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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 24.06.2003
Aktenzeichen: 2 W 73/03
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 112
Eine Kündigungssperre gem. § 112 InsO besteht nicht, wenn der Mietrückstand, auf den die fristlose Kündigung des Vermieters gestützt wird, erst nach Insolvenzantragstellung aufgelaufen ist.
2 W 73/03

Beschluss

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. ####### als Einzelrichter am 24. Juni 2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2 vom 7. Mai 2003 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 17. April 2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Beklagte zu 2 hat entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem in Bezug genommenen Urteil vom 17. April 2003 schon deshalb keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil ihre Rechtsverteidigung ohne Aussicht auf Erfolg ist. Das Landgericht hatte auch keine Veranlassung, über den erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung, auf die das erstinstanzliche Urteil ergangen ist, eingegangenen Prozesskostenhilfeantrag vor der Verkündung des Urteils zu entscheiden. Eine irgendwie geartete Verzögerung der Entscheidung des Landgerichts über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegt nicht vor. Es erübrigt sich deshalb auch, die Frage zu stellen, ob das Landgericht trotz der Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung der Beklagten zu 2 zu einem früheren Zeitpunkt hätte entscheiden müssen.

In der Sache ist das Landgericht aus mehreren Gründen mit Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Gaststätte "#######" zusteht. Entsprechend den Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil war die fristlose Kündigung in dem Schriftsatz vom 17. Dezember 2002 begründet. Auf die Frage, ob schon früher erklärte fristlose Kündigungen der Klägerin begründet waren, kommt es im Hinblick auf den geltend gemachten Räumungsanspruch deshalb schon nicht mehr an. Auch diese Frage wäre aber positiv zu beantworten.

Soweit die Beklagten meinen, dass die in dem Schriftsatz vom 17. Dezember 2002 erklärte fristlose Kündigung nur gegenüber der Beklagten zu 2, nicht aber gegenüber dem Beklagten zu 1 erklärt worden ist, geht diese Auffassung schon deshalb fehl, weil die in dem Schriftsatz erklärte fristlose Kündigung gar nicht anders verstanden werden konnte, als dass es sich um eine fristlose Kündigung gegenüber beiden Beklagten handeln sollte. Im Rubrum des Schriftsatzes sind sowohl der Beklagte zu 1 als auch die Beklagte zu 2 als Räumungsschuldner aufgeführt. Aus dem Inhalt des Schriftsatzes ergibt sich der ausdrücklich erklärte Wille der Klägerin, das Mietverhältnis fristlos gegenüber beiden Beklagten zu beenden und diese zur Herausgabe der Immobilie zu verurteilen. Diese Erklärung reicht allemal aus, um von einer fristlosen Kündigung gegenüber beiden Beklagten auszugehen. Hierzu bedarf es nicht einmal einer - hier allerdings auch auf der Hand liegenden - Auslegung der Räumungsklage als Kündigungserklärung (dazu Grapentin, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. IV Rz. 24), weil der Kündigungswille gegenüber beiden Beklagten in dem Schriftsatz sogar ausdrücklich erklärt wird.

Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, dass dem Schriftsatz eine für die fristlose Kündigung grundsätzlich erforderliche besondere Vollmacht nicht beigefügt worden ist. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, deckt die Prozessvollmacht auch das Recht zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses ab. Zwar hätten die Beklagten grundsätzlich das Recht gehabt, die fristlose Kündigung wegen der fehlenden Beifügung einer Vollmacht gemäß § 174 BGB unverzüglich zurückzuweisen. Eine solche Zurückweisung ist aber nicht erfolgt, so dass die fristlose Kündigung ungeachtet der fehlenden Beifügung einer "Spezialvollmacht" wirksam geworden ist (hierzu auch Grapentin, in: Bub/Treier, a. a. O., Kap. IV Rz. 26). Zwar ist der Beklagte zu 1 der weiteren von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers im Februar 2003 erklärten fristlosen Kündigung unter Hinweis auf das Fehlen einer Spezialvollmacht entgegengetreten. Diese Zurückweisung der Kündigung konnte aber keine Wirkungen mehr bezüglich der mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2002 erklärten fristlosen Kündigung entfalten, weil insoweit eine Zurückweisung nicht unverzüglich erfolgt war, sondern die Beklagten sich zunächst auf die Räumungsklage eingelassen hatten.

