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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: 14 U 108/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 649
Nennt der Auftragnehmer bei der Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrags für die nicht erbrachten Leistungen nur pauschale Beträge, ohne darzulegen, wie die Preise ermittelt worden sind und ohne seine Kalkulation offen zu legen, ist die Abrechnung nicht prüfbar.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 108/05

Verkündet am 7. Februar 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und der Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 15. April 2005 abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Die Klage wird - hinsichtlich des Zahlungsantrags nur als zur Zeit unbegründet - abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 75.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Werklohn der Klägerin in Höhe von 75.000 EUR und um die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek wegen einer Forderung in Höhe von 37.500 EUR, zu deren Sicherung im vorangehenden einstweiligen Verfügungsverfahren vom Landgericht bereits eine Vormerkung erlassen worden ist.

Zwischen den Parteien besteht ein Bauvertrag vom 14. November 2003 (Bl. 6 d. A.), dem wiederum ein "Bebauungskonzept" des Beklagten zugrunde liegt (Bl. 5 d. A.). Danach sollte die Klägerin im Auftrag des Beklagten fünf Doppelhäuser errichten. Die Abrechnung zwischen den Parteien sollte hausweise nach einem bestimmten Zahlungsplan erfolgen (vgl. Bl. 9 und 20 d. A.). Pro Haushälfte ist ein Pauschalpreis von 125.000 EUR brutto vereinbart worden. Streitbefangen sind hier die Häuser Nr. 36 und 38 nach dem Bebauungskonzept. Nachdem die Klägerin vier Rechnungen über je 18.750 EUR am 26. Januar und 25. Februar 2003 (Bl. 21 bis 24 d. A.) dem Beklagten gestellt und dieser darauf nicht gezahlt hatte, stellte sie die Arbeiten an dem Bauvorhaben ein. Der Beklagte beauftragte eine andere Firma mit der Fertigstellung.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünden für die Fertigstellung der Keller und Erdgeschossdecken nach dem vereinbarten Zahlungsplan jeweils 15 % des Pauschalpreises zu. Für die vier Doppelhaushälften ergäbe das insgesamt die mit der Klage geltend gemachten 75.000 EUR. Ihre Leistungen habe sie ordnungsgemäß und mangelfrei erbracht.

Der Beklagte hat demgegenüber eingewandt, die Klägerin sei insgesamt bereits überzahlt. Außerdem seien ihre Leistungen je Haus allenfalls 19.000 EUR wert.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin könne für die Fertigstellung der Keller und Erdgeschossdecken je 15 % des vereinbarten Pauschalpreises pro Haus von 125.000 EUR verlangen. Die Zahlungen des Beklagten seien auf andere Rechnungen erfolgt. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht beendet, sondern befinde sich noch "in der Schwebe". Mangels Kündigung sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, eine Schlussrechnung zu erstellen und hätte deshalb nach Fertigstellungsraten abrechnen können. Zur dinglichen Absicherung eines Teils des Anspruchs der Klägerin sei die Einteilung der Bauhandwerkersicherungshypothek erforderlich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten. Er ist der Ansicht, der Bauvertrag sei vorzeitig beendet worden, was schon daraus folge, dass die noch offenen Restarbeiten durch eine andere Firma ausgeführt worden seien. Eine Kündigung sei damit zumindest konkludent ausgesprochen worden. Außerdem habe die Klägerin ihren Anspruch nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Klage sei deshalb insgesamt unschlüssig.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Es läge - wenn überhaupt - eine (unzulässige) Teilkündigung des Vertrages vor. Im Übrigen trägt sie näher zu ihrer Vergütung vor (Schriftsätze vom 19. Oktober 2005, Bl. 193 f. d. A., und vom 19. Dezember 2005, Bl. 225 f. d. A.).

Der Senat hat durch Verfügung des Vorsitzenden vom 28. Juli 2005 (Bl. 161 d. A.) sowie nochmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2005 (vgl. Protokoll Bl. 221 d. A.) auf die insbesondere nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehenden Anforderungen an die Abrechnung erbrachter Leistungen bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag hingewiesen. Der Klägerin ist insoweit Gelegenheit zu weiterem Vortrag gegeben worden (vgl. Bl. 222 d. A.).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist begründet. Die Klage ist - hinsichtlich des Zahlungsantrags allerdings nur zur Zeit - unbegründet.

1. Der Bauvertrag ist wirksam gekündigt worden. Er ist weder - entgegen der Ansicht des Landgerichts - "in der Schwebe" noch liegt lediglich - entgegen der Ansicht der Klägerin - eine Teilkündigung vor.

