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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: 13 Verg 11/07
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 107 Abs. 3 Satz 1
a) Eine Rüge im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB muss erkennen lassen, dass von der Vergabestelle die Beseitigung des angesprochenen Vergaberechtsfehlers gefordert wird.

b) "Nachgeschobene" Rügen aufgrund erst im Nachprüfungsverfahren erkannter Vergaberechtsverstöße müssen so rechtzeitig vorgetragen werden, dass sie nicht zu einer Verzögerung des Nachprüfungsverfahrens führen. Ihre Zulässigkeit setzt ferner voraus, dass der betreffende Vergaberechtsverstoß unverzüglich vor der Vergabekammer dem Vergabesenat geltend gemacht wird. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.


13 Verg 11/07

Verkündet am 10. Januar 2008

Beschluss

In der Vergabesache

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K. sowie die Richter am Oberlandesgericht W. und B. beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - vom 18. Oktober 2007 VgK - 4020/07 - wird zurückgewiesen.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der vorgenannte Beschluss in seinen Ziffern 1, 2 und 4 aufgehoben.

Der Auftraggeberin wird aufgegeben, für den Fall, dass sie aufgrund der streitgegenständlichen Ausschreibung einen Auftrag vergibt, diesen der Antragstellerin zu erteilen.

Die Auftraggeberin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer als Gesamtschuldner. Die dort entstandenen Auslagen der Antragstellerin tragen sie je zur Hälfte. Rechtsanwälte hinzuzuziehen, war notwendig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin tragen die Beigeladene und die Auftraggeberin je zur Hälfte.

Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Kosten selbst.

Der Beschwerdewert wird auf 393.172 EUR festgesetzt.

Gründe:

A

Mit Bekanntmachung vom 31. Januar 2007 schrieb die Auftraggeberin den Bauauftrag "Grunderneuerung der BAB A 39 von km 12,231 bis km 15,335 beide Richtungsfahrbahnen" europaweit als offenes Verfahren aus. Der Auftrag beinhaltet die Grunderneuerung der Fahrbahn der BAB A 39, das Herstellen der Markierung, Verkehrssicherungsarbeiten, die Erneuerung der Entwässerungsanlagen sowie die Herstellung von Schutzeinrichtungen. Eine Aufteilung in Lose ist nicht vorgesehen, Varianten-Alternativangebote sind zugelassen. Nach Maßgabe der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe sollen als Zuschlagskriterien der Preis nach der Wertungssumme des Angebotes zu 85 % und der technische Wert - mit den Unterkriterien "Bauverfahren", "Qualitätssicherung", "Geräteeinsatz" und "Umwelt" - zu 15 % gewichtet werden. Nebenangebote sind - mit Ausnahme von Pauschalierungen für Leistungen im Erdbau - zugelassen. Bezüglich der Mindestbedingungen wird auf Abschnitt 1.5. der Baubeschreibung und auf den beigefügten Vordruck "StB-Mindestanforderungen" hingewiesen, in welchem die einschlägigen Regelwerke aufgeführt sind. Die Bewerbungsbedingungen enthalten für Nebenangebote unter Ziff. 5 u. a. folgende formale Regelungen:

5.1 Nebenangebote müssen auf besonderer Anlage gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet sein. deren Anzahl ist an der im Angebotsschreiben bezeichneten Stelle aufzuführen.

5.2 Sind Nebenangebote zugelassen, müssen sie die geforderten Mindestbedingungen erfüllen, dies ist mit Angebotsabgabe nachzuweisen.

5.3 Der Bieter hat die in Nebenangeboten enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben. die Gliederung des Leistungsverzeichnisses ist, soweit möglich, beizubehalten. Nebenangebote müssen alle Leistungen erfassen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich sind. Soweit der Bieter eine Leistung anbietet, deren Ausführung nicht in allgemeinen technischen Vertragsbedingungen oder in den Verdingungsunterlagen geregelt ist, hat er im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistung zu machen.

5.4 Nebenangebote sind, soweit sie Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern (auch bei Vergütung durch Pauschalsumme).

5.5 Nebenangebote, die den Nummern 5.1 erster Halbsatz, 5.2 bis 5.4 nicht entsprechen, werden von der Wertung ausgeschlossen.

Nach Maßgabe der Niederschrift über die Angebotseröffnung am 29. März 2007 waren sieben Angebote fristgerecht bei der Auftraggeberin eingegangen. Nach den geprüften Angebotsendsummen der Hauptangebote liegt das Hauptangebot der Antragstellerin auf Rang drei, das der Beigeladenen auf Rang 4.

Über das Vergabeverfahren hat die Auftraggeberin unter dem 30. Mai 2007 einen Vergabevermerk angefertigt. Ziffer 8.4.4 des Vermerks beschreibt das Verfahren zur Prüfung und Wertung der Nebenangebote. Als Anlagen 3 und 4 sind dem Vergabevermerk eine Zusammenstellung der Nebenangebote und ein Vermerk zu ihrer Wertung beigefügt. In diesem Vermerk hat die Auftraggeberin die Wertung Nichtwertung der Nebenangebote der Bieter im Einzelnen begründet. In der Tabelle "Angebotswertung Nebenangebote" wurden die Angebotssummen der Bieter unter Berücksichtigung der wertbaren Nebenangebote und der angebotenen Preisnachlässe miteinander verglichen.

Für das Angebot der Antragstellerin wurden zwei der 25 von ihr vorgelegten Nebenangebote - und zwar die Nebenangebote Nr. 9 und 19 - gewertet, für die Wertung des Angebots der Beigeladenen wurden vier von insgesamt 21 Nebenangeboten - und zwar die Nebenangebote 10, 12, 14 und 17 - berücksichtigt.

