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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 09.06.2005
Aktenzeichen: 11 U 110/05
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB § 92
BGB § 307
BGB § 310
Die - nach dem Wortlauf der Regelung - für beide Seiten geltende Verlängerung der Kündigungsfrist eines Handelsvertreterverhältnisses im Nebenberuf in den AGB des Unternehmers auf eine Frist von 12 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres ist unzulässig.
11 U 110/05

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. C#######, den Richter am Oberlandesgericht Dr. L####### und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. W####### am 9. Juni 2005 beschlossen:

Tenor:

Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme und zu einer weitere Kosten teilweise vermeidenden Berufungsrücknahme bis zum 5. Juli 2005 gegeben.

Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sein. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg:

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung nur gegen einen Aspekt des Teilurteils des Landgerichts Bückeburg vom 24. März 2005 zu einer Handelsvertreterbeziehung, begehrt nämlich, dass die Auskunftspflicht des Beklagten aus Ziffer 1a des Urteilstenors nicht nur bis zum 31. Mai 2003 bemessen sein dürfe, sondern bis zum 31. Dezember 2003 anzudauern habe. Sie begründet dies mit Ziffer 16.1.2 des Handelsvertretervertrages der Parteien, wonach eine ordentliche Kündigung bei einer Vertragsdauer zwischen 24 und 60 Monaten nur mit einer Frist von 12 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres zulässig gewesen sei, so dass die vom Landgericht angenommene Kündigung vom 31. Mai 2002 erst zum 31. Dezember 2003 wirksam geworden sei.

II.

Mit dieser Berufung würde die Klägerin voraussichtlich nicht durchdringen. Bei der Kündigungsfristenregelung, auf die die Klägerin sich beruft, handelt es sich offenkundig um von der Klägerin vorgegebene allgemeine Geschäftsbedingungen. Als solche würde der Senat sie nicht für wirksam erachten.

Im Streitfall hat eine grundsätzlich für Handelsvertreter im Nebenberuf zulässige für Handelsvertreter und Unternehmer gleichlange Verlängerung der Kündigungsfristen stattgefunden. Diese würde der Senat dennoch als gegen den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung verstoßend und auch wegen der Ausgestaltung der Kündigungszeit gemäß den auch im kaufmännischen Verkehr anzuwendenden §§ 307, 310 BGB; vormals §§ 9, 24 AGBG zuwiderlaufend für unwirksam halten.

Die Kündigungsfrist ist - gegenüber der gesetzlichen Frist, die in § 92 HGB auf einen Monat bestimmt ist - auf bis zu 23 Monate verlängert (eine im Januar eines Jahres ausgesprochene Kündigung würde nämlich erst mit dem Ende des Folgejahres auslaufen). Dies erscheint für eine nebenberufliche Tätigkeit, bei der beide Seiten auf rasche Beendigung angewiesen sein können, insbesondere aber der nebenberufliche Handelsvertreter z.B. weil die Anforderungen des Hauptberufes oder der Hauptberuf selbst oder familiäre Umstände sich ändern können und insoweit eine flexible Reaktion erforderlich ist, als unangemessen lang und als knebelnd. Dies gilt um so mehr, als die vertraglich vorgesehene Frist um ein vielfaches länger ist als diejenige gesetzliche Frist, die in § 89 Absatz 1 HGB für den hauptberuflichen Handelsvertreter angeordnet ist. Der gesetzliche Grundgedanke, der mit § 92 HGB gerade die Möglichkeit eröffnet, ein nebenberufliches Handelsvertreterverhältnis rascher zu beenden als ein hauptberufliches, wird durch die Regelung geradezu ad absurdum geführt.

Im Streitfall hätte der Senat die Regelung der Ziffer 16.1.2 des Vertrages aber auch wegen der Verknüpfung mit Ziffer 16.3. als unwirksam erachtet. Nach dieser Bestimmung soll es der Klägerin erlaubt sein - gegen Entgelt - im Falle der ordentlichen Kündigung den Handelsvertreter von seiner Tätigkeitspflicht freizustellen, wogegen bei angemessener Vergütung an sich nichts zu erinnern ist. Unwirksam aber wird diese Bestimmung insgesamt und werden folglich die Kündigungsfristenregelungen dadurch, dass es der Klägerin nach Belieben freistehen soll, die einmal begehrte Freistellung zu widerrufen und den gekündigten Handelsvertreter - wie zu vermuten ist unter Fortfall der Karenzzahlung der Freistellungszeit - zur erneuten Tätigkeit aufzufordern. Diese einseitige dem Unternehmer eingeräumte Möglichkeit des "Sich-Umentscheidens" setzt den Handelsvertreter in eine unerträgliche Lage gegenüber seinen Kunden, denen er zunächst die Suspendierung mitteilen und bei denen er dann nach diesem Gesichts und Vertrauensverlust wieder Gegenteiliges erklären soll. Sie macht ihn gerade gegenüber den Stammkunden unmöglich und zwingt ihn gegenüber lukrativen Dauerkunden in unzumutbarer Weise zu wechselndem Verhalten. Was geschieht, wenn dabei - wie zu erwarten - das alte Entgeltniveau nicht wieder erreicht wird, bleibt gänzlich offen. Eine solche Bestimmung steht mit § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht in Einklang und ist daher auch im kaufmännischen Verkehr nicht wirksam. Wegen des Zusammenhanges dieser Regelung mit den verlängerten Fristen für die ordentliche Kündigung sind die Fristenbestimmungen insgesamt ohne geltungserhaltende Reduktion als unwirksam anzusehen.

Diese Gesichtspunkte stehen einer Anwendung der Ziffer 16.1.2 des Handelsvertretervertrages, aus der die Klägerin allein die mit der Berufung begehrte Änderung des Tenors herleiten könnte, entgegen.

Ende der Entscheidung

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