -, dass bei der Prüfung einer vorzeitigen Entlassung im Falle der Verurteilung wegen eines Verbrechens zu einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe unabhängig davon, ob eine Aussetzung überhaupt erwogen wird, immer ein Sachverständigengutachten einzuholen ist.
Oberlandesgericht Celle

1 Ws 362/02

Beschluss

In der Strafvollstreckungssache

wegen Diebstahls u. a.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer 2 bei dem Landgericht ####### vom 29. Oktober 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Oberlandesgericht ####### am 2. Dezember 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird verworfen.

Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Der Beschwerdeführer verbüßt gegenwärtig eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, zu der er neben der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und einer Fahrerlaubnissperre am 9. März 2000 vom Landgericht ####### wegen Diebstahls in elf Fällen, davon in drei Fällen im Versuch, sowie wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Verdeckung einer Straftat in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung einer wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts ####### vom 19. Februar 1998 verurteilt worden ist. Zwei Drittel dieser Strafe waren am 16. Januar 2002 verbüßt. Das Strafende ist auf den 17. September 2003 notiert. Im Anschluss daran hat er bis zum 28. Oktober 2003 noch das Restdrittel einer ursprünglich zur Bewährung ausgesetzten, wegen fortgesetzten Fahrens ohne Fahrerlaubnis verhängten Freiheitsstrafe von vier Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts ##################### vom 18. August 1995 zu verbüßen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat es die Strafvollstreckungskammer unter Berufung auf die Ausführungen in der Stellungnahme der JVA ####### vom 9. August 2002 abgelehnt, den Rest der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 9. März 2000 zur Bewährung auszusetzen. Sie war der Auffassung, dass eine bedingte Entlassung des Verurteilten zum jetzigen Zeitpunkt im Hinblick auf seine Drogenproblematik verfrüht erscheine: "Vielmehr muss der Verurteilte weiterhin an sich arbeiten und versuchen, im Rahmen des Strafvollzuges Lockerungen zu erhalten bzw. in den Freigang gelangen, wie dies von der JVA ####### in Erwägung gezogen worden ist. Jedenfalls besteht zum jetzigen Zeitpunkt die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass der Verurteilte im Falle seiner Entlassung wiederum straffällig werden wird."

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde.

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde war als unbegründet zu verwerfen.

Die Gründe des angefochtenen Beschlusses treffen zu. Das Beschwerdevorbringen greift ihnen gegenüber nicht durch.

Der Senat war in der Lage, gemäß § 309 Abs. 2 StPO in der Sache zu entscheiden. Denn der vorherigen Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen über den Beschwerdeführer gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO bedurfte es nicht. Zwar ist der Verurteilte dadurch, dass die Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren u.a. aus einer wegen tateinheitlich begangener schwerer räuberischer Erpressung verhängten Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts ####### vom 19. Februar 1998 gebildet worden ist, wegen eines Verbrechens zu einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Indes liegen die weiteren Voraussetzungen des § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO nicht vor, weil hier eine negative Prognose zu stellen, nicht aber eine vorzeitige Entlassung zu erwägen ist. Diese Beurteilung steht in Übereinstimmung mit derjenigen der Strafvollstreckungskammer, die ebenfalls bei ihrer Entscheidung nicht erwogen hat, die Reststrafe zur Bewährung auszusetzen: Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem Zusammenhang der Beschlussgründe und insbesondere dem letzten Satz der Beschlussbegründung, wo es heißt: "Jedenfalls besteht zum jetzigen Zeitpunkt die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass der Verurteilte im Falle einer Entlassung wiederum straffällig werden wird." Auch aus dem Vermerk über die am 29. Oktober 2002 erfolgte Anhörung des Verurteilten ergibt sich, dass die Strafvollstreckungskammer nicht erwogen hat, die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Die Strafvollstreckungskammer hat dem Verurteilten lediglich mit auf den Weg gegeben, er müsse im Strafvollzug weiterhin an sich arbeiten und versuchen, im Rahmen des Strafvollzuges Lockerungen zu erhalten bzw. in den Freigang zu gelangen - bevor der Prüfung einer Strafaussetzung näher getreten werden könne. Für den gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Kammer aber der Auffassung, dass eine bedingte Entlassung im Hinblick auf die Drogenproblematik des Verurteilten verfrüht erscheine. Diese Auffassung teilt der Senat.

Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von jenem, der der Entscheidung des hiesigen 2. Strafsenats - 2 Ws 269/02 - vom 22. Oktober 2002 zugrunde lag. Dort hatte die Strafvollstreckungskammer ausdrücklich erwogen, die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, dies im Ergebnis dann aber nach Abwägung aller für und gegen die Aussetzung sprechenden Gesichtspunkte davon abhängig gemacht hatte, dass der Verurteilte seine Ankündigung, drogenfrei leben zu wollen, einhält und dies durch Abgabe negativ getesteter Urinproben unter Beweis stellt.

Außerdem ist vorliegend zu bedenken, dass einem Gutachten zum jetzigen Zeitpunkt, da der Verurteilte die Abgabe von Urinproben zur Überprüfung seiner Drogenfreiheit über einen langen Zeitraum verweigert hat, die erforderlichen aktuellen Anknüpfungstatsachen, nämlich ob er tatsächlich drogenfrei lebt, fehlen würden.

Die vorliegende Entscheidung weicht somit weder von der vorbezeichneten Entscheidung des hiesigen 2. Strafsenats noch von den Senatsbeschlüssen - 1 Ws 308/02 - und - 309/02 - vom 1. November 2002 ab, in denen der Senat ebenfalls nach § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst entschieden und die sofortige Beschwerde des Verurteilten verworfen, für eine - aufgrund besonderer Umstände erst im nächsten Jahr anstehende - künftige Entscheidung allerdings darauf hingewiesen hat, dass vor einer erneuten Prüfung einer vorzeitige Entlassung die Einholung eines Gutachtens erforderlich sein dürfte. Grund für diesen Hinweis war eine Prognoseentscheidung der Strafvollstreckungskammer im angefochtenen Beschluss, die aufgrund von nur einem Sachverständigen obliegenden fachspezifischen Bewertungen von Persönlichkeitsstörungen des Verurteilten erfolgt war und dazu führte, dass die Kammer eine Strafaussetzung überhaupt nicht in Erwägung gezogen hat. Der Senat vertritt hingegen nicht die Auffassung - die schon dem Gesetzeswortlaut widersprechen würde -, dass bei der Prüfung einer vorzeitigen Entlassung im Falle der Verurteilung wegen eines Verbrechens zu einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe unabhängig davon, ob eine Aussetzung überhaupt erwogen wird, immer ein Sachverständigengutachten einzuholen ist. Einer möglichen Gefahr, dass die Strafvollstreckungskammer die Erstattung eines Gutachtens unter fälschliche Berufung auf eigene Sachkunde dauerhaft verweigert, kann durch das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde hinreichend begegnet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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