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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 21.03.2001
Aktenzeichen: 11 U 182/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Auf einen Belegarztvertrag findet § 626 Abs. 2 BGB keine Anwendung. Im Einzelfall kann die fristlose Kündigung eines Belegarztvertrages berechtigt sein, wenn ein Belegarzt eine schwangere Patientin, der er am Vormittag eine Einweisung ins Krankenhaus gegeben hatte, in der Nacht untersucht, obwohl er zuvor geringe Mengen Alkohol genossen hatte.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

11 U 182/00 6 O 419/98 LG Hannover

Verkündet am 31. Mai 2001

#######, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### , den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das am 21. Juni 2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 3. Februar 1999 abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten im Termin vom 3. Februar 1999 entstandenen Kosten, diese trägt die Beklagte vorab.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 44.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits Sicherheit vor der Vollstreckung in gleicher Höhe leistet.

Die Parteien können die Sicherheit auch durch eine schriftliche, unbefristete, unwiderrufliche, unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse leisten.

Der Wert der Beschwer für den Kläger übersteigt 60.000 DM.

Tatbestand

Der Kläger, der in ####### eine gynäkologische Praxis betrieben hatte und im Verlauf des Rechtsstreits nach ####### umgezogen ist, hatte mit der Beklagten als Trägerin des ####### unter dem 16. Dezember 1982 einen Belegarztvertrag über die ärztliche Versorgung der gynäkologisch/geburtshilflichen Abteilung dieses Krankenhauses abgeschlossen.

In § 1 dieses Vertrages war geregelt, dass der Kläger als Arzt freiberuflich im Krankenhaus tätig ist und weder in einem Arbeitsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zum Krankenhausträger steht.

Der § 14 des Vertrages lautet:

'Für die Zeit seiner Abwesenheit wegen Urlaub oder Krankheit oder bei sonstiger Verhinderung regelt er seine Stellvertretung im Einvernehmen mit dem Krankenhausträger. Dem Krankenhaus dürfen hierdurch keine Kosten entstehen. ...'

Der § 16 lautet: '1.) Das Vertragsverhältnis beginnt am 1. November 1982.

2.) Das Vertragsverhältnis endet ohne Kündigung am Ende des Vierteljahres, in dem der Arzt das 65. Lebensjahr vollendet hat.

3.) Aus wichtigem Grund kann jede Vertragspartei das Vertragsverhältnis jederzeit kündigen. Solche Gründe sind, sofern sie nicht zugleich einen wichtigen Grund im Sinne § 626 BGB darstellen, insbesondere:

a) eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Grundlage des Krankenhauses, die Einstellung, Umstellung oder erhebliche Umgestaltung des Krankenhausbetriebes;

b) erhebliche, den Krankenhausbetrieb in seinem Bestand hemmende, gefährdende oder schädigende Umstände, die in der Person des Arztes liegen, und zwar auch dann, wenn ihn kein Verschulden trifft (Nachlassen der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, langandauernde Erkrankung oder dergleichen);

c) eine erhebliche Verletzung der Vertragspflichten trotz schriftlicher Ermahnung;

d) ein Verstoß gegen die nach der Präambel vorausgesetzte dienstliche und außerdienstliche Haltung, vor allem auch der Austritt aus der Evangelischen Kirche, nicht evangelische Trauung und nicht evangelische Kindererziehung.

4. Vertragsänderungen bedürfen der Schriftform; mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen.'

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die bei den Akten befindliche Kopie des Vertrages verwiesen (Bd. I Bl. 17 - 21 d. A.).

Der ärztliche Vertreter für die Belegarzttätigkeit des Klägers, Herr Dr. med. #######, hatte die Vertretung gekündigt. Ein Vertreter für die belegärztliche Tätigkeit des Klägers stand im Juli 1998 nicht zur Verfügung.

