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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 29.08.2002
Aktenzeichen: 11 U 287/01
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 88
1. Die Verjährungsfrist kann im Handelsvertretervertrag wirksam auf 6 Monate verkürzt werden, wenn diese Frist erst im Anschluss an gesetzliche Ausschlussfristen läuft (Abgrenzung zum Senatsurteil 11 U 247/99 v. 23. August 2001).

2. Eine Verkürzung der Verjährungsfrist in AGB eines Handelsvertretervertrages, der während der laufenden Geschäftsbeziehung geschlossen wird, wirkt ohne ausdrückliche Regelung nicht auf ältere Ansprüche zurück.


11 U 287/01

Verkündet am 29. August 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das Teilurteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 29. August 2001 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an das Finanzamt ####### 14.397,02 € (28.158,12 DM) nebst 5 % Zinsen auf 13.195,87 € (25.808,88 DM) seit dem 18. August 2000 und auf weitere 1.201,15 € (2.349,24 DM) seit dem 9. Mai 2001 zu zahlen. Hinsichtlich eines Betrages von 18,11 € (35,42 DM) und hinsichtlich des weiter gehenden Zinsanspruches wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, über die dem Kläger zustehenden Provisionen abzurechnen, die sich aus der eigenen Vermittlung von Geschäften sowie der Vermittlung von Geschäften durch die vom Kläger betreuten Handelsvertreter im Zeitraum April 2000 bis Juli 2000 ergeben sowie dem Kläger Buchauszug über alle Geschäfte zu erteilen, die die Beklagte zwischen dem 1. April 2000 und dem 31. Juli 2000 auf Vermittlung des Klägers oder eines von Kläger betreuten Handelsvertreters abgeschlossen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Die Entscheidung über die Kosten erster Instanz bleibt dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer keiner der Parteien erreicht 20.000 €.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem beendeten Handelsvertreterverhältnis. Das Landgericht hat die beklagte Prinzipalin zur Zahlung restlicher Mehrwertsteuer auf bereits gezahlte Provisionen an eine vom klagenden Handelsvertreter benannte Finanzbehörde verurteilt und die beklagte Prinzipalin im Übrigen als verpflichtet angesehen, dem Kläger gegenüber über die in der Zeit zwischen dem 1. April 2000 und dem 31. Juli 2000 durch ihn bzw. die von ihm betreuten Handelsvertreter vermittelten Verträge abzurechnen.

Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Die Beklagte meint, schon die Klage sei unzulässig gewesen, der Kläger habe bei Klageerhebung unter der im Rubrum angegebenen Anschrift mit Zustellungen nicht mehr erreicht werden können. Zu Unrecht habe das Landgericht der erhobenen Rüge kein Gewicht beigemessen.

Die Mehrwertsteuerforderungen des Klägers erachtet die Beklagte als verjährt und erhebt neuerlich die vom Landgericht gemäß § 296 a ZPO zurückgewiesene Verjährungseinrede. Zudem habe der Kläger seine Umsatzsteuerpflicht für die Jahre 1997 und 1998 nicht hinreichend nachgewiesen.

Soweit der Kläger Abrechnung bzw. einen Buchauszug fordere, erhebt die Beklagte ebenfalls die Einrede der Verjährung. Auf Grund der Klausel in Ziffer 10 des Handelsvertretervertrages von Oktober 1999 sei die Verjährung wirksam auf 6 Monate verkürzt worden.

Schließlich seien etwaige Ansprüche auf Provision für die Zeit von April 2000 bis Juli 2000 verwirkt. Der Kläger habe Eigengeschäft in dieser Zeit nicht mehr vermittelt. Er habe ab März/April 2000 mit einem Konkurrenzunternehmen zusammen gearbeitet und habe versucht, Handelsvertreter abzuwerben. Die ihm innerhalb der Vertriebsorganisation unterstellte Struktur habe er vernachlässigt, weshalb die Umsätze eingebrochen seien. Soweit das Landgericht gemeint habe, dieses Vorbringen lasse keine erheblichen Vertragswidrigkeiten des Klägers erkennen, sei das unzutreffend. Soweit das Landgericht dem Kläger Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB n. F. zuerkannt habe, habe es übersehen, dass dies voraussetze, dass die Forderungen des Klägers insgesamt vor dem 1. Mai 2000 fällig geworden seien.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Teilurteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er erweitert und vertieft - teilweise unter Zitierung des Senatsurteils vom 23. August 2001, 11 U 247/99 zur Verjährungsfrage - sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat bis auf einen Teil der Hauptforderung in Höhe von 35,42 DM und eine Zuvielforderung hinsichtlich der Zinsen keinen Erfolg.

