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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 16.07.2003
Aktenzeichen: 11 U 84/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 651 f
1. Bei der Bestimmung der Höhe einer Reisepreisminderung muss das erkennende Gericht keine Differenzierung im Sinne der Bildung von Einzelquoten, die addiert werden können, vornehmen. Die Bewertung von Mängeln erfolgt zwar vielfach anhand von tabellarischen Zusammenstellungen von in Einzelfällen zuerkannten Quoten. Die in dem jeweiligen Streitfall zuzuerkennenden Minderungsquoten stellen jedoch keine schematische Handhabung von addierten Tabellenwerten dar. Vielmehr ist die im Einzelfall festzulegende Minderungsquote auch das Ergebnis einer ergänzend vorzunehmenden Gesamtschau und Gewichtung der festgestellten Mängel.

2. Es stellt einen gewichtigen Reisemangel dar, wenn statt des katalogmäßig vorgesehenen Familienzimmers mit zwei Schlafräumen für eine Familie mit zwei kleinen Kindern eine Unterbringung nur in zwei nebeneinanderliegenden Hotelzimmern stattfindet.


11 U 84/03

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Oberlandesgericht ####### am 16. Juli 2003 beschlossen:

Tenor:

Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme und zu einer weitere Kosten teilweise vermeidenden Berufungsrücknahme bis zum 11. August 2003 gegeben.

Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sein. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg:

1. Nachdem die Beklagte in der Berufungsbegründung die Aktivlegitimation/ Prozeßstandschaft der Klägerin für die vom Landgericht zuerkannte Entschädigung wegen vertaner Urlaubszeit zugunsten des mitreisenden Ehemannes nicht mehr in Abrede nimmt, hat der Senat keinen Anlaß und keine Möglichkeit, über diese Frage, die für eine Vielzahl von Fällen von Interesse sein könnte, die der Senat aber im Ergebnis nicht anders als das Landgericht gesehen haben würde, zu entscheiden.

2. Soweit die Beklagte geltend macht, die Minderungsquote wegen Mängeln habe das Landgericht nicht differenziert (dazu a) und sie betrage im Ergebnis auch nicht 55 %, sondern allenfalls 20 % (dazu b), vermag sie auch damit nicht durchzudringen.

a) Eine Differenzierung im Sinne der Bildung von Einzelquoten, die addiert werden können, mußte das Landgericht nicht vornehmen. Die Bewertung von Mängeln erfolgt zwar vielfach anhand von tabellarischen Zusammenstellungen von in Einzelfällen zuerkannten Quoten. Die in dem jeweiligen Streitfall zuzuerkennenden Minderungsquoten stellen jedoch keine schematische Handhabung von addierten Tabellenwerten dar. Vielmehr ist die im Einzelfall festzulegende Minderungsquote auch das Ergebnis einer ergänzend vorzunehmenden Gesamtschau und Gewichtung der festgestellten Mängel.

b) Die der Klägerin zuzuerkennende Minderung hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend ermittelt; der Senat schließt sich der Würdigung an, wonach die Mängel insgesamt mit 55 % zutreffend gewichtet sind. Der Senat gewichtet insbesondere die Nichtgestellung des vertraglich geschuldeten Familienzimmers mit einem Vielfachen der von der Beklagten dafür zugestandenen 5 % des Reisepreises. Das Katalogangebot eines Familienzimmers mit zwei Schlafräumen ist gerade für Familien mit kleinen Kindern sehr attraktiv. Es bietet die Möglichkeit für die Erwachsenen, sich von den Kleinen zu trennen, sie aber dennoch unter Kontrolle zu haben. Wenn die Beklagte derartiges anbietet, dann aber nicht zu stellen vermag, stellt dies einen gewichtigen Mangel dar, der gerade einen Umstand betrifft, der für Familien mit kleinen Kindern einen zentralen Komfort ausmacht.

Dem vermag die Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegen zu halten, die nebeneinanderliegenden Doppelzimmer, in denen die Familie dann 20 der 21 Urlaubstage untergebracht waren, seien gleichwertig, insb. weil sie bei Buchung höherpreisig gewesen wären. Die Unterbringung der ein und vier Jahre alten Kinder in einem anderen benachbarten Doppelzimmer bedeutete stets, dass entweder ein Elternteil bei den Kindern schlafen oder für einen Blick ins Kinderzimmer zu jeder Tages und Nachtzeit zumindest bereit sein mußte, den Flur durchschreiten und deswegen sich überlegen mußte, ob er/sie angemessen gekleidet für einen solchen Gang war, bei dem andere Gäste oder Personal getroffen werden konnten.

Mangels Möglichkeit, sich von den Kindern zu trennen, stellte auch das für eine Nacht überlassene Studio ohne getrennten Schlafbereich keinesfalls einen adäquaten oder annehmbaren Ersatz für die geschuldete Unterkunft dar.

c) Diese objektiven Nachteile wiegen, wie das Landgericht zutreffend betont hat, noch dadurch schwerer, dass die Beklagte vor dem Reiseantritt der Klägerin wußte, dass sie ihr das Geschuldete nicht würde leisten können, sie aber dennoch nicht informiert und Alternativen mit ihr erörtert hat.

d) Hinzukommt für das Gewicht der Mängel, dass die Reise in nahezu jeder Hinsicht mit Mängeln behaftet war, d. h. wegen des fehlenden Familienzimmers insbesondere abends und nachts (und tagsüber sogar auch teilweise), sowie wegen des von der Beklagten eingeräumten Baulärms am Tag und wegen des gegenüber der Katalogankündigung fehlenden neuen Restaurants auch während der Mahlzeiten. Angesichts dieser die gesamte Aufenthaltszeit betreffenden Ausdehnung der Mängel erscheint die Minderung in Höhe von 55 % und die aus ihr vom Landgericht gefolgerte Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung mit der Schadensersatzfolge aus § 651f BGB zutreffend.

3. Die Klägerin war auch nicht etwa verpflichtet, durch Umzug in das Hotel ####### als Ersatzunterkunft Minderungsquote und Schaden im Sinne von § 254 Abs. 2 BGB geringer zu halten. Ein Umzug in eine Ersatzunterkunft ist dem Reisenden nur dann zumutbar, wenn die Ersatzunterkunft nach Kategorie, Ausstattung, Lage und sonstigem Standard dem gebuchten Hotel entspricht. Daran fehlt es im Streitfall schon bzgl. der Lage. Das Ersatzhotel liegt 900 Meter vom einem Kieselstrand entfernt. Damit ist die Lage des Ersatzhotels gegenüber der Vertragsgegenstand gewordenen Lage des gebuchten Hotels von 180 m von einem langgezogenen Sandstrand für ein Ehepaar mit zwei Kindern im Alter von 1 und 4 Jahren schon nicht vergleichbar. Mit ihrem erstinstanzlich gehaltenen Vortrag zu weiteren Strandmöglichkeiten vom Ersatzhotel aus kann die Beklagte nicht gehört werden, nachdem sie schon vom Landgericht darauf hingewiesen worden ist, dass ihr Vorbringen, nachdem der Katalog sich dazu ausschweigt und der Vortrag auch nicht weiter substantiiert worden ist, unzureichend ist. Einen weiteren Lagenachteil des Ersatzhotels stellte dessen beträchtlich größere Ortsentfernung dar. Es war mithin nicht zumutbar, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob die Klägerin dort eine Unterkunft mit zwei separaten Schlafräumen hätte erhalten können.

Ende der Entscheidung

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