Den Belegarztvertrag hat die Beklagte durch ein von ihrem Verwaltungsdirektor ####### unterzeichnetes Schreiben vom 20. Juli 1998 fristlos gekündigt mit der Begründung, der Kläger habe am 17. Juli 1998 um 0:00 Uhr (gemeint war wohl 24:00 Uhr) die Patientin ####### in einem stark alkoholisierten Zustand mit deutlich sichtbaren Gehstörungen, Artikulationsschwierigkeiten und einem ausgeprägten foetor alkoholicus behandelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die bei den Akten befindliche Kopie des Schreibens verwiesen (Bd. I Bl. 22 d. A.).

Der Kläger hat dieser Kündigung unter dem 30. Juli 1998 widersprechen lassen und dabei unter anderem gerügt, dass dem Kündigungsschreiben keine Vollmachtsurkunde beigefügt war (Bd. I Bl. 25 - 28 d. A.). Daraufhin hat die Beklagte mit Schreiben vom 3. August 1998, das vom Vorstandsvorsitzenden der Beklagten unterzeichnet ist, den Belegarztvertrag erneut fristlos gekündigt und zugleich die fristlose Kündigung vom 20. Juli 1998 bestätigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die bei den Akten befindliche Kopie des Schreibens verwiesen (Bd. I Bl. 23 f. d. A.).

#######, die eine Patientin des Klägers war, hatte sich am Vormittag des 17. Juli 1998 in die Praxis des Klägers begeben, da sie unter Schwangerschaftserbrechen litt. Der Kläger hatte ihr, nachdem er sie untersucht und ihr ein Medikament verordnet hatte, eine Einweisung in das ####### ausgehändigt mit dem dringenden ärztlichen Rat, sich stationär in diesem Krankenhaus aufnehmen zu lassen. ####### hatte diesen ärztlichen Rat zunächst abgelehnt.

Im Verlauf des späten Abends des 17. Juli 1998 begab sich ####### dann doch in das ####### -Krankenhaus, da sie nun auch unter Blutungen litt und um das Leben ihres noch nicht geborenen Kindes fürchtete. Der Kläger erschien gegen Mitternacht in dem ####### -Krankenhaus, wobei zwischen den Parteien sowohl die Umstände der Information des Beklagten als auch das Verhalten und die Untersuchungshandlungen des Klägers streitig sind.

Über angebliche Fehlleistungen des Klägers waren in den Jahren vor 1998 Berichte in den Medien erschienen. Insbesondere in der örtlichen Presse wurde über vermeintliche Fehlleistungen des Klägers umfangreich berichtet. Wegen der Einzelheiten wird auf die bei den Akten befindlichen Kopien der Zeitungsartikel (Bd. I Bl. 102 - 182 d. A.) verwiesen.

Mit Erlass vom 7. Dezember 1998 teilte das ####### für Frauen, Arbeit und Soziales der Beklagten mit, dass beabsichtigt sei vorzuschlagen, die Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im #######-Krankenhaus, deren Schließung für erforderlich gehalten werde, aus dem niedersächsischen Krankenhausplan herauszunehmen und dass die Bettenänderung zum 1. Januar 1999 umgesetzt werden könnte (Kopie Bd. II Bl. 287 f. d. A.). Unter dem 11. Dezember 1998 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Kopie des Erlasses des ####### und kündigte den mit ihm geschlossenen Belegarztvertrag zum 30. Juni 1999 (Kopie Bd. I Bl. 62 d. A.). Mit Erlass vom 16. Dezember 1998 (Bd. I Bl. 59 - 61 d. A.) stellte das ####### für Frauen, Arbeit und Soziales fest, dass das von der Beklagten betriebene ####### -Krankenhaus in den niedersächsischen Krankenhausplan aufgenommen worden sei und die Bettenumwidmung in der Gynäkologie und Geburtshilfe auf Grund des entsprechenden Antrages der Beklagten nicht bereits zum 1. Januar 1999, sondern erst zum 1. Juli 1999 vorzunehmen sei.

Der Kläger hatte der Kündigung vom 11. Dezember 1998 mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18. Dezember 1998 (Bd. I Bl. 303 ff. d. A.) widersprochen, woraufhin die Beklagte diese Kündigung sowohl mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 (Bd. I Bl. 64 f. d. A.) unter Hinweis auf den Erlass des ####### vom 16. Dezember 1998 als auch mit Schreiben vom 1. Februar 1999 bestätigt hat (Bd. I Bl. 97 f. d. A.).

