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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 05.12.2002
Aktenzeichen: 14 U 93/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 249
Zur Anrechnung "neu für alt" bei Beschädigung einer Lichtsignalanlage.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 93/02

Verkündet am 5. Dezember 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Landgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 1. März 2002 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Wert der Beschwer: 9.589,30 €

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Insbesondere hat sie sie - entgegen der Auffassung der Beklagten - ordnungsgemäß im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Nr. 3, 529 Nr. 1 ZPO begründet. Die Klägerin hat ausführlich dargelegt, warum sie die vom Landgericht festgestellten Tatsachen zur Schadensberechnung für unrichtig hält.

Die Berufung der Klägerin ist aber unbegründet. Weiterer Schadensersatz als in dem von der Beklagten gezahlten und dem vom Landgericht ausgeurteiltem Umfang steht ihr nicht zu. Die Klägerin muss sich im Rahmen der so genannten Vorteilsausgleichung einen "Abzug neu für alt" anrechnen lassen. Infolge des Unfalles und der Beschädigung der Lichtsignalanlage konnte die Klägerin ein 12 Jahre altes Steuerungsgerät durch ein neues ersetzen. Der Ersatz einer gebrauchten Sache durch eine neue führt auch bei dem Einbau von Einzelteilen regelmäßig zu einer Werterhöhung, die vom Schadensersatzanspruch als "Abzug neu für alt" abzusetzen ist, wenn die Schadensbeseitigung eine messbare Vermögensmehrung bewirkt hat, sich die Werterhöhung für den Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirkt und die Vorteilsausgleichung dem Geschädigten zumutbar ist [Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Auflage, Bearbeiter Heinrichs Vorb. v. § 249 Rn. 146; BGHZ 81, 275; BGHZ 10, 108]. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt:

Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass die beschädigte Lichtsignalanlage gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 3 Fernstraßengesetz als Zubehör zu den Bundesfernstraßen gehört. Nach dieser Vorschrift sind Zubehör die Verkehrszeichen, die Verkehrseinrichtungen und -anlagen aller Art, die der Sicherheit oder Leichtigkeit des Straßenverkehrs oder dem Schutz der Anlieger dienen, und die Bepflanzung. Gleichwohl ist nicht auf den Wert des Straßenkörpers insgesamt abzustellen, sondern allein auf den Wert des Steuerungsgerätes und seiner Bedeutung für die Funktionstüchtigkeit der Lichtsignalanlage. Dieses Zubehör hat vorliegend einen eigenen wirtschaftlichen Wert, der durch das Schadensereignis beeinträchtigt worden ist. Zubehör sind nämlich rechtlich selbstständige bewegliche Sachen, die sonderrechtsfähig sind [Palandt-Heinrichs, § 97 Rn. 1]. Im Falle seiner Beschädigung erstreckt sich sein Wert nicht ausschließlich auf den Sachzusammenhang, mit dem es eine wirtschaftliche Einheit bildet. Die Lichtsignalanlage könnte nämlich von dem Straßenkörper getrennt und selbstständig veräußert werden. Sie hat einen von dem Straßenkörper unabhängigen Wert. Anderenfalls wäre die Klage im Übrigen bereits unschlüssig. Die Klägerin müsste sich dann nämlich fragen lassen, inwiefern ihr der geltend gemachte Schaden - bezogen auf den gesamten Straßenkörper in der Bundesrepublik Deutschland - durch die Beschädigung einer einzigen Lichtsignalanlage entstanden sein könnte.

Die Höhe des "Abzugs neu für alt" (und die Frage der Vermögensmehrung durch den Ersatz) ist nach der Relation der Nutzungsdauer des alten und des neuen Gegenstandes zu bemessen [BGHZ 30, 33]. Dabei sind die schadensbedingten Erhöhungen der Wiederherstellungskosten nicht zu berücksichtigen; abzustellen ist vielmehr auf die sonst üblichen Herstellungskosten [BGH, NJW 1997, 2879 (2880)]. Im Rahmen eines üblichen Erwerbs eines Steuerungsgerätes mittels einer öffentlichen Ausschreibung wären Beschaffungskosten von 20.000,- DM bis 25.000,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer angefallen. Hiervon gehen sowohl die Klägerin als auch der von der Beklagten beauftragte Sachverständige ####### aus. Da sich die Beklagte zur Berechnung des erstattungsfähigen Schadens auf dessen Gutachten vom 9. März 1998 stützt, gesteht sie diesen Preis ein. Folglich ist von einem (mittleren) Neuanschaffungspreis des Steuerungsgerätes von 25.000,- DM brutto auszugehen.

Der Zeitwert kann entgegen der Ausführungen der Klägerin nur ermittelt werden auf der Basis des damaligen Anschaffungswertes. Der von dem Sachverständigen ####### veranschlagte und vom Landgericht übernommene Wert von 21.280,- DM ist deshalb falsch, weil er den Wert der Anlage in der Zukunft, nämlich im Jahre 2005, darstellt. Abzustellen ist aber auf den Neuanschaffungswert abzüglich des Wertverlustes, den er im Laufe seiner Lebenszeit bis zum Schadensereignis erfahren hat. Unstreitig war das beschädigte Steuerungsgerät zum Unfallzeitpunkt 12 Jahre alt. Unstreitig hatte es eine durchschnittliche Lebenserwartung von 25 Jahren. Es hätte ohne das Unfallereignis also noch 13 Jahre lang eingesetzt werden können. 13/25 ergeben auf der Basis eines Anschaffungswertes von 25.000,- DM einen Betrag von 13.000,- DM. Da die Klägerin ein 12 Jahre altes Gerät durch ein neues ersetzen konnte, muss sie sich einen "Abzug neu für alt" in Höhe von 13.000,- DM gefallen lassen, sodass sich ein zu ersetzender Zeitwert der Anlage von 12.000,- DM errechnet. Die Berechnung, die die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung aufgestellt hat, ist schon deshalb falsch, weil sie sich überhaupt keinen "Abzug neu für alt" anrechnen lässt, sondern sowohl den Zeitwert als auch die "Überzahlung" für das Steuergerät als Schaden ansetzt.

Dass die Klägerin nicht nur 25.000,- DM brutto für die Anschaffung des neuen Steuerungsgerätes bezahlt hat, sondern 45.200,20 DM netto, kann bei der Schadensberechnung nicht berücksichtigt werden. Indem die Klägerin einen erheblich höheren Betrag hierfür bezahlt hat, als das Gerät tatsächlich wert war, hat sie gegen ihre Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB verstoßen. Es mag zwar sein, dass die Klägerin infolge der Zeitnot nur einen Anbieter für circa 45.000,- DM netto gefunden hat. Sie hat aber nicht plausibel erklärt, warum sie einen so hohen Preis zahlen musste. Insbesondere kann der Senat nicht nachvollziehen, dass sie das Gerät ausschließlich für 45.000,- DM habe erwerben können. In Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin bei einer Zerstörung des Steuerungsgerätes gemäß § 6 Abs. 2 des Wartungsvertrages mit der Firma ####### AG berechtigt war, den Instandhaltungsvertrag zu kündigen, hätte sie auf die Firma ####### AG einen erheblichen wirtschaftlichen Druck ausüben können, um einen geringeren Preis für das Steuergerät zu erzielen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Abnehmerin von Lichtsignalanlagen eine überragende Stellung hat, weil solche Anlagen nur von einem sehr kleinen Kundenkreis erworben werden. Des Weiteren fragt es sich, warum die Klägerin nicht versucht hat, ein Ersatzsteuergerät oder eine Ersatzlichtsignalanlage zu einem günstigeren Preis längerfristig zu mieten, um so eine öffentliche Ausschreibung vornehmen zu können mit dem Ziel, das Steuerungsgerät zu dem regulären Preis von circa 20.000,- DM zu erwerben. Keinesfalls durfte die Klägerin auf Kosten der Beklagten so viel Geld für ein neues Steuerungsgerät ausgeben, ohne sich in zumutbarer Weise um eine Schadensgeringhaltung zu bemühen. Insofern kann und darf die Klägerin nicht besser gestellt werden als andere Geschädigte.

Durch den Einbau des neuen Steuerungsgerätes ist die Lichtsignalanlage wertvoller geworden, weil sich ihr Zeitwert erhöht hat. Dies stellt einen wirtschaftlichen Vorteil für die Klägerin dar. Auf den Wartungsvertrag kommt es insofern nicht an. Die Vorteilsausgleichung ist der Klägerin zuzumuten; er verstößt nicht gegen rechtliche Wertungen.

Der Schaden der Klägerin ist folglich wie folgt zu berechnen: 23.138,00 DM brutto aus der Rechnung der Firma ####### vom 4. Dezember 1997 zuzüglich 683,25 DM brutto aus der Rechnung der Straßenmeisterei vom 28. Januar 1998 zuzüglich 11.632,36 DM netto aus der Rechnung der Firma ####### AG vom 15. Januar 1998 (56.832,56 DM netto minus 45.200,20 DM) zuzüglich 1.744,85 DM 15 % Mehrwertsteuer auf 11.632,36 DM zuzüglich 12.000,- DM brutto (25.000,- DM Neuanschaffungspreis brutto abzüglich 13.000,- DM als 13/25-Anteil). Insgesamt ergibt dies einen Betrag von 49.198,46 DM, den die Klägerin von der Beklagten erstattet verlangen kann. Selbst wenn zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen werden muss, dass sie infolge der zeitlichen Bedrängnis, in der sie sich befand, einen höheren Betrag als 25.000,- DM brutto - der im Übrigen bereits deutlich über dem Anschaffungspreis liegt, den der Sachverständige ####### als erzielbaren Preis angenommen hatte - hätte bezahlen müssen, und Miete für eine Ersatzanlage oder ein Ersatzsteuerungsgerät hätte zahlen müssen, hätten diese Zahlungsverpflichtungen 10.000,- DM bis 12.000,- DM nicht überstiegen (§ 287 ZPO). Demzufolge ist der Schaden der Klägerin durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 60.000,- DM zuzüglich der ausgeurteilten 636,54 € vollends beglichen. Weitere Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte stehen der Klägerin nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Wert der Beschwer ist im Hinblick auf § 26 Nr. 8 ZPO bestimmt worden.

Ende der Entscheidung

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