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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 29.11.2001
Aktenzeichen: 13 W 86/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1004
ZPO § 888
ZPO § 894
Ob ein Verurteilung zum Widerruf unrichtiger Tatsachenbehauptungen grundsätzlich nach § 888 ZPO oder in entsprechender Anwendung von § 894 ZPO zu vollstrecken ist, kann dahinstehen. Jedenfalls dann, wenn der Urteilstenor über die Verpflichtung zum bloßen Widerruf hinaus ins Einzelne gehende Handlungsanweisungen enthält (hier: Widerruf schriftlich gegenüber der Gläubigerin), müssen diese nach § 888 ZPO durchsetzbar sein.
13 W 86/01

Beschluss

In der Beschwerdesache

pp.

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht #######, des Richters am Oberlandesgericht ####### und des Richters am Landgericht ############## am 29. November 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Gläubigerin vom 2. Oktober 2001 gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 3. August/13.September 2001 wird der angefochtene Beschluss abgeändert.

Gegen den Schuldner wird zur Erzwingung der im rechtskräftigen Versäumnisurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 14. September 1998 erfolgten Verurteilung, nämlich,

a) seine Äußerung in dem von ihm publizierten und am 13. November 1997 in ####### verteilten Flugblatt:

Die ####### hat mit aller Macht versucht, so viele wirtschaftliche Sicherheiten bis hin zur Übersicherung, wie möglich von der Firma ####### zu erhalten, um diese immer weiter an sich zu binden, um dann eine Verwertung der Firma herbeizuführen und so die Sachwerte der Firma zu erlangen zur Befriedigung eines potentiellen Großkunden.

Die ####### hat durch falsche und kreditschädigende Äußerungen, insbesonders hier die Bank-an-Bank-Auskünfte gegenüber anderen Kreditinstituten acht bestehende Arbeitsplätze sowie fünf weitere geplante Arbeitsplätze vernichtet.

Die Auskünfte entsprachen nicht der Wahrheit und sollten nicht als Auskunft dienen, sondern vielmehr dazu führen, die Firma ############## wirtschaftlich zu isolieren, um sie dann der wirtschaftlichen Verwertung durch die ####### ####### anheimzuzuführen;

b) seine in seinem Schreiben vom 3. Dezember 1997 gegenüber der Stadt ####### aufgestellte Behauptung:

Die Sparkasse ####### hat in Form von psychischer Gewalt als auch die konkludente Drohung mit dem empfindlichen Übel der Kündigung des Kreditengagements und einer sich daraus zwangsläufig ergebenden Geschäftsaufgabe und Zwangsvollstreckung gegenüber der Firma ############## schuldig gemacht. Die ############## hat zum einen in völlig unbegründeter Weise das Kreditengagement gekündigt und zwar 'zwischen den Jahren 1994', um dann sämtliche Kreditverbindlichkeiten auf einmal zurückzufordern, um somit die ############## zur Aufgabe zu zwingen und damit an das Firmenvermögen zu gelangen.

Ferner hat die ############## auch immer wieder versucht, noch mehr Sicherungsmittel durch die Firma ####### an sich zu binden, um diese praktisch wirtschaftlich völlig zu knebeln, um diese zu einer frühzeitigen Aufgabe zu bewegen. In diesem Lichte muss dann auch die Weitergabe der Bankauskünfte gesehen werden, da die Bank versucht hat, und dies ist ihr auch weitgehend gelungen, dass die Firma ####### wirtschaftlich völlig isoliert wurde. Es bestand bis September 1997 für die Fa. ############## keinerlei Möglichkeit, andere Finanzpartner zu erreichen, da die Banken aufgrund der Auskünfte weitere Verbindungen scheuen. Die Auskünfte verzerrten die wahre Finanzsituation der Firma ##############;

1.

die in der #######-Talkshow mit dem Moderator ############## am 30. April 1998 abgegebenen Erklärungen,

... hat die Bank (= die Klägerin) sittenwidrig die Kredite innerhalb von 14 Tagen gekündigt;

Grund für die Kreditkündigung sei gewesen, dass die Klägerin 'einen Konkurrenten von mir (hatte), der gerne das Grundstück erwerben wollte und der ist ein Ehemaliger bei der Sparkasse in #######. Das ist praktisch ein Verein. Und der sollte an das Grundstück rankommen und das wäre ja gegangen mit der Kündigung innerhalb von 14 Tagen, was normalerweise nicht machbar ist';

die Klägerin 'kann das nicht in der Öffentlichkeit diskutieren, ..., denn diese kriminelle Handlung, ich sage regelrecht kriminelle Handlung, was will sie da auch diskutieren';

... uns als Kunden haben sie (= die Klägerin) wie Schweine behandelt;

das ist ja ... ein Wirtschaftsverbrechen, das die Kreissparkasse ####### gemacht hat. Die hat erstens 13 Arbeitsplätze kaputtgemacht, vorsätzlich mit einer sittenwidrigen Kündigung ...

schriftlich gegenüber der Gläubigerin zu widerrufen,

ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 DM festgesetzt, ersatzweise je ein Tag Ordnungshaft für je 500 DM Zwangsgeld.

