Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 29.11.2001
Aktenzeichen: 11 U 71/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 831
Keine Pflichtverletzung des Personenbeförderers durch Zurücklassen eines durch Alkoholgenuss zwar renitenten, nicht jedoch hilflosen Fahrgastes auf einer Autobahnraststätte
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

11 U 71/01

Verkündet am 29. November 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### den Richter am Amtsgericht ####### und die Richterin am Oberlandesgericht #######für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden (Aller) vom 30. Januar 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 17.000,- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in nämlicher Höhe leistet.

Beiden Parteien wird nachgelassen, eine von ihnen zu erbringende Sicherheit in Form einer unbedingten unwiderruflichen unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank zu leisten.

Die Beschwer der Kläger übersteigt 60.000,- DM.

Tatbestand:

Die Kläger begehren Schadensersatz aufgrund des Unfalltodes ihres Ehemannes bzw. Vaters.

Am 30. September 1999 erwarb der Ehemann der Klägerin zu 1) über ein Reisebüro in Bremen eine Fahrkarte für eine Linienbusfahrt von####### nach ####### in Polen. Wegen der Einzelheiten des Fahrscheines wird auf die zu den Akten gelangte Ablichtung GA 8, 8 R, Bezug genommen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass ausweislich der auf Polnisch aufgedruckten Bedingungen der Fahrkarte der Konsum von Alkohol und Zigaretten im Reisebus untersagt war.

Am 1. Oktober 1999 trat der Ehemann der Klägerin und 1) und Vater der Kläger zu 2) bis 5), damals 39-jährig, die Busfahrt an. Die Fahrt wurde mit dem auf die Beklagte zugelassenen Reisebus der Marke Kässbohrer mit dem amtlichen Kennzeichen OHZ-AV 170 durchgeführt. Die Fahrleistungen wurden von zwei Busfahrern erbracht, zum einen von dem Zeugen ####### und zum anderen von einer weiteren, namentlich nicht bekannten Person.

Entgegen dem auf der Fahrkarte aufgedruckten Verbot konsumierte ####### ####### während der Busfahrt alkoholische Getränke. Er wurde von dem Busfahrer ####### ermahnt und auf das Verbot, Alkohol zu konsumieren, hingewiesen. Gegen 03:15 Uhr am Morgen des 2. Oktober 1999 ließ der Fahrer ####### den Fahrgast ####### bereits auf polnischem Hoheitsgebiet auf einem Parkplatz an der Autobahn 4 bei Autobahnkilometer 75,5 und damit etwa 5 km von der nächsten Ortschaft namens ####### entfernt zurück. Die an dem Parkplatz gelegene kleine Raststätte war 24 Stunden täglich geöffnet und mit einem Telefon ausgestattet. Der zurückgelassene ####### führte seine Papiere und deutsches Geld bei sich.

Die Einzelheiten der Vorgänge, die zum Zurücklassen des ####### auf dem Parkplatz geführt haben, sind zwischen den Parteien streitig.

Um 04:30 Uhr wurde ####### bei Autobahnkilometer 78 von einem Lkw überfahren und verstarb gegen 06:00 morgens im Krankenhaus in #######. Bei dem Verstorbenen wurde eine Blutalkoholkonzentration von 1,9 g Promille festgestellt.

Die Kläger haben gemeint, der Beförderungsvertrag für den Verstorbenen sei mit der Beklagten und nicht mit der Firma ####### bei der der Busfahrer####### nach Feststellungen der polnischen Staatsanwaltschaft angestellt gewesen war, abgeschlossen worden, weshalb die Beklagte passivlegitimiert sei. Die Kläger haben behauptet, der Verstorbene sei von dem Busfahrer ####### unter Anwendung körperlicher Gewalt aus dem Bus geworfen worden. Weder sein Handgepäck noch seine Jacke seien ihm herausgegeben worden. Er sei aufgrund seines Alkoholisierungsgrades zum Zeitpunkt seines Hinauswurfs aus dem Bus erkennbar hilflos gewesen. Nach dem Verlassen des Busses habe er keinen Alkohol mehr zu sich genommen.

