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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: 14 U 58/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 252
BGB § 842
Bei der Berechnung des Verdienstausfallschadens ist eine Schätzung ersparter berufsbedingter Aufwendungen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls möglich. Dabei kann die Verminderung des noch zu ersetzenden entgangenen Verdienstes nach einem bestimmten Prozentsatz des Nettoeinkommens ermittelt werden. Dieser Prozentsatz lässt sich nicht generell festlegen, sondern ist wiederum vom jeweiligen Fall abhängig.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 58/05

Verkündet am 29. November 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 1. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 28. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 42 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 58 %.

Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 69 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 31 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 26.620,31 EUR

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO):

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin beansprucht zu Recht den vom Landgericht ausgeurteilten Schadensersatz aus Anlass des Verkehrsunfalls auf der Kreisstraße 36 kurz vor O.O. am 9. Januar 2003 gegen 19:30 Uhr.

Der Senat nimmt zunächst auf die Darstellung im angefochtenen Urteil Bezug (Bl. 198 d. A.).

1. Zutreffend nimmt das Landgericht eine Einstandspflicht der Beklagten zu 100 % gegenüber der Klägerin für die aus dem genannten Verkehrsunfall entstandenen Schäden an gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB, 7, 17 StVG. Entgegen der Meinung der Beklagten muss sich die Klägerin im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile auch nicht die Betriebsgefahr ihres eigenen Fahrzeugs auf die von ihr geltend gemachten Ansprüche anrechnen lassen.

Auch wenn grundsätzlich der Anschein dafür spricht, dass derjenige, der - wie hier der Zeuge K. als Fahrer des Pkw der Klägerin - bei Dunkelheit auf ein liegengebliebenes Fahrzeug auffährt, entweder zu schnell gefahren ist oder zu spät reagiert hat, gilt das nicht gleichermaßen bei ungewöhnlich schwer zu erkennenden Hindernissen. Um ein solches handelte es sich jedoch bei dem seitlich unbeleuchteten Anhänger des Fahrzeugs des Beklagten zu 1, mit dem dieser aus seiner Sicht die Fahrspur der Gegenrichtung, auf der sich der Zeuge K. mit der Klägerin befand, in ihrer ganzen Breite versperrte. Der Beklagte zu 1 hat damit - im Unterschied zum Ansatz des Landgerichts, das ihm einen Verstoß gegen die aus § 8 Abs. 1 Nr. 2 StVO folgende Vorfahrtsregelung angelastet hat - gegen die ihn gemäß § 15 StVO obliegenden Pflichten verstoßen, auf sein liegengebliebenes Fahrzeug, das nicht rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden konnte, sofort durch Warnblinklicht und darüber hinaus durch Aufstellen von gut sichtbaren und auffällig warnenden Zeichen in ausreichender Entfernung eindeutig aufmerksam zu machen. Stattdessen befand sich der Anhänger sogar noch im "Lichtschatten" des Zugfahrzeugs, das mit eingeschalteter Beleuchtung bereits auf der Straße stand und aufgrund der dadurch hervorgerufenen Blendwirkung die hinter dem Lichtkegel des Unimogs des Beklagten zu 1 befindlichen Gegenstände für den Zeugen K. und die Klägerin noch schwerer erkennbar machte. Der vom Landgericht vernommene Zeuge PK B., der den Unfall vor Ort aufgenommen hat, hat dazu klar bekundet, dass die Lichter an der Zugmaschine noch eingeschaltet gewesen seien, als er vor Ort eingetroffen sei, demgegenüber bei den Anhängern keinerlei Beleuchtung in Betrieb gewesen sei. Der Beklagte zu 1 habe ihm auf seine Frage, ob er irgendwelche Maßnahmen getroffen habe, die Gefahrensituation zu verhindern, keine Antwort gegeben (vgl. Bl. 155, 156 d. A.). Auch der Zeuge K. hat nach seiner Aussage "keinerlei Warnzeichen wahrgenommen" (Bl. 158 d. A.). Er hat auch bekundet, den Anhänger erst gesehen zu haben, nachdem er bereits durch den Lichtkegel des Unimogs hindurchgefahren gewesen sei (Bl. 158 d. A.).

Die Würdigung des Landgerichts, dass unter diesen Umständen eine etwaige, von dem Fahrzeug der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr vollständig zurücktritt, ist nicht zu beanstanden (vgl. LGU 7).