Die Beklagte hatte zuvor die Rechtsanwälte ####### um eine gutachterliche Stellungnahme gebeten, ob ein Widerspruch bzw. ein Klageverfahren gegen den Erlass des ####### für Frauen, Arbeit und Soziales vom 16. Dezember 1998 Aussicht auf Erfolg hätte. Die Rechtsanwälte ####### rieten von einer Klageerhebung ab. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die bei den Akten befindliche Kopie der Stellungnahme der Rechtsanwälte ####### , ####### verwiesen (Bd. II Bl. 439 - 449 d. A.).

Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Belegarztvertrag durch die Kündigungen vom 20. Juli 1998 und 3. August 1998 nicht beendet worden sei, sondern weiterhin fortbestehe. Diesem Begehren hat das Landgericht mit Versäumnisurteil vom 3. Februar 1999 (Bd. I Bl. 68 d. A.), gegen das die Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt hat, stattgegeben.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die lediglich vom Verwaltungsdirektor des ####### -Krankenhauses unterzeichnete Kündigung vom 20. Juli 1998 sei nach § 174 BGB unwirksam, da ihr eine Vollmacht nicht beigefügt worden war. Die ihm unstreitig erst am 4. August 1998 zugegangene Kündigung vom 3. August 1998 sei wegen Versäumung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ebenfalls unwirksam.

Der Kläger hat bestritten, seine Patientin ####### gegen Mitternacht am 17. Juli 1998 in stark alkoholisiertem Zustand mit deutlichen Anzeichen von Alkoholgenuss behandelt zu haben. Er hat behauptet, am Abend des 17. Juli 1998 lediglich eine geringe Menge Wein zu sich genommen zu haben. Die Kündigungen vom 20. Juli 1998 und 3. August 1998 seien auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte ihn während der gesamten Dauer des Belegarztvertrages zuvor noch nie wegen Behandlungen von Patienten in alkoholisiertem Zustand, die er im Übrigen auch nicht vorgenommen habe, abgemahnt habe.

Der Kläger hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 3. Februar 1999 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 3. Februar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass sowohl die Kündigung vom 20. Juli 1998 als auch die Kündigung vom 3. August 1998 wirksam sei. Der Kläger habe die Kündigung vom 20. Juli 1998 nicht unverzüglich wegen fehlender Vollmacht zurückgewiesen. Die Vorschrift des § 626 Abs. 2 BGB sei auf einen Belegarztvertrag nicht anwendbar. Die Beklagte hat behauptet, der Kläger sei bei der Behandlung der Patientin ####### am 17. Juli 1998 stark angetrunken gewesen und habe Ausfallerscheinungen aufgewiesen. Seine Sprache sei verwaschen, sein Gang unsicher gewesen und er habe eine Alkoholfahne gehabt. Im Hinblick auf die Medienberichte und den damit verbundenen Ansehensverlust des Klägers und des Krankenhauses habe sie die fristlose Kündigung des Belegarztvertrages aussprechen dürfen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass spätestens die von ihr unter dem 11. Dezember 1998 ausgesprochene Kündigung mit Bestätigungen vom 23. Dezember 1998 und 1. Februar 1999 den Belegarztvertrag zum 30. Juni 1999 wirksam beendet hätten, da mit der Schließung der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe die Geschäftsgrundlage für diesen Vertrag entfallen sei.

Die Beklagte hat beantragt,

hilfsweise, im Wege der Widerklage festzustellen,

dass die Kündigung des Belegarztvertrages der Parteien vom 16. Dezember 1982 durch die Beklagte vom 11. Dezember 1998 mit Bestätigungen vom 23. Dezember 1998 und 1. Februar 1999 zum 30. Juni 1999 wirksam sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Hilfswiderklage unzulässig sei, weil die Beklagte ihn damit hindere, wegen der zu Grunde liegenden Kündigungen selbst eine negative Feststellungsklage zu erheben.

