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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 20.12.2001
Aktenzeichen: 11 U 81/01
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB §§ 84 ff
BGB § 276
Zu den Anforderungen an den Vortrag des Handelsvertreters, der von dem Unternehmer, für den er tätig ist, Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung verlangt, weil ihm, dem Handelsvertreter, Provisionsverdienst dadurch entgangen sei, dass der Unternehmer eine zu geringe Warenmenge produziert habe.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

11 U 81/01

Verkündet am 20. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 14. Februar 2001 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten erreicht nicht 60.000 DM.

Entscheidungsgründe:

Die in zulässiger Weise erhobene Berufung des Beklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg.

I.

Die Klageforderung ist unstreitig. Sie beträgt 157.109,40 FF zuzüglich Zinsen und ist vom Landgericht, ohne dass die Parteien hiergegen etwas erinnert hätten, zum Zwecke der Festlegung des Streitwerts auf 46.952,14 DM umgerechnet worden.

II.

Die von dem Beklagten gegen diese Hauptforderung nur bis zu ihrer Höhe vorgebrachten Aufrechnungsforderungen stehen dem Beklagten nicht zu. Der Beklagte behauptet insoweit einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 12 mal 8.000 DM entgangener Provision für die Monate Januar bis Dezember 1995.

Zwar kann ein Prinzipal einem Handelsvertreter im Wege der positiven Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn der Prinzipal schuldhaft Verdienstchancen des Handelsvertreters vereitelt.

Im Streitfall steht der begehrte Schadensersatz dem Beklagten gleichwohl nicht zu. Voraussetzung eines solchen Schadensersatzanspruches ist sowohl der konkrete Vortrag einer Pflichtverletzung des Prinzipals als auch genauer Vortrag dazu, welche konkreten Geschäfte der Handelsvertreter angebahnt und soweit vorbereitet hatte, dass eine begründete Provisionserwartung bestand, welche allein durch pflichtwidriges Verhalten des - in seiner Kontrahierungsfreiheit durch die Einschaltung eines Handelsvertreters nicht grundsätzlich beschränkten - Prinzipals vereitelt worden ist.

1. Zweifelhaft erscheint schon, ob der Beklagte im Streitfall überhaupt eine Pflichtverletzung der Klägerin hinreichend konkret vorgetragen hat. Wenn der Beklagte der Klägerin vorhält, nicht 10 bis 12 LKW-Ladungen Fensterholzkanteln monatlich hergestellt zu haben, so reicht dies zur Begründung einer Pflichtverletzung nicht aus. Ein solcher Produktionsumfang war bei dem ursprünglichen faktischen Beginn des Handelsvertreterverhältnisses im Jahr 1994 nicht Vertragsinhalt geworden. Hierauf deutet es schon hin, dass eine Produktionsmengenzusage in dem von den Parteien nicht unterzeichneten, aber immerhin als Diskussionsgrundlage benutzten Handelsvertretervertragsentwurf überhaupt nicht enthalten war. Dies folgt weiter mit aller Deutlichkeit aus dem Fax der Klägerin an den Beklagten vom 6. November 1994 (Anlage B 5), in welchem eine Produktionsmenge von 14 m³/Tag ab Anfang 1995 als möglich hingestellt wurde und eine Produktionsmenge von 20 m³/Tag, die zwischen 9 und 10 LKW-Ladungen monatlich liegen würde, nur für den Fall als zukünftig denkbar genannt wurde, dass der Beklagte eine Menge verkaufte, die über 14 m³/Tag lag. Dieses Fax hat der Beklagte unwidersprochen gelassen. Dies deutet darauf hin, dass die Klägerin dem Beklagten nicht verbindlich bereits im Juni 1994 eine Produktionsmenge von 10-12/LKW pro Monat des Jahres 1995 zugesagt haben dürfte.

Ebenso wenig spricht dafür, dass die Klägerin im Juni 1995, als der Beklagte sie mit dem Zeugen ####### aufgesucht hat, eine derartig hohe Produktionsmenge - noch dazu rückwirkend für das ganze Jahr 1995 - versprochen haben sollte. Dies würde der Senat aber wohl nicht abschließend ohne Vernehmung des Zeugen ####### feststellen können. Hierauf kam es indessen nicht an, weil die Schadensersatzansprüche des Beklagten noch aus anderen Gesichtspunkten scheitern.