Die Zwangsvollstreckung entfällt, wenn der Schuldner der obigen Verpflichtung nachkommt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Schuldner zu tragen.

Beschwerdewert: 1.500 DM

Gründe:

I.

Durch rechtskräftiges Versäumnisurteil des Landgerichts Verden vom 14. September 1998 ist der Schuldner verurteilt worden, die im Tenor dieses Beschlusses genannten Behauptungen gegenüber der Gläubigerin schriftlich zu widerrufen. Diesen Widerruf hat der Schuldner trotz entsprechender Aufforderungen

- auch nach Rechtskraft des Urteils - bislang nicht abgegeben.

Den Antrag der Gläubigerin, deshalb gemäß § 888 ZPO ein Zwangsgeld gegen den Schuldner festzusetzen, hat das Landgericht als unzulässig zurückgewiesen. Die Vollstreckung eines schriftlichen Widerrufs richte sich nach § 894 ZPO. Hiergegen wendet die Gläubigerin sich mit ihrer sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist statthaft und auch sonst zulässig (§ 793 ZPO). Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

1. Die Voraussetzungen des § 888 ZPO liegen vor. Der Schuldner ist zum schriftlichen Widerruf verurteilt worden, also einer Handlung, die von Dritten nicht vorgenommen werden kann und ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Zwar ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob § 888 ZPO bei einer Verurteilung zum Widerruf Anwendung findet (dafür OLG Frankfurt, MDR 1998, 986; OLG Köln, MDR 1992, 184; OLG Zweibrücken, NJW 1991, 304; Münchener Kommentar-Schilken, ZPO, 2. Aufl., § 888 Rn. 5; Zöller-Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 888 Rn. 3 'Widerruf'; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 888 Rn. 2). Vielfach wird die Ansicht vertreten, die Vollstreckung nach einer Verurteilung zum Widerruf habe (analog) § 894 ZPO zu erfolgen (OLG Hamm, OLGZ 1992, 64, 73; OLG Frankfurt (Senat Darmstadt), NJW 1982, 113; Zöller-Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 894 Rn. 3; zweifelnd Stein-Jonas-Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 888 Rn. 5 f.).

Wie dieser Streit zu entscheiden ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Unter 2) des Urteilstenors ist der Schuldner ausdrücklich verurteilt worden, den Widerruf der Gläubigerin schriftlich zu erklären. Damit enthält der Urteilsausspruch eine ins Einzelne gehende Handlungsanweisung, die über den Widerruf als solchen hinausgeht. Derartige Anträge kann ein Kläger durchaus im Erkenntnisverfahren verfolgen, wenn er meint, dass zur Beseitigung der Störung solche Handlungen notwendig sind. In der Sache ist über diese Notwendigkeit im Erkenntnisverfahren und nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren zu entscheiden. Einer derartige im Erkenntnisverfahren getroffene Entscheidung muss dementsprechend im Wege der Zwangsvollstreckung (hier nach § 888 ZPO) durchsetzbar sein. Verfassungsrechtliche Bedenken, wie sie vereinzelt angeführt werden, bestehen gegen eine Vollstreckung nach § 888 ZPO in einem solchen Fall nicht (vgl. BVerfG, NJW 1970, 651, 652).

2. Bei der Bemessung des Zwangsgelds ist berücksichtigt, dass der Schuldner bereits gegen Unterlassungspflichten aus dem gleichen Urteil verstoßen hat und das Landgericht mit Beschluss vom 22. März 2001 deswegen ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 DM festgesetzt hat. Dennoch ist der Schuldner offenbar nicht bereit, dem Urteil Folge zu leisten. Andererseits wiegt die Nichtabgabe des schriftlichen Widerrufs nicht so schwer, dass ein Zwangsgeld in der gleichen Größenordnung gerechtfertigt wäre. Dies gilt umso mehr, als ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM verhängt werden kann, ein Zwangsgeld jedoch nur bis zu 50.000 DM. Ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 DM ist erforderlich, aber auch ausreichend, den Schuldner zur Abgabe des schriftlichen Widerrufs der im Tenor genannten Behauptungen anzuhalten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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