Der Kläger hat weiter die Ansicht vertreten, dass die Hilfswiderklage unbegründet und der Belegarztvertrag nicht zum 30. Juni 1999 beendet sei. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf die Schließung der gynäkologischen Abteilung berufen, da sie die nicht ausreichende Auslastung der Betten selbst zu vertreten habe. Trotz mehrfacher Mahnung habe die Beklagte nicht dafür gesorgt, dass die Abteilung den Anforderungen des medizinischen Standards entspreche.

Das Landgericht hat gemäß prozessleitenden Verfügungen vom 30. August 1999 (Bd. III Bl. 488 ff. d. A.), 9. September 1999 (Bd. III Bl. 527 d. A.) und vom 21. September 1999 (Bd. III Bl. 543 d. A.) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 6. September 1999 (Bd. III Bl. 497 - 511 d. A.), vom 29. November 1999 (Bd. III Bl. 548 - 551 d. A.) und vom 5. April 2000 (Bd. III Bl. 577 - 579 d. A.) Bezug genommen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht unter teilweiser Abänderung des Versäumnisurteils vom 3. Februar 1999 sowohl der Klage als auch der Widerklage stattgegeben. Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, dass der Belegarztvertrag vom 16. Dezember 1982 nicht durch die Kündigungen vom 20. Juli 1998 und vom 3. August 1998 beendet worden sei. Die Beklagte habe nicht bewiesen, dass sie berechtigt gewesen sei, den Belegarztvertrag nach Abwägung der beiderseitigen Parteiinteressen aus wichtigem Grund zu beenden. Auf Grund der Beweisaufnahme habe sich nicht feststellen lassen, dass der Kläger in der Nacht vom 17. zum 18. Juli 1998 so stark unter Alkoholeinfluss gestanden habe, dass er nicht in der Lage gewesen sei, die Patientin ####### ordnungsgemäß zu untersuchen und zu behandeln. Auch im Hinblick auf die Presseveröffentlichungen sei die Beklagte berechtigt gewesen, den Belegarztvertrag fristlos zu kündigen. Das Landgericht hat allerdings die Hilfswiderklage der Beklagten für begründet erachtet. Die Beklagte sei nämlich nach § 16 Nr. 3 a des Belegarztvertrages vom 16. Dezember 1982 berechtigt gewesen, den Vertrag zu kündigen. Diese Bestimmung sehe vor, dass jede Vertragspartei das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund kündigen könne und ein solcher Grund insbesondere dann vorliege, wenn eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Grundlagen des Krankenhauses eingetreten sei. Dies sei hier im Hinblick auf den Erlass des ####### für Frauen, Arbeit und Soziales vom 16. Dezember 1998 erfolgt.

Gegen dieses Urteil, auf das zur näheren Sachdarstellung verwiesen wird, richten sich die selbstständigen Berufungen des Klägers und der Beklagten.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen erster Instanz. Er weist darauf hin, dass der Erlass des Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales vom 16. Dezember 1998 keine Schließung der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie des Krankenhauses der Beklagten beinhalte, sondern vielmehr lediglich die Betten dieser Abteilung nicht mehr in den Krankenhausbedarfsplan aufgenommen worden sind. Er behauptet, dass die wirtschaftlichen Argumente der Beklagten lediglich vorgeschoben seien. Dies folge daraus, dass die belegärztlichen Abteilungen für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde und Urologie mit jeweils vier bzw. acht Betten im Krankenhaus der Beklagten beibehalten worden seien. Es sei seit mehreren Jahren üblich gewesen, die nicht belegten Betten der gynäkologischen Station mit Patienten anderer Fachrichtungen zu belegen. Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung weiterhin geltend macht, dass der Kläger die Patientin ####### in alkoholisiertem Zustand untersucht habe, bestreitet der Kläger dies auch in zweiter Instanz. Er ist der Ansicht, dass die erstinstanzliche Beweisaufnahme ergeben habe, dass er lediglich am frühen Abend des 17. Juli 1998 zwei Glas Wein getrunken habe.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Hannover die Widerklage der Beklagten abzuweisen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Versäumnisurteil des Landgerichts Hannover vom 3. Februar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen;

