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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 15.11.2001
Aktenzeichen: 14 U 221/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 649
BGB § 631
Orientiert sich ein Architekt dauerhaft nicht an den vom Bauherrn vorgegebenen Kostenrahmen, stellt dies einen wichtigen Kündigungsgrund dar. In diesem Fall kann der Architekt nur die tatsächlich erbrachten Leistungen bezahlt verlangen.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 221/00

Verkündet am 15. November 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ####### und der Richter am Oberlandesgericht ############## und ############## für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. August 2000 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 61.434,91 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. November 1998 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 22 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 78 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 66 % und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 34 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt für den Kläger 34.480,26 DM und für die Beklagten 18.148,31 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, die das erstinstanzliche Urteil nur insoweit angefochten haben, als sie als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an den Kläger mehr als 43.286,60 DM (nebst Zinsen) zu zahlen, hat überwiegend Erfolg und führt zu einer Ermäßigung der dem Kläger zustehenden Architektenhonorarforderung auf 61.434,91 DM.

Der Kläger kann ein Honorar nach § 631 BGB nur für die zugunsten der Beklagten tatsächlich erbrachten Architektenleistungen verlangen. Dies sind neben der Tragwerksplanung und der Wärmeschutzberechnung die Leistungsphasen 3 bis 5 des § 15 HOAI. Dabei ist davon auszugehen, dass die Beklagten dem Kläger eine Obergrenze für die Gesamtkosten des Neubaus ihres Einfamilienhauses in ############- ######### von 650.000 DM (einschließlich Architektenleistungen und Mehrwertsteuer) gesetzt haben. Da sich der Kläger hieran beharrlich nicht gehalten hat, ist das Vertragsverhältnis so abzuwickeln, als wenn die Beklagten es aus wichtigem Grund gekündigt hätten. § 649 Satz 2 BGB findet zugunsten des Klägers daher keine Anwendung. Im Einzelnen:

1. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagten lag vor, weil sich der Kläger bei der Bauplanung von Anfang an und auf Dauer nicht an der genannten, von ihnen vorgegebenen Kostenobergrenze von 650.000 DM orientiert hat. Zwar ist eine entsprechende Regelung in dem zwischen den Parteien geschlossenen schriftlichen Architektenvertrag vom 9. Mai 1997 (Anlage K 1) nicht enthalten. Der Senat ist jedoch aufgrund des Ergebnisses der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagten dem Kläger bei den Vertragsverhandlungen, während derer der Kläger die Gesamtbaukosten zunächst überschlägig auf ca. 680.000 DM brutto geschätzt hatte, die besagte Baukostenobergrenze von maximal 650.000 DM mündlich gesetzt haben. Dies ergibt sich mittelbar aus einem Telefongespräch, das der Beklagte zu 2 Anfang Juni 1997 aus seinem Büro mit dem Kläger geführt hat und das seine - des Beklagten zu 2 - Mitarbeiter ####### und ####### mitgehört haben.

Beide Zeugen konnten sich an das Telefongespräch noch gut erinnern und es auch zeitlich auf Anfang Juni 1997 einordnen, weil sie seinerzeit für die von ihnen zusammen mit dem Beklagten zu 2 betriebene ##################### ein eigenes Bürogebäude planten, für das - wie der Zeuge ######## angegeben hat - am 28. Mai 1997 ein positiver Bauvorbescheid ergangen war. Wie dieser Zeuge weiter bekundet hat, hat er Anfang Juni zusammen mit dem Zeugen ####### und dem Beklagten zu 2 über die Finanzierung dieses Bauvorhabens gesprochen. Dabei habe er den Beklagten zu 2 auch danach gefragt, wie er - der Beklagte zu 2 - sein zur selben Zeit geplantes Einfamilienhaus finanziere. Bei der Antwort hierauf habe der Beklagte zu 2 auch erwähnt, dass dieses private Bauvorhaben einen Finanzierungsrahmen von maximal 650.000 DM nicht überschreiten dürfe. Im Laufe des Vormittags desselben Tages sei er - der Zeuge ######### - alsdann bei einem Telefongespräch anwesend gewesen, das der Beklagte zu 2, wie er - ######### - aus dem Gesamtzusammenhang geschlossen habe, mit dem Kläger geführt habe. Dabei habe der Beklagte zu 2 seinen Gesprächspartner erregt auf die Obergrenze von 650.000 DM hingewiesen. Der Zeuge ######## hat weiter angegeben, dass er sich nach dem Telefongespräch mit dem Beklagten zu 2 noch über dessen Inhalt unterhalten und dabei den Eindruck gewonnen habe, dass sich der Beklagte zu 2 bei einem Fehler getappt gefühlt habe, nämlich demjenigen, die Baukostenobergrenze mit dem Kläger nicht schriftlich fixiert, sondern sie ihm nur mündlich genannt zu haben.

