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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 09.07.2008
Aktenzeichen: 13 U 144/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 935
ZPO § 940
a) Die sog. "Selbstwiderlegung" der Dringlichkeit ist als allgemeiner Grundsatz auch im allgemeinen Zivilprozessrecht zu beachten.

b) Zu den Voraussetzungen für den Erlass einer Leistungsverfügung, die auf die Zulassung zu einer Schützenfestveranstaltung gerichtet ist.


13 U 144/08

Beschluss

In dem Verfahren auf Anordnung einer einstweiligen Verfügung

Tenor:

1. Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Verfügungsklägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31. Juli 2008 gegeben.

2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren sowie für das Verfahren vor dem Landgericht - insoweit in Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung - wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

1. Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sein. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg:

Es kann dahinstehen, ob der Verfügungsklägerin ein Verfügungsanspruch zusteht (bzw. zugestanden hat, da zum Zeitpunkt der Beschlussfassung jedenfalls zum Teil bereits Erledigung eingetreten ist). Denn jedenfalls hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht, dass ein Verfügungsgrund besteht.

a) Die Verfügungsklägerin hat die Annahme einer Dringlichkeit durch ihr eigenes vorprozessuales Verhalten ausgeschlossen.

Eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit und damit das Entfallen eines Verfügungsgrundes kommt ungeachtet der Tatsache in Betracht, dass die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG im vorliegenden Verfahren nicht eingreift (vgl. dazu KG, Urteil vom 9. Februar 2001 - 5 U 9667/00. MünchKomm ZPO/Drescher, 3. Aufl., § 935 Rn. 19). Es stellt vielmehr einen allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz dar, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz eines ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er eine einstweilige Verfügung beantragt (vgl. MünchKomm ZPO/Drescher, a. a. O.. KG, aaO. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 940 Rn. 4. Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl., § 940 Rn. 5).

Nach diesen Grundsätzen hat die Verfügungsklägerin die Annahme einer Dringlichkeit durch ihr eigenes vorprozessuales Verhalten selbst widerlegt. Der Verfügungsklägerin ist mit Schreiben des Verfügungsbeklagten vom 6. Februar 2008 mitgeteilt worden, dass ihre Bewerbung nicht berücksichtigt worden ist. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 21. Mai 2008 bei Gericht anhängig gemacht worden. Mithin hat die Verfügungsklägerin dreieinhalb Monate zugewartet, bevor sie den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hat. Damit hat die Verfügungsklägerin den insoweit noch hinnehmbaren Zeitraum überschritten (vgl. z.B. Musielak/Ball, aaO.: bis zu 3 Monate).

b) Unabhängig davon hat die Verfügungsklägerin einen Verfügungsgrund aber auch aus anderen Gründen nicht glaubhaft gemacht.

Die Verfügungsklägerin begehrt vorliegend eine Leistungsverfügung, mit der die Entscheidung in der Hauptsache vorweg genommen werden würde. Der Erlass einer derartigen Verfügung rechtfertigt sich im allgemeinen nicht schon alleine aus dem Umstand, dass die geschuldete Leistung nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorzunehmen ist und die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist. Dem Interesse des Gläubigers an der Gewährung effektiven Rechtschutzes steht das schutzwürdige Interesse des Schuldners gegenüber, nicht in einem mit nur eingeschränkten Erkenntnis und Beweismöglichkeiten ausgestalteten summarischen Verfahren zu einer Erfüllung des reklamierten Anspruchs verpflichtet zu werden. Dieses Interesse des Schuldners gewinnt umso mehr dann an Gewicht, wenn sich - wie hier - die Erfüllung nicht wieder rückgängig machen lässt. In diesen Fällen sind die Belange des Schuldners vielfach nicht weniger schutzwürdig als das Streben des Gläubigers nach Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs. Der Erlass einer auf endgültige Befriedigung des Erfüllungsanspruchs gerichteten einstweiligen Verfügung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn der dem Antragsteller aus der Nichterfüllung drohende Schaden außer Verhältnis zu demjenigen Schaden steht, der dem Antragsgegner aus der sofortigen Erfüllung droht (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. November 2000 - U (Kart.) 40/00. OLG Köln, Beschluss vom 1. September 2004 - 5 W 99/04. Musielak/Huber, a. a. O., § 940 Rn. 14. Friauf/Wagner, Kommentar zur Gewerbeordnung, Stand: April 2003, § 70 Rn. 63).

Dass derartige Voraussetzungen vorliegend bestehen, hat die Verfügungsklägerin weder dargelegt geschweige denn glaubhaft gemacht.

aa) Nach einem Teil der Rechtsprechung verbietet sich der Erlass einer auf sofortige Erfüllung gerichteten einstweiligen Verfügung bereits regelmäßig dann, wenn die Verweigerung der einstweiligen Regelung bei späterem Obsiegen in der Hauptsache lediglich zu einem Vermögensschaden führen würde (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 4. Oktober 2006 - 5 U 247/06. OLG Köln, Beschluss vom 1. September 2004 - 5 W 99/04). Nach dieser Auffassung käme vorliegend der Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung von vornherein nicht in Betracht, da der Verfügungsklägerin in dem Fall, dass die beantragte Verfügung nicht ergeht, allenfalls ein Vermögensschaden entstehen könnte.

bb) Nach anderer Auffassung ist die o.g. Rechtsprechung zwar zu restriktiv. Für die Bejahung einer Unverhältnismäßigkeit im o.g. Sinn wird es indes auch hiernach in Fällen wie dem Vorliegenden als erforderlich angesehen, dass der Umsatzanteil, der auf die jeweilige streitgegenständliche Veranstaltung entfällt, etwa 50 % (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. Dezember 2006 - 11 W (Kart.) 52/06) oder sogar 60 - 80 % (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. November 2000 U (Kart.) 40/00) des Jahresumsatzes des Antragstellers beträgt.

Hierzu gibt es seitens der Verfügungsklägerin keinen substantiierten Vortrag geschweige denn eine diesbezügliche Glaubhaftmachung. Die Verfügungsklägerin hat in der Antragsschrift lediglich vorgetragen, dass sie in dem Fall, dass sie zu dem Schützenfest nicht zugelassen wird, einen "erheblichen Umsatzausfall erleidet" bzw. "der fehlende Umsatz von der Veranstaltung des Verfügungsbeklagten sie existenziell gefährden" würde. Dieser pauschale Vortrag wird den vorgenannten Anforderungen nicht gerecht. Zudem hat die Verfügungsklägerin dieses - unsubstantiierte - Vorbringen auch nicht glaubhaft gemacht. In der - nicht datierten - eidesstattliche Versicherung geht der Geschäftsführer der Komplementärin der Verfügungsklägerin auf diesen Aspekt nicht ein. Soweit in der eidesstattliche Versicherung pauschal auf die Antragsschrift Bezug genommen wird, stellt dies keine zulässige eidesstattliche Versicherung dar (vgl. Zöller/Greger, aaO., § 294 Rdn. 4).

2. Den Streitwert für das erstinstanzliche sowie für das Berufungsverfahren hat der Senat gemäß § 3 ZPO nach dem mutmaßlichen Interesse der Verfügungsklägerin an dem Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung auf jeweils 30.000 EUR festgesetzt. Auf diesen Betrag schätzt der Senat den Gewinn, den die Verfügungsklägerin im Falle der Teilnahme an dem streitgegenständlichen Schützenfest erzielt hätte. Ein Abschlag war hiervon nicht vorzunehmen, da die beantragte einstweilige Verfügung eine Vorwegnahme der Hauptsache zur Folge gehabt hätte.

Ende der Entscheidung

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