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Beide Parteien beantragen die besondere Form der Sicherheitsleistung.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz. Die Beklagte ist der Ansicht, dass auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme bewiesen sei, dass der Kläger in alkoholisiertem Zustand die Patientin ####### untersucht habe. Da der Kläger mit seiner Inanspruchnahme durch die Patientin ####### hätte rechnen müssen, hätte er sich darauf einrichten müssen und am Abend des 17. Juli 1998 keinen Alkohol zu sich nehmen dürfen. Dies gelte insbesondere deswegen, weil der Kläger keinen Vertreter zur damaligen Zeit gehabt habe. Unter Berücksichtigung der Medienberichte sei es der Beklagten nicht zumutbar gewesen, den Belegarztvertrag weiter aufrecht zu erhalten. Durch den Erlass des Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales vom 7. Dezember 1998 sei ein etwaiger Anspruch auf Förderung nach § 8 Abs. 1 KHG für die Betten der gynäkologischen Station entfallen. Hierdurch sei auch die Möglichkeit entfallen, für Patientinnen, die Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung waren, eine stationäre Behandlung anzubieten. Durch den medizinischen Fortschritt gehöre es heute zum Standard, dass einer geburtshilflichen Abteilung eines Krankenhauses eine pädiatrische Abteilung angeschlossen sei. Es müsse sichergestellt werden, dass bei Erkrankungen eines Kindes unmittelbar nach der Geburt dieses sofort von einem Pädiater betreut werden könne.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet; dagegen ist die zulässige Berufung der Beklagten begründet. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Belegarztvertrag der Parteien jedenfalls durch die Kündigung der Beklagten vom 3. August 1998 beendet worden.

1. Es kann dahinstehen, ob der Belegarztvertrag der Parteien bereits durch das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 20. Juli 1998, das vom Verwaltungsdirektor der Beklagten unterzeichnet worden ist und dem keine Vollmachtsurkunde beigefügt war, wirksam beendet worden ist. Nach § 164 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das von einem Bevollmächtigten vorgenommen wird, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde vorlegt und der andere Vertragspartner das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.

a) Bei der Kündigung des Belegarztvertrages handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, somit um ein einseitiges Rechtsgeschäft im Sinne von § 174 BGB. Der Verwaltungsdirektor ####### der Beklagten ist kein gesetzlicher Vertreter der Beklagten, sodass auf ein Handeln des Verwaltungsdirektors grundsätzlich § 174 BGB Anwendung findet. Die Zurückweisung der Kündigung vom 20. Juli 1998 durch den Klägers erfolgte mit Schreiben vom 30. Juli 1998, in dem ausdrücklich gerügt worden ist, dass eine Vollmachtsurkunde der Kündigungsschreiben nicht beigefügt war. Diese Zurückweisung der Kündigung innerhalb von 10 Tagen ist unverzüglich im Sinne des Gesetzes.

b) Fraglich ist jedoch, ob das Zurückweisungsrecht des Klägers nicht gemäß § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen war. Es ist anerkannt, dass in den Fällen, in denen der Vertreter in eine Stellung berufen wurde, die üblicherweise mit einer entsprechenden Vollmacht ausgestattet ist, dies einer Mitteilung der Bevollmächtigung im Sinne von § 174 Satz 2 BGB gleichsteht (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 174 Rdnr. 4 m. w. N.). So besteht kein Zurückweisungsrecht bei Kündigung eines Arbeitsvertrages durch den Leiter einer Personalabteilung oder gegen eine Kündigung, die von einem Prokuristen unterzeichnet wurde. Die Stellung eines Verwaltungsdirektors einer Klinik könnte mit den beiden genannten Gruppen durchaus vergleichbar sein, sodass schon in diesem Fall ein Zurückweisungsrecht des Klägers nicht bestehen würde.

2. Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es jedoch nicht, da jedenfalls das Schreiben der Beklagten vom 3. August 1998, mit dem die Kündigung des Belegarztvertrages wiederholt wurde, vom Vorstandsvorsitzenden der Beklagten und damit von dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten unterzeichnet worden ist.

a) Diese Kündigung ist nicht im Hinblick auf § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Nach § 626 Abs. 2 BGB kann eine Kündigung eines Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat.

Ebenso wie das Landgericht ist der Senat der Ansicht, dass diese speziell für den Dienstvertrag geschaffene Kündigungsschutzfrist auf Belegarztverträge nicht anwendbar ist. Bei einem Belegarztvertrag handelt es sich um einen Dauervertrag atypischen Inhalts, auf den grundsätzlich die für Dauerverträge des Bürgerlichen Gesetzbuches getroffenen Kündigungsbestimmungen der §§ 553, 626, 723 BGB entsprechend anzuwenden sind, wenn nicht im Einzelfall etwas Anderes bestimmt ist (BGH, NJW 1972, 1128, 1129; BGH, (Nichtannahme-) Beschluss vom 26. Februar 1987 - III ZR 164/85 -; BGH, (Nichtannahme-) Beschluss vom 22. Januar 1987 - III ZR 67/86 -). Die Kündigungsbestimmungen der anderen im Gesetz geregelten Dauerverträge enthalten eine entsprechende absolute Zeitgrenze im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB nicht, sodass eine Kündigung des Belegarztvertrages aus wichtigem Grund auch noch nach Ablauf der Zweiwochenfrist möglich ist. Bei einem Belegarztvertrag treten die dienstvertraglichen Elemente eher in den Hintergrund. Der Belegarzt eines Krankenhauses bedarf nicht in dem Maße des Schutzes wie ein 'normaler' Arbeitnehmer dieses Krankenhauses.

Die fristlose Kündigung des Belegarztvertrages der Beklagten vom 3. August 1998 ist nicht im Hinblick auf § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

b) Unberührt hiervon bliebe allerdings die Grenze der Verwirkung im Sinne des § 242 BGB. Ein Krankenhaus ist nicht berechtigt, Kündigungsgründe gewissermaßen zu sammeln oder erst nach dem Verstreichen einer längeren Zeitspanne eine Kündigung aus wichtigem Grund auszusprechen.

Im vorliegenden Fall ist die fristlose Kündigung der Beklagten dem Kläger unstreitig am 4. August 1998 - mithin weniger als drei Wochen nach dem Vorfall - zugegangen. Das Kündigungsrecht der Beklagten war nicht verwirkt.

3. Der Belegarztvertrag konnte von der Beklagten ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder zur Unzeit nur gekündigt werden, wenn ihr ein wichtiger Grund zur Seite stand. Ein wichtiger Grund ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beidseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages für den Kündigenden unzumutbar machen (BGH NJW 1999, 1177, 1178; Palandt/Heinrichs, a. a. O., Einl. vor § 241 Rdnr. 19 m. w. N.). Ein derartiger Kündigungsgrund steht der Beklagten zur Seite.

Der Kläger hat nach seinem eigenen Vortrag seine Patientin ####### am Vormittag des 17. Juli 1998 untersucht und behandelt. Die Zeugin hatte den Kläger wegen Schwangerschaftsbeschwerden in seiner Praxis aufgesucht. Der Kläger hatte ihr ein Medikament verordnet und ihr eine Einweisung in seine Belegarztstation im Krankenhaus der Beklagten gegeben. Zwar hatte die Patientin ####### sich zunächst dagegen entschieden, sich stationär in dem Krankenhaus der Beklagten aufnehmen zu lassen. Der Kläger musste jedoch damit rechnen, dass seine Patientin ####### sich im Verlaufe des 17. Juli 1998 anders entschließen würde oder müsste. Zum einen ist es durchaus vorstellbar, dass eine schwangere Frau, die von dem behandelnden Gynäkologen eine Krankenhauseinweisung bekommen hat, nach Rücksprache mit ihrem Ehemann sich dann doch ins Krankenhaus begibt, um weitere Gefahren für sich und das Kind möglichst zu minimieren. Ohne Weiteres denkbar ist es auch, dass sich bestehende Schwangerschaftsbeschwerden - sei es objektiv oder auch nur subjektiv - so verschlimmern, dass eine Patientin sich im Verlaufe des Tages umentscheidet und nunmehr den dringenden ärztlichen Rat auf stationäre Behandlung akzeptiert.

