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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 23.11.2000
Aktenzeichen: 13 U 73/00
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1
AGBG § 13 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 1897 Abs. 3
Zur Wirksamkeit von Klauseln in Betreuungsverträgen zwischen einem Heim für behinderte Personen und den Heimbewohnern
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

13 U 73/00 4 O 457/99 LG Hildesheim Verkündet am

23. November 2000

#######

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ####### sowie der Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 10. Februar 2000 teilweise geändert:

Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, es zu unterlassen,

im Zusammenhang mit Betreuungsverträgen die nachfolgende oder inhaltsgleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden:

Der Bewohner bzw. gegebenenfalls sein gesetzlicher Vertreter befreit für den Fall, dass es im Interesse der Betreuung oder Förderung notwendig ist, ärztliche, psychologische oder andere Fachbefunde weiteren am Betreuungsgeschehen Beteiligten zur Kenntnis zu geben, die Ärzte und Psychologen des Einrichtungsträgers von der Schweigepflicht und ist mit der Weitergabe von Befunden, Unterlagen und Untersuchungsergebnisse im erforderlichen Umfange einverstanden (§ 10 Absatz 1 des Betreuungsvertrags).

Dem Beklagten wird für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Die Berufung des Beklagten wird als unzulässig verworfen, soweit die Berufung sich gegen das Verbot der Verwendung der Klausel in § 1 Absatz 5 des Betreuungsvertrags (Überlassung der Ausübung der Sorgerechte) wendet. Die weiter gehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 5.000 DM abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheitsleistung darf auch eine selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank, Sparkasse oder Volksbank sein.

Die Revision wird zugelassen, soweit der Beklagte zur Unterlassung der Verwendung der Klausel in § 2 Absatz 4 Satz 2 des Betreuungsvertrags (volles Betreuungsentgelt bei Abwesenheit bis drei Tagen) verurteilt worden ist.

Streitwert für beide Instanzen: 35.000 DM (unter Abänderung bisher ergangener Beschlüsse 5.000 DM je beanstandeter Klausel).

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrnehmung von Interessen der Verbraucher gehört. Der Beklagte ist Mitglied des ####### Er betreibt als eingetragener Verein ein Heim für behinderte Personen. Mit den Heimbewohnern schließt er sog. Betreuungsverträge ab, die unter anderem folgende vorformulierte Vertragsbedingungen enthalten:

'§ 1

...

(2) Der Einrichtungsträger übernimmt im Rahmen seiner Möglichkeiten die Interessenvertretung, die Betreuung und Förderung, die Versorgung und die Beschäftigung des Bewohners i. S. von Eingliederungshilfe ...

(5) Zur Wahrnehmung dieser Leistungen und Dienste (Abs. 2) wird dem Einrichtungsträger und den von ihm Beauftragten ggf. die Ausübung der Sorgerechte überlassen.

§ 2

...

(4) Das Betreuungsentgelt wird nach Kalendertagen berechnet (es gilt die Anwesenheit um 24.00 Uhr). Bei vorübergehender Abwesenheit (z. B. Urlaub, Wochenend- und Feiertagsabwesenheit, Krankenhausaufenthalt) bis einschließlich 3 Tagen ist das volle Betreuungsentgelt weiter zu zahlen. ...

§ 5

...

(4) Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses wird das persönliche Eigentum des Bewohners vom Haus längstens 3 Monate aufbewahrt und nach Ablauf dieser Frist als Spende in das Einrichtungsvermögen überführt.

...

§ 8

Todesfall

...

(2) Sind dem Einrichtungsträger bekannte Angehörige bzw. gesetzliche Vertreter nicht innerhalb von 24 Stunden erreichbar, ist der Einrichtungsträger berechtigt, die erforderlichen Anordnung zur Beisetzung zu treffen.

§ 9

Datenschutzklausel

Der Bewohner bzw. gegebenenfalls sein gesetzlicher Vertreter nimmt Kenntnis davon, dass im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses personenbezogene Daten gespeichert werden. Diese Daten unterliegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes.