Die Parteien haben zwar einen Bauvertrag über fünf Doppelhäuser geschlossen. Unstreitig war aber hausweise gesondert abzurechnen (so ausdrücklich im Zahlungsplan Bl. 9 u. 20 d. A. vorgesehen). Die Arbeiten sind von der Klägerin abgebrochen und danach durch von dem Beklagten beauftragte andere Firmen beendet worden. Der Wunsch nach Vertragsbeendigung ist schon dadurch eindeutig zum Ausdruck gebracht worden (vgl. nur Palandt/Sprau, 65. Aufl., § 649 Rn. 2 m. w. N.). Dazu kommt, dass zumindest eines der Häuser bereits an den Kunden übergeben worden und dieser eingezogen ist (S. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 12. Januar 2005, Bl. 67 d. A.). Es ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht behauptet, dass neben den streitbefangenen Häusern Nr. 36 und 38 noch andere Häuser nach der Einstellung der Arbeiten von ihr zu vollenden waren oder von ihr vollendet wurden. Die Klägerin trägt auch nicht vor, dass noch Leistungen von ihr zu erbringen sind. Dann aber ist das Vertragsverhältnis insgesamt beendet.

2. Die Klägerin hat die ihr nach der Kündigung zustehende Vergütung nicht prüfbar abgerechnet. Ihre Forderung ist daher nicht fällig.

a) Die Klägerin hat ihrer Klageforderung jedenfalls bis zu dem Hinweis des Senatsvorsitzenden vom 28. Juli 2005 (Bl. 161 d. A.) die Rechnungen vom 26. Januar und 25. Februar 2003 (Bl. 21 bis 24 d. A.) zugrunde gelegt. Bei diesen Rechnungen handelt es sich um Abschlagsrechnungen nach dem Bautenstand ("1. Zahlungsstufe"). Nach der Kündigung ist aber ein Anspruch aus diesen Rechnungen entfallen. Die Klägerin hat vielmehr gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B abzurechnen, weil die Parteien in ihrem Bauvertrag die VOB/B wirksam vereinbart haben (Nr. 1 b des Bauvertrags, Bl. 6 d. A.). Voraussetzung für die Fälligkeit der vereinbarten Vergütung ist danach eine prüffähige Schlussrechnung. Denn ebenso wie nach einem vollständig abgewickelten Vertrag muss der Auftragnehmer nach einer Kündigung eine prüffähige Schlussrechnung erstellen (vgl. BGHZ 140, 365). Die Klägerin hat ihre Forderung auf die Hinweise vom 28. Juli und 6. Dezember 2005 (Bl. 161 u. 221 d. A.) im Einzelnen abgerechnet (Schriftsätze vom 19. Oktober und 19. Dezember 2005, Bl. 193 u. 225 d. A.). Der Senat sieht hierin da im Übrigen eine Schlussrechnung nicht vorliegt - die endgültige und abschließende Abrechnung des streitbefangenen Bauvorhabens. Dass diese erst im Berufungsverfahren erstellt worden ist, ist unschädlich, da es auf diesen Punkt im Rechtsstreit erster Instanz nicht ankam und die nunmehr vorgenommene Abrechnung mit dem dazugehörigen Tatsachenvortrag deshalb grundsätzlich vom Senat zu berücksichtigen ist (vgl. auch BGH, Urt. v. 8. Dezember 2005, VII ZR 50/04, juris; ibronline). Diese Abrechnung genügt aber nicht den Anforderungen an eine prüfbare Schlussrechnung.

aa) Als Vergütung ist pro Einheit (Doppelhaushälfte) die Bezahlung einer Pauschalsumme von 107.758,62 EUR zuzüglich der jeweils gültigen gesetzlichen Umsatzsteuer, also insgesamt in Höhe von 125.000 EUR vereinbart worden (Nr. 4 b des Bauvertrags, Bl. 7 d. A.). Gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 VOB/B muss sich die Klägerin als Auftragnehmerin auf diese vereinbarte Vergütung das anrechnen lassen, was sie infolge der Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft oder ihres Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlassen hat, § 649 BGB.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die der Senat wiederholt ausdrücklich und unter Angabe der einschlägigen Fundstellen hingewiesen hat, hat der Unternehmer - die Klägerin - im Falle der Kündigung eines Pauschalpreisvertrags durch den Besteller - den Beklagten - für seinen Anspruch auf Vergütung zunächst die erbrachten Leistungen und die dafür anzusetzende Vergütung darzulegen und diese dann von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen (vgl. BGH, NJW 1997, 733 = BauR 1997, 304; NJWRR 1999, 960 = BauR 1999, 644; NJWRR 2002, 1596 = BauR 2002, 1588 m. w. N.). Dabei ist die Höhe der Vergütung nach dem Verhältnis des Wertes der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen; der Unternehmer muss deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistung zum Pauschalpreis darlegen (vgl. zuletzt auch BGH, Urt. v. 8. Dezember 2005 a. a. O.). Die Klägerin hätte also die Grundlagen der Kalkulation des Preises für die vereinbarte Leistung offen legen müssen. Soweit sie diese Preise nur "im Kopf kalkuliert" hat, hätte sie die maßgeblichen Preisermittlungsgrundlagen nachträglich zusammenstellen und entsprechend vortragen müssen, wie die erbrachten Leistungen zu bewerten sind (vgl. BGH, NJW 1997, 733 = BauR 1997, 304; Urt. v. 8. Dezember 2005 a. a. O.).

bb) Hieran mangelt es vorliegend. Auch in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 19. Dezember 2005 führt die Klägerin für die nicht ausgeführten Arbeiten ohne nähere Angaben lediglich pauschal Beträge auf, ohne darzulegen, wonach die angesetzten Preise ermittelt worden sind (vgl. S. 5 und S. 8 dieses Schriftsatzes, Bl. 229, 232 d. A.). Dabei hätte sie - wenn die Angaben nicht willkürlich oder im Nachhinein "nach Bedarf" zusammengestellt worden sind - z. B. auf der Grundlage der konkreten Massen, des erforderlichen Materials, der benötigten Arbeiter, veranschlagten Arbeitsstunden und Stundensätze ihre Preise ermitteln müssen. Angaben zur Kalkulation fehlen hier aber vollständig.

b) Die Klageforderung ist danach - jedenfalls nach dem gegenwärtigen Stand - insgesamt nicht überprüfbar. Der Beklagte ist deshalb nicht hinreichend in der Lage, sich sachgerecht gegenüber dem Vortrag der Klägerin zu verteidigen (vgl. BGH a. a. O.; ebenso NJWRR 2002, 1596 m. w. N.). Seine Behauptung, die Klägerin würde auf der Grundlage überhöhter Massen den Umfang der tatsächlich erbrachten Leistungen weit höher ansetzen, als dies der Wirklichkeit entspreche, umgekehrt aber den Umfang der nicht erbrachten Leistungen auf der Grundlage nicht nachvollziehbarer Kalkulationsangaben weit niedriger ansetzen, als dies gerechtfertigt wäre, um auf diese Weise den Klageanspruch begründen zu können (vgl. S. 2 und 8 des Schriftsatzes des Beklagten vom 16. Januar 2006, Bl. 243, 249 d. A.), ist jedenfalls in Bezug auf die nicht erbrachten Leistungen nicht konkreter belegbar. Es ist nicht Aufgabe des Auftraggebers, die Preisermittlungsgrundlagen des Auftragnehmers darzulegen.

Mit den Einwendungen gegen die Prüfbarkeit der Schlussabrechnung ist der Beklagte nicht ausgeschlossen, weil sie innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang vorgebracht worden sind (vgl. BGH, BauR 2004, 1937).

Der Senat kann schließlich nicht mit Hilfe sachverständiger Begutachtung den Klageanspruch ermitteln. Dazu wäre erforderlich, dass die Klägerin im Einzelnen dargelegt hätte, nach welchen Grundlagen sie ihre Preise bestimmt hat. Diese Kalkulation hätte dann angesichts des Bauvorhabens auf ihre Angemessenheit überprüft werden können. Da sie ihre Kalkulation insgesamt nicht offen gelegt hat, fehlt es an ausreichenden Anknüpfungstatsachen, um die der Klägerin zustehende Vergütung insgesamt feststellen zu können. Der Senat ist deshalb auch nicht in der Lage, wenigstens einen Mindestschaden der Klägerin zu schätzen.

3. Ein Anspruch auf Bewilligung der Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek im Sinne von § 648 Abs. 1 BGB besteht nicht. Der Unternehmer eines Bauwerks soll nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 648 BGB nur in dem Umfang einen Anspruch auf hypothekarische Sicherung für seinen Werklohn erhalten, in dem jeweils die von ihm geleistete Arbeit dem Wert der vereinbarten Vergütung entspricht, mag diese fällig sein oder nicht (BGHZ 68, 180, 183/184). Inwieweit aber der Wert der von der Klägerin geleisteten Arbeit der vereinbarten Vergütung entspricht, ist - wie dargelegt - zur Zeit gerade nicht feststellbar.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert richtet sich nach dem Wert der bezifferten Klageforderung einschließlich des Werts der zu sichernden Forderung, da insoweit wirtschaftliche Identität vorliegt (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn. 16, Stichwort "Bauhandwerkersicherungshypothek", m. w. N.).

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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