2. Der Senat sieht keine Veranlassung, die vom Landgericht im angefochtenen Urteil vorgenommene Berechnung des Verdienstausfallschadens der Klägerin (LGU 7 - 9) zu korrigieren. Die Beklagten beanstanden insoweit, dass das Landgericht für ersparte berufsbedingte Aufwendungen nur 5 % und nicht 10 % abgezogen hat (Bl. 257 sowie erstinstanzlich Bl. 104 d. A.). Die vom Landgericht gewählte Berechnungsmethode ist aber - jedenfalls für den vorliegenden Fall - vertretbar.

Bei der Berechnung des Verdienstausfallschadens ist eine Schätzung ersparter berufsbedingter Aufwendungen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls möglich. Dabei kann die Verminderung des noch zu ersetzenden entgangenen Verdienstes nach einem bestimmten Prozentsatz des Nettoeinkommens ermittelt werden. Dieser Prozentsatz lässt sich aber nicht generell festlegen, sondern ist wiederum vom jeweiligen Fall abhängig. Auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung wird - soweit ersichtlich - die Pauschalierung ersparter berufsbedingter Aufwendungen vom Verdienstausfall nicht einheitlich nach einem bestimmten Prozentsatz, sondern fallbezogen gehandhabt (vgl. nur OLG Naumburg, Schaden-Praxis 1999, 90 [10 %]; OLG Dresden, Urt. v. 12. Dezember 2001, 11 U 2940/00, Juris [5 %]; dagegen OLG Düsseldorf, ZfSchR 2000, 531 ["objektiv willkürlich", wenn die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und die Höhe der Benzinkosten nicht bekannt ist]). Im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten wird also nicht allgemein ein Abzug pauschal in Höhe von 10 % des (Netto)Einkommens für angemessen erachtet.

Vorliegend waren mit der Pauschale - wie auch die Beklagten zugeben (Bl. 104) - in erster Linie ersparte Fahrtkosten abzugelten. Diese können aber nicht besonders hoch gewesen sein, weil die Entfernung zwischen Wohn und Arbeitsstätte relativ gering war (vgl. Bl. 1 u. 6 d. A.). Darüber hinaus dürften weitere Kosten (auf die das OLG Naumburg a. a. O. Bezug nimmt) hier eher nachrangig ins Gewicht fallen. Insbesondere benötigte die Klägerin für die Ausübung ihres Berufs als Grafikdesignerin keine besondere Berufskleidung. Kranken und Übergangsgeld sowie Steuer und Sozialversicherungsanteile sind gesondert vom Landgericht berücksichtigt worden. Im Übrigen haben die Beklagten ohne nähere Angaben von Gründen dem Prozentsatz, den das Landgericht angesetzt hat, nur einen anderen entgegengesetzt. Die Schätzung würde insoweit also nicht exakter begründbar.

Nach alledem ist es in diesem Fall vertretbar, im Wege der Vorteilsausgleichung pauschal nur 5 % für ersparte berufsbedingte Aufwendungen in Abzug zu bringen.

3. Da die Beklagten zu 100 % für den eingetretenen Schaden einzustehen haben, haften sie auch für die restlichen Betreuungskosten in Höhe von 177,54 EUR.

Entsprechend ist auch der Feststellungsantrag der Klägerin - wie vom Landgericht zuerkannt - begründet.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei war bei der Verteilung der Gerichtskosten zu berücksichtigen, dass sich die Gebühr für die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommene Berufung der Klägerin gem. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG um die Hälfte ermäßigt. Im Übrigen bemisst sich die Kostenentscheidung nach dem Streitwert des Berufungsverfahrens und den jeweiligen Anträgen, d. h. für die Klägerin nach einem (Unterliegens)Anteil von 18.322,05 EUR, weil sie insoweit ihren Klageanspruch über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus bis zur Rücknahme weiter verfolgt hat (Bl. 269 d. A.). Demgegenüber ist der Wert der Berufung der Beklagten mit insgesamt 8.298,26 EUR geringer (5.120,72 EUR für den Klageantrag zu 1, 177,54 EUR für den Antrag zu 2 und weitere 3.000 EUR [75 % des Feststellungsantrags], vgl. Bl. 249 f. d. A.).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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