§ 10

Einverständniserklärungen

(1) Der Bewohner bzw. gegebenenfalls sein gesetzlicher Vertreter befreit für den Fall, dass es im Interesse der Betreuung oder Förderung notwendig ist, ärztliche, psychologische oder andere Fachbefunde weiteren am Betreuungsgeschehen Beteiligten zur Kenntnis zu geben, die Ärzte und Psychologen des Einrichtungsträger von der Schweigepflicht und ist mit einer Weitergabe von Befunden, Unterlagen und Untersuchungsergebnissen im erforderlichen Umfange einverstanden.

...

§ 11

Vertragsklausel

(1) Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.'

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im Zusammenhang mit Betreuungsverträgen die vorgenannten oder inhaltsgleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (ausgenommen gegenüber einer Person, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt [Unternehmen]) zu verwenden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hatte der Klage mit Ausnahme des Unterlassungsanspruchs bezüglich der Klausel in § 10 Absatz 1 des Betreuungsvertrags (Einverständnis mit der Weitergabe ärztlicher Befunde) stattgegeben. Bezüglich dieses Anspruchs hat es die Klage abgewiesen. Beide Parteien haben Berufung eingelegt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist begründet. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

Der Kläger ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGBG klagebefugt, weil er satzungsgemäß Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrnimmt und in diesem Aufgabenbereich tätige Mitglieder hat.

II.

Die Unterlassungsklage ist gemäß § 13 Abs. 1 AGBG in vollem Umfang begründet.

1. § 1 Absatz 5 des Betreuungsvertrags - Überlassung der Ausübung der Sorgerechte

Das Landgericht hat die Klausel mit folgender Begründung für unwirksam gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG gehalten: Bei einer Ausübung der Sorgerechte käme dem Heimträger eine betreuerähnliche Funktion zu. Dies stehe im Widerspruch zu § 1897 Abs. 3 BGB, wonach nicht zum Betreuer bestellt werden könne, wer zu einer Einrichtung, in welcher der zu Betreuende untergebracht sei oder wohne, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung stehe. Dieser Ausschluss von der Betreuertätigkeit habe erst recht für die Betreuungseinrichtung selbst zu gelten. Wenn der Heimträger das Sorgerecht ausübe, werde der mit § 1897 Abs. 3 BGB verfolgte Zweck umgangen, Interessenkollisionen zu vermeiden.

Die vom Beklagten gegen seine Verurteilung eingelegte Berufung ist unzulässig.

Bei mehreren prozessualen Ansprüchen ist für jeden Anspruch eine konkret auf den Streitgegenstand zugeschnittene Berufungsbegründung nötig. Streitgegenstand bei der Unterlassungsklage gemäß § 13 AGBG ist die Unwirksamkeit der einzelnen Klausel (vgl. Zöller/Vollkommer, 21. Aufl., Einleitung Rdnr. 76 a).

Nach diesen Grundsätzen fehlt eine Berufungsbegründung des Beklagten im Hinblick auf den § 1 Absatz 5 des Betreuungsvertrags betreffenden Unterlassungsanspruch. Die Berufungsbegründung enthält keinen Vortrag, mit dem die Ausführungen des Landgerichts zu dieser Klausel angegriffen werden.

2. § 2 Absatz 4 Satz 2 des Betreuungsvertrags - volles Betreuungsentgelt bei Abwesenheit bis 3 Tagen

Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klausel gegen § 9 Abs. 1, 2 AGBG verstößt und daher unwirksam ist. Der Senat hält an seiner im Urteil vom 10. Juli 1996 - 13 U 10/96 - vertretenen Auffassung entgegen anderen Meinungen (Graf von Westphalen, VertragsR und AGB-Klauselwerke, Heimunterbringungsvertrag, Rdnr. 5; vgl.: OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 1508; OLG Nürnberg, NJW-RR 1998, 780, 781) fest.

Nach dem Betreuungsvertrag ist dem Heimbewohner der Heimplatz bei vorübergehender Abwesenheit, z. B. wegen Urlaubs, Familienbesuchen oder Krankenhausaufenthalts, freizuhalten. Der Heimbewohner hat ein Interesse daran, dass infolge der Abwesenheit ersparte Aufwendungen bei der Berechnung des Betreuungsentgelts jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn sie die Grenze der Erheblichkeit überschreiten. Dies entspricht dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 4 Abs. 3 HeimG, §§ 552 Satz 2, 615 Satz 2 BGB). Die Ersparnis des Heimträgers kann - bei Behindertenheimen ebenso wie bei Altenheimen - schon bei dreitägiger Abwesenheit des Heimbewohners erheblich sein. Das gilt in besonderem Maß, wenn ein Heimbewohner regelmäßig an Wochenenden und Feiertagen seine Familie besucht (vgl. Senat a. a. O.). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass das volle Betreuungsentgelt nach der in § 2 Absatz 4 Satz 1 des Betreuungsvertrags getroffenen Regelung - 'Das Betreuungsentgelt wird nach Kalendertagen berechnet (es gilt die Anwesenheit um 24.00 Uhr)' - auch für Tage zu zahlen ist, an denen der Bewohner bereits morgens abreist oder erst spät abends wieder zurückkehrt. Diese Auslegung ist zwar nicht zwingend. Es genügt aber, dass sie nicht fern liegend ist. Denn bei der Prüfung der Unwirksamkeit im Rahmen des Unterlassungsanspruchs aus § 13 Abs. 1 AGBG ist im Zweifel von der zur Unwirksamkeit führenden Gründen feindlichsten Auslegung auszugehen (Palandt/Heinrichs, 59. Aufl., § 13 AGBG Rdnr. 3). Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Heimträger nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen das volle Betreuungsentgelt unter Umständen auch dann berechnen kann, wenn der Heimbewohner die Leistungen faktisch 5 Tage nicht in Anspruch genommen hat. Sowohl in diesen Fällen als auch bei wiederholter dreitägiger Abwesenheit fällt die Ersparnis des Heimträgers besonders ins Gewicht. Auf die Behauptung des Beklagten, dass gegenwärtig nur 8,92 DM der Gesamtvergütung von 212,59 DM pro Tag auf die Verpflegung entfielen, kommt es insoweit nicht an.

Allerdings muss auch das Interesse des Heimträgers berücksichtigt werden, den Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten. Gerade bei großen Einrichtungen, wie der des Beklagten, sind pauschale Regelungen, die letztlich der Kostendämpfung dienen, nicht zu beanstanden. Dem Interesse, den Verwaltungsaufwand niedrig zu halten, wird indes dadurch Rechnung getragen, dass es dem Beklagten nach dem Betreuungsvertrag gestattet ist, seine Kalkulation für ersparte Aufwendungen pro Tag pauschal anzusetzen. Der Beklagte hat im Übrigen die Möglichkeit, in den Geschäftsbedingungen eine Verpflichtung des Bewohners zur rechtzeitigen Information zu vereinbaren, sodass sich die Heimverwaltung - beispielsweise im Hinblick auf den Lebensmitteleinkauf - rechtzeitig auf die Abwesenheit des Bewohners einstellen kann (vgl. Gaiser, NJW 1999, 2311, 2312).

Der Beklagte wendet ein, die beanstandete Klausel benachteilige die Heimbewohner schon deshalb nicht unangemessen, weil die Bewohner ganz überwiegend Sozialhilfeempfänger seien und die Leistung auf Kosten der Sozialhilfeträger erhielten. Damit hat der Beklagte keinen Erfolg. Eine Anzahl der Heimbewohner des Beklagten sind Selbstzahler. Auch die übrigen Heimbewohner werden durch die beanstandete Vergütungsregelung unangemessen benachteiligt. Denn sie sind zur Zahlung nur so lange nicht verpflichtet, wie die Vergütung von dem öffentlichen Kostenträger übernommen wird (§ 2 Absatz 6 des Betreuungsvertrags). Entfällt die Sozialhilfeleistung, so greift § 2 Absatz 4 des Betreuungsvertrags auch für diesen Personenkreis ein.

3. § 5 Absatz 4 des Betreuungsvertrags - Aufbewahrung des persönlichen Eigentums nach Vertragsbeendigung

Die Ansicht des Landgerichts, die Klausel verstoße gegen § 9 Abs. 2 AGBG und sei daher unwirksam, trifft zu. Die Klausel ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren (vgl. KG, NJW 1998, 829, 830; Drettmann: in: Graf von Westphalen, a. a. O., Heimvertrag Rdnr. 27; Gaiser, NJW 1999, 2311, 2313 f.).

Lässt der Heimbewohner nach Beendigung des Betreuungsvertrags Einrichtungsgegenstände zurück, so kommt es nach der gesetzlichen Regelung darauf an, ob auf den Willen des Heimbewohners bzw. nach dessen Tode des Erben (§ 857 BGB) zum weiteren Besitz an den Räumen geschlossen werden muss. Ist das der Fall, so kann der Heimträger die Räumung nur im Wege der Klage erreichen; die Inbesitznahme des Eigentums durch den Träger würde eine verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) darstellen. Fehlt indes ein Besitzwille des Heimbewohners bzw. des Erben an den Mieträumen, was regelmäßig angenommen werden kann, wenn nur einzelne geringwertige Gegenstände zurückgelassen werden, so darf der Heimträger die zurückgelassenen Sachen entfernen. Ihn trifft dann eine Obhuts- und Verwahrungspflicht, sofern nicht angenommen werden kann, dass der Heimbewohner sein Eigentum an den Sachen nach § 959 BGB aufgegeben hat (vgl. Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV Rdnr. 595 f.; Emmerich/Sonnenschein, Mietrecht, 7. Aufl., § 556 Rdnr. 7).

Die beanstandete Klausel bleibt hinter dieser gesetzlichen Regelung weit zurück. Nach der Klausel darf der Heimträger das Eigentum des Heimbewohners ohne jede Differenzierung sofort nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in Besitz nehmen, was sich daraus ergibt, dass die Aufbewahrung des Eigentums durch den Heimträger die Inbesitznahme voraussetzt. In der Inbesitznahme liegt in den Fällen, in denen der Heimbewohner bzw. der Erbe den Besitz nicht erkennbar aufgegeben hat, nach der gesetzlichen Regelung eine verbotene Eigenmacht. Darüber hinaus ist die in § 5 Absatz 4 des Betreuungsvertrags bestimmte Überführung des zurückgelassenen Eigentums in das Einrichtungsvermögen mit den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren. Die Überführung des zurückgelassenen Eigentums in das Vermögen des Heimträgers ist nur dann zulässig, wenn erkennbar ist, dass der Heimbewohner bzw. der Erbe das Eigentum aufgegeben hat. Davon kann bei der Beendigung von Verträgen mit geistig behinderten Heimbewohnern nicht allein deshalb ausgegangen werden, weil seit Vertragsbeendigung drei Monate abgelaufen sind. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an (z. B. Wert der Gegenstände, Umstände, unter denen sie zurückgelassen wurden, Nichtbeachtung einer Aufforderung zum Abholen).

4. § 8 Absatz 2 des Betreuungsvertrags - Anordnung zur Beisetzung

Das Landgericht ausgeführt: Die in dieser Klausel enthaltene Ermächtigung des Einrichtungsträgers, im Fall des Todes des Bewohners die Anordnung zur Beisetzung zu treffen, wenn dem Einrichtungsträger bekannte Angehörige bzw. gesetzlicher Vertreter nicht erreichbar seien, verstoße gegen § 9 AGBG. Die Klausel sei daher unwirksam. Sie verletze das Recht der Erben, den Ort, die Art und Weise und den Rahmen der Bestattung zu bestimmen. Zwar sei im Fall des Todes eines Bewohners schnelles Handeln erforderlich. § 2 der Niedersächsischen Verordnung über die Bestattung von Leichen verlange jedoch nur, dass eine Leiche innerhalb von 96 Stunden seit dem Todeseintritt bestattet oder zur Bestattung auf den Weg gebracht sein müsse. Hieraus ergebe sich nicht, dass eine Entscheidung bereits innerhalb von 24 Stunden notwendig sei. Außerdem trage die Klausel einem zu Lebzeiten vom Bewohner geäußern Willen nicht Rechnung.

Diese Ausführungen treffen mit der Maßgabe zu, dass die Entscheidungsbefugnis über den Ort und die Art der Bestattung nicht bei den Erben liegt, sondern bei der vom Verstorbenen damit beauftragten Person, soweit ein Wille des Verstor benen nicht erkennbar ist, bei seinen nächsten Angehörigen (Palandt/Edenhofer, 58. Aufl., Einführung vor § 1922 Rdnr. 9). Im Ergebnis wendet die Berufung sich gegen die Ausführungen des Landgerichts ohne Erfolg. Dass der Einrichtungsträger schon nach 24 Stunden die Anordnungen zur Beisetzung treffen darf, wenn ihm bekannte Angehörige bis dahin nicht erreichbar waren, benachteiligt den Heimbewohner unangemessen im Sinn von § 9 Abs. 1 AGBG. Die Voraussetzung, dass dem Heimträger bekannten Angehörigen innerhalb von 24 Stunden nicht erreichbar sind, wird nicht selten eintreten. Bei Abwägung der Interessen ist es dem Einrichtungsträger zuzumuten, länger abzuwarten und die Benachrichtigung der Angehörigen zu versuchen, bevor er die Anordnungen für die Beisetzung selbst trifft. Die Behauptung des Beklagten, er benötigte wenigstens drei Tage, um die Leiche ordnungsgemäß zur Bestattung auf den Weg zu bringen (§ 2 der Niedersächsischen Verordnung über die Bestattung von Leichen), trifft erfahrungsgemäß nicht zu.

Soweit der Beklagte weiter geltend macht, Angehörige, die erst nach 24 Stunden erreicht würden, könnten selbstverständlich verdrängende Beisetzungsanordnungen treffen, außerdem hätten für den Todesfall getroffene Anordnungen des Bewohners den Vorrang, wird dies in der Klausel nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht.

5. § 9 des Betreuungsvertrags - Datenschutzklausel

Das Landgericht hat die Klausel zutreffend als unwirksam angesehen. Sie benachteiligt den Heimbewohner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 9 Abs. 1 AGBG). Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich daraus, dass die Formulierung 'Datenschutzklausel - Der Bewohner ... nimmt Kenntnis davon, dass im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses personenbezogene Daten gespeichert werden', als Einwilligungserklärung verstanden werden kann (a), und dass eine solche Einwilligungserklärung unwirksam wäre (b).

a) Die Klausel kann als Einwilligungserklärung verstanden werden. Bei der Prüfung der Unwirksamkeit im Rahmen des Unterlassungsanspruchs ist, wie ausgeführt, von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen. Das ist hier die Auslegung, dass die Klausel die Einwilligung des Bewohners zur Speicherung personenbezogener Daten beinhaltet. Dass diese Auslegung möglich ist, zeigt auch der Vortrag der Parteien. Der Kläger hat geltend gemacht, die Klausel beinhalte ein nach dem Bundesdatenschutzgesetz unzulässiges generelles Einverständnis des Heimbewohners mit der Speicherung seiner sämtlichen Daten. Die Beklagte ist dem mit der Begründung entgegen getreten, dass das Bundesdatenschutzgesetz nicht anwendbar sei. Auch das Landgericht hat angenommen, dass es sich um eine Einwilligungserklärung handele. Es hat die Klausel wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Satz 3 BDSG - Hervorhebung der Einwilligungserklärung im äußeren Erscheinungsbild - für unwirksam gehalten. Dem hat der Beklagte in der Berufungsinstanz mit dem Argument widersprochen, die Klausel genüge dem Hervorhebungserfordernis aus § 4 Abs. 2 Satz 3 BDSG.

b) Eine entsprechende Einwilligungserklärung wäre unwirksam:

Es kann offen bleiben, ob die Einwilligung zur Speicherung persönlicher Daten bei Heimverträgen überhaupt formularmäßig wirksam erteilt werden kann (zu den Bedenken, Drettmann in: Graf von Westphalen, a. a. O., Heimvertrag, Rdnr. 33; vgl. BGH, NJW 1996, 46, 47).

Jedenfalls verstößt die pauschale Einwilligung in die Speicherung personenbezogener Daten im Rahmen des Vertragsverhältnisses gegen § 32 Abs. 1 des gemeinsamen Datenschutz Anwendungsgesetzes der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachen. Nach dieser Vorschrift dürfen Bewohnerdaten nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit dies im Rahmen des Vertragsverhältnisses zur verwaltungsmäßigen Abwicklung, zur Leistungsberechnung, zur Erfüllung bestehender Dokumentationspflichten oder wegen eines damit im Zusammenhang stehenden Rechtsstreits erforderlich ist. Über die damit gezogenen Grenzen ginge die Einverständniserklärung hinaus. Sie bezieht sich auf alle im Rahmen des Vertragsverhältnisses gespeicherten Daten.

