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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 01.08.2002
Aktenzeichen: 2 Ws 204/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 456 a
StPO § 458 Abs. 1
Zur Bindungswirkung einer Entscheidung über das Absehen von der Vollstreckung gem. § 456 a Abs. 1 StPO bei durchgeführter aber im Ergebnis missglückter Abschiebung.
Oberlandesgericht Celle Beschluss

2 Ws 204/02

In der Strafvollstreckungssache

wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 7. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 10. Juli 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht

am 01. August 2002 beschlossen:

Tenor:

1.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2.

Die weitere Strafvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts vom 29. November 1996 ist unzulässig.

3.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Landgerichts vom 29. November 1996 wurde gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren wegen "bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" verhängt. Diese Strafe verbüßt der Verurteilte in der Justizvollzugsanstalt . Nachdem durch eine seit dem 26. Oktober 1999 bestandskräftige Verfügung der Stadt die Ausweisung und Abschiebung für den Zeitpunkt nach Entlassung aus der Strafhaft angeordnet worden war, entschied die Staatsanwaltschaft am 28. November 2001:

"In der Strafvollstreckungssache wird von der weiteren Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren aus dem Urteil des Landgerichts .... von dem Zeitpunkt an abgesehen, zu dem der Verurteilte an die mit der Durchführung der Abschiebung beauftragten Begleitbeamten übergeben wird, frühestens jedoch zum 9.2.2002."

Die Abschiebung des Verurteilten in die Türkei erfolgte am 14. Februar 2002 auf dem Luftwege nach , nachdem ihm zuvor vom türkischen Generalkonsulat Passersatzpapiere ausgestellt worden waren. Nach einem Bericht der Rauschgiftabteilung der türkischen Polizei wurde der Verurteilte "bei seiner Einreise in die Türkei" zunächst von der Rauschgiftpolizei vernommen und "am 16.02.2002 der Oberstaatsanwaltschaft in vorgeführt" und freigelassen. Da dem Verurteilten durch Beschluss des Ministerrates vom 06. September 2002 die türkische Staatsangehörigkeit entzogen worden war, sei er - so der Bericht weiter - am 17. Februar 2002 per Flugzeug "mit Zielort aus der Türkei abgeschoben" worden.

Nach dieser gegen den Willen des Verurteilten erzwungenen Rückkehr nach Deutschland wurde er bei seiner Ankunft auf dem Flughafen am 17. Februar 2002 aufgrund einer Ausschreibung zur Festnahme durch das Ausländeramt der Stadt in Polizeigewahrsam genommen. Auf eine Anordnung der Staatsanwaltschaft , die die Entscheidung nach § 456a StPO am 18. Februar 2002 widerrief, wurde er zur Fortsetzung der Strafvollstreckung am 18. Februar 2002 über die Justizvollzugsanstalt in die Justizvollzugsanstalt verschubt, wo er am 19. Februar 2002 eintraf.

Am 22. Februar 2002 hat sich der Verurteilte gegenüber der Staatsanwaltschaft gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts vom 29. November 1996 seit dem Zeitpunkt der missglückten Abschiebung gewandt. Diese hat darin eine Beschwerde gesehen, ihr nicht abgeholfen und die Sache der Generalstaatsanwaltschaft vorgelegt. Durch Bescheid vom 5. März 2002 hat die Generalstaatsanwaltschaft die Einwendungen verworfen und sich dabei auf § 21 StVollstrO gestützt. Der Verteidiger des Verurteilten hat dieser Entscheidung widersprochen und Vorlage an die Strafvollstreckungskammer verlangt. Darauf hat die Staatsanwaltschaft den Vorgang der zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vorgelegt. Dieser gegenüber hat der Verteidiger des Verurteilten sofortige Unterbrechung der Strafvollstreckung beantragt und Aufhebung der Widerrufsentscheidung nach § 456a StPO, die die Staatsanwaltschaft getroffen hatte und Haftentlassung des Verurteilten, hilfsweise Abgabe an den Senat zur Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG. Mit Beschluss vom 28. März 2002 hat die 7. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts den Hauptantrag des Verurteilen als unzulässig bezeichnet und die Sache auf den Hilfsantrag hin an den Senat abgegeben. Zur Begründung ist bemerkt, der Rechtsweg nach § 458 Abs. 2 StPO sei nicht eröffnet, weil die Abschiebung des Verurteilten nicht abschließend habe durchgeführt werden können.