Unter zusätzlicher Berücksichtigung der angebotenen Preisnachlässe liegt das Angebot der Antragstellerin mit einer Angebotssumme von 7.863.439,98 EUR brutto preislich auf Rang 2 hinter dem Angebot der Beigeladenen mit einer Angebotssumme von 7.803.887,30 EUR brutto.

Die Wertung nach den bekannt gemachten Zuschlagskriterien "Preis" (85 %) und "technischer Wert" (15 %) hat die Auftraggeberin in der Tabelle Angebotswertung dokumentiert. Hiernach liegt in der Gesamtwertung das Angebot der Beigeladenen mit 978 Punkten auf Rang 1 vor dem Angebot der Antragstellerin mit 950 Punkten. Der Vergabevermerk enthält unter Ziff. 8.8 den Vergabevorschlag, den Auftrag an die Beigeladene unter Berücksichtigung der Nebenangebote Nr. 10, 12, 14 und 17 zu erteilen.

Mit Schreiben vom 31. August 2007 hat die Auftraggeberin die Bieter über den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen informiert. Der Antragstellerin wurde mitgeteilt, dass sie nicht das wirtschaftlichste Angebot vorgelegt habe.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 5. September 2007 rügte die Antragstellerin den Ausschluss ihrer Nebenangebote Nrn. 1, 10, 1112, 13, 14, 15, 1617, 18 und 2223. Die Information gem. § 13 VgV sei wegen der fehlenden Angabe der Wertungssumme des Konkurrenzbieters unzureichend, da dies eine genaue Bezugnahme der nicht gewerteten Nebenangebote auf das Konkurrenzangebot verhindere. Auch seien die allgemein und zu kurz gehaltenen Begründungen zur Nichtwertung der Nebenangebote oft nicht nachvollziehbar. Die Auftraggeberin teilte der Antragstellerin mit Rügeantwort vom 11. September 2007 mit, dass sie an ihrer Entscheidung festhalte.

Mit Schriftsatz vom 14. September 2007, per Fax eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tag, hat die Antragstellerin bei der Vergabekammer gem. § 107 GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt. Neben der Nichtwertung ihrer vorgenannten Nebenangebote hat sie die Wertung der Nebenangebote der Beigeladenen Nr. 10, 12, 14 und 17 beanstandet.

Die Antragstellerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Antragstellerin durch die vergaberechtswidrige Wertung ihres Angebotes vom 28. März 2007 nebst der dazugehörigen Nebenangebote in ihren Rechten verletzt ist,

die Auftraggeberin zu verpflichten, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin vom 28. März 2007 zu erteilen,

hilfsweise, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Wertung der Angebote einzutreten und diese unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer vergaberechtsgemäß abzuschließen,

die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären,

der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Auftraggeberin hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen für notwendig zu erklären sowie

der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

Die Beigeladene hat den Ausschluss der Nebenangebote der Antragstellerin als vergaberechtsgemäß verteidigt. Zudem hat sie die Auffassung vertreten, dass die Auftraggeberin auch ihr Angebot hinsichtlich des Kriteriums "technischer Wert" unterbewertet und drei ihrer Nebenangebote (Nr. 1, 8 und 18) zu Unrecht nicht in die Wertung einbezogen habe.

Die Auftraggeberin hat im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens erklärt, das Nebenangebot Nr. 17 der Beigeladenen wegen unzulässiger Pauschalierung von Leistungen im Erdbau nicht zu werten. Hierdurch ändere sich die ermittelte Rangfolge der Angebote jedoch nicht.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 18. Oktober 2007 festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt sei und die Auftraggeberin verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen. Sie hat zur Begründung ausgeführt, die Auftraggeberin habe die streitbefangenen Nebenangebote Nr. 1, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 22 und 23 der Antragstellerin sowie die Nebenangebote Nr. 1, 8 und 18 der Beigeladenen zu Recht von der Wertung ausgeschlossen. Darüber hinaus sei auch das Nebenangebot Nr. 10 der Beigeladenen nicht zu werten. Die Nebenangebote Nr. 12 und 14 der Beigeladenen seien von der Auftraggeberin erneut zu überprüfen.

Gegen diese Entscheidung der Vergabekammer wenden sich die Antragstellerin und die Beigeladene mit ihren jeweiligen sofortigen Beschwerden. Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihre Rügen hinsichtlich der Nichtwertung ihrer vorgenannten Nebenangebote. Zudem ist sie der Auffassung, dass die Nebenangebote Nr. 12 und 14 der Beigeladenen zwingend von der Wertung hätten ausgeschlossen werden müssen. Die Beigeladene wiederholt und vertieft ihre Rügen hinsichtlich der Nichtwertung ihrer Nebenangebote Nr. 10 und 18 sowie der Bewertung des Kriteriums "technischer Wert" in den Unterkriterien "Geräteeinsatz" und "Umwelt". Darüber hinaus rügt sie mit Schriftsatz vom 26. November 2007 die Wertung des Nebenangebotes Nr. 9 der Antragstellerin.

Auf Antrag der Beigeladenen ist dieser unter dem 12. November 2007 Einsicht in das Nebenangebot Nr. 9 der Antragstellerin gewährt worden.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die Entscheidung der Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - vom 18. Oktober 2007 - VgK - 4020/07 - aufzuheben,

2. die Auftraggeberin zu verpflichten, neben der Wertung der Nebenangebote 9 und 19 auch die Nebenangebote der Nrn. 1, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 22 und 23 zu werten und der Antragstellerin und Beschwerdeführerin als Mindestbietende den Zuschlag zu erteilen,

3. hilfsweise die Auftraggeberin zu verpflichten, unter Wertung der Nebenangebote Nrn. 1, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 22 und 23 der Antragstellerin und Beschwerdeführerin und unter Ausschluss der Nebenangebote Nrn. 1, 8, 10, 12, 14, 17 und 18 der Beigeladenen erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung des Senats erneut durchzuführen,

4. die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten durch die Antragstellerin und Beschwerdeführerin für notwendig zu erklären,

5. der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen aufzuerlegen,

6. die sofortige Beschwerde der Beigeladenen zurückzuweisen.

