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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 20.05.2008
Aktenzeichen: 2 W 108/08
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 39
Wechselt der Kläger im Wege der Klageänderung den Klaggrund für einen Zahlungsanspruch aus, sind die Werte des ursprünglichen und des wirtschaftlich nicht identischen neuen Streitgegenstandes (Darlehensforderung statt Wohnraummiete) bei der Wertfestsetzung für das gerichtliche Verfahren zu addieren.
2 W 108/08

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht R. sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. L. und Dr. L. am 20. Mai 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers vom 8. Mai 2008 gegen die Streitwertfestsetzung des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg im Urteil vom 14. Januar 2008 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gegenstandswert für die Gebühren der Prozessbevollmächtigten des Beklagten und die anwaltliche Terminsgebühr der Prozessbevollmächtigten des Klägers 12.460 EUR betragen.

Gründe:

I.

Mit seiner Anspruchsbegründung vom 3. Juli 2007 hat der Kläger den Beklagten im Rechtsstreit vor dem Landgericht auf Zahlung von insgesamt 12.660 EUR in Anspruch genommen. Neben Zahlung von Geschäftsraummiete und Darlehensrückzahlung hat er hierbei im Umfang von 800 EUR Miete für Wohnraum geltend gemacht. Auf gerichtlichen Hinweis des Landgerichts, für diesen Streitgegenstand nicht zuständig zu sein, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11. Juli 2007 ausgeführt, diesen Anspruch "nicht mehr geltend" zu machen und hat im gleichen Umfang einen weitergehenden Darlehensrückzahlungsanspruch erhoben. Er hat mithin weiterhin Zahlung von 12.660 EUR verlangt. In seinem Urteil vom 14. Januar 2008 hat das Landgericht den Streitwert für die Zeit bis zum 11. Juli 2007 auf 12.660 EUR und für die Zeit danach auf 13.460 EUR festgesetzt. Der Kläger wendet sich hiergegen und macht geltend, es liege kein Fall der Streitwerterhöhung vor, die Klage sei nicht erweitert worden, nur die Begründung sei ausgetauscht worden. Der Streitwert betrage daher auch nach dem 11. Juli 2007 nur 12.660 EUR.

II.

Nachdem der Kläger die Beschwerde unmittelbar gegenüber dem Senat erhoben hat, hat der Senat hat davon abgesehen, die Sache zur Entscheidung über eine eventuelle Abhilfe an das Landgericht zurückzugeben. Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2008 hatten die Prozessbevollmächtigten des Klägers im eigenen Namen mit gleicher Begründung Beschwerde gegen die nach ihrer Ansicht zu hohe Streitwertfestsetzung im landgerichtlichen Urteil eingelegt. Diese Beschwerde hat der Senat (Einzelrichter) durch Beschluss vom 17. April 2008 als unzulässig verworfen. Im dortigen Verfahren hat das Landgericht mit Beschluss vom 8. April 2008 der Beschwerde nicht abgeholfen und hierbei u.a. ausgeführt, warum die Beschwerde nach seiner Ansicht nicht nur unzulässig ist, sondern im Ergebnis auch unbegründet. Nachdem im hiesigen Verfahren eine anders lautende Entscheidung des Landgerichts im Abhilfeverfahren nicht zu erwarten ist und eine

Rücksendung der Akte an das Landgericht daher lediglich eine Zeitverzögerung bedeuten würde, hat der Senat gemeint, sogleich selbst entscheiden zu können.

III.

Das gemäß § 68 GKG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache insoweit zum Teil Erfolg, als sich die Gebühren der Prozessbevollmächtigten der Beklagten und die Terminsgebühr der Prozessbevollmächtigten des Klägers nach einem Streitwert von (nur) 12.660 EUR berechnen. Der Streitwert für die Gerichtsgebühren und für die Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten des Klägers richten sich, wie das Landgericht in soweit zu Recht gemeint hat, hingegen nach einen Streitwert von 13.460 EUR.

1. Entgegen der Ansicht des Klägers hat er nicht nur eine Begründung ausgetauscht, vielmehr liegt ein Fall der - teilweisen - Klageänderung vor. Denn der Kläger hat den Klagegrund teilweise ausgewechselt, als er von der Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung von Wohnraummiete auf einen Darlehensrückzahlungsanspruch übergegangen ist, auch wenn sich der Klageantrag nicht geändert hat. Es handelt sich nicht um den Fall, in dem der gleiche Anspruch geltend gemacht wird und dieser nur auf einen anderen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt wird.

2. Nach herrschender - älterer - Auffassung in der Rechtsprechung sind im Fall des Klagewechsels, also des vollständigen Austauschs des Streitgegenstandes wie im Rechtsstreit, die Werte der prozessualen Ansprüche nicht zusammenzurechnen. Dieses sei schon deshalb nicht möglich, weil die Ansprüche nicht nebeneinander, sondern vielmehr hintereinander geltend gemacht würden (vgl. KG Rpfleger 1968, 289. OLG Hamburg JurBüro 1978, 1807. OLG München OLGR 1994, 15. OLG Frankfurt JurBüro 1994, 738. vgl. auch Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rdnr. 16 Stichwort "Klageänderung"). Nur dann, wenn die Streitgegenstände unterschiedliche Einzelwerte aufweisen würden, sei dies bei der Bemessung des Streitwerts zu berücksichtigen.

3. Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Sie findet im Gesetz keine Stütze und ist mit der gesetzlichen Wertung auch nicht in Einklang zu bringen.

Nach dem in § 39 Abs. 1 GKG verankerten Grundsatz werden in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. Ist danach der Grundsatz derjenige der Addition der Streitwerte, fehlt eine Norm, nach der im Fall der Klageänderung eine Addition zu unterbleiben hätte und lässt sich weder dem Wortlaut, noch dem Sinn und Zweck des § 39 GKG entnehmen, dass dies nur für den Fall gelten soll, dass die Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden. In zeitlicher Hinsicht berechnet sich der Streitwert zunächst nach demjenigen der Klage (§ 40 GKG). Wird die Klage in einem späteren Zeitpunkt erweitert oder geändert, erhöht sich der Streitwert entsprechend im Umfang der Erweiterung bzw. Änderung, es entsteht ein neuer Streitwert, der sich aus der Addition der ursprünglichen Klage und der Erweiterung bzw. Änderung ergibt. Da sich eine Verfahrensgebühr nicht nachträglich vermindern kann (vgl. OLG Bamberg JurBüro 1978, 1655. OLG Celle JurBüro 1986, 741. OLG München FamRZ 1997, 34. OLG Oldenburg NJWRR 1999, 942), muss zwangsläufig eine Klageänderung dazu führen, dass der neue Streitwert auf den bisherigen hinzu zu addieren ist. Dass muss jedenfalls in dem Fall gelten, in dem, wie im Streitfall, der Austausch wirtschaftlich nicht identischer Streitgegenstände erfolgt ist (so auch OLG Hamm AGS 2007, 517 unter Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rdnr. 3117ff und Liebheit JuS 2001, 688, 690 f). Nur für Hilfsansprüche und Hilfsaufrechnungen sieht das Gesetz in § 45 GKG eine Einschränkung der Addition dann vor, wenn eine Entscheidung über diese Ansprüche nicht ergeht.

Hinzu kommt, dass nach inzwischen überwiegender Ansicht in der - neueren - Rechtsprechung bei der Berechnung des Streitwertes Klagerweiterungsbeträge auch dann dem Wert des ursprünglichen Streitgegenstandes hinzuzurechnen sind, wenn dieser ganz oder teilweise bereits vorher seine Erledigung gefunden hat (vgl. OLG Celle JurBüro 1986, 741. OLG Koblenz AGS 2007, 151. OLG Hamm AGS 2007, 517. KG AGS 2008, 188. a.A.. OLG Dresden AGS 2007, 517). Wenn daher in einem laufenden Rechtsstreit ein Teil des Streitgegenstandes durch Erledigung oder Rücknahme ausscheidet und ein weiterer Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt wird, berechnet sich der Streitwert für die Gerichtskosten und die anwaltlichen Verfahrensgebühren nach dem zusammengerechneten Wert. Die Zielsetzung einer teilweisen Klagrücknahme durch den Kläger verbunden mit einer Klagerweiterung entspricht aber dem der Klageänderung. In beiden Fällen erklärt der Kläger, einen bestimmten Anspruch nicht mehr geltend machen zu wollen und dafür einen weiteren Anspruch zu erheben. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn beide Fälle hinsichtlich des Streitwertes eine unterschiedliche Behandlung erfahren sollten.

Außerdem wäre es auch gar nicht einzusehen, warum sich das Gericht und die Anwälte mit einem Teil des Streitgegenstandes letztlich unentgeltlich beschäftigen sollten (OLG Hamm a. a. O. m. w. N.).

Mit Recht hat das Landgericht daher den Streitwert für die Zeit nach dem 11. Juli 2008 auf 13.460 EUR festgesetzt.

4. Das kann allerdings nicht für die von den Anwälten verdiente Terminsgebühr und die Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten des Beklagten gelten.

Hinsichtlich der Terminsgebühr ergibt sich das daraus, dass nur über den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Anspruch auf Zahlung von 12.660 EUR verhandelt worden ist, nicht aber über den ursprünglich gestellten Anspruch auf Zahlung von Wohnraummiete. Die Klageänderung hat mithin keine Auswirkungen auf die verdiente Terminsgebühr.

Auch die Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten des Beklagten bemisst sich lediglich nach dem Streitwert von 12.660 EUR. In dem dem Rechtsstreit vorgelagerten Mahnverfahren war der Beklagte anwaltlich nicht vertreten. Die Anspruchsbegründung vom 3. Juli 2008 ist dem Beklagten gemeinsam mit dem Schriftsatz vom 11. Juli 2008 am 4. August 2008 persönlich zugestellt worden. Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat mit Schriftsatz vom 13. August 2007 mitgeteilt, am 10. August 2008 mandatiert worden zu sein. Mithin war der ursprünglich geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Wohnraummiete nicht mehr streitgegenständlich und war die Klageänderung bereits erfolgt, als die Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Verfahrensgebühr verdienen konnte.

Ende der Entscheidung

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