Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 07.06.2007
Aktenzeichen: 13 Verg 5/07 (1)
Rechtsgebiete: VOL/A, GWB


Vorschriften:

VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. e
GWB § 118
GWB § 128
Lässt sich nicht klären, ob die tatsächlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, einen Bieter auszuschließen, geht diese Nichterweislichkeit jedenfalls dann nicht zu Lasten des Bieters, wenn sie im Verantwortungsbereich der Vergabestelle liegt.

Zur Auslegung eines schriftlichen Vertragsangebots im Verhandlungsverfahren.

Wer in der abschließenden Entscheidung unterliegt, hat die Kosten eines Eilverfahrens (hier: § 118 Abs. 1 S. 3 GWB) dann nicht zu tragen, wenn der Eilantrag aus Gründen erfolglos geblieben ist, die ihm nicht zuzurechnen sind (z. B. Antragsrücknahme, unzulässiger Antrag).


13 Verg 5/07

Verkündet am 7. Juni 2007

Beschluss

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. K., des Richters am Oberlandesgericht W. und des Richters am Landgericht B. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss der Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - vom 5. März 2007 (AZ: VgK - 07/2007 ) abgeändert.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 5. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der notwendigen Auslagen des Auftraggebers und der Beigeladenen. Vor der Vergabekammer Rechtsanwälte hinzuzuziehen, war notwendig. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Beigeladenen, mit Ausnahme der Kosten des Verfahrens über den Antrag der Beigeladenen auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde, die die Beigeladene trägt.

Der Streitwert im Beschwerdeverfahren wird auf 890.576,60 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Bekanntmachung vom 6. Mai 2006 forderte der Auftraggeber europaweit zu einem Teilnahmewettbewerb für ein Verhandlungsverfahren auf, um Bewerber zu finden, die Interesse daran haben, die Trägerschaft an acht Nds. Landeskrankenhäusern zu übernehmen. Es konnten sich sowohl private als auch gemeinnützige und kommunale Träger um den Auftrag bewerben. Streitbefangen ist vorliegend die Vergabe des NLKH O.. Hinsichtlich der Zuschlagskriterien wurden die Bewerber darauf hingewiesen, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, , erteilt wird, die in den Verdingungs-/Ausschreibungsunterlagen und der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zur Verhandlung aufgeführt sind. In der den Bietern übersandten Bewertungsmatrix sind die Zuschlagskriterien wie folgt gewichtet:

Medizinisches Konzept 45 %

Personalkonzept 10 %

Kaufpreis 35 %

Absicherung des Landes gegen finanzielle Risiken 10 %.

Mit E-Mail vom 1. August 2006 erhielten sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene von der von dem Auftraggeber mit der Begleitung der Ausschreibung beauftragten P. F. Beratung GmbH (im Folgenden: P.) einen Verfahrensbrief, Datenraumregeln sowie eine Teilnehmerliste für den Datenraum. Unter Ziffer 4.1 des Verfahrensbriefes ist geregelt, dass das konkretisierte Angebot (bestehend aus einem Angebotsschreiben sowie den beigefügten Vertragsentwürfen) bis Montag, den 18. September 2006, 12:00 Uhr MEZ bei der P. abzugeben sei. Das Angebot einschließlich Vertragsentwürfe/ Beleihungsaktentwürfe müsse in schriftlicher, rechtsverbindlich unterzeichneter Form in dreifacher Ausfertigung vorliegen.

Unter Ziff. 4.2.1 des Verfahrensbriefes ist ausgeführt:

"Der Bieter hat hinsichtlich der in II. Ziff. 4.1 der Angebotsaufforderung genannten K. O.Kriterien die folgende Erklärung im konkretisierten Angebot abzugeben:

Der Bieter hat die beabsichtigte Finanzierung des Kaufpreises und - soweit im medizinischen Konzept vorgesehen - der Investitionsverpflichtungen (Eigen und Fremdmittel) zu erläutern bzw. ggf. seine diesbezüglichen Angaben aus dem vorläufigen Angebot zu bestätigen. Sofern eine Fremdfinanzierung in Anspruch genommen wird, ist eine Bestätigung der finanzierenden Bank mit dem Inhalt vorzulegen, dass die Transaktion auf Basis der erhaltenen Due Diligence Berichte und des Fortführungskonzeptes weiterhin positiv beurteilt wird und eine Finanzierung in zu spezifizierender Höhe vorbehaltlich endverhandelter Verträge aus wahrscheinlich eingeschätzt wird. Die fehlende oder nicht rechtzeitige Vorlage der Bankbestätigung führt zum Ausschluss vom Vergabeverfahren."

Die von dem Auftraggeber beauftragten Rechtsanwälte hielten mit Datum vom 4. August 2006 fest, dass 26 Bieter zur Abgabe eines vorläufigen Angebotes auffordert werden sollten, unter anderem auch die Antragstellerin und die Beigeladene.

In einer Detailauswertung der vorläufigen Angebote vom 14. August 2006 durch P. wurde festgehalten, dass sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene die K. O.Kriterien erfüllen. Laut Zusammenfassung erreichten die Beigeladene für den streitgegenständlichen Auftrag 73,2 % (ohne Paketzuschlag) und die Antragstellerin 63,4 % von 100 %. Die bei der Detailauswertung erzielten Prozentpunkte der vorläufigen Angebote wurden unter Berücksichtigung des Bruttoprinzips - abgeschlossen am 30. August 2006 - korrigiert. Danach erhielt die Beigeladene für das streitgegenständliche Objekt 73,8 % von 100 % ohne Paketzuschlag und die Antragstellerin 67,3 %. In einem Vergabevermerk vom 15. August 2006 hielten die beauftragten Rechtsanwälte abschließend fest, dass u. a. sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene zur Abgabe konkretisierter Angebote aufgefordert werden sollten.

In einem weiteren Verfahrensbrief vom 1. September 2006 an die Bieter wurde bezüglich einzelner Angaben im konkretisierten Angebot u. a. folgender Punkt klargestellt:

"3. Als Klarstellung zu unserem Schreiben vom 1. August möchten wir nochmals darauf hinweisen, dass das/die konkretisierte(n) Angebot(e) (bestehend aus einem Angebotsschreiben sowie den beigefügten Vertragsentwürfen) bis zum 18. September 2006, 12:00 Uhr MEZ bei der P. abzugeben ist/sind. Wir möchten verdeutlichen, dass die Angebote einschließlich der Vertragsentwürfe/Beleihungsakte in schriftlicher, rechtsverbindlich unterzeichneter Form in dreifacher Ausfertigung (kein Fax) vorliegen müssen.

...

Dies bedeutet, dass das/die Angebot(e) nebst markierten Vertragsentwürfen nur dann als fristgerecht eingegangen behandelt werden, wenn es/sie bis zum 18. September 2006, 12:00 Uhr MEZ, in Schriftform - wie oben dargestellt - in dreifacher Ausfertigung vorliegen. Für die Wahrung der Frist genügt die Zusendung der Telefax oder E-Mail nicht."

In einer E-Mail vom 14. September 2006 an die noch verbliebenden Bieter wurde u. a. folgende Klarstellung für die Erstellung des konkretisierten Angebotes gegeben:

"Der Bieter hat im konkretisierten Angebot zu den K. O.Kriterien gemäß II.

4.1 der Angebotsaufforderung lediglich die im Verfahrensbrief von P. vom 1. August 2006 einschließlich des Nachtrags vom 1. September 2006 geforderten Nachweise zur Finanzierung vorzulegen sowie die in unserer E-Mail vom 12. September 2006 geforderten Erklärungen zur Beleihung mit Aufgaben des Maßregelvollzugs sowie der N. abzugeben. Weitere Erklärungen sind nicht gefordert."

Einem Aktenvermerk vom 28. September 2006 der vom Auftraggeber beauftragten Rechtsanwälte ist zu entnehmen, dass der Finanzierungsnachweis der Beigeladenen bei der P. am 18. September 2006 um 12:06 Uhr einging.

In der Detailauswertung der konkretisierten Angebote vom 5. Oktober 2006 wurde festgehalten, dass hinsichtlich des Angebotes der Beigeladenen der Nachweis der Finanzierungsbestätigung rechtzeitig vorgelegt worden sei. Abschließend wurde zum Angebot der Beigeladenen festgehalten, dass dieses 65,2 % mit Zuschlag und 64,3 % ohne Zuschlag bei der Bewertung erhalten würde. Zum Angebot der Antragstellerin wurde letztendlich festgehalten, dass alle K. O.Kriterien erfüllt seien und sie 77,8 % ohne Zuschlag bei der Bewertung erhalten würde.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 informierte die P. die Beigeladene, dass sie nach der detaillierten Analyse der abgegebenen konkretisierten Angebote unter Zugrundelegung der in der Angebotsaufforderung genannten Kriterien beschlossen habe, die nächste Phase des Verfahrens zunächst mit anderen Interessenten fortzuführen. Ihr diesbezügliches Angebot werde daher zurückgestellt. Sodann wurden die wesentlichen Gründe erläutert.

Zwischenzeitlich wurden die noch verbliebenen Bieter - unter anderem die Antragstellerin und die Beigeladene - mit Verfahrensbrief vom 7. November 2006 über den weiteren Fortgang des Verfahrens informiert und der Termin für die Abgabe eines verbindlichen Angebotes mitgeteilt.

In dem Protokoll über die Sitzung des Lenkungsausschusses vom 21. November 2006 ist aufgeführt:

"3. Der Lenkungsausschuss ist damit einverstanden, dass mit dem Bieter A. (= die Beigeladene) ... in dem Fall Verhandlungen aufgenommen werden, dass einer der Bieter, mit denen derzeit verhandelt wird, mitteilt, dass er kein verbindliches Angebot abgeben wird."

Einem Schreiben vom selben Tag der P. an die Beigeladene ist zu entnehmen, dass diese nunmehr für die Vertragsverhandlungen zugelassen werde.

Mit Datum vom 24. November 2006 übermittelte die P. den Bietern, u. a. der Antragstellerin und der Beigeladenen, einen weiteren Verfahrensbrief, in dem die Frist zur Einreichung des verbindlichen Angebotes bis Donnerstag, den 21. Dezember 2006 verlängert wurde. Die verbindlichen Angebote sind laut der P. fristgerecht eingegangen. Dem Lenkungsausschuss wurde am 15. Januar 2007 die Auswertung der verbindlichen Angebot präsentiert. Danach hatten nur noch die Beigeladene und die Antragstellerin ein verbindliches Angebot eingereicht. Bei der Bewertung der beiden Angebote ergab sich, dass das Angebot der Beigeladenen einen Anteil von 78,91 % erreichte, das Angebot der Antragstellerin einen Anteil von 72,49 %. Es wurde empfohlen, die Beigeladene zur Beurkundung aufzufordern.

Mit Verfahrensbrief vom 16. Januar 2007 wurde die Antragstellerin darüber informiert, dass ein anderer Bieter zur Beurkundung aufgefordert werden solle. Mit Schriftsätzen vom 22. und 29. Januar 2007 rügte die Antragstellerin die ihrer Meinung nach fehlerhafte Wertung ihres Angebotes und die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene. Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2007 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

Die Antragstellerin hat im Termin der mündlichen Verhandlung im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer am 27. Februar 2007 beantragt,

den Auftraggeber zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen vom weiteren Verfahren auszuschließen und eine Neubewertung der Angebote unter Berücksichtigung entsprechender Maßgaben der Vergabekammer anzuordnen,

hilfsweise den Auftraggeber zu verpflichten, eine Neubewertung der Angebote unter Berücksichtigung entsprechender Maßgaben der Vergabekammer anzuordnen,

hilfsweise den Auftraggeber zu verpflichten, das Vergabeverfahren aufzuheben,

hilfsweise andere geeignete Maßnahmen zu treffen,

festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.

Der Auftraggeber hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin abzuweisen.

Die Beigeladene hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Die Vergabekammer hat zu der Frage, ob der Finanzierungsnachweis im Stadium des konkretisierten Angebotes der Beigeladenen am 18. September 2006 bis 12:00 Uhr bei der P. eingegangen ist, Beweis erhoben durch Befragung der Zeugen H. und S.. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen sowie der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung der Vergabekammer vom 27. Februar 2007 Bezug genommen.

Die Vergabekammer hat auf den Nachprüfungsantrag festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Sie hat den Auftraggeber verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese, soweit das NLKH O. betroffen ist, erneut durchzuführen und dabei die aus den Entscheidungsgründe ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten. Sie hat ausgeführt, dass das Angebot der Beigeladenen gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. e VOL/A sowie gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A von der Angebotswertung auszuschließen sei, weil die Beigeladene es bereits im Stadium des konkretisierten Angebotes versäumt habe, innerhalb der vom Auftraggeber gesetzten Ausschlussfrist den mit ihrem Angebot ausdrücklich angekündigten Finanzierungsnachweis einzureichen. Darüber hinaus habe der Auftraggeber den Rahmen der zulässigen Aufklärung überschritten, indem er im Rahmen der Wertung des Angebotes der Beigeladenen eine Fassung der Vergütungsvereinbarung berücksichtigt habe, die nach der Dokumentation in der Vergabeakte noch gar nicht verbindlich vorgelegen habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beigeladene mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie Erfolg. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht deshalb auszuschließen, weil sie die Finanzierungsbestätigung verspätet vorgelegt hat (1), auch die übrigen Rügen der Antragstellerin vom 5. Februar 2007 bleiben erfolglos (2).

1. Der Auftraggeber musste (und durfte) das Angebot der Beigeladenen nicht deshalb gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A von der Wertung ausschließen, weil die Finanzierungsbestätigung nicht rechtzeitig vorgelegt wurde.

a) Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A können Angebote ausgeschlossen werden, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Dem Auftraggeber ist hier (anders als in den Fällen des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A) ein Ermessen eingeräumt. Im vorliegenden Fall hat er sich allerdings in seinem Verfahrensbrief selbst dahin gehend gebunden, dass Bieter zwingend ausgeschlossen werden, wenn sie die Finanzierungsbestätigung nicht oder nicht rechtzeitig (bis 18. September 2006, 12.00 Uhr bei der P. F.) vorlegen.

b) Es lässt sich indessen nicht feststellen, dass die Finanzierungsbestätigung verspätet eingegangen ist. Deshalb darf die Beigeladene nicht mit dieser Begründung ausgeschlossen werden.

aa) Abzustellen ist auf den Moment, in dem der Zeuge S. sich am Empfang der P. F. gemeldet hat.

Die VOL/A stellt in § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. e darauf ab, wann das Angebot "eingegangen" ist. Der maßgebliche Verfahrensbrief stellt auf die rechtzeitige "Vorlage" der Bestätigung ab. Da es sich um vertragliche Willenserklärungen bzw. mit solchen verbundene Nachweise geht, ist damit der Zugang im Sinne von § 130 BGB gemeint. Ein solcher Zugang setzt den Übergang in den Machtbereich des Empfängers und dessen Möglichkeit voraus, unter normalen Umständen Kenntnis erlangen zu können. Zum Machtbereich des Empfängers gehören insoweit auch die von ihm zur Entgegennahme von Erklärungen bereitgehaltenen Einrichtungen (vgl. Palandt/ Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 130 Rdnr. 5).

Entgegen der Auffassung der Vergabekammer ist die Finanzierungsbestätigung nicht erst mit ihrer Übergabe an die Zeugin H. in den Machtbereich der von dem Auftraggeber beauftragen P. gelangt, sondern bereits in dem Zeitpunkt, als sich der Zeuge S. am Empfangsschalter im Gebäude der P. gemeldet hat.

Nach der von der Vergabekammer als glaubhaft bewerten Aussage der Zeugin H. hatte diese in Abkehr von dem bei P. sonst üblichen Posteingangsverfahren angeordnet, dass Schriftstücke im Rahmen des vorliegenden Vergabeverfahrens direkt von den am Empfang tätigen Mitarbeitern entgegen genommen werden sollten. Damit war die Empfangsstelle im Gebäude der P. eine zur Entgegennahme von Erklärungen bereitgehaltene Einrichtung im o. g. Sinn. In den Machtbereich der P. übergegangen ist die Finanzierungsbestätigung der Beigeladenen in dem Moment, in dem sich der Zeuge S. unter Ablage des Dokuments auf den Tresen an die am Empfang sitzende Mitarbeiterin mit der Erklärung gewandt hat, dass er ein Dokument für Herrn Dr. L. habe. Denn mit dieser Erklärung und dem gleichzeitigen Ablegen der Finanzierungsbestätigung auf den Tresen der P. hat der Zeuge S. nach außen hin hinreichend zum Ausdruck gebracht, den Besitz an dem Dokument zugunsten der P. aufgeben zu wollen. Dass der Zeuge S. im Anschluss an diese Erklärung die Finanzierungsbestätigung dann zunächst noch wieder an sich genommen und sich einige Meter vom Empfangstresen entfernt hat, ist danach unerheblich.

bb) Dass der Zeuge S. am Empfangstresen im Gebäude der P. am 18. September 2006 zeitlich erst nach 12:00 Uhr eingetroffen ist, ist den von der Vergabekammer vernommenen Bekundungen der Zeugen S. und H. nicht mit Sicherheit zu entnehmen und ergibt sich auch nicht aus den weiteren von der Vergabekammer angeführten Umständen.

(1) Die Zeugin H. hat bekundet, dass sie weder zu dem Zeitpunkt, als ihr vom Empfang telefonisch das Eintreffen des Zeugen S. gemeldet wurde, noch in dem Moment, als sie selber am Empfang erschienen ist, auf die Uhr gesehen habe. Lediglich den Zeitpunkt, zu dem sie die Unterlage an ihren Vorgesetzen, Herrn Dr. L., übergeben habe, konnte die Zeugin H. mit 12:10 Uhr angeben. Allein aus dieser Zeitangabe lässt sich aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit der Rückschluss ziehen, dass der Zeuge S. sich erst nach 12:00 Uhr am Empfangstresen der P. gemeldet hat. Offen bleibt dabei nämlich, welcher Zeitraum zwischen dem Eintreffen des Zeugen S. am Empfangstresen und dem Telefonat der Empfangsdame mit der Zeugin H. verstrichen ist, wie lange das nach deren Aussage sich hieran angeschlossene Telefonat der Zeugin H. mit Herrn Dr. L. gedauert hat, wie lange die Zeugin H. gebraucht hat, um in die Empfangshalle zu gelangen, welchen Zeitraum das dort mit dem Zeugen S. geführte Gespräch in Anspruch genommen hat und wie lange die Zeugin H., die dann zunächst noch auf die Poststelle gegangen ist, gebraucht hat, um zu dem Zimmer von Herrn Dr. L. zu gelangen.