Die Auftraggeberin beantragt,

die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

1. den Beschluss der Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - vom 18. Oktober 2007 - VgK 4020/07 - aufzuheben,

2. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,

3. hilfsweise der Auftraggeberin aufzugeben, die Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Vergabesenates zu wiederholen,

4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Beigeladenen für erforderlich zu erklären,

5. die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen,

6. die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E. und S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2007.

Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B

Die zulässige sofortige Beschwerde der Beigeladenen ist unbegründet. Die Vergabekammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Nebenangebot Nr. 10 der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen ist und, dass die Auftraggeberin bei der Bewertung des technischen Werts ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat. Soweit die Beigeladene beanstandet, dass das Nebenangebot Nr. 9 der Antragstellerin gewertet und ihr Nebenangebot Nr. 18 nicht gewertet worden sind, ist sie mit diesen Rügen präkludiert.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Vergabekammer zu Recht davon ausgegangen ist, dass deren Nebenangebote Nr. 1, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 22 und 23 von der Wertung auszuschließen sind. Selbst in diesem Fall hätte die Antragstellerin nach der in der Ausschreibung vorgegebenen Bewertungsmatrix die höchste Punktzahl erreicht. Sollte die Auftraggeberin aufgrund der streitgegenständlichen Ausschreibung einen Auftrag vergeben, wäre dieser an die Antragstellerin zu erteilen.

I.

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen ist unbegründet.

1. Das Nebenangebot Nr. 10 der Beigeladenen ist von der Wertung auszuschließen. Die Auftraggeberin hat eine bieterschützende Bestimmung über das Vergabeverfahren verletzt (§ 97 Abs. 7 GWB), indem sie der Beigeladenen Gelegenheit gegeben hat, ihr Nebenangebot Nr. 10 zu verändern. Dies stellt sich als ein unzulässiges Nachverhandeln im Sinne von § 24 Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 3 VOBA dar.

Nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung darf der Auftraggeber nur in den in § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOBA abschließend aufgezählten Fällen mit einem Bieter verhandeln. In den genannten Katalogfällen müssen sich Verhandlungen auf eine reine Aufklärung über zweifelhafte Punkte beschränken, wobei ihr Zweck allein die Klärung eines feststehenden Sachverhalts und die Erforschung des wirklichen Angebotswillens, nicht aber deren Veränderung sein darf. Jede Verhandlung, die darauf hinausläuft, dass ein Bieter zu einer inhaltlichen Änderung seines bisherigen Angebots zum Ausdruck gebrachten Willens veranlasst oder bewogen wird, ist unzulässig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2001 - Verg 30/00). Gegen diese Grundsätze hat die Auftraggeberin vorliegend verstoßen.

a) Die Auftraggeberin hat mit der Position 02.02.0004 das Lösen von 16.200 m³ Boden aus dem zu sanierenden Damm zu einem Einheitspreis pro m³ ausgeschrieben. Der Aushub sollte der Verwertung nach Wahl des Auftragnehmers zugeführt werden. Unter der Position 02.02.0007 ist die Lieferung und der Einbau von 17.400 m³ grobkörnigen Bodens nach DIN 18196 zu einem Einheitspreis pro m³ Boden angeboten worden.

Mit ihrem Nebenangebot Nr. 10 hat die Beigeladene ersatzweise als Position 02.02.0004.N10 angeboten, die 16.200 m³ zu lösenden Bodens aufzubereiten und als Material für die Position 02.02.0007 des Hauptangebotes wieder einzubauen und zu verdichten. Diese Leistung hat sie zu einem Einheitspreis pro m³ Boden angeboten. Im Preis enthalten ist die Lieferung und Zugabe von Bindemittel nach Eignungsprüfung. In gesonderter Position 02.02.0007.N10 hat die Beigeladene für die rechnerische Fehlmenge von 1.200 m³ Boden deren Lieferung und Einbau ebenfalls zu einem Einheitspreis pro m³ angeboten.

Dieses Nebenangebot konnte die Auftraggeberin nach ihrem Empfängerhorizont nur so verstehen, dass für den Fall, dass entgegen dem Nebenangebot zu Position 02.02.0004.N10 weniger als 16.200 m³ Boden in das Erdreich wieder eingebaut werden konnten, die entsprechende Differenz zu der Mengenzahl von 17.400 m³ durch eine entsprechende Mehrlieferung unter der Position 02.02.0007.N10 ausgeglichen und die entsprechenden Mehrmengen nach dem zu dieser Position angebotenen Einheitspreis abgerechnet werden würden. In diesem Punkt war das Nebenangebot der Beigeladenen nicht aufklärungsbedürftig.

b) Ausweislich zweier Schreiben der Beigeladenen vom 22. Mai und 14. Juni 2007, die sich in dem Ordner mit den Angebotsunterlagen der Beigeladenen befinden, haben zu diesem Nebenangebot der Beigeladenen mit der Auftraggeberin offenbar persönliche und telefonische Gespräche stattgefunden. Wie bereits die Vergabekammer zu Recht beanstandet hat, hat die Auftraggeberin eine Dokumentation dieser Gespräche in der Vergabeakte nicht vorgenommen. Mit ihren nachträglichen Erklärungen in den vorgenannten Schreiben hat die Beigeladene eine unzulässige Abänderung ihres Nebenangebotes vorgenommen.

aa) Die Beigeladene hat unter dem 22. Mai 2007 ein Schreiben an die Auftraggeberin gesandt, das auszugsweise folgenden Inhalt hat:

"... erklären wir hiermit nochmals, dass die in unserem Nebenangebot Nr. 10 angebotenen Leistungen der OZ 02.02.0004.N10 auch zur Ausführung kommen, wenn nur ein Teil des vorhandenen Bodens (16.200 m³) verbesserungsfähig ist. Die restlichen Bodenmassen werden dann nach der OZ 02.02.0004 und der OZ 02.02.0007 des Hauptangebotes abgerechnet. Erst nachdem die im Hauptangebot vorgesehenen Massen von 16.200 m³ eingebaut sind, wird nach der OZ 02.02.0007.N10 abgerechnet."

