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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 23.06.2009
Aktenzeichen: 17 UF 73/09
Rechtsgebiete: BGB, SG


Vorschriften:

BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 1
SG § 45
Für die Ermittlung der ruhegehaltfähigen Gesamtzeit eines Berufssoldaten sind auch nach der Neufassung des § 45 SG durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz weiterhin die besonderen Altersgrenzen des § 45 Abs. 2 SG maßgeblich.
17 UF 73/09

Beschluss

In der Familiensache

hat der 17. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### sowie durch den Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Amtsgericht ####### am 23. Juni 2009 beschlossen:

Tenor:

I. Auf die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lüneburg vom 24. März 2009 zu Ziffer II. (Versorgungsausgleich) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Zu Lasten der Anwartschaften des Antragstellers auf Soldatenversorgung bei der Bundesrepublik Deutschland - vertreten durch die Wehrbereichsverwaltung West (#######) - werden auf dem Versicherungskonto Nr. ####### der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund monatliche und auf den 30. September 2008 bezogene Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 8,64 EUR begründet. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Beschwerdewert: 2.000 EUR.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die am 21. Oktober 2005 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf einen am 31. Oktober 2008 zugestellten Scheidungsantrag durch Urteil des Amtsgerichts vom 24. März 2009 geschieden. Das Amtsgericht hat im Verbund den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass es zu Lasten der soldatenrechtlichen Versorgung des Ehemannes bei der Beteiligten zu 1. (Wehrbereichsverwaltung West) auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Beteiligten zu 2. (DRV Bund) im Wege des QuasiSplittings Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 16,87 EUR begründet hat. Der Entscheidung zum QuasiSplitting lag eine Versorgungsauskunft der Wehrbereichsverwaltung West vom 26. Februar 2009 zugrunde, wonach die ehezeitanteilige Anwartschaft des Ehemannes - Hauptfeldwebel bei der Bundeswehr - auf soldatenrechtliche Versorgung insgesamt 128,85 EUR betrage.

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts richtet sich die Beschwerde der Wehrbereichsverwaltung. Sie macht unter Vorlage einer neuen Versorgungsauskunft geltend, dass sich die Versorgungslage des Ehemannes infolge von Rechtsänderungen durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz verändert habe. Insbesondere müsse bei der Ermittlung der gesamten ruhegehaltfähigen Dienstzeit von Berufssoldaten nunmehr auf die allgemeinen Altersgrenzen des § 45 Abs. 1 SG abgestellt werden.

II.

Das gemäß §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel der Wehrbereichsverwaltung führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

1. Das monatliche Ruhegehalt des Ehemannes nach den Bemessungsgrundlagen am Ende der Ehezeit (Besoldungsgruppe A 8, Stufe 4) hat die Wehrbereichsverwaltung unter Anwendung des maßgeblichen Ruhegehaltssatzes von 71,75 % zutreffend mit 1.476,36 EUR mitgeteilt. Bedenken begegnet allerdings die Berechnung der Sonderzahlung.

a) Für die Berechnung der jährlichen Sonderzahlung ist der zur Zeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich maßgebende Bemessungsfaktor heranzuziehen. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BSZG (in der Fassung von Art. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes vom 29. Juni 2006, BGBl. I S. 1402) beträgt der Bemessungsfaktor in den Jahren 2006 bis 2010 statt 4,17 % lediglich 2,085 % der Versorgungsbezüge für das Kalenderjahr. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass dieser niedrigere Bemessungsfaktor unbeschadet seiner - zunächst - auf die Jahre 2006 bis 2010 befristeten Geltung als derzeit maßgebend zugrunde zu legen ist, auch wenn der Versorgungsfall voraussichtlich erst 2011 oder später eintreten wird (BGH Beschluss vom 2. Juli 2008 - XII ZB 80/06 - FamRZ 2008, 1833 [Tz. 14]). Zwar nimmt die Sonderzuwendung als statischer Teil der Gesamtversorgung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 BSZG nicht an den allgemeinen Anpassungen der Versorgungsbezüge teil. Dieser Umstand macht es allerdings nicht erforderlich, den gesetzlich bestimmten Bemessungsfaktor (derzeit mithin 2,085 %, ab dem Jahre 2011 voraussichtlich wieder 4,17 %) an eine infolge der Erhöhung der dynamischen Versorgungsbestandteile rechnerisch veränderte Bezugsgröße anzupassen. Denn dies liefe auf eine Dynamisierung der statischen Versorgungsanteile heraus, derer es nicht bedarf, da auch die Sonderzuwendung Bestandteil der als volldynamisch geltenden Beamtenversorgung (§ 1587 a Abs. 3 BGB) und deshalb nicht in einen dynamischen Betrag umzurechnen ist (OLG Celle FamRZ 2008, 900 [Tz. 18] m.w.N.). Eine solcherart unzulässige Dynamisierung eines einzelnen Versorgungsbestandteils liegt auch vor, wenn die Wehrbereichsverwaltung - wie geschehen - nicht den Anpassungsfaktor von 2,085 % verändert, sondern den unveränderten Anpassungsfaktor auf das (niedrigere) Ruhegehalt nach den am 1. August 2004 geltenden Bemessungsfaktoren anwenden will.

b) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend hat die Wehrbereichsverwaltung bei der Ermittlung der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes auch die Minderung der Sonderzuwendung durch Abzüge für Pflegeleistungen nach § 4a BSZG berücksichtigt.

aa) Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes führt die Verminderung der Sonderzahlung nach § 4a BSZG zu einer Verkürzung der beamtenrechtlichen Bruttoversorgungsbezüge und ist aus diesem Grunde bei der Wertermittlung im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Zwar berührt die Abführung von Pflegeversicherungsbeiträgen bei Mitgliedern der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme die Höhe der Bruttoversorgung grundsätzlich nicht. Bei der Verminderung nach § 4a BSZG handelt es sich indessen nicht um einen Versicherungsbeitrag, den der Dienstherr an einen Versorgungsträger abführen würde. vielmehr deckt der Dienstherr das Pflegerisiko weiterhin über die Beihilfe ab. Die durch die Verminderung der Sonderzuwendung erzielten Einsparungen kommen nicht zweckgebunden zum Einsatz, sondern undifferenziert dem Bundeshaushalt zugute. Dieser systematische Unterschied zwischen echten Pflegeversicherungsbeiträgen und dem Verminderungsbetrag nach § 4a BSZG muss auch im Versorgungsausgleich berücksichtigt werden (BGH Beschlüsse vom 2. Juli 2008 aaO [Tz. 12 f.] und vom 3. September 2008 - XII ZB 123/06 - FamRZ 2008, 2264). § 4a BSZG enthält eine ausschließlich gesetzestechnische Anknüpfung des Verminderungsbetrages an die Regelungen über die gesetzliche Pflegeversicherung. Das eigentliche gesetzgeberische Ziel - die Entlastung des Bundeshaushalts durch Dämpfung des Versorgungsniveaus - hätte auch erreicht werden können, wenn die Berechnung des Verminderungsbetrages an andere Faktoren angebunden worden wäre. Die rechtspolitisch motivierte Entscheidung des Gesetzgebers, die Bemessung des Verminderungsbetrages mit dem Beitragssatz der gesetzlichen Pflegeversicherung zu verknüpfen, ändert für den Versorgungsausgleich an dem grundlegenden systematischen Unterschied zwischen echten Versicherungsbeiträgen und dem Verminderungsbetrag nach § 4a BSZG nichts.

bb) Somit ist die Höhe der geminderten Sonderzuwendung wie folgt zu ermitteln:

 Versorgungsbezüge für das Kalenderjahr (12 * 1.476,39 EUR): 17.716,68 EUR
Ungeminderte Sonderzahlung (2,085 % von 17.716,68 EUR): 369,39 EUR
Jahresgesamtversorgung: 18.086,07 EUR
Verminderungsbetrag (0,975 % von 18.086,07 EUR) :176,34 EUR
Geminderte Sonderzahlung (369,39 EUR ./. 176,34 EUR): 193,05 EUR
monatlich: 16,09 EUR

Die gesamte soldatenrechtliche Versorgung des Ehemannes beläuft sich somit auf insgesamt 1.492,48 EUR (entspricht 1.476,39 + 16,09 EUR).

b) Bedenken begegnet die von der Wehrbereichsverwaltung vorgenommene Ehezeitanteilsberechnung. Im Ausgangspunkt zu Recht weist die Wehrbereichsverwaltung darauf hin, dass die Altersgrenzen für Berufssoldaten durch das Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz) vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) für die meisten Soldaten heraufgesetzt worden ist. Der Senat teilt indessen nicht die Auffassung, dass bei der Ermittlung der gesamten ruhegehaltfähigen Dienstzeit auf die allgemeine Altersgrenze nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 SG (Vollendung des 62. Lebensjahres) abgestellt werden müsse. vielmehr entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die für bestimmte Gruppen von Soldaten geltenden vorgezogenen Altersgrenzen bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit zu beachten sind (BGH Beschluss vom 14. Juli 1982 - IVb ZB 741/81 - FamRZ 1982, 999 ff.. vgl. zuletzt BGH Beschluss vom 5. November 2008 - XII ZB 53/06 - FamRZ 2009, 303 [Tz. 29]). Zwar führt das Erreichen der besonderen Altersgrenze nicht zwangsläufig zum Eintritt in den Ruhestand. Die Maßgeblichkeit der besonderen Altersgrenzen für die Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit wird durch die Annahme gerechtfertigt, dass ein Berufssoldat bei Erreichen der für ihn geltenden besonderen Altersgrenze in den meisten Fällen auch damit rechnen kann, von seinem Dienstherrn gemäß § 44 Abs. 2 SG in den Ruhestand versetzt zu werden. Nach den Mitteilungen des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de) wurden im Jahre 2008 insgesamt 85 % aller neupensionierten Berufssoldaten bereits nach dem Erreichen einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt. Für eine Prognose, dass sich in Zukunft diese Praxis wesentlich ändern wird, stehen derzeit noch keine tragfähigen Erkenntnisse zur Verfügung.

Auch der durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz neu eingeführte § 45 Abs. 4 SG, wonach das durchschnittliche Zurruhesetzungsalter aller Berufssoldaten im Jahre 2024 zwei Jahre über dem Zurruhesetzungsalter nach dem Stand vom 1. Januar 2007 liegt, gebietet jedenfalls derzeit noch keine andere Beurteilung. Zwar ist dieser Vorschrift die Zielvorgabe zu entnehmen, dass das durchschnittliche Lebensalter aller wegen Überschreitens oder Erreichens einer allgemeinen oder besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzten oder in den Ruhestand getretenen Berufssoldaten, welches am 1. Januar 2007 rund 55,2 Jahre betragen hat (BTDrucks. 16/7076, S. 175), bis zum Jahre 2024 auf mindestens 57,2 Jahre gesteigert werden soll. Richtig ist auch, dass diese Zielvorgabe nach der Einschätzung des Gesetzgebers bis zum Jahre 2024 nicht automatisch durch die Anhebung der in § 45 Abs. 1 und Abs. 2 SG festgelegten gesetzlichen Altersgrenzen erreicht werden kann, sondern dass es zusätzlich erforderlich ist, dass Berufssoldaten trotz Erreichens einer Altersgrenze bedarfsbezogen über die besondere Altersgrenze hinaus im Dienst verbleiben (BTDrucks. aaO). Allerdings geht der Gesetzgeber auch davon aus, dass sich derjenige Kreis von Berufssoldaten, für die ein Verbleiben im Dienst über die besondere Altersgrenze hinaus typischerweise in Betracht gezogen werden soll, in erster Linie hochqualifizierte Spezialisten mit geringer körperlicher Belastung umfassen wird (BTDrucks. aaO). Ob dagegen die Umsetzung dieser Vorgaben in der Praxis bezogen auf alle Berufssoldaten in der Gesamtbetrachtung dazu führen wird, dass für die Zurruhesetzung beim Erreichen einer besonderen Altersgrenze künftig nicht mehr - wie bisher - von einem Regel/Ausnahmeverhältnis auszugehen sein wird, lässt sich derzeit nicht verlässlich beurteilen. Es besteht daher für den Senat kein Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abzuweichen.

Gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 5 SG in der Fassung von Art. 10 Nr. 20 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes ist die besondere Altersgrenze für Berufsunteroffiziere nunmehr auf die Vollendung des 55. Lebensjahres festgesetzt worden. der Ehemann ist von der Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 SG nicht betroffen. Für den am 24. Januar 1980 geborenen Ehemann ist daher im Rahmen der Ehezeitanteilsberechnung das Ende der ruhegehaltfähigen Dienstzeit auf den 31. Januar 2035 festzulegen. Daraus errechnet sich der Ehezeitanteil der Versorgung nach Maßgabe der sonstigen Angaben aus der Versorgungsauskunft wie folgt:

3,00 Jahre x 1.492,48 EUR = 120,20 EUR : 37,25 Jahre

2. Auf Seiten der Ehefrau hat das Amtsgericht den in die Ausgleichsbilanz einzustellenden volldynamischen Wert der in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes und der privatrechtlichen Leibrente ohne Beanstandungen in einer Gesamthöhe von 102,93 EUR ermittelt. Die maßgebliche Versorgungsdifferenz beträgt daher 17,27 EUR (entspricht 120,20 EUR ./. 102,93 EUR). Versorgungsanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung waren danach in Höhe der Hälfte der Versorgungsdifferenz - mithin 8,64 EUR - im Wege des QuasiSplittings nach § 1587b Abs. 2 BGB zu Lasten der soldatenrechtlichen Versorgung des Ehemannes auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der DRV Bund zu begründen.

3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof war zuzulassen, da der Frage, ob nach der Einführung des § 45 Abs. 4 SG an der bisherigen Rechtsprechung zur Maßgeblichkeit der besonderen Altersgrenze bei der Ermittlung der ruhegehaltfähigen Gesamtzeit eines Berufssoldaten festgehalten werden kann, grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.

Ende der Entscheidung

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