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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 29.10.2001
Aktenzeichen: 2 W 71/01 (1)
Rechtsgebiete: InsO, BRAGO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 7
InsO § 289
InsO § 290
BRAGO § 77
BRAGO § 8
ZPO § 3
Der Wert der Beschwerde gegen die Versagung der Einleitung des Restschuldbefreiungsverfahrens ist im einem Durchschnittsfall, in dem der Schuldner auf einen hohen Forderungsbestand keine oder nur geringfügige Zahlungen leisten kann, mangels einer greifbaren Schätzgrundlage auf einen 'Regelstreitwert' von 8.000 DM festzusetzen.
2 W 71/01

Beschluss

In dem Restschuldbefreiungsverfahren

über das Vermögen des #####,

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ##### und die Richter am Oberlandesgericht ##### und ##### am 29. Oktober 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Gegenvorstellung der Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners vom 4. September 2001 wird der auf 600 DM festgesetzte Wert des Beschwerdeverfahrens für die Beschwerde des Schuldners gegen die Versagung der Restschuldbefreiung sowohl für das gerichtliche Beschwerdeverfahren als auch für die Rechtsanwaltsgebühren wie folgt geändert:

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.000 DM festgesetzt.

Die Änderung des Wertes des Beschwerdeverfahrens erfolgt von Amts wegen auch für das Verfahren vor dem Landgericht; auch insoweit wird der Wert anderweitig auf 8.000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Gegenvorstellung, mit der die Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers geltend machen, dass im Hinblick auf die Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners von etwa 380.000 DM der Wert des Beschwerdeverfahrens nicht anhand der geringfügigen Forderung des Beschwerdegegners festgesetzt werden könne, die nicht einmal 1.000 DM erreiche und damit nur einen geringfügigen Bruchteil des Interesses des Schuldners ausmache, ist begründet.

Bei der Festsetzung des Beschwerdewertes, die auf die unterste Gebührenstufe erfolgt ist, hat sich der Senat zunächst an der nicht angegriffenen Wertfestsetzung des Landgerichts orientiert. Nach der begründeten Gegenvorstellung der Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners war dieser Wert jedoch zu ändern. Die Wertfestsetzung des Landgerichts entspricht nicht dem Interesse des Schuldners an der Durchführung des Beschwerdeverfahrens.

Vielmehr muss bei der Wertfestsetzung berücksichtigt werden, dass der Schuldner, der hier einen sogenannten 'qualifizierten Nullplan' angeboten hat, mit der sofortigen Beschwerde und der sofortigen weiteren Beschwerde die Befreiung von seinen restlichen Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt ca. 380.000 DM begehrt hat. Bei dieser Ausgangslage, bei der der Schuldner Beschwerdeführer ist, kann die Wertfestsetzung nicht auf der Basis der Forderung des Gläubigers erfolgen. Vielmehr muss das Interesse des Schuldners an der Einleitungsentscheidung zum Restschuldbefreiungsverfahren nach § 289 InsO eine maßgebliche Rolle spielen (so im Ansatz auch LG Bochum, ZInsO 2001, 564).

Dieses Interesse kann allerdings auch nicht allein an der Höhe der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen festgemacht werden, weil die Befriedigung - und sei es auch nur anteilig - dieser Forderungen höchst ungewiss ist. Es wäre deshalb auch nicht angemessen, als Beschwerdewert den Betrag sämtlicher Forderungen oder einen Bruchteil dieses Betrages (anders insoweit LG Bochum, ZInsO 2001, 564, das bei einem Schuldner, der Teilleistungen verspricht, 50 % der Forderungen in Ansatz bringt) zu nehmen. Im Hinblick auf das Ziel des Schuldners, trotz des Widerspruchs des Gläubigers und Beschwerdegegners die Einleitung des Restschuldbefreiungsverfahrens zu erreichen, in dem er von seinen sämtlichen Verbindlichkeiten befreit wird, ist es auch nicht angebracht, nur die Forderung des Beschwerdegegners in Rechnung zu stellen. Bei einer solchen Betrachtung hinge die Bemessung des Interesses des Schuldners an der Erteilung der Restschuldbefreiung von der eher zufälligen Frage ab, wie hoch die Forderung des widersprechenden Gläubigers ist. Eine solche Betrachtungsweise ist gebührenrechtlich ebenso unbefriedigend, wie die Zugrundelegung der Verbindlichkeiten oder eines Teiles davon.