Die Kläger haben gemeint, die Beklagte habe den Tod des #######zu verantworten. Ihren Busfahrer habe die Pflicht getroffen, den Verstorbenen entweder weiter zu befördern oder ihn in polizeilichen oder ärztlichen Gewahrsam zu geben; der Busfahrer habe ihn keinesfalls allein zurücklassen dürfen. Die Kläger begehren Schadensersatz in Form von Geldrenten in Höhe von Unterhaltsansprüchen, die sie ihrer Meinung nach gegen ####### gehabt hätten, wenn er nicht tödlich verunglückt wäre.

Die Kläger haben beantragt,

I.

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1 eine monatliche Geldrente in Höhe von 1.000 DM, beginnend am 1. Juni 2000 monatlich im Voraus zum 3. eines jeden Monats bis zum 31. Dezember 2035 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1 für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 31. Mai 2000 monatlich je 1.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem jeweiligen Anspruchszeitpunkt zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1 jeden weiteren über die Anträge gemäß I 1 und I 2 hinaus gehenden Unterhaltsschaden aus dem Verkehrsunfall vom 2. Oktober 1999 in Zlotoryja (Polen) zu ersetzen,

II.

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zu 2 und 3 eine monatliche Geldrente von jeweils 300 DM, beginnend ab 1. Juni 2000 monatlich im Voraus zum 3. eines jeden Monats bis zum 31. Dezember 2035 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zu 2 und 3 für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis zum 31. Mai 2000 monatlich je 300 DM nebst 4 % Zinsen seit dem jeweiligen Anspruchszeitpunkt zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern zu 2 und 3 jeden weiteren über die Anträge gemäß II 1. und 2. hinaus gehenden Unterhaltsschaden aus dem Verkehrsunfall vom 2. Oktober 1999 in ####### zu ersetzen,

III.

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zu 4 und 5 eine monatliche Geldrente, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, beginnend am 1. Juni 2000, monatlich im Voraus zum 3. eines jeden Monats bis zur jeweiligen Vollendung des 18. Lebensjahres zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zu 4 und 5 für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis zum 31. Mai 2000 eine monatliche Geldrente, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen seit dem jeweiligen Anspruchszeitpunkt zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern zu 4 und 5 jeden weiteren über die Anträge gemäß III. 1. und III 2. hinaus gehenden Unterhaltsschaden aus dem Verkehrsunfall vom 2. Oktober 1999 in ####### zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, nicht Vertragspartnerin hinsichtlich der Beförderung gewesen zu sein.

Die Beklagte hat behauptet, im Laufe der Fahrt hätten sich mehrere Mitreisende über das Verhalten des Verstorbenen beschwert. Nachdem dieser schließlich um Mitternacht eine Mitreisende sexuell belästigt und im Gang stehend Mitreisende bedroht und beleidigt habe, sei der Busfahrer ####### gemeinsam mit ihm an der Raststätte ausgestiegen. Der Busfahrer habe dem Verstorbenen mitgeteilt, dass er ihn nicht weiter befördern könne, wenn er nicht endlich Ruhe gebe und aufhöre Alkohol zu trinken. Der Verstorbene habe daraufhin den Busfahrer beleidigt und sinngemäß gesagt, dass er sich dann eben ein Taxi nehmen werde. Danach habe er versucht, den Busfahrer zu schlagen. Dieser sei daraufhin in den Bus eingestiegen und abgefahren.

Die Beklagte hat bestritten, dass der Verstorbene bei dem Zurücklassen auf dem Parkplatz hilflos gewesen sei und behauptet, er sei voll orientiert und in der Lage gewesen für sich zu sorgen und ein Taxi zu rufen. Die Beklagte hat die Ansprüche auch der Höhe nach in Abrede genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ##############und #######