(2) Dass der Zeuge S. erst nach 12.00 Uhr am Empfangstresen eingetroffen ist, lässt sich auch nicht auf dessen vor der Vergabekammer gemachten Aussage stützen. Der Zeuge S. hat vielmehr im Gegenteil sogar bekundet, sich rechtzeitig vor 12.00 Uhr am Empfangsschalter gemeldet zu haben. Seine Armbanduhr, die er stets ein bis zwei Minuten vor stelle, habe nämlich zu diesem Zeitpunkt 30 bis 40 Sekunden nach 12:00 Uhr angezeigt.

(3) Schließlich lässt sich entgegen der Auffassung der Vergabekammer ein sicherer Schluss darauf, dass der Zeuge S. das Gebäude der P. erst nach 12:00 Uhr betreten hat, auch nicht daraus herleiten, dass der Zeuge S. noch um 11:46 Uhr mit Herrn Dr. L. telefoniert hat und das Erreichen des Gebäudes der P. vor 12:00 Uhr demnach technisch gar nicht möglich gewesen sein kann. Soweit sich die Vergabekammer diesbezüglich auf die Weg/ Zeitberechnungen der verschiedenen im Internet angebotenen Routenplaner bezieht, nach denen die Durchschnittsfahrtzeit von dem Arbeitsplatz des Zeugen S. bis zu dem Gebäude der P. 14,25 Minuten beträgt, bietet diese Berechnungsmethode keinen sicheren Anhalt für eine derartige Annahme. Mit den Durchschnittswerten derartiger Routenplaner lässt sich nämlich lediglich belegen, in welcher Zeit üblicherweise bei normaler Verkehrslage und normaler Geschwindigkeit eine bestimmte Wegstrecke in ungefährer Zeit zurückgelegt werden kann. Einen hinreichend sicheren Schluss darauf, welche Zeit der Zeuge S., der vor der Vergabekammer zudem bekundet hat, sich an Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht gehalten zu haben, tatsächlich von seinem Büro bis zum Gebäude der P. benötigt hat, lässt eine solche Heranziehung von Durchschnittswerten nicht zu. Diese Überlegung wird zusätzlich noch dadurch bestätigt, dass die Beigeladene im Beschwerdeverfahren notariell beurkundete Fahrtprotokolle vorgelegt hat, aus denen sich ergibt, dass der Zeuge S. bei späteren Kontrollfahrten die fragliche Strecke in Zeiträumen von 10 bis 11 Minuten zurückgelegt hat.

cc) Die hiernach verbleibenden Zweifel an der Überschreitung der von dem Auftraggeber gesetzten Frist zur Einreichung der in diesem Verfahrensstadium erforderten Unterlagen gehen nicht zu Lasten der Beigeladenen.

(1) Dies gilt ohne weiteres dann, wenn man davon ausgeht, dass derjenige die Beweislast für das Vorliegen der entsprechenden Tatbestandvoraussetzungen trägt, der sich auf die jeweilige Norm beruft (vgl. 3. Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt, Beschluss vom 1. September 2006 - VK 3 - 105/06; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11. Mai 2005 - 6 W 31/05; Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 110 Rdnr. 11; vgl. auch zu § 25 VOB/A: Ingenstau/ Korbion/Kratzenberg, VOB, 16. Aufl., § 25 VOB/A Rdnr. 9 a. E.).

(2) Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man zwar grundsätzlich die Beweislast dafür, dass ein vollständiges Angebot rechtzeitig eingereicht worden ist, dem jeweiligen Bieter auferlegt, hiervon jedoch dann eine Ausnahme macht, wenn es im Verantwortungsbereich der Vergabestelle liegt, dass sich die für einen Ausschlussgrund erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erweisen lassen (in diesem Sinne offenbar OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. November 2003 - VII - Verg 47/03).

Bereits aus der Dokumentationspflicht gemäß § 97 Abs. 1 GWB, § 30 VOL/A ergibt sich die grundsätzliche Verpflichtung der Vergabestelle, die geeigneten Vorkehrungen zu treffen, um im Streitfall die Verspätung beweiskräftig belegen zu können (vgl. Noch in: Müller-Wrede, VOL/A, 2. Aufl., § 25 Rdnr. 94). Hier kommt hinzu, dass es der von dem Auftraggeber beauftragten P. nach dem um 11:46 Uhr geführten Telefongespräch des Herrn Dr. L. mit dem Zeugen S. bekannt war, dass der noch fehlende Finanzierungsnachweis allenfalls kurz vor Ablauf der in dem Verfahrensbrief vom 1. August 2006 gesetzten Frist eingereicht werden würde. Jedenfalls aufgrund dieser besonderen Umstände ergab sich für den Auftraggeber die Obliegenheit zu dokumentieren, zu welchem genauen Zeitpunkt die Finanzierungsbestätigung in den Machtbereich der P. gelangte. Dies hätte beispielsweise dadurch geschehen können, dass ein Mitarbeiter der P. die Uhrzeit notierte, zu der der Zeuge S. das Gebäude betrat. Eine solche Dokumentation ist jedoch nicht erfolgt. Dies kann nicht zu Lasten der Beigeladenen gehen.

2. Die sonstigen Rügen der Antragstellerin haben keinen Erfolg. Die Antragstellerin ist durch die vom Auftraggeber beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene und der Nichtberücksichtigung ihres Angebotes nicht in ihren Rechten verletzt. Verstöße gegen das Vergaberecht bestehen nicht.

a) Die Antragstellerin ist nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass der Auftraggeber bei der Auswertung des verbindlichen Angebotes der Beigeladenen vom 21. Dezember 2006 die Vergütungsvereinbarung in der Fassung 3.0 vom 15. Dezember 2006 berücksichtigt hat.

aa) Eine Rüge dahingehend, dass der Auftraggeber das Angebot nur in der Fassung 4.0 der Vergütungsvereinbarung und nicht in der Fassung 3.0 habe werten dürfen, ist unzulässig. Insoweit fehlt der Antragstellerin die Antragsbefugnis, § 107 Abs. 2 GWB, weil sie durch eine Wertung in der Fassung 3.0 nicht beschwert ist. Denn die Vergütungsvereinbarung der Beigeladen in der Fassung 3.0 vom 15. Dezember 2006 enthält in den Regelungen, die in der Version 4.0 noch nicht enthalten waren (§§ 4, 5, 6 a, 9 10), ausschließlich Vereinbarungen, in denen der Beigeladenen Kostenzusagen erteilt werden. Wird die Vergütungsvereinbarung in der Version 4.0 an Stelle der Version 3.0 zugrunde gelegt, würde sich das demgemäß nur zu Gunsten der Antragstellerin auswirken.

bb) Der Auftraggeber hätte das Angebot auch nicht deshalb ausschließen müssen, weil es wegen Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten unwirksam und damit überhaupt nicht wertbar war. Vielmehr lässt sich das Angebot der Beigeladenen ohne weiteres dahin auslegen (§§ 133, 157 BGB), dass die Vergütungsvereinbarung in der Version 3.0 angeboten war.

Entscheidend ist, welchen objektiven Erklärungswert das Angebot unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände aus der Sicht des Erklärungsempfängers hatte. Auch dann wenn - wie hier - formbedürftige Erklärungen auszulegen sind, sind Umstände außerhalb der Urkunde zu berücksichtigen; es genügt, wenn der aus Umständen außerhalb der Urkunde ermittelte rechtsgeschäftliche Wille in der Urkunde einen, wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (Heinrichs in Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, § 133 Rn 19).

Das eingereichte Angebot der Beigeladenen enthielt die Fassung 4.0 der Vergütungsvereinbarung. Allerdings waren die Paragraphen nicht laufend durchnummeriert; es fehlten die §§ 4, 5, 6 a, 9 10, die für individuell ausgehandelte Regelungen vorgesehen waren. An ihrer Stelle befinden sich in dem eingereichten Angebot die Zeichen "(...)" als Platzhalter.

In der Vergütungsvereinbarung waren für Leistungen des Maßregelvollzugs allen Bietern bestimmte Regelungen zwingend vorgegeben worden sind, um eine weitgehende Vereinheitlichung der Vergütung in diesem Bereich für die Zukunft zu ermöglichen. Darüber hinaus konnten zusätzliche individuelle Regelungen verhandelt werden. Die Beigeladene hatte, wie die Antragstellerin auch, vor Abgabe des Angebots die in der zwingend vorgegebenen Vertragsversion offen gelassenen Paragraphen mit dem Auftraggeber einvernehmlich ausgehandelt. Für den Auftraggeber gab es keinen Grund anzunehmen, die Beigeladene wolle ein Angebot ohne diese - für sie günstigen und vom Auftraggeber bereits akzeptierten - individuellen Vergütungsbestandteile machen. Der Paragraphenfolge und den Platzhaltern in der Angebotsurkunde war zu entnehmen, dass auch diese zusätzlichen Regelungen Vertragsbestandteil werden sollten.

Dementsprechend hat der Auftraggeber auch reagiert und nachgefragt. Mit E-Mail vom 4. Januar 2007 hat die Beigeladene bestätigt, dass es sich um ein Versehen gehandelt habe und maßgeblich die ausgehandelte Vergütungsvereinbarung in der Fassung 3.0 sein solle. Für eine offene Ausschreibung lässt § 24 VOL/A derartige Aufklärung zu. Im Verhandlungsverfahren ist eine solche Klarstellung ohnehin unproblematisch. Abgeändert hat die Beigeladene ihr Vertragsangebot damit nicht.

b) Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die Beigeladene die in der Bekanntmachung vom 6. Mai 2006 erforderten Jahresabschlüsse der letzten zwei Jahre oder andere geeignete Unterlagen nicht vorgelegt habe, greift dieser Einwand nicht durch. Ein Verstoß gegen § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A liegt insoweit nicht vor.

aa) Bei der Forderung in Ziffer III.2.2. der Bekanntmachung vom 6. Mai 2006, wonach die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit durch geeignete Unterlagen zu belegen ist, handelt es sich bereits nicht um eine Mindestanforderung in dem Sinn, dass Angebote, mit denen solche Referenzen nicht vorgelegt werden, ausgeschlossen werden. Nach Ziffer III.2.2. der Bekanntmachung vom 6. Mai 2006 werden erfordert "Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen: Jahresabschlüsse der letzten zwei Jahre oder, im Falle öffentlichrechtlicher Träger entsprechende trägerspezifische Erklärungen oder, andere geeignete Unterlagen zum Nachweis der nachhaltigen wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit". Dies ist aus der Sicht eines verständigen Bieters dahin zu verstehen, dass der Auftraggeber ihre Vorlage verlangt, sie also fordert. Welche Bedeutung es für die Wertung der Angebote hat, wenn ein Bieter dieser Forderung nicht oder nicht vollständig nachkommt, ergibt sich aus § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A. Danach können Angebote, die die geforderten Angaben und Erklärungen nicht enthalten, ausgeschlossen werden. Wenn der Auftraggeber der Forderung in der Bekanntmachung, dass die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit zu belegen ist, die weitergehende Bedeutung hätte geben wollen, dass ein Bieter, der diesen geforderten Eignungsnachweis nicht einreicht, zwangsläufig ausgeschlossen wird, so hätte er dies ausdrücklich zum Ausdruck bringen müssen. Das hat er jedoch nicht getan.