Im Hinblick auf das Fehlen einer Vorschrift für die Festsetzung des Wertes des Beschwerdeverfahrens im Fall der Beschwerde des Schuldners gegen die Versagung der Einleitungsentscheidung zur Restschuldbefreiung nach §§ 289, 290 InsO durch das Insolvenzgericht muss die Wertfestsetzung entsprechend § 3 ZPO aufgrund einer Schätzung dieses Wertes erfolgen. Sowohl die §§ 35 ff. GKG als auch die §§ 72 ff. BRAGO enthalten keine Vorschrift für die Wertfestsetzung in dem hier vorliegenden Beschwerdeverfahren. Zwar ist in Nr. 4150 des Kostenverzeichnisses zum GKG ein Festbetrag von 60 DM für die Entscheidung über den Antrag auf Versagung oder den Widerruf der Restschuldbefreiung nach den §§ 296, 297, 300, 303 InsO bestimmt. Für den Wert des Beschwerdeverfahrens gegen eine Entscheidung nach § 289 InsO, die in der Nr. 4150 des Kostenverzeichnisses ohnehin nicht genannt ist, gibt es jedoch keine Regelung. Auch § 77 BRAGO, der den Gegenstandswert für verschiedene Verfahren nach der InsO regelt, enthält für dieses Verfahren keine Wertbestimmung. Bei der Wertfestsetzung muss deshalb im Hinblick auf die Rechtsanwaltsgebühren auf die allgemeine Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO zurückgegriffen werden, auf die auch § 77 Abs. 3 InsO verweist (dazu auch LG Bochum, ZInsO 2001, 564). Zwar ist nach dieser Vorschrift - ebenso wie nach § 3 ZPO - der Wert zunächst nach billigem Ermessen anhand des Interesses zu bestimmen; ist eine Schätzung dieses Interesses aber nicht möglich, kann eine Festsetzung des Gegenstandswertes auf 8.000 DM als pauschalen Wert erfolgen. Von dieser Möglichkeit macht der Senat hier Gebrauch.

Der Wert des Antrags des Schuldners auf Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens ist - wie die obigen Ausführungen zeigen - nach billigem Ermessen praktisch nicht zu bemessen. Zumindest bei einem Nullplan oder bei einem Plan, in dem einem hohen Forderungsbestand ganz geringe Quoten gegenüberstehen, ist wertmäßig kaum abzuschätzen, welchen Wert die Restschuldbefreiung für den Schuldner hat. Da kein Angebot des Schuldners vorliegt und nicht ersichtlich ist, welche Zahlungen der Schuldner auf die Verbindlichkeiten voraussichtlich zu leisten imstande ist, gibt es keine schlüssig begründbare Möglichkeit, einen Wert auch nur annäherungsweise zu bestimmen. Bei einem Nullplan, der auf den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners beruht, besteht sowohl die Möglichkeit, dass der Schuldner während der Wohlverhaltensphase überhaupt keine Zahlungen leistet. Es kann aber auch ein Fall eintreten, in dem etwa ein arbeitsloser Schuldner wieder eine Arbeit findet und sodann in der Lage ist, erhebliche Zahlungen zu leisten. All dies ist nicht voraussehbar, sodass eine Ermessens-entscheidung praktisch unmöglich ist.

Andere Erwägungen könnten allenfalls dann anzustellen sein, wenn der Schuldner erhebliche Befriedigungsquoten anbietet und deshalb der gesamte Forderungsbestand als zumindest zu einem erheblichen Teil werthaltig angesehen werden muss. Bei einer solchen Konstellation könnte die Frage stellen, ob das Interesse des Schuldners nicht anders - höher - zu bemessen ist, als in dem hier zugrunde liegenden Normalfall. Umgekehrt könnten sich andere Erwägungen auch dann ergeben, wenn aufgrund eines ungewöhnlich niedrigeren Forderungsbestandes der Wert von 8.000 DM nicht adäquat erscheint und deshalb eine Herabsetzung dieses Wertes geboten ist. Abgesehen von diesen Ausnahmesituationen, die nach den bisherigen Erfahrungen des Senats nur selten gegeben sind, ist bei dem Durchschnittsfall eines Schuldners, bei dem auf einen Forderungsbestand von 100.000 DM und mehr vergleichsweise geringfügige oder gar keine Zahlungen geleistet werden sollen, eine vernünftige Schätzgrundlage nicht ersichtlich. Bei einer derartigen Ausgangslage hält der Senat die Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO für angebracht. Hier muss in Ermangelung greifbarer Anhaltspunkte für eine Wertschätzung die Festsetzung auf einen 'Regelstreitwert' erfolgen.

Dies trägt dem allgemeinem Prinzip Rechnung, dass bei Verfahren, in denen der Wert praktisch nicht zu bestimmen ist, die jedoch mit einem erheblichen Aufwand verbunden sind, wie dies etwa bei der Vertretung des Schuldners im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung der Restschuldbefreiung der Fall ist, ein pauschaler Wert in Ansatz zu bringen ist, der auch den Schwierigkeiten des Geschäftes Rechnung trägt. Das Risiko eines solchen Verfahrens bleibt sowohl für den Schuldner als auch für die Gläubiger berechenbar, wenn der Wert nicht durch die Gesamtforderungen gegen den Schuldner, die nur eine theoretische Bedeutung haben, oder die Forderung des Gläubigers, deren Höhe ebenfalls eher vom Zufall abhängt, bestimmt wird. Aus diesen Gründen hält der Senat einen Wert von 8.000 DM für den Durchschnittsfall der Beschwerde gegen die Versagung der Einleitung des Restschuldbefreiungsverfahrens für angemessen.

Die Entscheidung ergeht auslagen- und gerichtsgebührenfrei.

Ende der Entscheidung

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