Außerdem muss nach der gesetzlichen Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 3 BDSG die Einverständniserklärung im äußeren Erscheinungsbild von den anderen im Formular enthaltenen Erklärungen hervorgehoben werden. Das Bundesdatenschutzgesetz ist auf privatrechtlich organisierte kirchliche Einrichtungen anwendbar (Simitis, in: Simitis u. a., BDSG, § 2 Rdnr. 126; a. A. Kunz/Ruf/Wiedemann, Heimgesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 20). § 9 des Betreuungsvertrags ist, anders als der Beklagte meint, nicht im äußeren Erscheinungsbild von den anderen Formularbestimmungen hervorgehoben. Die Klausel ist in die übrigen Formularbestimmungen eingereiht, ohne sich von ihnen im Schriftbild zu unterscheiden.

6. § 10 Absatz 1 des Betreuungsvertrags - Einverständnis mit der Weitergabe ärztlicher Befunde

Das Landgericht hat die Klausel für wirksam gehalten. Es hat ausgeführt: Die Klausel diene der Gewährleistung der Betreuung und Förderung des Bewohners und liege damit in seinem Interesse. Die Schweigepflichtsentbindung und das Einverständnis mit der Weitergabe von Befunden und Unterlagen sei zudem auf den Fall beschränkt, dass die Weitergabe der Unterlagen erforderlich sei. Eine engere Fassung erscheine kaum möglich.

Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung ist begründet. Die Klausel verstößt gegen § 9 Abs. 1 AGBG.

Die ärztliche Schweigepflicht dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts. Der Betroffene hat daher ein erhebliches Interesse daran, über die Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber dem Betreuungspersonal und über die Weitergabe der Behandlungsunterlagen von Fall zu Fall selbst oder durch seinen gesetzlichen Vertreter zu entscheiden. Auf der anderen Seite liegt es im Interesse des Heimträgers und im eigenen Interesse des Heimbewohners, dass auch ohne die Einholung einer gesonderten Einverständniserklärung ärztliche Auskünfte erteilt und Behandlungsunterlagen weitergegeben werden dürfen, wenn dies zur Durchführung einer unaufschiebbaren Behandlung notwendig ist und die Einverständniserklärung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. In diesem Rahmen darf der Heimträger sich eine antizipierte Einverständniserklärung des Bewohners bzw. seines gesetzlichen Vertreters auch in einem Formularvertrag erteilen lassen. Die von der Beklagten verwendete Klausel stellt indes wegen ihrer weiten Fassung - Entbindung der Ärzte und Psychologen gegenüber allen am Betreuungsgeschehen Beteiligten für sämtliche zukünftige Fälle, in denen die Entbindung von der Schweigepflicht bzw. die Weitergabe der Unterlagen im Interesse der Betreuung oder Förderung notwendig ist' - eine unangemessene Benachteiligung der Heimbewohner dar.

7. § 11 des Betreuungsvertrags - Schriftformklausel

Das Landgericht hat die Klausel als unwirksam angesehen. Es hat ausgeführt: Die Klausel sei nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung dahin zu verstehen, dass mündliche Abreden zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürften. Derartige qualifizierten Schriftformklauseln verstießen gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG.

Die vom Landgericht vertretene Auffassung trifft zu (vgl. BGH, NJW 1995, 1488, 1489; KG, NJW 1998, 829, 831).

Das Berufungsvorbringen des Beklagten läuft darauf hinaus, die Klausel stehe mit der gesetzlichen Regelung weitgehend im Einklang. Dies trifft nicht zu. Die Klausel widerspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass mündliche Absprachen wirksam sind. Soweit § 4 Absatz 2 Heimgesetz bestimmt, dass der Inhalt des Heimvertrags dem Bewohner schriftlich zu bestätigen ist, heißt dies nicht, dass mündlich vereinbarte Änderungen oder Ergänzungen des Heimvertrags unwirksam wären. Auch der weitere von der Berufung angeführte Umstand, dass nach dem Heimgesetz Entgelterhöhungen schriftlich anzukündigen sind und für Kündigungen die Schriftform vorgeschrieben ist (§ 4 c Absatz 3, 4 b Absatz 5 Heimgesetz) ändert nichts daran, dass auch im Bereich des Heimvertrags mündliche Vereinbarungen Gültigkeit besitzen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 ZPO.

Ende der Entscheidung

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