1. Die gegen die beiden landgerichtlichen Verurteilungsaussprüche erhobene Zulässigkeitsrüge greift nicht durch. Sie ist schon in der Sache nicht ausreichend begründet. Selbst wenn der Kläger bei Klageerhebung unter der in der Klage angegebenen Anschrift für förmliche Zustellungen nicht mehr erreichbar gewesen sein sollte und dies der Zulässigkeit der Klage tatsächlich entgegen gestanden hätte, ist dieser Mangel durch die überreichte Bescheinigung der Gemeinde Samerberg vom 12. März 2002 (GA 126), in welcher eine neue Anschrift in Österreich benannt ist, geheilt. Die Beklagte teilt weder mit, noch rügt sie, dass der Kläger unter dieser Anschrift ebenfalls für Zustellungen nicht zu erreichen sei.

2. Soweit die Beklagte den vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen auf Zahlung von Mehrwertsteuer die Einrede der Verjährung entgegen hält, dringt sie damit überwiegend nicht durch. Die Beklagte beruft sich insoweit auf Ziffer 10 des zwischen den Parteien geschlossenen Handelsvertretervertrages, wonach alle Ansprüche aus dem Vertrage in 6 Monaten nach Fälligkeit verjähren, spätestens gerechnet von der Erlangung der Kenntnis des Berechtigten von den Umständen, die die Entstehung des Anspruchs rechtfertigen bzw. von dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf Grund einer zwingenden gesetzlichen Ausschlussfirst hätte geltend gemacht werden müssen an.

Für diese Klausel lässt sich, anders als in der Sache 11 U 247/99, in der die 6-Monatsfrist ab Kenntnis auch bezüglich Ansprüchen angeordnet war, die einer Ausschlussfrist unterliegen, nicht generell sagen, dass sie unwirksam ist. In Abgrenzung zu der anderen Sache erscheint die im Streitfall verwendete Klausel als wirksam, weil sie sich ohne weiteres dahin verstehen lässt, dass bei Ansprüchen, die innerhalb einer bestimmten Ausschlussfrist angemeldet werden müssen (insbesondere bei dem Ausgleichsanspruch) noch eine 6 Monate länger dauernde Verjährung nach Ende der Ausschlussfrist vorgesehen ist.

Gleichwohl greift die vereinbarte Verjährungsfrist für den überwiegenden Teil der Provision nicht, weil sie erst Ende September bzw. am 1. Oktober 1999 vereinbart worden ist. Zu diesem Zeitpunkt waren von den nunmehr verlangten Mehrwertsteuerdifferenzen bereits die wesentlichen Teilansprüche entstanden. Dass die Vertragsklausel auch auf Altansprüche Anwendung finden sollte, ergibt ihr Text nicht. Ein solcher Inhalt kann ihr bei der Auslegung als AGB auch nicht zugemessen werden. Dementsprechend verjährten die Altforderungen auf Mehrwertsteuer in einer Frist von 4 Jahren (§ 88 HGB) gerechnet vom Schluss des Jahres an, in dem sie fällig geworden sind. Die älteste Mehrwertsteuerdifferenz datiert aus dem Oktober 1996. Verjährt war sie mithin am 31. Dezember 2000. Hinsichtlich des Betrages von 35,42 DM aus 10/96 erweist sich die Klageerhebung vom 8. Februar 2001, nachdem eine frühere Unterbrechungshandlung nicht vorgetragen ist, somit als verspätet. Im Übrigen sind die Ansprüche auf Zahlung von Mehrwertsteuerdifferenzen von Januar 1997 bis September 1999 nach Maßgabe des § 88 HGB mithin nicht verjährt.

Auch hinsichtlich der Mehrwertsteuerdifferenzen aus den Monaten Oktober 1999 bis März 2000, auf welche die vertragliche Verjährungsabkürzung, die die Parteien vereinbart haben, nach dem Vorstehenden anzuwenden sein dürfte, lässt sich eine Verjährung nicht feststellen. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger die Kenntnis von den Ansprüchen innerhalb von 6 Monaten vor dem 8. Februar 2001, dem Tag der Klageeinreichung, erhalten haben müsste. Dies würde voraussetzen, dass die Provisionsabrechnungen der Beklagten, aus denen sich erst ersehen ließ, dass zuwenig Mehrwertsteuer gezahlt wurde, ihm länger als 6 Monate vor der Klageeinreichung bekannt geworden sein müssten. Hierzu trägt die Beklagte, der insofern die Darlegungs- und Beweislast obliegt, nichts vor.

Im Ergebnis sind daher die Mehrwertsteuernachforderungen bis auf den Betrag von 35,42 DM aus dem Abrechnungsmonat 10/1996 nicht verjährt.

3. Soweit die Beklagte den Mehrwertsteuerforderungen für die Jahre 1997 und 1998 entgegen hält, der Kläger habe seine Umsatzsteuerpflicht nicht hinreichend nachgewiesen, greift dieses Vorbringen als treuwidrig nicht durch. Die Beklagte muss sich insoweit entgegen halten lassen, was bisher unstreitig war, dass sie in diesen Jahren einen - wenn auch zu geringen - Mehrwertsteuerbetrag an den Kläger gezahlt hat, also selbst von dessen Umsatzsteuerpflicht ausgegangen ist. Daraus folgt unzweifelhaft, dass der zutreffende (volle) Mehrwertsteuersatz ebenfalls zu zahlen war.

III.

Die Berufungsangriffe der Beklagten gegen die Forderung des Klägers auf Abrechnung bzw. Erteilung eines Buchauszuges für die Zeit von April bis Juli 2000 haben keinen Erfolg.

Soweit die Beklagte sich auf die kurze Verjährungsfrist beruft, greift dies nicht durch, auch wenn die Abrede - wie oben dargestellt - wirksam ist. Voraussetzung für Verjährung wäre, dass der Kläger 6 Monate vor Erhebung der Klage am 8. Februar 2001 Kenntnis davon gehabt haben müsste, dass die Beklagte ihm die Abrechnungen nicht erstellt. Die Beklagte müsste mithin vortragen, dass der Kläger vor dem 8. August 2000 Kenntnis davon hatte, dass er die Abrechnungen nicht erhalten werde. Dies lässt sich nach dem gegenwärtigen Sachvortrag nicht feststellen. Der Handelsvertretervertrag sieht unter Ziffer 7 'Vergütung und Abrechnung' eine feste Zeit, binnen derer die Beklagte sich verpflichtet, die Abrechnung zu erteilen, nicht vor. Nachdem es zum Zerwürfnis zwischen den Parteien gekommen war, konnte und durfte der Kläger damit rechnen, dass die Beklagte die restlichen Abrechnungen für 2000 insgesamt erstellen werde und durfte auch zumindest bis September oder Oktober 2000 mit der Erteilung von Abrechnungen durch die Beklagte rechnen. Erst danach begann die Verjährungsfirst in Kenntnis der Nichtabrechnung zu laufen. Bei Einreichung des Klageentwurfs nebst Prozesskostenhilfeantrag am 8. Februar 2001 war die Forderung mithin nicht verjährt.

Soweit die Beklagte sich auf Verwirkung der Provisionsansprüche beruft, hat ihr Vorbringen keinen Erfolg. Es entbehrt jeder inhaltlichen Darlegung. Der Senat ist nicht verpflichtet, sich aus überreichten Anlagen herauszusuchen, was die Beklagte mit ihren unklaren Andeutungen meinen könnte. Insoweit lässt sich ein Sachvortrag nicht durch Verweise ersetzen. Für eine Verwirkung ergibt das tatsächlich Vorgetragene keinen Anhaltspunkt.

IV.

Verzugszinsen stehen dem Kläger im Hinblick auf die bezifferten Nachforderungen an Mehrwertsteuer allerdings tatsächlich, da sämtliche Forderungen vor dem 1. Mai 2000 fällig geworden sind, nur in Höhe des kaufmännischen Verzugszinses von 5 % zu. In diesem Umfang war das landgerichtliche Urteil abzuändern.

V.

Über die zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 19. Juni 2002 angekündigten Hilfsaufrechnungen der Beklagten hatte der Senat nicht zu befinden, nachdem die Beklagte auf ihre Geltendmachung in dieser Instanz in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27. Juni 2002 verzichtet hat.

VI.

Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit. Die Entscheidung über die Kosten der Berufungsinstanz beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers im Hinblick auf den verjährten Teil der Mehrwertsteuer erschien im Verhältnis zur Gesamtforderung gering.

Die Kostenentscheidung erster Instanz war dem Schlussurteil des Landgerichts vorzubehalten.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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