Mit dieser Erklärung bekommt das Nebenangebot Nr. 10 der Beigeladenen einen Inhalt, der von dem des ursprünglichen Nebenangebotes abweicht. Nach diesem Schreiben ist das Nebenangebot der Beigeladenen nämlich in dem Sinne zu verstehen, dass dann, wenn die unter Position 02.02.0004.N10 vorgesehenen 16.200 m³ Boden nicht vollständig wieder eingebaut werden können, die Differenz bis zum Erreichen der Menge von 16.200 m³ zwar durch eine Neuanlieferung von Boden geschlossen werden soll, die entsprechenden Mengen aber zunächst nach dem (günstigeren) Einheitspreis der Position 02.02.0004.N10 und erst ab Erreichen des Wertes von 16.200 m³ nach der (teureren) Position 02.02.0007.N10 abgerechnet werden sollen. Dies stellt eine - unzulässige - nachträgliche Abänderung des Angebotsinhalts und nicht lediglich eine - zulässige - Aufklärung eines zweifelhaften Punktes dar.

bb) Mit Schreiben vom 14. Juni 2007 hat die Beigeladene Folgendes erklärt:

"Durch Abgabe des Nebenangebotes Nr. 10 hat der AN automatisch das Bodenrisiko für die betreffende OZ der Ausschreibung (OZ 02.02.0004) übernommen. Für den Fall, dass der vorhandene, abgetragene Boden ganz oder teilweise nicht verbesserungsfähig ist, muss entsprechende Menge durch Einbau von Liefermaterial erfolgen. Zur Abrechnung kommt dann in jedem Fall die OZ 02.02.0004.N10 des Nebenangebotes Nr. 10 unabhängig von einer evtl. notwendigen (Teil)Lieferung von Boden, da nur auf diesem Weg für den Auftraggeber die angebotene Einsparung im Nebenangebot Nr. 10 gewährleistet ist."

Mit dieser Erklärung bekommt das Nebenangebot Nr. 10 der Beigeladenen einen Inhalt, der sowohl von dem des ursprünglichen Nebenangebotes als auch von dem des Schreibens vom 22. Mai 2007 abweicht. Die Ausführungen in diesem Schreiben können nur so verstanden werden, dass für den Fall, dass zu der Position 02.02.0004.N10 nicht wie vorgesehen 16.200 m³ Boden eingebaut werden können, die zum Erreichen des Wertes von 17.400 m³ erforderlichen Mengen an neuem Boden der Position 02.02.0007.N10 nicht nach den tatsächlich angefallenen Mengen, sondern lediglich nach der im Nebenangebot genannten Menge von 1.200 m³ abgerechnet werden sollen. Ausgehend von diesem Schreiben bietet die Beigeladene daher zu der Position 02.02.0007.N10 einen Festpreis an. Auch mit dieser Erklärung wird der Inhalt des Nebenangebotes Nr. 10 (ein weiteres Mal) in unzulässiger Weise abgeändert.

cc) In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 4. Dezember 2007 hat der Geschäftsführer der Beigeladenen erklärt, dass das Nebenangebot Nr. 10 in dem Sinne zu verstehen sei, dass dann, wenn es nicht - wie unter der Position 02.02.0004.N10 vorgesehen - möglich sein sollte, die Menge von 16.200 m³ ausgehobenen Bodens wieder einzubauen, das Nebenangebot nicht mehr zur Ausführung gelangen würde. Ausgeführt werden würden dann die entsprechenden Leistungen nach dem Hauptangebot, wobei die Abrechnung allerdings nach dem mit dem Nebenangebot abgegebenen (Fest)Preis erfolgen würde. Diese Angabe steht sowohl zu dem Erklärungsgehalt des ursprünglichen Nebenangebotes wie auch zu den der Schreiben vom 22. Mai 2007 und 14. Juni 2007 in inhaltlichen Widerspruch.

Insoweit kann die Beigeladene auch nicht mit Erfolg geltend machen, mit den zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgegebenen Erklärungen werde "zum Bodenrisiko" lediglich erläutert, was ohnehin nach dem Gesetz gelte. Dass nach der Rechtslage ein Auftragnehmer dann, wenn es ihm aus objektiven, ihm nicht zurechenbaren Gründen unmöglich ist, das Nebenangebot auszuführen, verpflichtet ist, die Arbeiten gemäß dem Hauptangebot durchzuführen, diese aber lediglich nach dem günstigeren Nebenangebot (und insoweit auch nicht abgerechnet nach Mengen, sondern zu einem Festpreis) berechnen kann, ist nicht ersichtlich. Das ergibt sich auch nicht aus den von der Beigeladenen diesbezüglich angegebenen Fundstellen (Leinemann, VOBB, 2. Aufl., § 2 Rdn. 275. Vygen/Schubert/Lang, Bauzeitverzögerung und Leistungsänderung, 4. Aufl., Rdn. 60). Das muss allerdings auch nicht weiter vertieft werden. In jedem Fall ergibt sich die seitens der Beigeladenen behauptete Rechtsfolge zumindest nicht eindeutig aus dem Gesetz oder einer ständigen, allgemein anerkannten Rechtssprechung. Dann aber stellt die Erklärung der Beigeladenen, in dem genannten Sinn verfahren zu wollen, schon deshalb eine Abänderung ihres ursprünglichen Nebenangebotes dar, weil sie hiermit der Auftraggeberin den Preis des Nebenangebotes (als Festpreis!) garantiert und diese damit von etwaigen Streitigkeiten hinsichtlich der insoweit einschlägigen Rechtslage von vornherein freigestellt hat.