2. Es fehlt nämlich an Vortrag des Beklagten für bereits hinreichend konkretisierte entgangene Provisionschancen.

Für die Darlegung, dass es zu den behaupteten entgangenen Abschlüssen mit der entgangenen Provision gekommen wäre, bedarf es eines besonders hohen Grades an Wahrscheinlichkeit, den der Beklagte mit seinem Vortrag nicht erreicht.

Die besonders strengen Anforderungen an die Darlegungslast insoweit resultieren daraus, dass anderenfalls einem missbräuchlichen Schadensersatzverlangen von Handelsvertretern unter Berücksichtigung hypothetischer Verträge Tür und Tor geöffnet würde, obwohl der Prinzipal von diesen Vertragsmöglichkeiten nicht einmal Kenntnis erlangt hat und aus ihnen Einnahmen nie erzielen konnte. Eine derartige Situation muss vermieden werden, damit der Handelsvertreter im Schadensersatzfall nicht besser steht, als wäre das Handelsvertreterverhältnis fortgesetzt worden. Im Fall der Fortsetzung bzw. der beiderseits korrekten Erfüllung des Handelsvertretervertrages hätte ein etwaiger Provisionsanspruch nämlich nur dann bestanden, wenn der Handelsvertreter es zwischen dem bis zum letzten Augenblick in seiner Entscheidungsfreiheit ungebundenen Kunden und dem Prinzipal zum Vertragsschluss gebracht hätte.

Folglich bedarf es für den Vortrag, dass es bei korrektem Verhalten der Klägerin zu Abschlüssen mit der vom Beklagten behaupteten Provisionshöhe im Jahr 1995 gekommen wäre, der Darlegung, dass Interessenten zu Vertragsabschlüssen über die erhöhte Menge bereit waren und dass insoweit eine erhöhte Abschlusswahrscheinlichkeit tatsächlich bereits bestand. Hieran fehlt es im Vortrag des Beklagten. Der Beklagte hat für keinen der Monate des Jahres 1995 konkret dargelegt, dass er der Klägerin schon fest zum Vertragsschluss entschlossene Kunden zugeführt hätte, die bereit waren, insgesamt in diesem Monat 10 bis 12 LKW-Ladungen Fensterkanteln vermischter Länge und vermischter Kiefernqualitäten, wie die Klägerin sie liefern konnte, abzunehmen.

3. Neben der unzureichenden Substantiierung der Kaufentschlossenheit von Interessenten für eine hinreichende Menge scheitert das Schadensersatzbegehren des Beklagten auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt. Der Beklagte müsste, um sich an der Entstehung des Schadens nicht ein hohes Mitverschulden entgegenhalten lassen zu müssen, vortragen, seinerseits alles für den Abschluss Notwendige getan zu haben. Hieran fehlt es:

Der Beklagte hätte der Klägerin nicht nur konkrete Kunden für konkrete Mengen über einen längeren Zeitraum (wenn auch wohl nicht für das ganze Jahr 1995) hin benennen und zuführen müssen, sondern er hätte die Klägerin auch seinerseits in einer Form, die eindringlich und nachhaltig war und die deshalb ohne schriftliche Gestaltung kaum vorstellbar ist, darauf hinweisen müssen, dass sie hinter ihren Mengenzusagen deutlich zurückblieb und er sie deswegen auf Schadensersatz in Anspruch nehmen wolle. Da es - nach Darstellung des Beklagten - um eine dauer-hafte Minderleistung der Klägerin ging, wäre ein solches einer Abmahnung ähnliches Vorgehen geboten gewesen.

III.

Hinsichtlich der geforderten Zinsen hat der Senat es bei dem vom Landgericht vorgenommenen Zinsausspruch belassen. Zwar fallen der im landgerichtlichen Tenor enthaltene Zinsausspruch in Höhe von 7,5 % jährlich und die in den Entscheidungsgründen gegebene Begründung, dass Zinsen in Höhe 5 % jährlich verlangt werden könnten, auseinander. Die Berufungsbegründung greift den insoweit - schon im Hinblick auf die Vollstreckungsmöglichkeiten - vorrangigen Ausspruch im Tenor aber nicht an. Angesichts dieses Umstandes und angesichts der Tatsache, dass der Vertragszins 7,5 % betragen sollte und der weiteren Tatsache, dass die Klägerin belegt hat, ihrerseits Fremdmittel in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe aufgenommen zu haben, die sie mit mehr als 7,5 % verzinsen muss, was unbestritten geblieben ist, vermochte der Senat sich davon zu überzeugen, dass es bei der vom Landgericht ausgesprochenen Zinshöhe bleiben konnte.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidung gründen sich auf § 97 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten sowie auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.

Ende der Entscheidung

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