Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 24.11.2004
Aktenzeichen: 15 UF 2/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1607 Abs. 3 Satz 2
BGB § 1610 Abs. 2
Dem Scheinvater, der seine durch Anerkenntnis begründete rechtliche Vaterschaft erfolgreich angefochten hat, steht ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht zu.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

15 UF 2/04

Verkündet am 24. November 2004

In der Familiensache

hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B., den Richter am Oberlandesgericht Dr. M.H. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Sch. für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufungen der Parteien wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Klägers das am 8. Dezember 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Syke geändert und wie folgt gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 9.242,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2002 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Berufungsrechtszugs trägt der Kläger 4/5 und der Beklagte 1/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird in dem in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger hatte mit Urkunde des Jugendamtes des Kreises Soest vom 19. Januar 1987 - UrkundenReg. Nr. 6 (5) 1987 - die Vaterschaft für das am 21. Oktober 1986 geborene Kind J. M. M. anerkannt und später erfolgreich angefochten (Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Werl vom 20. April 1999 - 10 F 80/98 ). Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Werl vom 11. April 2000 - 10 F 273/99 - ist die Vaterschaft des Beklagten rechtskräftig festgestellt worden.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von ihm erbrachten Kindesunterhalts sowie der mit 1.223,89 EUR unstreitigen Kosten des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens in Anspruch.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung der Kosten des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens in Höhe von lediglich 1.123,89 EUR, was auf einem Schreibfehler beruhen dürfte, und in Höhe von 8.515,05 EUR als vom Kläger in der Zeit vom 21.Oktober 1986 bis einschließlich September 1990 erbrachter Unterhaltsleistungen verurteilt. Das erstinstanzliche Gericht hat es auf Grund durchgeführter Beweisaufnahme nicht als erwiesen angesehen, dass der Kläger in der Zeit von Oktober 1990 bis September 1992 weiteren Kindesunterhalt in Höhe von 2.908,23 EUR erbracht hat und die Klage insoweit abgewiesen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren, soweit seine Klage abgewiesen worden ist, weiter, während sich der Beklagte mit seiner Berufung gegen die Verurteilung zur Erstattung der Kosten des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens wendet.

Im übrigen wird hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Kindesmutter als Zeugin.

II.

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet, während die Berufung des Beklagten in vollem Umfang Erfolg hat.

1. Berufung des Klägers:

Dem Kläger steht über die erstinstanzlich zugesprochenen 8.515,05 EUR für Unterhaltszahlungen in der Zeit vom 21. Oktober 1986 bis einschließlich September 1990 gemäß §§ 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung weiterer 727,06 EUR für die Zeit von Oktober 1990 bis September 1992 zu.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger auch für die Zeit von Oktober 1990 bis September 1992 monatliche Kindesunterhaltszahlungen von 237 DM teilweise erbracht hat, nämlich im Juli 1992 mit einem Betrag von 948 DM für 4 Monate sowie im Oktober 1992 mit einem Betrag von 474 DM für zwei Monate. Die Zeugin, die zunächst auch gegenüber dem Senat angegeben hatte, ab Oktober 1990 keine weiteren Unterhaltszahlungen vom Kläger erhalten zu haben, war ersichtlich überrascht, dass sich bei Durchsicht ihrer Unterlagen aus den Kontoauszügen Zahlungen zum 22. Oktober 1992 von 474 DM, zum 29. Juli 1992 über 948 DM ergeben haben. Hierzu hat sie angegeben, dass sie davon ausgegangen sei, es habe sich insoweit um Zahlungen der Krankenkasse gehandelt. Im Hinblick auf die gutgeschriebenen Beträge bekundete die Zeugin sodann, dass sie ihre erstinstanzliche Aussage, sie habe ab Oktober 1990 keinerlei Unterhaltszahlungen erhalten, nicht mehr aufrecht erhalte. Jedoch habe sie darüber hinaus weitere Barzahlungen nicht erhalten.

Der Kläger hat somit weitere Unterhaltszahlungen ab Oktober 1990 von insgesamt 1,422 DM (474 + 948) entsprechend 727,06 EUR bewiesen.

Entgegen der Ansicht des Klägers lassen sich mit dem am 21. April 1998 beim Jugendamt des Kreises Soest eingegangenen Schreiben der Klägerin durchgehende Unterhaltszahlungen von monatlich 237 DM nicht nachweisen. Zwar heißt es in dem Schreiben: "Herr L. hat gezahlt (für meinen Sohn J. M. * geb. 21.10.1986) bis zum September 1992. Seit Oktober 1992 zahlt er keinen Unterhalt." Wie die Zeugin, die um zutreffende Angaben vor dem Senat bemüht war, glaubhaft bekundet hat, sind weitere Zahlungen des Klägers weder in bar noch durch Schecks, die unter einem Betrag von 400 DM lagen und damit als Barscheck nicht auf dem Konto der Klägerin gutgeschrieben werden mussten, erfolgt. Ihr Schreiben an das Jugendamt konnte sie sich im Nachhinein nur dadurch erklären, dass sie infolge ihrer damaligen Trennung und gesundheitlicher Probleme die Angelegenheit im Jahr 1998 nicht mehr richtig habe darstellen können. Im übrigen habe das Sozialamt damals die Bewilligung von Leistungen davon abhängig gemacht, dass sie keine Ansprüche gegenüber anderen Personen mehr habe.