Mithin weist jede der drei Varianten, mit denen die Beigeladene nachträglich ihr Nebenangebot Nr. 10 zu erläutern versucht hat, einen von dem ursprünglichen Inhalt vollständig abweichenden Inhalt auf. Mit jeder einzelnen der drei nachträglichen Erläuterungen hat die Beigeladene ihr Nebenangebot Nr. 10 in unzulässiger Weise abgeändert.

2. Die Rügen der Beigeladenen, wonach die Auftraggeberin ihr Angebot hinsichtlich der zum technischen Wert bekannt gegebenen Unterkriterien "Geräteeinsatz" und "Umwelt" fehlerhaft bewertet habe, greifen nicht durch.

Bei der Bewertung der Angebote eines Bieters ist dem Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet, dessen Ausfüllung der Überprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen weitgehend entzogen ist. Die Nachprüfungsinstanzen prüfen nur, ob die Grenzen dieses Beurteilungsspielraumes überschritten sind. Das ist der Fall, wenn der Auftraggeber Verfahrensfehler begangen hat, den Sachverhalt unzutreffend ermittelt oder sachwidrige Erwägungen zu Grunde gelegt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Juni 2007 - 13 Verg 5/07).

Derartige Fehler sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Auftraggeberin hat die Angaben der Beigeladenen zum Geräteeinsatz mit einem von drei möglichen Punkten bewertet. In dem Vergabevermerk heißt es diesbezüglich, dass die Unterlagen die zum Einsatz kommenden Geräte in knapper Form aufzählen würden. Soweit die Beigeladene rügt, dass sie den vorgesehenen Geräteeinsatz entgegen der Einschätzung der Auftraggeberin ausführlich beschrieben habe, versucht sie damit lediglich, in unzulässiger Weise ihre Wertung an Stelle der der Auftraggeberin zu setzen. Von einem relevanten Verfahrensfehler im o. g. Sinn könnte in diesem Zusammenhang nur dann ausgegangen werden, wenn die Auftraggeberin die Geräteliste sowie das mit dem Angebot abgegebene Schreiben der Beigeladenen vom 28. März 2007, in dem sie die zum Einsatz kommenden Geräte beschrieben hat, nicht zur Kenntnis genommen hätte. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte, zumal das Schreiben vom 28. März 2007 ohnehin notwendige Wertungsgrundlage für das Kriterium "Umwelt" ist.

Gleiches gilt, soweit die Beigeladene die Bewertung des Unterkriteriums "Umwelt" durch die Auftraggeberin als vergaberechtswidrig rügt. Die Auftraggeberin hat diesen Unterpunkt mit zwei von drei möglichen Punkten bewertet. In dem Vergabevermerk hat sie diesbezüglich ausgeführt, dass die Beschreibung zum umweltverträglichen Umgang mit Baustoffen und deren Wiederverwertung knapp aber ausreichend sei. Soweit die Beigeladene insoweit rügt, dass die diesbezüglichen Erläuterungen in ihrem Schreiben vom 28. März 2007 in ausführlicher Art und Weise erfolgt sei und demgemäss mit der Maximalpunktzahl hätte bewertet werden müssen, setzt sie wiederum lediglich ihre Wertung an die Stelle der Auftraggeberin.

3. Die Beigeladene wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass ihr Nebenangebot Nr. 18 von der Wertung ausgeschlossen worden ist.

a) Die Beigeladene ist insoweit bereits ihrer Rügeverpflichtung nicht ausreichend nachgekommen, § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB hat der Antragsteller einen Verstoß gegen Vergabevorschriften, welchen er bereits im Vergabeverfahren erkannt hat, unverzüglich zu rügen, wenn er nicht mit dieser Rüge präkludiert sein will. Sinn der Rügeobliegenheit ist es, dem Auftraggeber während des laufenden Ausschreibungsverfahrens die Heilung des gerügten Mangels zu ermöglichen, damit ein Nachprüfungsverfahren vermieden werden kann.

Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2007 erklärt, dass ihr für das vorliegende Bauverfahren zuständige Mitarbeiter, der Zeuge E., am 18. September 2007 von dem zuständigen Mitarbeiter der Auftraggeberin, dem Zeugen S., mündlich über die Gründe für die Nichtwertung ihres Nebenangebotes Nr. 18 informiert worden sei. Mit dieser Unterrichtung entstand die Obliegenheit der Beigeladenen, einen sich aus der Nichtwertung des Nebenangebotes etwaig ergebenden Verstoß gegen Vergabevorschriften unverzüglich zu rügen. Dies hat die Beigeladene nicht in hinreichender Weise getan.

aa) Eine Rüge im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist nicht bereits von dem Zeugen E. im Rahmen des Gespräches mit dem Zeugen S. am 18. September 2007 ausgesprochen worden.

Einer Rüge im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB muss eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen sein (vgl. OLG München, Beschluss vom 7. August 2007 - Verg 8/07). Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Vergabestelle erkennen kann, dass die Beseitigung des angesprochenen Vergaberechtsfehlers gefordert wird (vgl. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 107 Rn. 90).

Diese zuletzt genannte Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Der Zeuge E. hat bekundet, dem Zeugen S. in dem Gespräch vom 18. September 2007 erklärt zu haben, warum die von diesem angeführte Gründe für die Nichtwertung des Nebenangebotes Nr. 18 aus technischer Sicht nicht zutreffend seien. Ein Nachprüfungsverfahren habe er in diesem Zusammenhang jedoch nicht angesprochen, da es hierfür für ihn keinen Anlass gegeben habe. Allerdings habe er der vorgesehenen Nichtwertung widersprochen. Der Zeuge S. hat bekundet, dass der Zeuge E. "bei irgendeinem Nebenangebot" erklärt habe, er müsse ja keinen Widerspruch einlegen, weil er ja sowieso vorgeschlagen sei.