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, das Zurücklassen des Verstorbenen an der Autobahnraststätte stelle sich nicht als Pflichtverletzung des Busfahrers gegenüber dem Verstorbenen dar. Aufgrund des Vorverhaltens des Verstorbenen habe eine Pflicht zur Weiterbeförderung nicht mehr bestanden. Eine Pflichtverletzung liege auch nicht darin, dass der Busfahrer den Verstorbenen in angetrunkenem Zustand an der Raststätte zurückgelassen habe. Ein Maß an Hilflosigkeit, das es dem Busfahrer zur Pflicht gemacht haben würde, den Verstorbenen in polizeilichen oder ärztlichen Gewahrsam zu bringen oder Maßnahmen zu seinem Schutz zu treffen, sei nicht dargetan. Dies gelte umso mehr als der Verstorbene sich ersichtlich zu helfen gewusst habe, zumal er der Landessprache mächtig gewesen, die Raststätte mit einem Telefon ausgestattet gewesen sei und der Verstorbene auch deutsches Geld bei sich gehabt habe, das man dort jederzeit habe umwechseln können. Soweit eine Pflichtverletzung darin gelegen haben möge, den Verstorbenen ohne Jacke und ohne das in der Jacke befindliche Handy und ohne sein Gepäck zurückzulassen, sei dies nicht für das spätere Unfallgeschehen ursächlich geworden.

Gegen dieses Erkenntnis wenden sich die Kläger mit ihrer form- und fristgerechten eingereichten Berufung.

Sie wiederholen und vertiefen im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Dabei meinen sie, das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte aufgrund von § 831 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. den strafrechtlichen Normen der Aussetzung und der Körperverletzung mit Todesfolge hafte.

Die Kläger behaupten dazu, der Fahrer####### habe in einem Anstellungsverhältnis zu der Beklagten gestanden und sei den Weisungen der Beklagten unterworfen gewesen. Sie erneuern ferner die Behauptung, der Busfahrer####### habe den Verstorbenen in einer hilflosen Lage auf dem Parkplatz in Polen zurückgelassen. Aus der für den Unfallzeitpunkt festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,9 g Promille sei zu folgern, dass der Verstorbene zum Zeitpunkt der Aussetzung einen Blutalkoholgehalt von 2,1 g Promille aufgewiesen habe. Hiermit sei er hilflos gewesen. Der Verstorbene habe nur die Chance gehabt, den Parkplatz zu Fuß über die Autobahn hinweg zu verlassen. Eine Mitfahrgelegenheit habe sich ihm nicht geboten, weil in den frühen Morgenstunden des 2. Oktober 1999 auf dem Parkplatz nichts los gewesen sei. Da er kein polnisches Geld gehabt habe, habe der Verstorbene ein Telefonat nicht bezahlen können. Der Verstorbene habe sich, um seinen Rausch auszuschlafen, auch nicht auf die grüne Wiese legen können. Dafür sei es bei den Temperaturen, die Anfang Oktober geherrscht hätten, zu kalt gewesen. Der Busfahrer####### habe nicht davon ausgehen dürfen, dass der Verstorbene in der Lage gewesen sei, sich selbst Hilfe herbei zu holen.

Die Kläger bestreiten ferner, dass der Verstorbene andere Fahrgäste belästigt habe. Insoweit berufen sie sich auf die Vernehmung des Zeugen #######. Selbst wenn man aber die Aussagen des Busfahrers ####### als richtig unterstelle, meinen sie, dass es keinen Anlass gegeben habe, den Geschädigten auf dem dunklen Parkplatz in Polen auszusetzen. Mit Hilfe der übrigen Reisenden habe es möglich sein müssen, den Verstorbenen zu beruhigen. Da auf der Raststätte kein funktionierendes Telefon vorhanden gewesen sei, habe es dem Busfahrer oblegen, seinerseits mittels eines Handys die Polizei herbei zu rufen und im Interesse des Verstorbenen auf deren Eintreffen zu warten.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren in erster Instanz angekündigten Anträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages meint sie weiter, nicht passivlegitimiert zu sein. Vertragspartner des Verstorbenen sei die Firma ####### gewesen. Die Zurverfügungstellung des Busses, mit dem die Fahrt durchgeführt worden sei, vermöge die Passivlegitimation der Beklagten nicht zu begründen. Hinsichtlich der Passivlegitimation erhebt die Beklagte eine Eventualanschlussberufung für den Fall, dass der Senat von einer Haftung der Vertragspartnerin des Verstorbenen ausgehen sollte. Ferner meint die Beklagte, dass es an einer Pflichtverletzung des Busfahrers####### fehle. Der Verstorbene sei nicht hilflos gewesen. Der Zeuge ####### habe bekundet, der Verstorbene habe eine ganze Flasche Wodka getrunken. Wer in der Lage sei, eine derartige Menge Wodka zu konsumieren und anschließend nur eine Blutalkoholkonzentration von 1,9 g Promille aufweise, müsse an den Genuss von Alkohol konstitutionell gewöhnt sein. Bei einer Blutalkoholkonzentration von unter 2,0 g Promille sei regelmäßig nicht einmal von verminderter Schuldfähigkeit auszugehen. Ferner ergebe sich aus den Zeugenaussagen, dass die Personen, die den Verstorbenen zurzeit des Verlassens des Autobusses gesehen haben, bekundet hätten, dieser habe sich zu helfen gewusst.