Eine fristlose Kündigung gegenüber der Beklagten zu 2 zu wäre im Übrigen auch schon durch die Erklärung gegenüber dem Schuldner mit Schreiben vom 11. Juni 2002 erfolgt. Insoweit wäre nämlich die formularmäßige wechselseitige Bevollmächtigung der Mieter gemäß § 29 Abs. 2 des Mietvertrages zu beachten, derzufolge die Mietvertragsparteien sich untereinander in der Weise bevollmächtigten, dass jeder von ihnen allein berechtigt ist, Willenserklärungen mit Wirkung für den anderen entgegen zu nehmen. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Klausel bestehen nicht. Zwar mag es in der früheren Rechtsprechung und im früheren Schrifttum streitig gewesen sein, ob eine derartige wechselseitige Bevollmächtigung in einem vorformulierten Mietvertrag wirksam ist (zu den Einzelheiten s. Bub, in: Bub/Treier, a. a. O., Kap. II Rz. 561). Dieser Streit ist aber spätestens seit der in einem Vorlageverfahren ergangenen Entscheidung des BGH vom 10. September 1997 (NJW 1997, 3437) hinfällig. Nach dieser Entscheidung ist eine derartige Bevollmächtigung auch dann wirksam, wenn sie in einem Vertragsformular erteilt wird. Folglich gibt es keine Bedenken mehr, die wechselseitige Bevollmächtigung ausreichen zu lassen, um bei einer Kündigungserklärung gegenüber einer der Mietvertragsparteien von der Wirksamkeit der Kündigung gegenüber beiden Mietern auszugehen.

Der Beklagte zu 1 macht weiter zu Unrecht geltend, dass die fristlose Kündigung deshalb unwirksam sei, weil ihm gegenüber aufgrund der Vorschrift des § 112 InsO gar kein Recht zur fristlosen Kündigung bestanden habe. Diese Auffassung ist schon deshalb verfehlt, weil sowohl nach der Rechtsprechung des Senats (ZInsO 2002, 326, 328) als auch nach der Rechtsprechung des BGH (ZInsO 2002, 819, 824) die fristlose Kündigung durch § 112 InsO nicht ausgeschlossen wird, wenn der Zahlungsrückstand, der den Vermieter zur Kündigung berechtigt, erst nach Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist. Vorliegend ist unstreitig, dass seitens der Mieter in der Zeit vor Eröffnung des Verfahrens nach Insolvenzantragstellung zumindest in den Monaten August bis Oktober überhaupt kein Mietzins gezahlt worden ist. Damit lag unstreitig der vom Landgericht festgestellte für eine fristlose Kündigung ausreichende Zahlungsverzug vor.

Auf die in dem Schriftsatz des Beklagten zu 1 nach mündlicher Verhandlung erklärten Aufrechnungen, die sich auf die Zeit ab November 2002 beziehen, kommt es - ungeachtet der Tatsache, dass die Aufrechnungserklärungen sowieso nicht rechtzeitig abgegeben worden sind - nicht an, weil auch der Beklagte zu 1 den Zahlungsverzug des Schuldners während des Laufs des Eröffnungsverfahrens gegen sich gelten lassen muss. Der Beklagte zu 1 hätte also - ebenso wie die Beklagte zu 2 - das Mietobjekt längst räumen müssen.

Die Beklagte zu 2 kann sich als Mieterin nicht darauf berufen, zur Räumung der Gaststätte nicht in der Lage zu sein, weil sie diese gar nicht betrieben habe. Insoweit hat das Landgericht schon zutreffend ausgeführt, dass ein Mieter die Erfüllung des Räumungsanspruchs des Vermieters nicht mit der Begründung zurückweisen kann, aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse zu einer Herausgabe der Mietsache nicht in der Lage zu sein. Hierzu wird seitens der Beklagten zu 2 in der Beschwerdebegründung im Übrigen auch nichts mehr ausgeführt.

Damit steht fest, dass die Rechtsverteidigung der Beklagten zu 2 ohnehin zu keinem Zeitpunkt Erfolg gehabt hat, so dass es auch unter diesem Gesichtspunkt nicht auf die Frage ankommt, zu welchem Zeitpunkt das Landgericht seine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten getroffen hat.

Ende der Entscheidung

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