Der Senat kann die von dem Zeugen E. gemachten Angaben als richtig unterstellen. Auch in dem Fall würde dessen gegenüber dem Zeugen S. abgegebene Erklärung nicht den Anforderungen für eine Rüge im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB genügen. Aus der genannten Erklärung ging nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit hervor, dass die Beigeladene von der Auftraggeberin erwartete, dass diese das Nebenangebot Nr. 18 noch einmal unter Berücksichtigung der seitens des Zeugen E. vorgebrachten technischen Argumente überprüft. Vielmehr musste die Auftraggeberin davon ausgehen, dass die Beigeladene von ihr ein weiteres Tätigwerden in Bezug auf das Nebenangebot Nr. 18 deshalb nicht erwartete, weil sie unabhängig von der diesbezüglich bestehenden unterschiedlichen Auffassung den Zuschlag erhalten sollte.

bb) Eine den Anforderungen des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsprechende Rüge enthält auch nicht der Schriftsatz der Beigeladenen vom 2. Oktober 2007. Mit diesem Erwiderungsschriftsatz auf den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hat die Beigeladene in erster Linie Ausführungen dazu gemacht, dass die Auftraggeberin die Nebenangebote der Antragstellerin zu Recht nicht gewertet habe. Hilfsweise hat sie in diesem Schriftsatz ausgeführt, dass jedenfalls aber auch u. a. ihr Nebenangebot Nr. 18 vergaberechtswidrig nicht gewertet worden sei. Dies hat die Beigeladene näher ausgeführt. Dieses Vorbringen sieht der Senat zwar als inhaltlich hinreichende Rüge im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB an. Die Rüge ist jedoch nicht unverzüglich im Sinne dieser Vorschrift erfolgt.

Ob eine Rüge "unverzüglich" im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB abgegeben worden ist, ist anhand der Vorschrift des § 121 Abs. 1 BGB zu beurteilen. Die Rüge muss so rechtzeitig erfolgen, wie dies im Hinblick darauf, dass der Verstoß geprüft, über die Erhebung der Rüge entschieden und die Rüge begründet werden muss, möglich und zumutbar ist. Nach der Rechtsprechung der Vergabesenate werden dem Unternehmen für die Rüge als Obergrenze zwei Wochen ab Kenntniserlangung eingeräumt (vgl. Senat, Beschluss vom 8. März 2007 - 13 Verg 2/07). Diese Zeitspanne gilt allerdings nicht allgemein. Jedenfalls in einfach gelagerten Fällen ist sie erheblich zu verkürzen, wobei ohne das Vorliegen überdurchschnittlicher Schwierigkeiten teilweise sogar von einer Regelrügefrist von lediglich ein bis drei Tagen ausgegangen wird (vgl. z. B. OLG München, Beschluss vom 13. April 2007 - Verg 1/07).

Nach diesen Grundsätzen ist die in dem Schriftsatz vom 2. Oktober 2007 erfolgte Rüge nicht mehr als "unverzüglich" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB anzusehen. Der Zeuge E. hat bekundet, auf die seitens des Zeugen S. für die Nichtwertung des Nebenangebotes Nr. 18 angeführte Begründung aus dem Stand heraus zur fachtechnischen Erwiderung im Stande gewesen zu sein. Der schriftsätzliche Vortrag der Beigeladenen in dem Schriftsatz vom 2. Oktober 2007 geht inhaltlich demgemäß auch nicht über die Erläuterungen hinaus, die der Zeuge E. anlässlich des Gesprächs am 18. September 2007 abgegeben haben will. Dann aber ist nicht ersichtlich, dass die Anfertigung des Rügeschreibens einen besonderen, überdurchschnittlichen Zeitaufwand erfordert hat. Derartiges ist seitens der Beigeladene auch nicht behauptet und näher dargelegt worden. Der seit der Kenntniserlangung am 18. September 2007 bis zur Erteilung der Rüge verstrichene Zeitraum ist demgemäß zu lang, um noch als "unverzüglich" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB angesehen zu werden.

b) Unabhängig davon wäre die Rüge der Beigeladenen aber auch in der Sache nicht begründet gewesen. Die Auftraggeberin hat das Nebenangebot Nr. 18 zu Recht von der Wertung ausgeschlossen.

Ein Nebenangebot darf nur dann gewertet werden, wenn es in qualitativer wie quantitativer Hinsicht gegenüber dem Hauptangebot bzw. dem Amtsvorschlag gleichwertig ist. Da im Nebenangebot etwas anderes angeboten wird als ausgeschrieben, muss der öffentliche Auftraggeber prüfen, ob die alternativ angebotene Leistung den Vertragszweck unter allen technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ebenso erfüllt und dementsprechend für seinen Bedarf ebenso geeignet ist (vgl. z. B. OLG Zweibrücken, Urteil vom 20. November 2003 - 4 U 184/02). Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit steht dem öffentlichen Auftraggeber ein weiter Beurteilungs und Ermessensspielraum zu. Dieser Beurteilungsspielraum kann nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der öffentliche Auftraggeber sein Ermessen nicht oder deshalb fehlerhaft ausgeübt hat, weil er sich auf sachfremde Erwägungen gestützt oder einen unzutreffend oder unvollständig ermittelten Sachverhalt zu Grunde gelegt hat (vgl. z. B. OLG Naumburg, Beschluss vom 22. Dezember 1999 - 1 Verg 4/99; OLG Koblenz, Beschluss vom 4. September 2002 - 1 Verg 4/02).

Nach diesen Grundsätzen ist die Bewertung der Auftraggeberin, dass das Nebenangebot Nr. 18 der Beigeladenen mit dem Hauptangebot nicht gleichwertig ist, nicht zu beanstanden. Die Auftraggeberin hat in dem Vergabevermerk vom 30. Mai 2007 ihre Entscheidung, das Nebenangebot Nr. 18 nicht zu werten, u. a. damit begründet, dass der Einbau des PAK-haltigen Materials bedingt durch das Zentralmischverfahren für die Auftraggeberin nur schwer zu kontrollieren sei. Dies hat die Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dahingehend erläutert, dass bei dem vorgesehenen Erdaushub PAK-haltiges Material frei werde, welches geeignet sei, das Grundwasser zu gefährden. Nach dem Hauptangebot würde dieses PAK-haltige Material ausgehoben und nicht mehr vor Ort eingebaut werden. Nach dem Nebenangebot der Beigeladenen würde das gesamte Erdreich einschließlich der PAK-haltigen Teile zunächst von der Baustelle abtransportiert und später dann zurückverlagert und wieder eingebaut werden. Bei dieser Vorgehensweise bestehe die Gefahr, dass es zu einer Streuung des PAK-haltigen Materials über eine größere, unübersehbare Fläche komme. Soweit mit dem Nebenangebot alternativ vorgeschlagen werde, die PAK-haltige Verfestigung an einer einzigen Stelle wieder einzubauen, sei dies technisch zwar theoretisch möglich, indes habe die Beigeladene weder in ihrem Angebot noch bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachgewiesen, an welcher konkreten Stelle ein solcher Einbau vorgenommen werden könne, ohne dass es zu einer Gefährdung des Grundwassers komme.

Diese Erläuterungen, denen auch die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung nicht weiter entgegen getreten ist, erscheinen dem Senat als ohne weiteres nachvollziehbar. Anhaltspunkte dafür, dass die Auftraggeberin den ihr zukommenden Beurteilungsspielraum überschritten hat, bestehen bei dieser Sachlage nicht.

4. Soweit sich die Beigeladene mit Schriftsatz vom 26. November 2007 gegen die Wertung des Nebenangebotes Nr. 9 der Antragstellerin wendet, ist sie mit dieser Rüge ausgeschlossen, weil diese nicht unverzüglich im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB erfolgt ist.

Es ist anerkannt, dass der Antragsteller erst im Nachprüfungsverfahren erkannte Vergaberechtsverstöße, auf die sich sein Nachprüfungsantrag nicht bezogen hat, zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen kann. In diesen Fällen greift die Obliegenheit gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB, den Verstoß zunächst gegenüber dem Auftraggeber zu rügen, nach dem Wortlaut und Sinn der Vorschrift nicht ein (Senat, Beschluss vom 8. März 2007 - 13 Verg 2/07. Senat, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 13 Verg 5/05). "Nachgeschobene" Rügen aufgrund erst im Nachprüfungsverfahren erkannter Vergaberechtsverstöße müssen jedoch nicht nur so rechtzeitig vorgetragen werden, dass sie nicht zu einer Verzögerung des Nachprüfungsverfahrens führen. Ihre Zulässigkeit setzt ferner voraus, dass der betreffende Vergaberechtsverstoß unverzüglich vor der Vergabekammer bzw. dem Vergabesenat geltend gemacht wird. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Zwar müssen, wie ausgeführt, erst im Nachprüfungsverfahren erkannte Vergaberechtsverstöße nicht gesondert gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Das bedeutet aber nicht, dass der Auftraggeber nicht auch wegen dieser Verstöße Gelegenheit erhalten muss, sie im frühestmöglichen Stadium zu korrigieren. Für eine Rüge gegenüber dem Auftraggeber besteht in diesen Fällen nur deshalb keine Notwendigkeit, weil der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren ohnehin Kenntnis erhält. Beseitigt der Auftraggeber die Rechtsverletzung, kann sich das Nachprüfungsverfahren deshalb u. U. aufgrund der "nachgeschobenen" Rügen erledigen (Senat, Beschluss vom 8. März 2007 - 13 Verg 2/07). Eine nach dieser Maßgabe erforderliche unverzügliche Rüge entsprechend § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB hat die Beigeladene nicht vorgenommen.

a) Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist eine Rüge nicht in dem Schriftsatz vom 1. November 2007 erfolgt. Eine Rüge im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB muss - wie bereits oben ausgeführt - erkennen lassen, dass der Auftraggeber aufgefordert wird, die geltend gemachte Rechtsverletzung zu beseitigen. Eine derartige Aufforderung an die Auftraggeberin enthält der Schriftsatz der Beigeladenen vom 1. November 2007 nicht.

In dem genannten Schriftsatz hat die Beigeladene Ausführungen dazu gemacht, dass ihr Nebenangebot Nr. 10 entgegen der Auffassung der Vergabekammer zu werten sei. Dies hat sie u. a. damit begründet, dass auch das - ihr zu diesem Zeitpunkt inhaltlich noch nicht näher bekannte - Nebenangebot Nr. 9 der Antragstellerin, das - wie die Beigeladene in dem Schriftsatz gemutmaßt hat - inhaltlich mit ihrem Nebenangebot Nr. 10 vergleichbar sei, von der Auftraggeberin gewertet worden sei. Demgemäß hat die Beigeladene mit dem genannten Schriftsatz bei dem erkennenden Senat beantragt, ihr Einsicht in das Nebenangebot Nr. 9 der Antragstellerin zu gewähren, "um den Ausschluss ihres Nebenangebotes Nr. 10 unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Nebenangebotes der Antragstellerin überprüfen zu können".

Damit hat sich die Beigeladene mit dem Schriftsatz vom 1. November 2007 allein gegen die Nichtwertung ihres Nebenangebotes Nr. 10 gewendet. Die Bezugnahme auf das Nebenangebot Nr. 9 der Antragstellerin erfolgte insoweit lediglich zum Zwecke der zusätzlichen Unterstützung dieses Angriffes. Dass die Auftraggeberin zur nochmaligen Überprüfung des Nebenangebotes Nr. 9 der Antragstellerin aufgefordert werden sollte, war dem Vorbringen der Beigeladenen nicht zu entnehmen.

b) Soweit die Beigeladene die Wertung des Nebenangebotes Nr. 9 der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26. November 2007 gerügt hat, ist diese Rüge nicht "unverzüglich" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB erfolgt. Zur Kenntnis gebracht worden ist der Beigeladenen das Nebenangebot Nr. 9 der Antragstellerin per Fax am 12. November 2007. Ausführungen dazu, warum sie erst mit am selben Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 26. November 2007 eine auf dieses Nebenangebot erhobene Rüge erhoben hat, hat die Beigeladene nicht gemacht. Dass die Abfassung der Rüge in dem Schriftsatz vom 1. November 2007 keine besonders schwierige, umfassende Prüfung erforderte, was es ausnahmsweise rechtfertigen könnte, mit der Rüge knapp zwei Wochen zu warten, ergibt sich allerdings bereits daraus, dass die Beigeladene in dem Schriftsatz vom 1. November 2007 im Wesentlichen lediglich Bezug genommen hat auf ihr Vorbringen in dem Schriftsatz vom 1. November 2007, in dem sie - wie ausgeführt - hypothetische Ausführungen dazu angestellt hat, dass das Nebenangebot der Antragstellerin nicht zu werten wäre, wenn dieses einen bestimmten Inhalt haben würde.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg. Im Hinblick darauf dass - wie ausgeführt - die Nebenangebote Nr. 10 und 18 der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen sind und eine Neubewertung des Angebotes der Beigeladenen in den Unterkriterien "Geräteeinsatz" und "Umwelt" nicht vorzunehmen ist, hat das Angebot der Antragstellerin mit 963 Punkten selbst dann eine höhere Punktzahl erreicht als das der Beigeladenen (949 Punkte), wenn die streitgegenständlichen Nebenangebote der Antragstellerin nicht in die Wertung gelangen und die Nebenangebote Nr. 12 und 14 der Beigeladenen dagegen gewertet werden würden. Da die Nebenangebote Nr. 1, 10 - 18, 22 und 23 der Antragstellerin sowie die Nebenangebote Nr. 12 und 14 der Beigeladenen daher für das Wertungsendergebnis ohne Belang sind, muss der Senat nicht prüfen, ob die diesbezügliche Entscheidung der Vergabekammer zu Recht erfolgt ist.

Im Hinblick darauf, dass das Angebot der Antragstellerin nach der Wertungsmatrix der Auftraggeberin die höchste Punktzahl erreicht hat, war auszusprechen, dass für den Fall, dass auf die Ausschreibung hin ein Auftrag erteilt wird, dieser an die Antragstellerin zu vergeben ist. Zwar weist die Beigeladene als solches zu Recht darauf hin, dass die Nachprüfungsstellen wegen des Verbotes eines Kontrahierungszwanges nicht anordnen dürfen, dass die Vergabestelle den Zuschlag auf ein bestimmtes Angebot erteilt (vgl. Maier in: Kulartz/Kus/Portz, a. a. O., § 114 Rn. 12). Das steht dem tenorierten Ausspruch in dieser Sache jedoch nicht entgegen.

Nach § 114 Abs. 1 GWB wird den Vergabenachprüfungsstellen ein weiter Entscheidungsspielraum zugebilligt. Sie können alles unternehmen, was für die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens erforderlich ist, sofern die Maßnahme geeignet ist, die Rechtsverletzung zu beseitigen und das mildeste Mittel darstellt. Dagegen sind die Vergabenachprüfungsstellen nicht befugt, die Ermessensentscheidung der Vergabestelle zu ersetzen. Insbesondere ist dieser stets die Wahl zu lassen, den Auftrag zu erteilen oder - ggf. gegen Schadensersatz (namentlich bei Nichtvorlage der Voraussetzungen des § 26 VOBA) - von der Auftragsvergabe Abstand zu nehmen (vgl. Vergabekammer Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14. September 2005 - VKSH 12/05).

Mit seiner Tenorierung im vorliegenden Verfahren beachtet der Senat in hinreichender Weise das der Auftraggeberin zukommende Ermessen. Nach der Ausschreibung erfolgt die Angebotswertung (ausschließlich) nach Maßgabe einer Punktwertematrix. Infolgedessen ist das Ermessen der Auftraggeberin für den Fall, dass sie einen Auftrag erteilt, dahingehend auf Null reduziert, den Auftrag auf den Bieter zu erteilen, der die höchste Punktzahl erreicht hat. Das ist vorliegend wie ausgeführt - die Antragstellerin.

C

Die Kostenentscheidung beruht, soweit das Verfahren vor der Vergabekammer betroffen ist, auf § 128 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 GWB.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 92 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO analog. Soweit darin, dass die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde uneingeschränkt beantragt hat, ihr als Meistbietende den Zuschlag zu erteilen, ein teilweises Unterliegen zu sehen ist, wirkt sich dies kostenmäßig nicht aus, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analog.

Den Streitwert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat nach § 50 Abs. 2 GKG festgesetzt. Danach beträgt der Streitwert 5 % der Bruttoauftragssumme, die sich wiederum nach dem Interesse der Antragstellerin richtet. Der Streitwert errechnet sich mithin aus 5 % der Bruttoauftragssumme von 7.863.439,98 EUR, folglich 393.172 EUR.

Ende der Entscheidung

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