Schließlich macht sich die Beklagte den Vortrag des Klägers zu eigen, dieser habe nach dem Verlassen des Busses die Autobahnraststätte '#######' aufgesucht. Sie macht sich weiter zu eigen, dass dort der angetrunkene Zustand des Verstorbenen erkannt worden sei. Wäre er tatsächlich orientierungslos gewesen, hätte es der Pächterin der genannten Bar oblegen, den Verstorbenen von deren Verlassen und dem Betreten der Autobahn abzuhalten.

In letzter Linie fehle es jedenfalls an einem Verschulden des Fahrers#######

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren zu den Akten gelangte Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.

Den Klägern steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Ersatz des von ihnen begehrten Unterhaltsschadens gegen die Beklagte zu.

I.

Dafür, dass zwischen dem Verstorbenen und der Beklagten ein Reisevertrag bestanden haben könnte, bietet der Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Insbesondere schuldete der Vertragspartner des Verstorbenen, wer auch immer dies letztlich gewesen sein mag, keine Mehrheit von Reiseleistungen, sondern lediglich eine Personenbeförderung, sodass vom Vorliegen eines bloßen Werkvertrages auszugehen wäre (vgl. Palandt/Sprau, BGB, Rn. 9 vor § 631 BGB).

II.

Sowohl für eine werkvertragliche Haftung, als auch für die von den Klägern mit der Berufung in den Vordergrund gestellte deliktische Haftung der Beklagten fehlt es an einer Pflichtverletzung einer natürlichen Person, welche der Beklagten zurechenbar wäre und von der weiter festgestellt werden könnte, dass sie für den Tod des Passagiers ursächlich war.

1. Dem Fahrer ####### gereicht es nicht zur Pflichtverletzung, dass er den Verstorbenen am Vorfallstage aus dem Bus wies und seine Fahrt ohne ihn fortsetzte. Es steht aufgrund der Beweisaufnahme des Landgerichts, zu deren Wiederholung der Senat keinen Anlass hatte, zur Überzeugung des Senats fest, dass der Verstorbene seinen ursprünglichen vertraglichen Anspruch auf Weiterbeförderung verwirkt hatte, als der Fahrer ihn zurückließ. Die Zeugen ####### und ####### haben angegeben, dass der Verstorbene vor dem Verweis aus dem Bus im Bus Alkohol getrunken hat, unruhig war, auf Aufforderung des Fahrers nicht dauerhaft Platz nahm, sondern sich mehrfach stehend im Gang aufhielt und andere Mitreisende beleidigte. Ein Fahrgast, der sich derart benimmt und davon auch auf Aufforderung des Personals nicht Abstand nimmt, verwirkt seinen weiteren Beförderungsanspruch. Die Gefahren, die von einer solchen Person für die Sicherheit des Busses ausgehen, weil die Person den Fahrer schon dadurch beeinträchtigt, dass sie ihn zwingt, sie im Interesse der anderen Fahrgäste im Auge zu behalten, obwohl eigentlich die gesamte Konzentration des Fahrers für die nächtliche Fahrleistung auf der Autobahn erforderlich wäre, sind so hoch, dass eine Pflicht zur weiteren Beförderung verneint werden muss.