bb) Zudem hat die Beigeladene die nach Ziffer III.2.2. der Bekanntmachung vom 6. Mai 2006 erforderten Nachweise eingereicht. Zutreffend ist zwar der Einwand der Antragstellerin, dass die Beigeladene keine Jahresabschlüsse vorgelegt hat. Jedoch hat die Beigeladene für die Jahre 2004 und 2005 Angaben gemacht zu den Erlösen, der Gewinngröße (E.), dem Kapital der Gesellschafter sowie der Bilanzsumme. Diese Finanzkennzahlen erachtet der Senat als zum Nachweis der nachhaltigen wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit hinreichend. Auch die Antragstellerin ist auf diesen Aspekt im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens nicht mehr zurückgekommen, nachdem der Auftraggeber auf ihre Rüge hin ausgeführt hat, dass die von der Beigeladenen abgegebenen Unterlagen bei der Prüfung der Teilnahmeanträge für ausreichend befunden worden seien, um die nachhaltige wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Beigeladenen zu belegen und dieses vorläufige Ergebnis nach Abschluss der Auswertung der Teilnahmeanträge in dem für das Projekt zuständigen interministeriellen Lenkungsausschuss nochmals beraten und mit verbindlicher Wirkung bestätigt worden sei.

c) Ein Verstoß gegen § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A liegt auch insoweit nicht vor, als die Beigeladene ihrem Angebot eine Finanzierungsbestätigung lediglich in einfacher Ausfertigung vorgelegt hat.

Nach Ziff. 4.1 des Verfahrensbriefes vom 1. August 2006 mussten die Angebote einschließlich der Vertragsentwürfe/Beleihungsakt-Entwürfe in schriftlicher, rechtsverbindlich unterzeichneter Form in dreifacher Ausfertigung vorliegen. In Ziff. 4.2.1 des genannten Verfahrensbriefes ist ausgeführt, dass der Bieter hinsichtlich der in Ziff. 4.1 genannten K. O.Kriterien die folgende Erklärung im konkretisierten Angebot abzugeben habe: "Der Bieter hat die beabsichtigte Finanzierung des Kaufpreises und - soweit konkret im medizinischen Konzept vorgesehen - der Investitionsverpflichtungen zu erläutern bzw. ggf. seine diesbezüglichen Angaben aus dem vorläufigen Angebot zu bestätigen. ... Sofern eine Fremdfinanzierung in Anspruch genommen wird, ist eine Bestätigung der finanzierenden Bank ... vorzulegen ... Die fehlende oder nicht rechtzeitige Vorlage der Bankbestätigung führt zum Ausschluss vom Vergabeverfahren".

Nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Verkehrssitte mussten die Bieter diese Angaben in dem Verfahrensbrief so verstehen, dass die Finanzierungsbestätigung lediglich in einfacher Ausfertigung vorgelegt zu werden brauchte. Denn aus dem Wortlaut des Verfahrensbriefes vom 1. August 2006 folgte, dass zwar die Erklärung des Bieters zur Finanzierung Bestandteil des Angebotes war, das in dreifacher Ausfertigung vorzulegen war. Die Finanzierungsbestätigung selbst war danach jedoch eine vom Angebot des Bieters zu unterscheidende Erklärung eines Dritten, von der lediglich eine Erklärung vorgelegt zu werden brauchte.

d) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat der Auftraggeber nicht gegen seine Verpflichtung gemäß § 2 Nr. 3 VOL/A verstoßen, die Vergabeentscheidung selbst unter seiner ausschließlicher Verantwortung zu treffen.

Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, dass ein öffentlicher Auftraggeber sich zur Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens sachverständiger Hilfe bedient. Diese grundsätzliche Möglichkeit (vgl. § 6 VOL/A) entledigt die Vergabestelle jedoch nicht von ihrer ureigenen und ausschließlichen Verantwortung für den Beschaffungsvorgang nach § 2 Nr. 3 VOL/A. Die Mitwirkung des Sachverständigen darf die Grenze der bloßen Unterstützung der Vergabestelle nicht überschreiten; die Entscheidungen im Vergabeverfahren, insbesondere diejenigen Entscheidungen, bei denen die Ausfüllung eines Beurteilungsspielraumes bzw. eine Ermessenausübung notwendig ist, sind von der Vergabestelle selbst zu treffen (vgl. z. B. OLG Naumburg, Beschluss vom 26. Februar 2004 - 1 Verg 17/03; Lux in: Müller-Wrede, VOL/A, 2. Aufl., § 6 Rdnr. 6 ff.).

Gegen diesen Grundsatz hat der Auftraggeber nicht verstoßen. Das Vergabeverfahren ist von einer vom Nds. Ministerium für Gesundheit, Frauen, Familie und Soziales eingesetzten Projektgruppe "Übertragung der Trägerschaft an den Nds. Landeskrankenhäusern" sowie einem zur Begleitung des Verfahrens eingesetzten interministeriellen Lenkungsausschusses betreut worden. Nach Angabe des Auftraggebers sind alle wesentlichen Fragen des Vergabeverfahrens diesem Lenkungsausschuss zur Beratung und Entscheidung vorgelegt worden. Als wesentlich sind danach insbesondere die Prüfung der Teilnahmeanträge im Hinblick auf die Eignung der Bewerber, die Bewertung der Angebote in den einzelnen Verfahrensstufen, die Entscheidung über die Zulassung und den Ausschluss von Bietern und die Eckpunkte der Verhandlungen angesehen worden. Fragen von geringerer Bedeutung sind dagegen von der Projektgruppe selbstständig entschieden worden. Der Vertreter des Auftraggebers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals näher dargelegt, wie die Vergabeentscheidung auch in einzelnen Fachgruppen von Beauftragten des Auftraggebers unter Beteiligung der Betroffenen und von Fachleuten vorbereitet und in den entscheidenden Ausschuss "eingefüttert" wurde. Eine solche Verfahrensweise ist bei einem derart komplexen Vergabeverfahren wie dem vorliegenden unumgänglich.

