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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 12.02.2009
Aktenzeichen: 1 Ws 42/09
Rechtsgebiete: NJVollzG, StVollzG


Vorschriften:

NJVollzG § 66 Abs. 2
NJVollzG § 67 Abs. 1
StVollzG § 19 Abs. 2
1. Der Besitz von DVBT-Empfängern stellt eine die Versagung der Erlaubnis nach § 67 Abs. 1 Satz 2 NJVollzG rechtfertigende Gefahr für die Sicherheit der Anstalt dar, weil dadurch eine unkontrollierte Informationsübermittlung an den Gefangenen ermöglicht wird, die weder technisch noch durch Kontrollmaßnahmen hinreichend sicher verhindert werden kann. Entsprechendes gilt für § 19 Abs. 2 StVollzG.

2. Nach § 66 Abs. 2 Satz 1 NJVollzG hat ein Gefangener Anspruch auf die Erlaubnis zum Besitz eines eigenen Fernsehgerätes, wenn dadurch die Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht gefährdet wird und solange die Vollzugsbehörde nicht von der Möglichkeit nach § 66 Abs. 2 Satz 2 NJVollzG Gebrauch macht, den Gefangenen darauf zu verweisen, anstelle des eigenen ein von der Vollzugsbehörde überlassenes Gerät zu verwenden.

3. Neben der Anzahl der im Besitz eines Gefangenen befindlichen Gegenstände ist auch deren Größe für die Übersichtlichkeit des Haftraumes und damit die Sicherheit der Anstalt von Bedeutung. die Bildschirmdiagonale ist jedoch kein taugliches Kriterium für die Entscheidung, ab welcher Größe ein Fernsehgerät die Sicherheit der Anstalt im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 NJVollzG (§ 19 Abs. 2 StVollzG) gefährdet.


1 Ws 42/09 (StrVollz)

Beschluss

In der Strafvollzugssache

wegen Besitz eines DVBT-Empfängers und eines Flachbildfernsehers

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts H. vom 29. Oktober 2008 nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug durch die Richter am Oberlandesgericht #######, ####### und ####### am 12. Februar 2009 beschlossen:

Tenor:

1. Der angefochtene Beschluss und der Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 19. September 2008 werden aufgehoben, soweit der Antrag des Beschwerdeführers vom 18. September 2008 auf Erteilung der Erlaubnis zum Erwerb und Besitz eines Flachbildfernsehers mit einer Bildschirmdiagonale von 48 cm abgelehnt worden ist.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über diesen Antrag erneut zu entscheiden.

2. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.

3. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller. die Gebühren erster und zweiter Instanz werden um die Hälfte ermäßigt. Die dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen fallen zur Hälfte der Landeskasse zur Last. im Übrigen trägt sie der Antragsteller selbst.

4. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf bis zu 500, EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller verbüßt eine Freiheitsstrafe in der JVA S. Die Antragsgegnerin hält für die Gefangenen zur Teilnahme am Fernsehempfang eine Satellitenanlage bereit, über die 30 Programme empfangen werden können. Hierfür haben die teilnehmenden Gefangenen ein Nutzungsentgelt zu entrichten. Am 17. September 2008 beantragte der Beschwerdeführer, ihm für den Fernsehempfang die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz eines DVBT-Empfängers mit integrierter Festplatte zu gestatten. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit der Begründung ab, dass der Besitz eines DVBT-Empfängers aufgrund der bestehenden Speicherungs- und Manipulationsmöglichkeiten die Sicherheit der Anstalt gefährde. Am 18. September 2008 beantragte der Beschwerdeführer, ihm die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz eines Flachbildfernsehers mit einer Bildschirmdiagonale von 48 cm und den Außenmaßen 48 cm/39 cm/16 cm zu erteilen. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit der Begründung ab, dass nach ihrer - auf Nr. 1 NAV zu § 19 StVollzG beruhenden - Anstaltsregelung 17 nur Fernsehgeräte bis zu einer Bildschirmdiagonale von 42 cm genehmigungsfähig seien. Fernsehgeräte - auch Flachbildfernseher - mit einer größeren Bildschirmdiagonale beeinträchtigten die Übersichtlichkeit und Kontrollierbarkeit der Hafträume in einem Maße, dass dadurch die Sicherheit der Anstalt gefährdet werde. Außerdem überrage ein Fernsehgerät der beantragten Größe die im Haftraum des Beschwerdeführers vorhandenen Regalmaße und berge daher die Gefahr, bei einer Kontrolle umgestoßen und beschädigt zu werden.

Gegen beide Ablehnungsbescheide wandte sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 20. September 2009, den die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 29. Oktober 2008 als unbegründet zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

II.

Das Rechtsmittel hat zum Teil Erfolg.

1. Soweit der Antragsteller sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung der Erlaubnis zum Erwerb und Besitz eines DVBT-Empfängers wendet, ist die Rechtsbeschwerde nach § 116 Abs. 1 StVollzG unzulässig. Denn die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses ist in dieser Hinsicht weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt und entspricht überdies der Spruchpraxis des erkennenden Senats, dass der Besitz von DVBT-Empfängern eine die Versagung der Erlaubnis rechtfertigende abstrakte Gefahr für die Anstaltssicherheit darstellt, weil dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, einem Gefangenen unkontrolliert Informationen zu übermitteln, und diese Übermittlung weder technisch noch durch Kontrollmaßnahmen verhindert werden kann (so KG, Beschl. v. 19. April 2007 - 2/5 Ws 342/06 [Vollz], Leitsatz in NStZRR 2007, 327. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 5. April 2007 - 3 Ws 162/07 [StVollz] - und v. 22. November 2006 - 3 Ws 10711072/06. ebenso OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9. März 2006 - III-4 Ws 31/06 - die Untersuchungshaft betreffend). Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller ein Gerät mit Festplatte nutzen möchte, was aufgrund der kaum zu kontrollierenden Möglichkeiten zur Speicherung bereits die Versagung rechtfertigt.

Von dieser - zu § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG ergangenen - Rechtsprechung ist die Strafvollstreckungskammer bei der hier gebotenen Anwendung des inhaltsgleichen § 67 Abs. 1 Satz 2 NJVollzG zu Recht nicht abgewichen. Hierbei hat die Strafvollstreckungskammer insbesondere nicht - wie der Beschwerdeführer fälschlich rügt - einen Beurteilungsspielraum der Antragsgegnerin angenommen, sondern ist zutreffend von voller gerichtlicher Nachprüfbarkeit des Versagungsgrundes ausgegangen. Zwar hat die Strafvollstreckungskammer fehlerhaft angenommen, dass das Versagen der Erlaubnis bei Vorliegen einer Sicherheitsgefährdung im Ermessen der Antragsgegnerin stehe, während § 67 Abs. 1 Satz 2 NJVollzG in einem solchen Fall das Versagen zwingend vorschreibt ("ist zu versagen"). Dies beschwert den Antragsteller indes nicht.

Ebenso ist obergerichtlich bereits geklärt, dass die Erhebung eines Nutzungsentgelts für den Anschluss eigener Fernsehgeräte an die Satellitenanlage der Anstalt zulässig ist (vgl. OLG Jena StV 2006, 593) und dass die Versagung der Erlaubnis zum Besitz eines DVBT-Empfängers nicht das Grundrecht des Gefangenen auf Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG verletzt, da es sich bei der Regelung des § 70 Abs. 2 StVollzG - und damit auch des inhaltsgleichen § 67 Abs. 1 Satz 2 NJVollzG - um eine zulässige Inhaltsbestimmung eines Grundrechts durch den Gesetzgeber handelt und nicht um einen Eingriff in ein Freiheitsrecht (vgl. BVerfG ZfStrVo 1997, 367. OLG Celle NStZ 2002, 111). Aus dem Vortrag, dass in einer anderen Anstalt (mit anderem Sicherheitsstandard) DVBT-Empfänger zulässig seien, kann der Antragsteller keine Rechte herleiten.

2. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde dagegen zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Die angefochtene Entscheidung weicht in der Frage, ob die Bildschirmdiagonale ein taugliches Kriterium zur Beurteilung der Sicherheitsgefährdung durch ein Fernsehgerät ist, von Entscheidungen des OLG Rostock (vgl. ZfStrVo 2005, 117) und des OLG Koblenz (vgl. ZfStrVo 2005, 298) ab. Zwar sind beide Entscheidungen zu § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG ergangen, während hier § 66 Abs. 2 Satz 1 NJVollzG anzuwenden ist, so dass sich die Frage stellt, ob nach Inkraftreten des NJVollzG bei Abweichungen von der Rechtsprechung von Oberlandesgerichten anderer Bundesländer zum StVollzG dieser Zulässigkeitsgrund nicht mehr greift (so OLG Hamburg OLGSt StVollzG § 116 Nr. 4 zum HmbStVollzG). Dies kann hier jedoch offen bleiben. Denn der Senat schließt sich der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Rostock und Koblenz an. Mithin gilt es jedenfalls der Gefahr der Wiederholung des nachfolgend aufgezeigten Rechtsfehlers entgegenzuwirken.

Die Rechtsbeschwerde ist insoweit auch begründet. Der angefochtene Beschluss hält der Überprüfung auf die in zulässiger Form erhobene Sachrüge nicht Stand.

Gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 NJVollzG hat die Vollzugsbehörde den Besitz eines Fernsehgerätes im Haftraum zu erlauben, wenn dadurch die Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 NJVollzG oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht gefährdet wird. Gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 NJVollzG kann der Gefangene in der Erlaubnis darauf verwiesen werden, anstelle eigener von der Vollzugsbehörde überlassene Geräte zu verwenden. Hiernach hat ein Gefangener einen Anspruch auf die Erlaubnis zum Besitz eines eigenen Fernsehgerätes, wenn kein Versagungsgrund nach Satz 1 besteht und die Vollzugsbehörde ihn nicht nach Satz 2 auf die Verwendung eines von ihr überlassenen Gerätes verweist.

Das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung der Sicherheit der Anstalt im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 NJVollzG stellt wie dasjenige in § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, dessen Auslegung und Anwendung durch die Vollzugsbehörde der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. KG NStZRR 2004, 255. OLG Hamm ZfStrVo 1996, 119. OLG Koblenz StV 1981, 184). Die Auslegung und Anwendung dieses Rechtsbegriffs sind am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auszurichten. Danach muss die Gefahr nicht zwingend in der Person des Antragstellers konkret gegeben sein. eine Versagung ist vielmehr auch dann gerechtfertigt, wenn der Gegenstand abstrakt geeignet ist, die Sicherheit Anstalt zu gefährden, sofern diese Gefährdung nicht durch eine ordnungsgemäße Aufsicht unter Zuhilfenahme der gebotenen Kontrollmittel seitens der Justizvollzugsanstalt ausgeschlossen bzw. auf ein nicht mehr beachtliches Maß reduziert werden kann (vgl. BVerfG ZfStrVo 1997, 367. OLG Celle NStZ 2002, 111. OLG Hamm ZfStrVo 2001, 185). Der der Vollzugsbehörde zumutbare Kontrollaufwand ist dabei auch an den sonstigen Gegenständen zu messen, die der Gefangene in Besitz hat (vgl. KG a. a. O.. OLG Karlsruhe BlStVKunde 2/2001, 5) Entscheidend sind jeweils die Umstände des Einzelfalles.

Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Ansicht der Strafvollstreckungskammer, dass die von der Antragsgegnerin angeführten Argumente die Ablehnung der Erlaubnis rechtfertigen, als rechtsfehlerhaft. Soweit die Antragsgegnerin sich auf ihre - sei es auch auf Nr. 1 NAV zu § 19 StVollzG beruhende - Anstaltsregelung 17 beruft, kann diese eine auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abstellende Entscheidung nicht ersetzen. Zwar liegt es auf der Hand, dass neben der Anzahl der im Besitz des Gefangenen befindlichen Gegenstände auch deren Größe für die Übersichtlichkeit des Haftraumes und damit die Sicherheit der Anstalt von Bedeutung ist. Dementsprechend begegnet es auch keinen Bedenken, die Erlaubnisfähigkeit eines Fernsehgerätes von seiner Größe abhängig zu machen. Die von der Antragsgegnerin als Maßstab gewählte Bildschirmdiagonale ist hierfür jedoch kein taugliches Kriterium (vgl. OLG Rostock ZfStrVo 2005, 117. OLG Koblenz ZfStrVo 2005, 298). Denn für die Übersichtlichkeit des Haftraumes kommt es auf die Außenmaße des Gegenstandes an. Diese können bei einem Fernsehgerät aber je nach Breite des den Bildschirm umgebenden Rahmens bei gleicher Bildschirmdiagonale völlig unterschiedlich sein. Es ist sogar denkbar, dass ein modernes Flachbildfernsehgerät mit 48 cm Bildschirmdiagonale und einem schmalen Rahmen geringere Außenmaße hat als ein älteres Röhrengerät mit 42 cm Bildschirmdiagonale und einem breiten Rahmen.

Die auf die Bildschirmdiagonale abstellende Ablehnungsentscheidung der Antragsgegnerin kann daher keinen Bestand haben. Die als Hilfserwägung angeführte Möglichkeit der Beschädigung bei Kontrollen infolge des Überragens der Regalmaße vermag die Ablehnung ebenfalls nicht zu tragen. Abgesehen davon, dass die Regalmaße nicht festgestellt worden sind, kann dieser Gefahr durch das Obwalten der entsprechenden Vorsicht bei Durchführung der Kontrollen hinreichend begegnet werden.

Die Antragsgegnerin war deshalb zu verpflichten, über das Begehren des Antragstellers neu zu entscheiden (§ 115 Abs. 4 Satz 2 StVollzG). Der Senat kann in der Sache nicht nach § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG selbst entscheiden, weil die Sache insoweit nicht spruchreif ist. Die Frage, ab welchen Außenmaßen ein Fernsehgerät die Übersichtlichkeit des Haftraumes so beeinträchtigt, dass eine Gefahr für die Sicherheit anzunehmen ist, vermag der Senat auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts nicht zu beurteilen. Denn dies hängt auch von der Größe des Haftraumes und seiner Einrichtung, insbesondere von der Größe der zum Aufstellen des Fernsehgerätes bestimmten Konsole (vgl. OLG Koblenz a. a. O.), ab. Letztere hat die Strafvollstreckungskammer vorliegend nicht festgestellt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 4 StVollzG i. V. m. § 473 Abs. 4 StPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 1 Nr. 1 j, 52 Abs. 1, 60, 63 Abs. 3, 65 GKG.

Ende der Entscheidung

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