Dass im Streitfall eine solche Tatsachenlage bestand, wird auch nicht durch die Aussage des von den Klägern in diesem Sinne benannten Zeugen ####### ausgeschlossen. Bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht vermochte der Zeuge zu dem Verhalten des Verstorbenen in engem zeitlichen Zusammenhang vor dem Verlassen des Busses nichts zu bekunden. Vielmehr hat der Zeuge angegeben, er selbst sei zu diesem Zeitpunkt eingeschlafen gewesen, habe das Verhalten des Verstorbenen nicht wahrgenommen und erst während der Weiterfahrt von Mitreisenden erfahren, dass sich der Verstorbene nicht mehr im Bus befunden habe. Untermauert wird das landgerichtlich Beweisergebnis noch durch das Ermittlungsergebnis der polnischen Staatsanwaltschaft (GA 101ff.), in dem das Benehmen des Verstorbenen vor der Verweisung aus dem Bus ähnlich geschildert wird, wie die erstgenannten Zeugen dies getan haben.

2. Eine Pflichtverletzung des Busfahrers ####### liegt auch nicht darin, dass er die alkoholische Beeinträchtigung des Verstorbenen gänzlich verfehlt eingeschätzt hätte und sich die Nichtmitnahme des Verstorbenen für die weitere Reise deswegen als unverhältnismäßig darstellte. Wenn die Kläger meinen, es müsse möglich gewesen sein, ihren Ehemann bzw. Vater zu beruhigen und weiter mitfahren zu lassen, so vermögen sie damit nicht durchzudringen. Aufgrund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass der Verstorbene sich trotz mehrfacher Aufforderung nicht hinsetzte, dass er im Bus herumschrie, mehrfach den Platz wechselte und sich in einem Fall so betrug, dass ein weiblicher Fahrgast sein Verhalten als zudringlich wahrnahm. In dieser Situation stellte es sich nicht als Fehleinschätzung des Busfahrers ####### dar, dass er den Verstorbenen nicht weiter mitnehmen wollte. Es bestand zum einen die Gefahr, dass der stehende Passagier auf andere Fahrgäste einwirken würde, deren Schutz dem Busfahrer oblag, und zum anderen bestanden - wie zuvor bereits dargestellt - Sicherheitsgefahren für den Fahrer, der das Fahrzeug lenken musste; deshalb war die Anordnung, den Bus zu verlassen nicht unverhältnismäßig. Der Busfahrer hat dafür zu sorgen, dass er ohne Ablenkung seiner Aufgabe, das Fahrzeug im Interesse aller Passagiere sicher zu steuern, nachgehen kann. Darin ist er beeinträchtigt, wenn er stets verfolgen und beaufsichtigen muss, dass ein Passagier, der sich nicht setzen will, nicht durch seine Bewegungen im Bus zur Gefahr wird. Der Fahrer ####### hätte auch nicht etwa den schlafenden zweiten Fahrer wecken müssen, damit er den Verstorbenen zur Vernunft brachte, falls dies überhaupt hätte gelingen können. Der zweite Fahrer musste von dem Fahrer####### nicht als Aufsichtsperson für einen erwachsenen Fahrgast eingesetzt werden; vielmehr stellt es sich als nachvollziehbare und keinesfalls pflichtwidrige Einschätzungsentscheidung des Fahrers dar, dem Kollegen die weitere Einhaltung seiner Ruhephase im Interesse der Mehrheit der Fahrgäste zu ermöglichen.

3. Schließlich stellt es sich nicht als Pflichtverletzung bzw. Leben und Gesundheit des Verstorbenen schädigende Handlung des Busfahrers dar, dass dieser den Verstorbenen - wie bereits dargestellt - zwar berechtigt des Busses verwies, aber weitere Maßnahmen unterließ, insbesondere weder die Polizei noch einen Arzt zuzog und den Hinauswurf an der auf den zu den Akten gereichten Lichtbildern sichtbaren kleinen Autobahnraststätte mit der #######r vornahm.