Ähnlich hat sich der Zeuge ####### geäußert, der das Ferngespräch zwischen dem Beklagten zu 2 und dem Kläger ebenfalls mitgehört hat. Bei diesem im Anschluss an die gemeinsame Besprechung über den Büroneubau Anfang Juni 1997 geführten Telefonat habe der Beklagte zu 2 gegenüber seinem Gesprächspartner sinngemäß geäußert: 'Sie wissen doch, dass unsere Obergrenze 650.000 DM ist.' Der Beklagte zu 2 habe ihm - ##### - diese Äußerung im Anschluss an das Telefongespräch damit erläutert, dass der Kläger ihm inzwischen Gesamtbaukosten in Höhe von 720.000 DM genannt habe.

Aufgrund der Angaben, die die Zeugen ####### und ####### über den Inhalt des vom Beklagten zu 2 Anfang Juni 1997 - und damit nur ca. vier Wochen nach dem Abschluss des schriftlichen Architektenvertrages vom 9. Mai 1997 - mit dem Kläger geführten Telefongesprächs gemacht haben, ist der Senat davon überzeugt, dass die Beklagten dem Kläger von Anfang an eine Kostenobergrenze von 650.000 DM vorgegeben haben. Diese Überzeugung wird auch nicht von der Aussage der ebenfalls vom Senat vernommenen Ehefrau des Klägers erschüttert. Zwar hat diese nur von einem von ihr mitgehörten Telefongespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2 berichtet, in dem es um rein planerische Gesichtspunkte, nicht aber eine Kostenobergrenze gegangen ist. Die Zeugin hat dieses Gespräch zeitlich jedoch lediglich dahingehend einordnen können, dass es im Juni 1997 stattgefunden habe. Unter diesen Umständen ist nach Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Ehefrau des Klägers ein anderes Telefongespräch mit dem Beklagten zu 2 mitgehört hat als dasjenige, bei dem die Zeugen ####### und ####### im Büro des Beklagten zu 2 anwesend waren.

Dass der Beklagte zu 2 nach Auskunft des Zeugen ####### diesem erklärt hat, der Kläger habe ihm - dem Beklagten zu 2 - inzwischen Gesamtbaukosten in Höhe von 720.000 DM genannt, steht auch in Einklang mit der unstreitigen Tatsache, dass den Beklagten Anfang Juni 1997 die Kostenschätzung des Klägers vom 3. Juni 1997 (Anlage K 3) zugegangen ist, in der die Gesamtkosten mit 720.000 DM geschätzt wurden. Bei dem von den Zeugen ####### und ####### bekundeten Telefongespräch des Beklagten zu 2 mit dem Kläger handelte es sich daher offenbar um dessen - des Beklagten zu 2 - Reaktion auf diese Kostenschätzung vom 3. Juni 1997, die sich nicht an die vorgegebene Kostenobergrenze von 650.000 DM hielt. Trotz der Anfang Juni 1997 telefonisch geübten deutlichen Kritik an dieser Kostenschätzung und des erneuten Hinweises auf den vorgegebenen Kostenrahmen durch den Beklagten zu 2 hat sich der Kläger in der Folgezeit zu keinerlei Änderungen in der Bauplanung veranlasst gesehen. Nach der im August 1997 erfolgten Stellung des Bauantrags hat er den Beklagten vielmehr im Oktober 1997 die Kostenberechnung vom 10. Oktober 1997 (Anlage K 5) übersandt, die mit Gesamtbaukosten von nunmehr 800.000 DM schloss und die genannte Obergrenze von 650.000 DM damit um 23 % überschritt. Auch bei einem persönlichen Gespräch, das die Parteien daraufhin wegen dieser Kostenüberschreitung am 21. Oktober 1997 geführt haben, hat der Kläger keinerlei Änderung seiner Konzeption vorgeschlagen, sondern den Beklagten - wie er im Senatstermin vom 11. September 2001 persönlich erklärt hat - lediglich empfohlen, zunächst die Ausschreibung abzuwarten, um auf der Grundlage von deren Ergebnis festzustellen, in welchem Bereich eine Kostensenkung möglich sei. Zwar hat der Kläger im Anschluss an dieses Gespräch den Beklagten mit Schreiben vom 23. Oktober 1997 (Anlage K 6) noch die korrigierte Kostenberechnung über insgesamt 785.000 DM (Anlage K 7) übersandt. Die geringfügig niedrigere Baukostensumme beruhte jedoch nicht auf einer etwaigen Umplanung; mit dieser Kostenberechnung wurde vielmehr lediglich ein Fehler bei der Berechnung der Mehrwertsteuer in der ursprünglichen Kostenberechnung vom 10. Oktober 1997 korrigiert. Auch die Übersendung dieser Kostenberechnung im unmittelbaren Anschluss an das Gespräch vom 21. Oktober 1997 hat den Beklagten erneut verdeutlicht, dass der Kläger nicht bereit war, irgendwelche Maßnahmen zur Kostenermäßigung und zur Einhaltung des ihm vorgegebenen Kostenrahmens von 650.000 DM zu unternehmen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt mussten die Beklagten vielmehr befürchten, dass sich ihre Kostenobergrenze bei einer Fortsetzung der Tätigkeit des Klägers nicht würde realisieren lassen. Ihr Vertrauen in die Arbeit des Klägers war infolge von dessen beharrlicher Weigerung, irgendetwas zur Kostensenkung zu unternehmen, folglich nachhaltig gestört. Dieses Verhalten des Klägers hätte nach alledem einen wichtigen Grund für eine Kündigung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagten dargestellt.

Zwar haben die Beklagten den mit dem Kläger geschlossenen Architektenvertrag nicht ausdrücklich gekündigt. Zwischen den Parteien war nach dem Gespräch vom 21. Oktober 1997 jedoch klar, dass die Zusammenarbeit nicht fortgesetzt werden sollte. Damit ist es - zumindest stillschweigend - zu einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung durch beide Parteien gekommen. Diese einvernehmliche Vertragsaufhebung beinhaltet in Fällen wie dem vorliegenden jedoch keine Einigung über deren Rechtsfolgen. Diese bestimmen sich vielmehr nach den Rechten, die im Zeitpunkt der einverständlichen Vertragsaufhebung hätten geltend gemacht werden können. Entscheidend ist nämlich, welchen Hintergrund die einvernehmliche Vertragsbeendigung hatte. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Auftraggeber, der zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt war, auf die damit verbundenen Rechte verzichten wollte. Das darf auch der Auftragnehmer redlicherweise nicht annehmen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1368, 1369 m. zahlreichen Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen).

Da den Beklagten hier - wie oben dargelegt - ein wichtiger Grund zur Kündigung zur Seite stand, sind die Rechtsfolgen der einvernehmlichen Vertragsbeendigung dieselben wie im Falle einer tatsächlich ausgesprochenen berechtigten außerordentlichen Kündigung. Daraus folgt weiter, dass der Kläger ein Architektenhonorar nur für die Leistungen beanspruchen kann, die er bis Oktober 1997 tatsächlich erbracht hat. Dies sind die Tragwerksplanung, die Wärmeschutzberechnung und die Leistungsphasen 3 bis 5 des § 15 HOAI.

2. Bei der Abrechnung dieser Leistungen des Klägers ist allerdings wiederum zu berücksichtigen, dass die Beklagten ihm eine Gesamtbaukostenobergrenze von 650.000 DM (einschließlich Architektenhonorar und Mehrwertsteuer) vorgegeben hatten. Dies führt dazu, dass der Honorarberechnung des Klägers nach den §§ 15, 16 HOAI lediglich anrechenbare Kosten in Höhe von 485.000 DM netto zugrundezulegen sind. Dies folgt aus folgender Berechnung:

Nettobaukosten 485.000,00 DM

Honorar nach § 16 HOAI für die Leistungsphasen 3 bis 9

des § 15 HOAI (= 90 % von 57.047 DM) 51.342,30 DM

Wärmeschutzberechnung nach § 78 HOAI:

Zone III Mittelsatz (Pauschalhonorar gemäß § 78 Abs. 4

i. V. m. § 16 Abs. 2 HOAI) 1.600,00 DM

5 % Nebenkosten gemäß Nr. 4.7 des Architektenvertrages

von 52.942,30 DM (= 51.342,30 DM + 1.600 DM) 2.647,12 DM

Honorar für Tragwerksplanung

(unstreitig bzw. nicht angefochten) 26.123,40 DM

566.712,82 DM

+ 15 % Mehrwertsteuer 85.006,92 DM

Gesamtkosten 651.719,74 DM

Auf der Grundlage anrechenbarer Kosten in Höhe von 485.000 DM für die vom Kläger tatsächlich erbrachten Leistungsphasen 3 bis 5 des § 15 HOAI errechnet sich somit der folgende begründete Honoraranspruch des Klägers:

42 % (= 11 % + 6 % + 25 %) von 57.047 DM = 23.959,74 DM

Wärmeschutzberechnung (siehe oben) 1.600,00 DM

5 % Nebenkosten auf vorgenannte Positionen 1.277,99 DM

Honorar für Tragwerksplanung 26.123,40 DM

52.961,13 DM

+ 16 % Mehrwertsteuer 8.473,78 DM

Gesamthonorar 61.434,91 DM

3. Die Architektenhonorarforderung des Klägers erweist sich daher (nur) in Höhe dieses Betrages von 61.434,91 DM als begründet. Das angefochtene Urteil war folglich auf die Berufung der Beklagten entsprechend abzuändern.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Sie berücksichtigt, dass sich der Gesamtstreitwert in erster Instanz ausweislich des Beschlusses der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 16. August 2000 (Bl. 179) auf 184.518,91 DM belief und - bezogen auf das Berufungsverfahren - dass die Beklagten das erstinstanzliche Urteil in Höhe eines Betrages von 43.286,60 DM nicht angefochten haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Den Wert der Beschwer hat der Senat gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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