Mit Entscheidung vom 24. April 2002 hat der Senat den Beschluss der 7. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts aufgehoben und die Akten zur Sachentscheidung nach § 458 Abs. 1 StPO über die Zulässigkeit der weiteren Strafvollstreckung an diese zurückgegeben.

Durch Beschluss vom 10. Juli 2002 hat die 7. kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts die Einwendungen des Verurteilten gegen die Fortsetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts vom 29. November 2002 zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel des Verurteilten hat Erfolg.

Die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts vom 29. November 1996 ist unzulässig.

Der weiteren Vollstreckung steht die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über das Absehen von der Vollstreckung gemäß § 456 a StPO vom 28. November 2001 entgegen.

Es kann dahinstehen, ob entsprechend dem Wortlaut dieser Entscheidung die weitere Vollstreckung schon von dem Augenblick der Übergabe des Verurteilten an die mit der Durchführung der Abschiebung beauftragten Begleitbeamten unzulässig geworden ist (vgl. L/R-Wendisch, StPO, 25. Aufl., § 456a Rnr. 6 und 11), da zumindest spätestens seit der Ankunft des Verurteilten auf dem Flughafen in I und der nachfolgenden Vorführung bei der Oberstaatsanwaltschaft in von einer vollzogenen Abschiebung des Verurteilten in die Türkei auszugehen ist.

Eine Abschiebung im Sinne des § 49 AuslG ist als durchgeführt anzusehen, wenn der Ausländer durch Polizeibeamte an die Bundesgrenze gebracht und dort den ausländischen Behörden übergeben wird (vgl. Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 49 AuslG Rnr. 12; Kloesel/Christ/Haußer, Deutsches Ausländerrecht, 4. Aufl., § 49 Rnr. 40). Bei einer Abschiebung auf dem Luftwege ist dieser Zeitpunkt spätestens in dem Moment erreicht, in welchem der Ausländer den Flughafengewahrsam des Zielflughafens verlässt. Hier war dies spätestens am 16. Februar 2002 der Fall, als der Verurteilte bei der Oberstaatsanwaltschaft in vorgeführt worden ist. Die Stadt ist räumlich vom Flughafen getrennt. Für diesen Geschehensablauf spricht auch der Wortlaut des Berichts der Rauschgiftabteilung der türkischen Polizei. Denn dort ist zunächst von der Einreise in die Türkei und in der Folge von einer Abschiebung aus der Türkei die Rede.

Auf den am 18. Februar 2002 erfolgten Widerruf der Entscheidung nach § 456 a StPO vom 28. November 2001 durch die Staatsanwaltschaft kann die Zulässigkeit der weiteren Vollstreckung nicht gestützt werden. Für diese Widerrufsentscheidung fehlt schon eine gesetzliche Emächtigungsgrundlage. Mit der vorliegenden Senatsentscheidung ist der Widerruf gegenstandslos.

Soweit die weitere Vollstreckung auf der Grundlage der gemäß § 456 a Abs. 2 StPO am 28. November 2001 getroffenen Anordnung der Nachholung der Vollstreckung der Reststrafe für den Fall einer Rückkehr des Verurteilten nach Deutschland in Erwägung gezogen werden könnte, steht dem entgegen, dass der Verurteilte, wovon auch die Staatsanwaltschaft ausgegangen ist, nicht freiwillig nach Deutschland zurückgekehrt ist (vgl. OLG Düsseldorf GA 1991, 271; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 1996, 93; OLG Hamburg JR 1999, 385, Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 456 a Rnr. 6 mwN.).

Ende der Entscheidung

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