Das Herbeiholen der Polizei war vom Busfahrer nicht zu verlangen, da der Verstorbene Straftaten nicht begangen hatte. Das unruhige Verhalten und das Herumkrakelen des Verstorbenen im Bus allein hinderten zwar die weitere Mitfahrt im Bus, begründeten demgegenüber nicht die Notwendigkeit, die Polizei herbei zu holen. Dies umso weniger, als keine Anhaltspunkte darauf hindeuteten, dass der Verstorbene zu einem eigenschädigenden Verhalten neigen würde.

Die Tatsache der Alkoholisierung des Verstorbenen für sich genommen erforderte auch nicht die Zuziehung eines Arztes. Dass der Verstorbene aufgrund der Alkoholisierung ärztlicher Hilfe bedürfen würde, deutete sich für den Busfahrer und die übrigen Passagiere des Busses aus dessen Verhalten, solange sie es miterlebten, nicht an. Jedenfalls tragen auch die Kläger hierfür nichts vor.

Schließlich folgt aus dem Vorbringen der Kläger auch nicht, dass der Verstorbene etwa in hilfloser Lage ausgesetzt worden wäre, sodass ihm als einziger Weg blieb, sich zu Fuß bei Dunkelheit über die Autobahn hinweg zur nächsten etwa 5 km entfernt gelegenen Ansiedlung zu begeben. Hiergegen spricht zum einen, dass der Verstorbene sich, wie aus dem Schriftsatz der Kläger vom 22. August 2000 (GA 50) zu entnehmen ist, wonach man sich in der Bar an den Verstorbenen erinnert habe, zunächst in die an dem Rastplatz vorhandene Bar begab und dort aufhielt. Der Gang in die Bar stellt sich als vernünftiges Verhalten dar, dem Züge von Hilf- und Orientierungslosigkeit nicht innewohnen. Es ist nicht ersichtlich, welches Geschehen dazu führte, dass der Verstorbene, der jedenfalls orientiert genug zum Betreten der Bar war, und immerhin deutsches Geld bei sich hatte, seinen Aufenthalt in dieser Raststätte nicht fortgesetzt hat, bis er etwa nach gehöriger Ausnüchterung mittels eines Taxis oder einer Mitfahrgelegenheit in den nächsten Ort gelangen konnte. Aufgrund welcher weiteren Geschehnisse der Verstorbene sich gegen diese Möglichkeit entschied und sich zu Fuß in Bewegung setzte und warum er eine Gehstrecke wählte, die ihn über die Autobahn hinweg führte, anstatt an der Autobahn entlang zu gehen, tragen die Kläger nicht vor. Es ist jedoch ersichtlich, dass diese Umstände zu dem späteren Unfallgeschehen, das sich zudem erst etwa 75 Minuten nach der Verweisung aus dem Bus zutrug, ohne dass die Kläger vortragen, was der Verstorbene in der Zwischenzeit im einzelnen tat, unzweifelhaft beigetragen haben. Dass dem Verstorbenen keine andere Verhaltensmöglichkeit blieb, als einen Weg zu Fuß die Autobahn querend zu nehmen, erschließt sich aus dem Vortrag der Kläger nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Verstorbene nicht in der Lage gewesen wäre, zu telefonieren, dass ihm die Telefonmöglichkeit verwehrt worden wäre oder dergleichen. Hierfür besteht auch kein Anscheinsbeweis etwa deshalb, weil der Verstorbene kein polnisches Geld bei sich hatte. Unstreitig hatte der Verstorbene deutsches Geld bei sich und vermochte sich auszuweisen. Es ist nicht ersichtlich, dass er in dieser Situation, hätte er, der zudem der Landessprache mächtig war, auf seine Lage hingewiesen, keine Hilfe erlangen konnte. Demgemäß sind alle durch den Fahrer####### etwa in Gang gebrachte Kausalverläufe für das Unfallgeschehen, das sich erst zutrug, als der Busfahrer bereits mehr als 1 Stunde vom Vorfallsort entfernt war, bereits ohne Wirkung gewesen. Das Unfallgeschehen trug sich vielmehr im alleinigen Verantwortungsbereich des Verstorbenen zu.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit und auf § 97 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück