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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 18.02.2005
Aktenzeichen: 21 Ss 8/05
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 244 Abs. 1 Nr. 1a
StPO § 260 Abs. 4
1. Gemäß § 260 Abs. 4 StPO ist in der Urteilsformel (nur) die rechtliche Bezeichnung der Tat anzugeben ist, derer der Ange-klagte schuldig gesprochen wird. Nicht in die Urteilsformel gehören hingegen die gesetz-lichen Überschriften von Bestimmungen, die entweder keine eigene Straftat beschrei-ben, sondern nur Strafzumessungsregeln enthalten bzw. die lediglich eine andere prozessuale Behandlung zulassen, wie dies im Fall bezüglich des § 248a StPO der Fall ist.

2. Das Tatbestandsmerkmal des "Beisichführens" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB ist nur dann erfüllt, wenn der Täter den Gegenstand bewusst gebrauchsbereit bei sich hatte. Ein entsprechendes Bewusstsein liegt beim Beisichführen von Taschenmessern nicht auf der Hand. Hierzu sind nähere Ausführungen des Tatrichters erforderlich.


Oberlandesgericht Celle

21 Ss 8/05

Beschluss

In der Strafsache

gegen W. G. ,

geboren 1974 in S./K.,

zur Zeit Justizvollzugsanstalt G.,

wegen Diebstahls

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgericht Hannover vom 11. November 2004 nach Anhörung und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch den Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 18. Februar 2005 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das Urteil wird im Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen eines Diebstahls mit Waffen (Tatzeit: 10. Juli 2004) verurteilt worden ist.

Im Rechtsfolgenausspruch wird das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme der wegen der anderen drei Diebstähle (Tatzeiten: 22. Juni, 8. Juli und 5. September 2004) verhängten Einzelstrafen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hannover zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 11. November 2004 wegen Diebstahls mit Waffen, Diebstahls und Diebstahls geringwertiger Sachen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen hat der Angeklagte

1. am 22. Juni 2004 in der Oststadt von H. in einer Filiale des P.Marktes der Firmengruppe R. den Auslagen zwei Schachteln Marlboro light entnommen, für die er insgesamt 7,20 EUR hätte zahlen müssen, sowie einen Lauchsalat, der mit einem Kaufpreis von 0,95 EUR ausgezeichnet war, wobei er entschlossen war, diese Waren zu entwenden und die Geschäftsräume auch verließ, ohne sie bezahlt zu haben. Er hatte vor, zumindest die Zigaretten zu verkaufen, um dadurch seinen Drogenkonsum finanzieren zu können,

2. am 8. Juli 2004 in der G.straße 16 in H. in der Parfümerie D. aus einer Auslage eine 100 mlFlasche Eau de Toilette der Marke Fahrenheid, für die er einen Kaufpreis von 59,50 EUR hätte zahlen müssen, entwendet, um sie später zu verkaufen,

3. sich am 10. Juli 2004 in H. in der I. Straße in dem dortigen Supermarkt der Firma C. Lebensmittel aufgehalten. In seiner Hosentasche führte er ein Messer mit einer Klingenlänge von ca. 5,5 cm "verwendungsbereit" bei sich, "das - wie immer - an einer Kette befestigt war". Auch an diesem Tage war den Angeklagte entschlossen, einen Diebstahl zu begehen, um die Waren später zu verkaufen und von dem Erlös Drogen kaufen zu können. Als er sich unbeobachtet fühlte, entnahm er den Auslagen drei Flaschen Wodka und eine Flasche Grappa, für die er insgesamt einen Kaufpreis von 82,30 EUR hätte zahlen müssen. Er verstaute die Flaschen unter seiner Jacke und passierte den Kassenbereich, ohne die Waren bezahlt zu haben,

4. am 5. September 2004 im Hauptbahnhof H. im Markt "I. P." zweimal Toblerone zum Preis von je 1,79 EUR, dreimal Snacks à 0,75 EUR, einmal Kinder Maxi zum Preis von 0,45 EUR und einmal Bel Mandel zum Preis von 0,99 EUR entwendet, weil er Hunger hatte.

Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Amtsgericht zum Vorfall vom 10. Juli 2004 ausgeführt, der Angeklagte habe sich dahin eingelassen, dass ihm beim Betreten des Supermarktes nicht bewusst gewesen sei, das Messer bei sich gehabt zu haben. "Allerdings" habe der Angeklagte "nahezu im selbem Atemzug angegeben", dass er dieses Messer immer an einer Kette befestigt in seiner Hosentasche trage. Diese Tat würdigt das Gericht als Diebstahl mit Waffen nach § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Gericht nach umfassender Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände für die Taten zu 1. und 4. jeweils zwei, für die Tat zu 2. drei und für die Tat zu 3. sechs Monate Freiheitsstrafe - auch unter Berücksichtigung von § 47 StGB - für tat und schuldangemessen erachtet.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der (Sprung) Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts - insbesondere die Anwendung des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie erkannt zu entscheiden.

II.

Die zulässige Revision ist in dem im Tenor ausgeführten Umfang begründet, im übrigen unbegründet.

1.

Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt zum Schuldspruch wegen der Diebstahlshandlungen am 22. Juni, 8. Juli und 5. September 2004 (Taten zu 1., 2. und 4.) keine durchgreifende Rechtsfehler auf. Der Senat verwirft sie daher auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach § 349 Abs. 2 StPO.

Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass gemäß § 260 Abs. 4 StPO in der Urteilsformel (nur) die rechtliche Bezeichnung der Tat anzugeben ist, derer der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Nicht in die Urteilsformel gehören hingegen die gesetzlichen Überschriften von Bestimmungen, die entweder keine eigene Straftat beschreiben, sondern nur Strafzumessungsregeln enthalten bzw. die lediglich eine andere prozessuale Behandlung zulassen, wie dies im vorliegenden Fall bezüglich des § 248a StPO der Fall ist (vgl. MeyerGoßner, StPO, 47. Aufl. § 260 Rdn. 25).

2.

Der Schuldspruch wegen Diebstahls mit Waffen nach § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB hält indes der materiellrechtlichen Prüfung nicht stand.

Es mag dahinstehen, ob es sich bei dem Taschenmesser des Angeklagte tatsächlich um eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift handelt. Jedenfalls fehlt es an hinreichend konkreten Ausführungen zum "Beisichführen" des Messers.

Das Tatbestandsmerkmal des "Beisichführens" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB ist nur dann erfüllt, wenn der Täter den Gegenstand bewusst gebrauchsbereit bei sich hatte. Ein entsprechendes Bewusstsein liegt beim Beisichführen von Taschenmessern nicht auf der Hand. Hierzu sind nähere Ausführungen des Tatrichters erforderlich (BGH NStZRR 2003, 12).

Der Senat teilt nicht die pauschale Auffassung des BayObLG (StV 2001, 17), wonach der Dieb, der während der Tatausführung ein zusammengeklapptes Taschenmesser in der Hose trägt, immer einen Diebstahl, bei dem er ein gefährliches Werkzeug bei sich führt, begeht. Der Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB enthält vielmehr eine eingrenzende subjektive Komponente durch das Merkmal des "Beisichführens". Hierbei ist notwendig, aber auch ausreichend das Bewusstsein des Täters, ein funktionsbereites Werkzeug zur Verfügung zu haben, dass geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Dies ist nach den konkreten Tatumständen zu bestimmen. Es ist mithin Aufgabe des Tatrichters, ausreichende Feststellungen zum Vorstellungsbild des Täters zu treffen, wobei die Anforderungen an diese Feststellung umso niedriger sind, desto gefährlicher und für einen Einsatz als potentielles Nötigungsmittel geeigneter, sprich waffenähnlicher der jeweilige Gegenstand ist (SchleswigHolsteinisches OLG NStZ 2004, 212).

Zwar stellt das Gericht hier fest, der Angeklagte habe das Taschenmesser "verwendungsbereit" bei sich getragen, die näheren Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung lassen es jedoch zweifelhaft erscheinen, ob die Gebrauchsbereitschaft nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv gegeben war.

Nach seiner Einlassung war dem Angeklagten beim Betreten des Supermarktes gerade nicht konkret und aktuell bewusst, dass er das Messer bei sich hatte. Wenn er "nahezu im selben Atemzug" angegeben hat, er habe das Messer immer bei sich, widerlegt dies diese Einlassung noch nicht; es erläutert eher, warum das Beisichtragen des Messers in den gedanklichen Hintergrund getreten sein soll.

Gerade weil es sich bei dem Taschenmesser mit einer Klingenlänge von (nur) 5,5 cm um einen Gegenstand handelt, der in sozial adäquater Weise von Jedermann bei sich geführt werden kann, waren nähere Feststellungen zur subjektiven Tatseite hier unentbehrlich.

Damit kann das angefochtene Urteil insoweit keinen Bestand haben.

3.

Mit dem Wegfall des Schuldspruches für eine der vier ausgeurteilten Taten hat auch der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand mehr. Davon ausgenommen sind lediglich die wegen der anderen drei Diebstähle verhängten Einzelstrafen. Die Urteilsbegründung weist insoweit keine Rechtsfehler auf.

Ende der Entscheidung

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