Dass der Auftraggeber selbst entschieden hat, ergibt sich aus der Ergebnisniederschrift der Sitzung des Lenkungsausschusses vom 15. Januar 2007, in der über die Auswertung der verbindlichen Angebote und die beabsichtigte Zuschlagserteilung beraten wurde. Zwar war dieses Protokoll in der Vergabeakte nicht enthalten. Der Auftraggeber hat es aber als Anlage seinem Schriftsatz vom 26. Februar 2007 an die Vergabeklammer beigefügt. An seiner inhaltlichen Richtigkeit hat der Senat keinen Zweifel. Dass der Lenkungsausschuss selbst über die Vergabe entschieden hat, ergibt sich auch aus dem Vergabevermerk vom 25. Januar 2007. Insgesamt ist damit auch die Vergabeentscheidung des Auftraggebers hinreichend dokumentiert.

e) Vergaberechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Auftraggeber mit der Beigeladenen wieder Verhandlungen aufgenommen hat, nachdem dieser mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 mitgeteilt worden war, dass ihr Angebot zunächst zurückgestellt werden würde.

In der Sitzung des Lenkungsausschusses vom 21. November 2006 ist der Beschluss gefasst worden, dass mit der Beigeladenen in dem Fall Verhandlungen wieder aufgenommen werden, dass einer der Bieter, mit denen derzeit verhandelt wird, mitteilt, dass er kein verbindliches Angebot abgeben wird. Diesbezüglich hat der Mitarbeiter der von dem Auftraggeber beauftragten P., Herr Dr. von F., in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer angegeben, dass er am 21. November 2006 telefonisch vom Anwalt eines Bieters darüber informiert worden sei, dass der Bieter kein verbindliches Angebot für das NLKH O. abgeben werde. Der Anwalt des betreffenden Bieters habe auf seine Frage abgelehnt, den Verzicht auf die Abgabe eines verbindlichen Angebotes schriftlich zu erklären. Er habe daraufhin telefonisch Rücksprache mit zwei Mitgliedern des Lenkungsausschusses gehalten.

Nach dieser Erklärung, an deren Richtigkeit der Senat keinen Anlass zu zweifeln hat, waren die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der Beigeladenen gegeben. Bedingung für die Wiederaufnahme der Verhandlungen war nach dem Beschluss vom 21. November 2006 lediglich, dass einer der Bieter, mit denen derzeit verhandelt wird, mitteilt, dass er kein verbindliches Angebot abgeben werde. Eine derartige Mitteilung lag nach den Angaben des Herrn Dr. von F. vor. Eine bestimmte Form für eine solche Erklärung war nach dem Beschluss des Lenkungsausschusses vom 21. November 2006 nicht vorgesehen. Der Bieter hat auch tatsächlich kein Angebot abgegeben.

f) Soweit die Antragstellerin beanstandet, dass der Auftraggeber bei der Wertung der Angebote ein Kaufpreisangebot der Antragstellerin in Höhe von rd. 8,5 Mio. EUR an Stelle von 10 Mio. EUR zu Grunde gelegt habe, zeigt die Antragstellerin auch hiermit keinen Vergabeverstoß des Auftraggebers auf.

Nach der im Verfahrensbrief vom 14. Juni 2006 bekannt gegebenen Bruttomethode ist der Barkaufpreis eines Bieters für den Fall, dass der Bieter eine Entnahme der im NLKH flüssigen Mittel durch den Auftraggeber zum 31. Dezember 2006 zulässt, um den Betrag dieser flüssigen Mittel zu erhöhen. Verbleiben die flüssigen Mittel im NLKH, wird der Barkaufpreis mithin nicht verändert. Nach diesen Grundsätzen hat der Auftraggeber den von der Antragstellerin angebotenen Kaufpreis zutreffend gewertet. Die Antragstellerin hat einen Barkaufpreis in Höhe von 10 Mio. EUR angeboten. Bei diesem Kaufpreis hat die Antragstellerin einen Bestand flüssiger Mittel im NLKH zum Stichtag 31. Dezember 2006 in Höhe von 3,1 Mio. EUR unterstellt. Tatsächlich waren derartige Mittel jedoch lediglich in Höhe von ca. 1,4 Mio. EUR vorhanden. Demgemäß musste der von der Antragstellerin angebotene Barkaufpreis um den - faktisch vom Auftraggeber in das NLKH zuzuschießenden - Betrag von rd. 1,7 Mio. EUR reduziert werden. Da auf diesen Betrag noch die Zinsen bis zum Zahlungszeitpunkt des Kaufpreises in Höhe von ca. 0,2 Mio. EUR hinzugerechnet worden sind, ergab sich damit ein korrekt berechneter Kaufpreis seitens der Antragstellerin in Höhe von 8,5 Mio. EUR.

g) Schließlich greifen auch die Rügen der Antragstellerin nicht durch, wonach der Auftraggeber die medizinischen Konzepte sowie die Personalkonzepte der Antragstellerin wie auch der Beigeladenen fehlerhaft bewertet habe.

Bei der Bewertung der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen ist dem Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet, dessen Ausfüllung der Überprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen weitgehend entzogen ist. Die Nachprüfungsinstanzen prüfen nur, ob die Grenzen dieses Beurteilungsspielraumes überschritten sind. Das ist der Fall, wenn der Auftraggeber Verfahrensfehler begangen hat, den Sachverhalt unzutreffend ermittelt oder sachwidrige Erwägungen zu Grunde gelegt hat (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 13. September 2005 - Verg W 8/05).

Ob die Wertung des Auftraggebers derartige Vergaberechtsfehler aufweist, braucht der Senat nicht hinsichtlich sämtlicher seitens der Antragstellerin gerügten Wertungsbereiche zu überprüfen. Unter Zugrundelegung der von der Antragstellerin vorgenommenen Höherbewertung des eigenen Angebotes würde sich für dieses eine Gesamtbewertung von 80,75 % ergeben. Demgegenüber beträgt die von dem Auftraggeber vorgenommene Gesamtbewertung des Angebotes der Beigeladenen (nach Korrektur von Rechenfehlern) 83,13 %. Demgemäß würde sich, selbst unter Zugrundelegung der von der Antragstellerin vorgenommenen Eigenbewertung, bei einer Gegenüberstellung der beiden Angebote das der Beigeladenen immer noch als das wirtschaftlich günstigere i. S. von § 25 Nr. 3 VOL/A erweisen. Lediglich dann, wenn auch der Gesamtbewertung des Angebotes der Beigeladenen die jeweiligen Einzelbewertungen zu Grunde gelegt werden würden, die nach Auffassung der Antragstellerin angemessen sein sollen, käme man dazu, dass das Angebot der Antragstellerin mit 80,75 % zu dann 78,86 % des Angebotes der Beigeladenen das wirtschaftlich günstigere wäre.

Jedenfalls die zuletzt genannte Berechnung kann die Antragstellerin jedoch zulässigerweise nicht vornehmen.

aa) Die Antragstellerin rügt an der Bewertung des Angebotes der Beigeladenen, dass der Folie 10 der Detailauswertung vom 25. Januar 2007 zu entnehmen sei, dass die Beigeladene keine Vertragsstrafen bei Verstößen gegen das medizinische Konzept akzeptiert habe.

Mit dieser Rüge hat die Antragstellerin weder dargelegt, dass der Auftraggeber Verfahrensfehler begangen, den Sachverhalt unzutreffend ermittelt oder sachwidrige Erwägungen zu Grunde gelegt hat. Denn nach Ziff. 33.3 des von der Beigeladenen zur Grundlage ihres Angebotes gemachten Kauf und Übertragungsvertrages hat sich die Beigeladene für den Fall, dass sie ihren Verpflichtungen aus dem medizinischen Konzept nicht nachkommt, verpflichtet, das Krankenhaus auf Verlangen des Landes Niedersachsen an dieses zurückzugeben. Diese Regelung ist jedenfalls grundsätzlich geeignet, den Bieter, ebenso wie bei der Vereinbarung einer Vertragsstrafe, zur Einhaltung seiner vertraglich eingegangenen Verpflichtungen anzuhalten. Die Frage, ob und inwieweit diese Regelung für den Auftraggeber in gleichem Maße wie eine Vertragsstrafe praktikabel und wirtschaftlich sinnvoll ist, ist eine Frage, die dem Beurteilungsspielraum des Auftraggebers unterfällt und von den Vergabeinstanzen nicht überprüft werden kann.

bb) Ein Beurteilungsfehler im o. g. Sinn ist ebenfalls nicht zu erkennen, soweit die Antragstellerin rügt, dass auf Folie 10 der Detailauswertung vom 25. Januar 2007 die Einrichtung einer Tagesklinik sowie einer Institutsambulanz als positives Bewertungskriterium für die Beigeladene aufgeführt ist. Soweit die Antragstellerin vermutet, dass die Beigeladene sich damit lediglich auf bereits vorhandene Einrichtungen beziehen, ist dies insoweit unzutreffend, als in dem medizinischen Konzept der Beigeladenen von der Einrichtung einer weiteren Tagesklinik sowie einer weiteren Institutsambulanz die Rede ist.

cc) Auch soweit die Antragstellerin hinsichtlich des auf Folie 11 der Detailsauswertung dargestellten Wertungsbereiches "Fortführung und Ausbau der Zusammenarbeit mit den sozialpsychiatrischen Verbündeten und jeweils bestehenden Angeboten der komplementären psychiatrischen Versorgung in der Region sowie mit den Sozialhilfeträgern" in Frage stellt, ob derartige Tätigkeiten von einem bisher im Versorgungsgebiet nicht vertretenen Anbieter garantiert werden könne, legt sie keinen von den Vergabenachprüfungsinstanzen überprüfbaren Bewertungsfehler dar. Denn dieser von der Antragstellerin gerügte Aspekt beinhaltet eine prognostische Beurteilung, die allein dem Beurteilungsspielraum des Auftraggeber unterfällt.

dd) Kann somit im Vergabenachprüfungsverfahren hinsichtlich der vorgenannten Wertungsbereiche nicht mit Erfolg eine Neubewertung geltend gemacht werden, würde sich selbst unter Zugrundelegung der seitens der Antragstellerin vorgenommenen Neubewertungen der übrigen Wertungsbereiche ergeben, dass das Angebot der Beigeladenen mit 82,10 % zu bewerten wäre, das der Antragstellerin hingegen nur mit 80,75 %. Auch in dem Fall wäre das Angebot der Beigeladenen im Vergleich zu dem der Antragstellerin mithin noch das wirtschaftlich günstigere.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 GWB, §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO. Außergerichtliche Kosten des Auftraggebers im Beschwerdeverfahren vor dem Senat sind nicht zu erstatten, weil der Auftraggeber keine Anträge gestellt und keine Erklärungen dazu abgegeben hat, ob er die Antragstellerin oder Beigeladene im Beschwerdeverfahren unterstütze. Die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB waren der Beigeladenen aufzuerlegen. Insoweit vertritt der Senat in Abkehr von seiner bisherigen Rechtssprechung die Auffassung, dass der Beteiligte, der in der abschließenden Entscheidung unterliegt, nicht immer die Kosten des von einem anderen Beteiligten angestrengten Eilverfahrens zu tragen hat (vgl. zum Meinungsstand Wiese in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 128 Rdn. 68). In den meisten Fällen wird allerdings die Erfolgsaussicht in der Sache auch dafür entscheidend sein, ob ein Eilantrag begründet ist mit der Folge, dass die Kostenentscheidungen parallel laufen, wenn man auf den endgültigen Verfahrensausgang abstellt. Wie der vorliegende Fall zeigt, sind aber auch andere Konstellationen denkbar. Auch hier käme zwar in Betracht, die im Eilverfahren entstandenen Kosten der Antragstellerin deshalb aufzuerlegen, weil sie letztlich durch ihren erfolglos gebliebenen Nachprüfungsantrag verursacht sind. Solche Kosten dem in der Hauptsache Unterliegenden aufzuerlegen, ist aber dann unbillig, wenn der Eilantrag seines Gegners aus Gründen erfolglos geblieben ist, die allein ihm (dem Gegner) zuzurechnen sind. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Gegner den Antrag zurücknimmt oder - wie hier - einen unzulässigen Antrag stellt.

2. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 50 Abs. 2 Satz 1 GKG (Auftragswert brutto 17.811.532 EUR, davon 5 %).

Ende der Entscheidung

Zurück