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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 09.03.2001
Aktenzeichen: 3 ARs 1/00 (Ausl)
Rechtsgebiete: IRG, AuslG, StGB


Vorschriften:

IRG § 30 Abs. 1 Satz 1
IRG § 26 Abs. 1
IRG § 28
IRG § 10 Abs. 2
AuslG § 53 Abs. 2
AuslG § 53 Abs. 3
AuslG § 53 Abs. 2
StGB § 266
Leitsatz

1. Eine gegenüber dem Senat in einem Auslieferungsverfahren gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 IRG abgegebene ausdrückliche Erklärung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, gegen den Verfolgten werde nicht (mehr) wegen der Beteiligung an politisch motivierten Auftragsmorden ermittelt und es gebe keine Grundlage dafür, ihn strafrechtlich für Verbrechen zu belangen, für die die Todesstrafe vorgesehen sei, stellt im Falle des auf Zeitungsartikel und Aktenvermerke gestützten Vortrags eines Verfolgten, der dem Auslieferungsverfahren zu Grunde liegende Tatvorwurf der Untreue bzw. Unterschlagung sei nur vorgeschoben, um seiner habhaft zu werden, in Wirklichkeit werde er von den russischen Behörden als Organisator von bestellten politischen Morden angesehen, eine völkerrechtlich verbindliche und ausreichende zusätzliche Zusicherung der Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität dar, insbesondere wenn nach Auskünften des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums der Justiz sowie nach den eigenen Erfahrungen des Senats im Auslieferungsverkehr mit Russland keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Russische Föderation ihre Verpflichtungen aus dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen nicht einhält.

2. Die Wirksamkeit einer solchen Zusicherung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation hängt nicht von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde ab.

OLG Celle, 3. Strafsenat, Beschluss vom 9. März 2001 - 3 ARs 1/00 (Ausl) -


Oberlandesgericht Celle Beschluss

3 ARs 1/00 (Ausl) 4 Ausl 15/00 GenStA Celle

In dem Auslieferungsverfahren

gegen den russischen Staatsangehörigen

####### ####### ####### (#######), geboren am ####### #######, zurzeit in Auslieferungshaft in der Justizvollzugsanstalt #######,

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung des Verfolgten und der Generalstaatsanwaltschaft Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 9. März 2001 beschlossen:

Tenor:

1. Die Auslieferung des Verfolgten in die Russische Föderation zur Strafverfolgung wegen der dem Hafbefehl des Oberuntersuchungsrichters der Abteilung für Ermittlung der organisierten Kriminalität und ökonomischen Verbrechen des Untersuchungsamtes der Verwaltung für Innere Angelegenheiten des Gebietes ####### vom 21. Oktober 1999 zugrunde liegenden, in der Zeit vom 12. Januar 1998 bis zum 30. Juli 1999 begangenen Straftat(en) der "Aneignung oder Veruntreuung" eines Gesamtgeldbetrages von 543.094 Rubel ist zulässig.

2. Die Auslieferungshaft dauert fort.

3. Die nächste Haftprüfung findet statt, wenn sich der Verfolgte zwei weitere Monate in Auslieferungshaft befunden haben wird.

Gründe

I.

Die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation hat mit Schreiben vom 9. Dezember 1999 - Nr. 16/2-5857-99 - um die Festnahme des Verfolgten zum Zwecke seiner Auslieferung an die Russische Föderation zur Strafverfolgung ersucht.

Das Ersuchen stützt sich auf den Haftbefehl des Oberuntersuchungsrichters der Abteilung für Ermittlung der organisierten Kriminalität und ökonomischen Verbrechen des Untersuchungsamtes der Verwaltung für Innere Angelegenheiten des Gebietes ####### vom 21. Oktober 1999 - Strafsache Nr. 352366/810905 -, der vom Stellvertretenden Staatsanwalt des Gebietes ####### am selben Tage gegengezeichnet ("sanktioniert") worden ist.

Dem Verfolgten wird mit dem vorbezeichneten Haftbefehl in Verbindung mit dem Beschluss desselben Untersuchungsrichters vom 20. Oktober 1999 über die Heranziehung (des Verfolgten) als Beschuldigter in dem gegen ihn am 12. August 1999 von der Staatsanwaltschaft der Stadt ####### wegen "Aneignung oder Veruntreuung" eingeleiteten Strafverfahren vorgeworfen, im Zeitraum von Anfang 1998 bis Mitte 1999 Geldmittel der Firma #######" in Höhe von über 500.000 Rubel (damals ca. 35.000.-DM) veruntreut zu haben:

Der Verfolgte wird beschuldigt, im Zeitraum vom 12. Januar 1998 bis 30. Juli 1999 zunächst als alleinverantwortlich leitender Direktor des Sport-Konzertkomplexes #######" und später als für die Finanz- und Geschäftstätigkeit allein verantwortlicher Direktor der offenen Aktiengesellschaft (OAO) ####### in ####### an der Spitze einer Gruppe der organisierten Kriminalität, die sich zu diesem Zwecke zusammengeschlossen hatte, mit Hilfe von Scheinrechnungen der eigens hierfür mit Hilfe des gestohlenen Passes eines Unbeteiligten gegründeten und registrierten (Schein-)Firma OOO "#######", #######, oder sonst für nur vorgeblich durch dieses Unternehmen geleistete Informationsdienste bei Geschäftsverhandlungen insgesamt 543.094 Rubel 60 Kopeken beiseite geschafft zu haben; im Dezember 1997 haben drei Mittäter auf Anweisung des Verfolgten die vorstehend bezeichnete Firma registrieren lassen und ein Firmenkonto sowie ein Privatkonto eröffnet, auf das die veruntreuten Gelder eingezahlt und von dem sie wieder abgerufen wurden; Überweisungen auf diese Konten erfolgten im Zeitraum vom 12. Januar 1998 bis zum 30. Juli 1999 (Verbrechen, strafbar nach Art. 160 Abs. 3 a) und b) des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation). Auf Grund des Haftbefehls des Senats vom 1. Februar 2000 befindet sich der Verfolgte seit dem 3. Februar 2000 ununterbrochen in förmlicher Auslieferungshaft.

Gegenüber dem Auslieferungsersuchen machte der Verfolgte u.a. geltend, der zugrundeliegende Tatvorwurf der Veruntreuung sei nur vorgeschoben. Tatsächlich betrieben die russischen Behörden ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen des Verdachts des politisch motivierten (versuchten) Mordes u.a. an dem Vizegouverneur in #######. Ihm drohe deshalb die Todesstrafe. Daher bestehe Anlass, den Tatverdacht und die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität ausnahmsweise zu prüfen.

Weiter beantragte der Verfolgte im Februar 2000 die Anerkennung als Asylberechtigter. Nachdem das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag mit Bescheid vom 24. Februar 2000 als offensichtlich unbegründet abgelehnt hatte, ordnete das Verwaltungsgericht ####### mit Beschluss vom 13. März 2000 die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid des Bundesamtes gerichteten Klage des Verfolgten bis zu einer Entscheidung im Auslieferungsverfahren und Vorlage einer Zusicherung der Russischen Föderation, gegen den Verfolgten werde die Todesstrafe nicht verhängt, an.

Mit Beschluss vom 1. August 2000 erklärte der Senat die Auslieferung des Verfolgten an die Russische Föderation zur Strafverfolgung wegen der dem Haftbefehl des Oberuntersuchungsrichters der Abteilung für Ermittlung der organisierten Kriminalität und ökonomischen Verbrechen des Untersuchungsamtes der Verwaltung für Innere Angelegenheiten des Gebietes ####### vom 21. Oktober 1999 - Strafsache Nr. 352366/810905 - zugrunde liegenden, in der Zeit vom 12. Januar 1998 bis zum 30. Juli 1999 begangenen Straftat(en) der "Aneignung oder Veruntreuung" eines Gesamtgeldbetrages von 543.094 Rubel für zulässig.

Durch Urteil vom 7. September 2000 hob das Verwaltungsgericht ####### den Bescheid des Bundesamtes vom 24. Februar 2000 teilweise auf und verpflichtete das Bundesamt, festzustellen, dass bis zur Vorlage einer Zusicherung der Russischen Föderation an die Bundesrepublik, dass gegen den Verfolgten die Todessstrafe nicht verhängt oder vollstreckt werde, ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 2 AuslG und bis zu einer Entscheidung über die Auslieferung ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 3 AuslG vorliege.

Mit Senatsbeschluss vom 21. September 2000 wurde der unter Bezugnahme auf das vorbezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts gestellte Antrag des Verfolgten auf erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung (§ 33 Abs. 1 IRG) verworfen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Entscheidung vom 9. November 2000 - 2 BvR 1560/00 - die Senatsbeschlüsse vom 1. August 2000 und 21. September 2000 im vorliegenden Verfahren aufgehoben, soweit in ihnen die Auslieferung zur Strafverfolgung für zulässig erklärt worden war, und im Übrigen die Verfassungsbeschwerde des Verfolgten nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen die Anordnung der Fortdauer der Auslieferungshaft richtete.

Durch Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2000 ist den zuständigen Behörden der Russischen Föderation im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2000 gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 IRG Gelegenheit gegeben worden, ergänzende Unterlagen beizubringen zum Zwecke der Prüfung, ob Anlass zu Zweifeln gegeben ist, die Russische Föderation werde auch im vorliegenden Fall den in Art. 14 EuAlÜbk festgelegten Grundsatz der Spezialität beachten. Die im Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2000 bezeichneten Unterlagen sind inzwischen eingegangen.

Der Senat hat zuletzt mit Beschluss vom 23. Februar 2001 gemäß § 26 Abs. 1 IRG die Fortdauer der Auslieferungshaft angeordnet.

Zum Ablauf des Verfahrens und zum Sachstand im Übrigen wird auf die Senatsbeschlüsse vom 1. Februar 2000, 30. März 2000, 3. April 2000, 15. Mai 2000, 2. Juni 2000, 1. August 2000, 21. September 2000, 28. September 2000, 16. Oktober 2000, 25. Oktober 2000, 27. November 2000, 7. Dezember 2000, 26. Januar 2001 und 23. Februar 2001 im Einzelnen Bezug genommen.

II.

1. Der Verfolgte ist gemäß § 28 IRG zu dem Auslieferungsersuchen richterlich gehört worden. Er hat sich mit der vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden erklärt. Gemäß §§ 29 Abs. 1, 32 IRG hat deshalb das Oberlandesgericht zu entscheiden, ob die Auslieferung zulässig ist.

2. Die Auslieferung des Verfolgten an die Russische Föderation ist zulässig.

Es liegen keine Gründe vor, die der Auslieferung nach den Bestimmungen des EuAlÜbk bzw. des IRG (§§ 1 bis 11) entgegenstehen könnten.

2.1. Die dem Verfolgten angelastete(n) Tat(en) ist(sind) nicht mit der Todesstrafe bedroht.

Der Verfolgte ist kein deutscher Staatsangehöriger.

Die Auslieferung ist nicht nach § 3 IRG unzulässig. Die dem Verfolgten vorgeworfene Tat ist sowohl nach russischem Strafrecht (Art. 160 Abs. 3 a) und b) des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation) als auch nach deutschem Strafrecht als Untreue (§ 266 StGB) strafbar und mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mehr als einem Jahr bedroht.

Für die Strafverfolgung wegen der in der Zeit vom 12. Januar 1998 bis zum 30. Juli 1999 begangenen Straftat(en), die dem Haftbefehl vom 21. Oktober 1999 zugrunde liegt (liegen), ist die Stellung eines Strafantrags keine Verfolgungsvoraussetzung.

Die Voraussetzungen für die Prüfung des Tatverdachts gemäß § 10 Abs. 2 IRG sind, weil es sich um einen Fall der völkervertraglich geregelten Auslieferung handelt, nicht gegeben. Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

2.2. Die Einhaltung der Grundsätze der Gegenseitigkeit (§ 5 IRG) und der Spezialität (§ 11 IRG) ist hinsichtlich des Auslieferungsersuchens der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation vom 9. Dezember 1999 gewährleistet. Damit wird sichergestellt, dass der Verfolgte ohne deutsche Zustimmung aus keinem vor seiner Überstellung eingetretenen Grund mit Ausnahme der Tat, deretwegen die Auslieferung bewilligt wurde, verfolgt oder bestraft wird.

Zwar hat der Verfolgte vorgetragen, er werde von den russischen Strafermittlungsbehörden als Organisator von bestellten politischen Morden angesehen und deshalb werde in ####### gegen ihn ermittelt. Dies ergebe sich aus den in der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft ####### befindlichen Vermerken des ermittelnden Kriminalbeamten und des zuständigen Staatsanwalts, aus Fernschreiben von Interpol Moskau sowie aus der Übersetzung von russischen Zeitungsartikeln. Das Verbrechen des politischen Mordes werde in der Russischen Föderation mit dem Tode bestraft. Deshalb sei keineswegs gewährleistet, dass der Grundsatz der Spezialität von den russischen Behörden eingehalten werde.

Die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation hat mit Verbalnote - 16/2-5857-99 - vom 22. Januar 2001 der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau gegenüber zur Sache völkerrechtlich verbindlich folgende Erklärung abgegeben:

"Der in der Strafsache Nr. 353366/81-905 beschuldigte Staatsangehörige der Russischen Föderation ####### wird in der Strafsache, die wegen Mordes an ####### und Mordversuches an ####### eingeleitet wurde, weder verdächtigt noch beschuldigt.

Im Verlauf der Untersuchung sind keinerlei Angaben über eine Beteiligung von ####### an dem Mord an ####### und dem Mordversuch an ####### festgestellt worden. Es gibt keine Grundlage dafür, ####### strafrechtlich für Verbrechen zu belangen, für die durch Artikel des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation (UK RF) die Todesstrafe vorgesehen ist.

Im Verlauf der Untersuchung der Strafsache in Bezug auf den oben angeführten Mord an ####### und den Mordversuch an ####### wurden in der Tätigkeit des Direktors der OAO "Sportiwno-konzertny kompleks "#######" ####### Tatsachen einer rechtswidrigen Aneignung von Geldmitteln durch Unterschlagung und Veruntreuung des ihm anvertrauten Vermögens, begangen von einer organisierten Gruppe in besonders schwerem Umfang, sowie anderer finanzieller Verstöße festgestellt. In diesem Zusammenhang wurden aus dieser Strafsache die Materialien in Bezug auf ####### zu einem eigenen Verfahren abgetrennt und die Strafsache Nr. 352366/810905 eingeleitet.

In dieser Sache wurde eine Verfügung über die Belangung von ####### als Beschuldigter in Bezug auf ein Verbrechen, das in Art. 160 Ziffer 3 "a" und "b" des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation (Unterschlagung und Veruntreuung) vorgesehen ist, erlassen. Die in diesem Artikel vorgesehenen Sanktionen sehen eine mögliche Höchststrafe von 10 Jahren Freiheitsentzug mit oder ohne Einziehung des Vermögens vor.

Für ein derartiges Verbrechen sieht das russische Strafrecht die Todesstrafe nicht vor.

Im Falle einer Auslieferung von ####### an die Strafverfolgungsbehörden der Russischen Föderation wird er auf Grundlage der Verfügung über die gegen ihn zu verhängende Prohibitivmassnahme in Form von Untersuchungshaft in der Einrichtung IS 53/1 des Justizministeriums der Russischen Föderation in einer Zelle, die die entsprechenden Forderungen der "Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten" vom 04.11.1950 erfüllt, in Haft genommen.

Die Haftbedingungen von ####### in Russland können ungehindert von den hierfür zuständigen Behörden der Bundesrepublik Deutschland überprüft werden."

Die zur Prüfung von Fragen der Auslieferung bestimmte Behörde der Russischen Föderation ist die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation. Daher stellt dieses Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft eine zusätzliche ausdrückliche, verbindliche und ausreichende Zusicherung der Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität dar. Die Wirksamkeit der Zusicherung hängt nicht von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde ab. Die Vorlage einer Vollmachtsurkunde oder Abgabe eines sonstigen Vollmachtsnachweises bei Erklärungen eines ersuchenden oder ersuchten Staates im Auslieferungsverkehr ist weder nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 noch nach dem 2. Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 17. März 1978 vorgesehen. Vielmehr kann Art. 12 Abs. 2 EuAlÜbk und Kap. 5 des 2. ZP-EuAlÜbk entnommen werden, dass ein schriftlicher Vertretungsnachweis gerade nicht erforderlich ist. Dem entspricht die auslieferungsrechtliche Praxis. Mutmaßungen oder Ermittlungen darüber anzustellen, ob der Verfasser der Verbalnote im Innenverhältnis seine Zuständigkeit überschritten haben könnte, ist - zumal dies für die Frage der völkerrechtlichen Verbindlichkeit unerheblich ist - nicht Aufgabe des Senats.

Auf Grund der gegebenen Erklärungen und Zusicherungen geben frühere Mitteilungen der russischen Strafermittlungsbehörden, gegen den Verfolgten werde wegen des Verdachts der Verwicklung in politische Auftragsmorde ermittelt, keinen Anlass zu Zweifeln, ob die Russische Föderation den in Art. 14 EuAlÜbk festgestellten Grundsatz der Spezialität einhalten werde, zumal die jetzigen Angaben auch nicht im Widerspruch zu früheren Angaben stehen. In der Verbalnote wird nicht behauptet, es sei nie in der vom Verfolgten behaupteten Richtung ermittelt worden. Die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität durch die Behörden der Russischen Föderation erscheint hiernach in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gewährleistet. Eine weitere Prüfung erscheint auch im Hinblick auf das Schreiben des Auswärtigen Amtes - 511-531.00/0933 RUS - vom 1. November 2000 und das Schreiben des Bundesministeriums der Justiz - IV A 3 - 1004 E (5449) - 4 A 106/2000 - vom 2. November 2000 zur Frage der Erfahrungen/Erwartungen hinsichtlich der Einhaltung des Spezialitätsgebotes im Auslieferungsverkehr mit der Russischen Föderation nicht geboten. Den Ministerien liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Russische Föderation Verpflichtungen aus dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen, das für Russland am 9. März 2000 in Kraft getreten ist, nicht einhält; insbesondere sei nicht zu erwarten, dass die russischen Behörden und Gerichte den Grundsatz der Spezialität des Art. 14 EuAlÜbk missachten oder umgehen würden - eine Einschätzung, die von dem Sekretariat des Europarats geteilt wird und die den bisherigen Erfahrungen des Senats im Auslieferungsverkehr mit der Russischen Föderation entspricht.

Auf das Bestehen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 2 AuslG, das zwar einer Abschiebung, nicht aber unter den hier gegebenen Umständen einer Auslieferung entgegenstehen kann, kommt es nicht an. Denn Abschiebung und Auslieferung sind verschiedene Rechtsinstitute; während ein Verfolgter im Falle der Auslieferung von einer Verfolgung wegen Handlungen, die nicht den Gegenstand des Auslieferungsersuchens bilden, durch das Spezialitätsgebot geschützt ist, besteht ein solcher Schutz bei der Abschiebung nicht.

Es besteht auch kein begründeter Anlass, an der Zusicherung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation zu zweifeln, der Verfolgte werde nach seiner Auslieferung in einer Haftzelle untergebracht, die den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention entspräche. Damit scheidet eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung aus. Dieses Verbot aus Art. 3 MRK gilt entsprechend für den Strafvollzug. Der Inhalt der abgegebenen Erklärung genügt den auslieferungsrechtlichen Anforderungen (vgl. § 73 IRG), zumal danach die Haftbedingungen ungehindert von den deutschen Behörden überprüft werden können.

3. Nach pflichtgemäßem Ermessen hat der Senat davon abgesehen, erst nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden (§ 30 Abs. 3 IRG), weil dadurch entscheidungserhebliche Erkenntnisse nicht zu erwarten waren.

III.

Gleichzeitig hat der Senat erneut über die Fortdauer der Auslieferungshaft zu befinden.

1. Eine Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls nach § 24 Abs. 1 IRG kommt nicht in Betracht. Denn die Voraussetzungen für die Fortdauer der Auslieferungshaft sind weiterhin gegeben. Da die Auslieferung des Verfolgten in die Russische Föderation zulässig ist und der Haftgrund der Fluchtgefahr nach wie vor aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom 1. Februar 2000 fortbesteht, ist gemäß §§ 15, 16 Abs. 3 IRG die Fortdauer der Haft anzuordnen.

Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist unter Berücksichtigung der seit dem 3. Februar 2000 vollzogenen und noch zu erwartenden Auslieferungshaft sowie des Gewichts der dem Verfolgten zur Last gelegten Tat auch noch nicht unverhältnismäßig. Insoweit gelten die Erwägungen im Senatsbeschluss vom 26. Januar 2001 unverändert fort.

2. Gegenüber dem Vollzug der Auslieferungshaft mildere Maßnahmen, die geeignet wären, die Überstellung des Verfolgten in die Russische Föderation zu gewährleisten, sind nicht gegeben. Auch insoweit gelten die Erwägungen im Senatsbeschluss vom 26. Januar 2001 unverändert fort.

IV.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 3 IRG wird der Senat erneut über die Fortdauer der Auslieferungshaft entscheiden, wenn der Verfolgte vom heutigen Tage an gerechnet zwei weitere Monate zum Zwecke der Auslieferung in Haft gewesen sein wird.



Ende der Entscheidung

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