Der Kläger wusste, dass ein ärztlicher Vertreter für seine Belegarzttätigkeit nicht zur Verfügung stand. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass Herr Dr. #######, der zunächst Vertreter des Klägers gewesen war, seine Vertretung gekündigt hatte. Nach § 14 des Belegarztvertrages hatte der Kläger seine Stellvertretung selbst zu regeln. Diese Vertretung hatte lediglich im Einvernehmen mit der Beklagten zu geschehen.

Unstreitig hat der Kläger am Abend des 17. Juli 1998 Alkohol zu sich genommen. Auf Grund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht weiter fest, dass der Kläger bei der Untersuchung der Patientin ####### im Krankenhaus der Beklagten eine Alkoholfahne hatte. Der Senat verweist insoweit auf die Gründe der landgerichtlichen Entscheidung, die der Senat teilt und sich zu Eigen macht.

Der Kläger hätte sich jeglichen Alkoholgenusses am 17. Juli 1998 enthalten müssen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Berichte über den Kläger in den örtlichen Medien. Im Interesse des Ansehens des von der Beklagten betriebenen Krankenhauses musste der Kläger alles unterlassen, was zu weiteren negativen Pressemitteilungen hätte führen können. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, der Kläger hatte seiner Patientin am Vormittag dieses Tages eine Einweisung in das Krankenhaus der Beklagten gegeben, hätte der Kläger deshalb am 17. Juli 1998 keinen Alkohol trinken dürfen oder aber hätte, wenn er Alkohol genossen hatte, die Behandlung der Patientin ####### ablehnen müssen und dafür Sorge tragen müssen, dass die Patientin in ein anderes Krankenhaus verlegt worden wäre. Angesichts des Krankheitsbildes wäre eine Verlegung der Patientin ####### in ein Krankenhaus mit gynäkologischer Abteilung nach ####### oder nach ####### zweifelsfrei möglich gewesen.

Der Senat ist daher unter Berücksichtigung der Abwägung der Interessen der Parteien davon überzeugt, dass die Beklagte berechtigt war, den Belegarztvertrag außerordentlich zu kündigen. Dabei ist auch berücksichtigt worden, dass der Belegarztvertrag der Parteien bereits im Dezember 1982 geschlossen wurde. Er bestand somit schon über eine lang andauernde Zeit. Nach dem Vortrag des Klägers erzielte er aus seiner Tätigkeit als Belegarzt auch nicht unerhebliches Einkommen. Dennoch führt eine Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, dass die fristlose Kündigung der Beklagten berechtigt war, weil der Beklagten eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger auf Grund seines Erscheinungsbildes während der Behandlung der Patientin ####### in Verbindung mit den vorangegangenen Zeitungsberichten über den Kläger in Wahrung ihrer berechtigten Interessen als Krankenhausträgerin nicht länger zumutbar war.

4. Da die Kündigung der Beklagten vom 3. August 1998 wirksam war, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Kündigung der Beklagten vom 11. Dezember 1998 mit Bestätigungen vom 23. Dezember 1998 und 1. Februar 1999 wirksam war. Einer Entscheidung über die Hilfswiderklage der Beklagten bedurfte es nicht mehr. Angesichts des Wortlauts des § 16 des Belegarztvertrages spricht jedoch viel dafür, dass die Beklagte im Hinblick auf den Erlass des ####### Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales vom 16. Dezember 1998 zu jener Kündigung berechtigt war.

5. Demgemäß war auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil abzuändern, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Berufung des Klägers war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 344, § 97 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen finden ihre Stütze in § 708 Ziff. 10, § 711, § 546 Abs. 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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