Vor diesem Hintergrund ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Kläger weitere Unterhaltszahlungen erbracht hat.

Unter Berücksichtigung des erstinstanzlich zugesprochenen und mit der Berufung des Beklagten nicht angegriffenen Betrages von 8.515,05 EUR für die Zeit vom 21. Oktober 1986 bis September 1990 ergibt sich aufgrund der weiteren erwiesenen Zahlungen von 727,06 EUR von Oktober 1990 bis September 1992 ein Zahlungsanspruch des Klägers von insgesamt 9.242,11 EUR.

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB gegeben.

2. Berufung des Beklagten

Die Berufung des Beklagten, mit der er sich gegen die Zahlung der Kosten des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens von erstinstanzlich zugesprochenen 1.123,89 EUR wendet, ist begründet.

Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung der unstreitigen Kosten des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens besteht nicht.

Nach der zum vor dem 1. Juli 1998 geltenden Recht ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 1972, 33 ff., 1988, 387 ff.), der sich die ganz herrschende Meinung angeschlossen hat (OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 1032; KG FamRZ 2000, 441; OLG München FamRZ 1997, 1286 f.; Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl., § 1607 Rn. 18; Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht, 4. Auf., Rn. 5 zu § 1607 BGB; Grün, Vaterschaftsfeststellung und - anfechtung, 2003, Rn. 281; Soegel/Häberle, 12. Aufl., Rn. 13 zu § 1615 b BGB; MünchKomm/Luthin, 4. Aufl., Rn. 7 zu § 1607 BGB; Staudinger/Rauscher, 2000, Rn. 46 zu § 1599 BGB; Bamberger/Roth/Reinken, Rn. 13 zu § 1607 BGB; Raiser FamRZ 1988, 942, 945; a.A. Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, 4. Aufl., § 51 VIII 7.; Luthin/Seidel, Handbuch des Unterhaltsrechts, 10. Aufl. Rn. 4164; AG Essen-Steele FamRZ 1999, 1296; AG Uelzen FamRZ 2002, 844 jeweils für den Fall des Vaterschaftsanerkenntnisses) steht dem Ehemann einer Kindesmutter wegen der Kosten, die ihm durch den Ehelichkeitsanfechtungsprozess entstanden sind, ein Ausgleichsanspruch gegen den Erzeuger des Kindes zu. In der Entscheidung ist offen gelassen, ob die Aufwendungen, die für die Klärung der Abstammung eines Kindes erforderlich sind, zum Lebensbedarf des Kindes im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB gehören, weil dies dann zweifelhaft sei, wenn die Ehelichkeitsanfechtung nicht im Interesse des Kindes liege. Dass der wahre Erzeuger eines Kindes für die Kosten der Abstammungsklärung "jedenfalls in analoger Anwendung der §§ 1610 Abs. 2, 1615b [a.F.] BGB" aufzukommen habe, hat der Bundesgerichtshof damit begründet, dass der Erzeuger dieser Aufgabe näher stehe als der Scheinvater. An dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 27. Januar 1988 (FamRZ 1988, 387, 388) festgehalten und auf einen im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten familienrechtlichen Ausgleichsanspruch abgestellt.

Die Grundsätze dieser Rechtsprechung können nach der Auffassung des Senats auf den Regressanspruch bezüglich der Kosten des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens, die dem mit der Mutter des Kindes nicht verheirateten Scheinvater entstanden sind, nicht übertragen werden. Der durch die Ehe begründeten Vaterschaft (§ 1592 Nr. 1 BGB) kann sich der Ehemann der Kindesmutter im Fall einer außerehelichen Beziehung nur durch ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren entziehen, denn die Zuordnung eines in der Ehe geborenen Kindes zu beiden Eheleuten allein aufgrund der tatsächlichen Umstände und der sozialen Situation der bestehenden Ehe entspricht der Interessenlage der beteiligten Personen und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG FamRZ 2003, 816, 818). Vergleichbare tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse bestehen jedoch in dem Fall der durch Anerkennung begründeten Vaterschaft (§ 1592 Nr. 2 BGB) nicht. Das Vaterschaftsanerkenntnis wird aufgrund eines freien Entschlusses (vergl. § 1600 c Abs. 2 BGB) der anerkennenden Person abgegeben. Dieser kann auf der Lebensgemeinschaft mit der Kindesmutter, auf der Beziehung zur ihr oder allein auf ihren Angaben über die Vaterschaft beruhen. Bestehen Zweifel an der Vaterschaft, ist eine rechtliche Verpflichtung zur Anerkennung der Vaterschaft nicht gegeben. Daraus ergibt sich bereits, dass in dieser Phase der Entschlussfassung des anerkennenden Scheinvaters dem biologischen Vater eine (rechtliche) Einflussnahme nicht möglich ist. Es ist dem Scheinvater vor dem Anerkenntnis möglich und rechtlich zumutbar, im Einverständnis mit der Mutter des Kindes einen Vaterschaftstest durchführen zu lassen (vergl. zum heimlichen Vaterschaftstest OLG Thüringen FamRZ 2003, 944, f.; Senat FamRZ 2004, 481 ff.), um sich über die tatsächlichen Grundlagen seines mit weitreichenden Folgen verbundenen Vaterschaftsanerkenntnisses Klarheit zu verschaffen. Jedenfalls für den Fall, dass das Anerkenntnis der Vaterschaft nach einer intimen Beziehung allein auf den Angaben der Mutter des Kindes beruht, ist es nicht gerechtfertigt, dem biologischen Vater, der evtl. weder von der Schwangerschaft noch von der Geburt und der dadurch begründeten leiblichen Vaterschaft Kenntnis hat, die Kosten eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens aufzuerlegen. Er ist für das objektiv unrichtige Vaterschaftsanerkenntnis des Scheinvaters und die sich daraus ergebende Notwendigkeit einer Vaterschaftsanfechtungsklage nicht verantwortlich.

So liegt die Sache hier. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Klägers hatte dieser aufgrund der Angaben der Mutter der Kindes die Vaterschaft anerkannt, nachdem zwischen beiden eine kurzfristige außereheliche Beziehung bestanden und die Kindesmutter ihn beim Jugendamt als Vater angegeben hatte. Eine Einflussnahme auf das Anerkenntnis des Klägers war dem Beklagten schon deswegen nicht möglich, weil er von der Geburt seines Sohnes bis zum Vaterschaftsfeststellungsverfahrens keine Kenntnis hatte.

Schließlich besteht ein Anspruch des Klägers auch nicht deswegen, weil seit dem Inkrafttreten des KindRG die Unterscheidung von ehelicher und nichtehelicher Vaterschaft aufgehoben worden ist, so dass hinsichtlich der Kosten des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens eine Differenzierung nicht mehr vertretbar sei (so Staudinger/ Rauscher, 2000, Rn. 46 zu § 1599 BGB, Grün, a.a.O., Rn. 281). Denn die analoge Anwendung der §§ 1607 Abs. 3 Satz 2, 1610 Abs. 2 BGB setzt neben einer unbewussten Regelungslücke vergleichbare Sachverhalte voraus, die bei der durch Ehe begründeten und auf einem Anerkenntnis beruhenden Vaterschaft - wie dargelegt - nicht gegeben ist.

Ein Erstattungsanspruch aus §§ 677, 683 BGB ergibt sich - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht. Zwar wäre dieser auf den Ersatz der durch die Geschäftsführung entstandenen Aufwendungen gerichtet. Allerdings müsste der Scheinvater im Vaterschaftsanfechtungsverfahren ein Geschäft für einen anderen besorgen. Dies erscheint im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit der Interessenlagen biologischen Väter bereits zweifelhaft. Jedenfalls müsste der Scheinvater im Rahmen des Anfechtungsverfahrens für einen anderen tätig werden, das Geschäft daher mit Fremdgeschäftsführungswillen (Palandt/Sprau, 63. Aufl. Rn. 3 zu § 677 BGB; vergl. Löhnig, FamRZ 2003, 1354, 1355) nicht nur als eigenes, sondern zumindest auch im fremden Interesse führen. Mit dem Vaterschaftsanfechtungsverfahren hat der Kläger ein eigenes Interesse verfolgt, weil mit dem stattgebenden Urteil u.a. Unterhaltsansprüche und erbrechtliche Beziehungen entfallen sind. Fremde Interessen des Beklagten sind dadurch nicht erfasst worden, weil die Anfechtung der Vaterschaft nicht im Interesse des Beklagten lag, der sich im Vorverfahren gegen die Feststellung seiner Vaterschaft und im hiesigen Verfahren gegen die geltend gemachten Ansprüche gewandt hat.

Eine andere rechtliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens besteht gegenüber dem Beklagten nicht, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.

3.

Der Senat lässt gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Revision hinsichtlich der Frage zu, ob der Scheinvater, dessen Vaterschaft auf einem Anerkenntnis beruht, einen Anspruch auf Ersatz der im Vaterschaftsanfechtungsverfahren entstandene Kosten gegen den biologischen Vater hat. Die Rechtssache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung. Zugleich ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück