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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 09.11.2005
Aktenzeichen: 3 U 83/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 611
BGB § 675
1. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, seinen Mandanten, der die gerichtliche Geltendmachung eines verjährten Anspruchs begehrt, von der Rechtsverfolgung abzuhalten.

2. An einem Verschulden des Anwalts fehlt es auch nicht deshalb, weil ein Kollegialgericht seiner Auffassung (hier: durch Anordnung einer Beweisaufnahme) zunächst und zu Unrecht folgt.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 83/05

Verkündet am 9. November 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ..., des Richters am Amtsgericht ... sowie des Richters am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10. März 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung von 10 % übersteigt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den beklagten Rechtsanwalt auf Schadensersatz in Form von Zahlung und Freistellung in Höhe von insgesamt 24.343,01 EUR wegen Schlechterfüllung eines zwischen den Parteien geschlossenen anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages in Anspruch. Sie wirft dem Beklagten vor, durch die gerichtliche Geltendmachung verjährter Ansprüche vermeidbare Prozesskosten verursacht zu haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt und ausgeführt, der Beklagte habe seine anwaltlichen Pflichten verletzt, da er erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Subunternehmer S. bereits verjährt waren, Klage erhoben habe. Der Umstand, dass das Oberlandesgericht Brandenburg Beweis zu der Frage erhoben habe, ob der Subunternehmer S. seine Schadensersatzverpflichtung gegenüber der Klägerin anerkannt und ihr gegenüber auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe, entlaste den Beklagten nicht, da er die Klägerin zuvor auf das Risiko eines negativen Ausgangs der Beweisaufnahme und damit den - schließlich eingetretenen - Misserfolg im Prozess hätte hinweisen müssen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, der geltend macht, die im Verfahren vor dem Landgericht Neuruppin durch die Klägerin gegenüber dem Subunternehmer geltend gemachten Ansprüche seien nicht verjährt gewesen, da es sich um versteckte Mängel gehandelt habe, auf die die Vorschrift des § 13 Nr. 7 VOB keine Anwendung hätte finden dürfen. Im Übrigen, so der Beklagte, habe er die Klägerin auf die Geltung der VOB und eine mögliche Verjährung ihrer Ansprüche hingewiesen. Dafür, dass sich deren Sachvortrag zur Verjährungsunterbrechung durch mündliches Anerkenntnis nicht bestätigt habe, habe er als Anwalt nicht einzustehen. Bereits die Durchführung der Beweisaufnahme zeige, dass sein Vortrag erheblich gewesen sei. Hilfsweise macht er geltend, er sei von der Klägerin erst am 26. Februar 1998 mit der Mandatswahrnehmung betraut worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Verjährung der klägerischen Ansprüche bereits eingetreten gewesen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil erster Instanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat jedoch im Ergebnis keinen Erfolg. Der Beklagte schuldet der Klägerin Schadensersatz im geltend gemachten Umfang wegen Schlechterfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages, pVV i. V. m. § 675 BGB.

1. Der Beklagte hat die ihm aus dem Mandatsverhältnis mit dem Kläger obliegenden Pflichten dadurch verletzt, dass er gegenüber dem Subunternehmer S. Ansprüche klagweise zu einem Zeitpunkt geltend gemacht hat, zu dem diese bereits verjährt waren. Nachdem aufgrund der Mängelanzeige der Bauherren, die die Klägerin ihrerseits dem Subunternehmer S. im Februar 1996 mitgeteilt hatte, die Verjährung zu laufen begann, ist diese gegenüber dem Subunternehmer gemäß § 13 Nr. 7 VOB nach zwei Jahren, mithin im Februar 1998 abgelaufen. Die im Berufungsrechtzug ohne jegliche nähere Darstellung vertretene Auffassung, es habe sich bei den angezeigten Mängeln - Kellerfeuchtigkeit - um versteckte Mängel gehandelt, weshalb die zweijährige Verjährungsfrist nicht eingreife, trifft nicht zu. Das Gegenteil ist - wenn auch nicht rechtskräftig mit bindender Wirkung für das hier vorliegende Verfahren - im Vorprozess zwischen der Klägerin und dem Subunternehmer S. zutreffend festgestellt. Das gegenteilige Vorbringen des Beklagten ist ohne jede Substanz und zudem im Berufungsrechtszug nach §§ 529, 531 ZPO als verspätet zurückzuweisen.

2. Es kann dahinstehen, ob - wie der Beklagte ohne nähere Darstellung des Gesprächsverlaufs behauptet - er die Klägerin auf die Risiken, die bei der Durchführung des Klage und auch des Berufungsverfahrens bestanden, hingewiesen hat. Ein solcher Hinweis des Beklagten wäre nicht hinreichend gewesen. Der Beklagte hätte die Klägerin nicht nur allgemein über das mögliche Risiko des Unterliegens im Prozesses, sondern konkret darüber aufklären müssen, dass eine Inanspruchnahme des Subunternehmers S. wegen der bereits eingetretenen Verjährung ohne Aussicht auf Erfolg war. Er hätte daher von der Erhebung der Klage abraten müssen.

Hieran ändert der Umstand, dass das Oberlandesgericht Brandenburg im Berufungsverfahren über die Frage, ob eine Verjährung der Ansprüche gegen den Subunternehmer S. eingetreten oder dieser, insbesondere durch Anerkenntnis seiner Einstandspflicht, auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe, Beweis erhoben hat, nichts. Das Oberlandesgericht Brandenburg hätte keinen Beweis erheben dürfen, die Anordnung und Durchführung der Beweisaufnahme war verfahrensfehlerhaft, wie sich schon aus dem weiteren Verfahrensverlauf vor dem Oberlandesgericht ergibt.

a) Der Beklagte hatte zur Frage eines Verzichts auf die Erhebung der Einrede der Verjährung sowie eines Anerkenntnisses durch den Subunternehmer S. im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht Neuruppin vorgetragen:

"Herr v. M. hatte dann in diesem (Telefon) gespräch noch darauf angesprochen, was denn letztendlich wäre und wie Herr S. es sich vorstellen würde, wenn es sich im Ergebnis herausstellen sollte, dass die Firma H. S. die Arbeiten, die wohl mangelhaft sind, tatsächlich durchgeführt hätte. Herr S. hat dann daraufhin erklärt, dass er für diesen Fall persönlich für sich und für seine Firma für den Mangel einstehen würde und die Beseitigung vornehme, sowie die daraus entstehenden Kosten tragen würde."

Das Landgericht hat hierzu dem erstinstanzlichen Urteil ausgeführt:

"Die Verjährung ist auch nicht gemäß § 208 BGB durch das von der Klägerin geschilderte Telefongespräch mit dem Beklagten zu 1 im April 1997 unterbrochen worden. Ein Anerkenntnis ist dem Gespräch nicht zu entnehmen. Soweit jemand im Rechtsverkehr erklärt, dass er für Mängel seiner Werkleistung, sofern sie sich denn herausstellen werden, einstehen werde, liegt hierin kein Anerkenntnis, sondern der bloße Ausspruch einer vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolge. Hiermit macht der Äußernde lediglich deutlich, dass er zur Leistung von Schadensersatz nach Recht und Gesetz bereit ist. Ein Anerkenntnis i. S. d. § 208 BGB oder ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann hierin nicht gesehen werden."

b) Im Berufungsrechtszug hat der Beklagte das eingelegte Rechtsmittel mit der Auffassung begründet, das Landgericht habe die rechtliche Bedeutung der behaupteten Äußerung verkannt, worauf das Oberlandesgericht über den Inhalt des zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten geführte Telefongespräch Beweis durch Vernehmung des Zeugen v. M., des Sohnes des Geschäftsführers der Klägerin, erhoben hat. Dieser Zeuge hat bei seiner Vernehmung die in sein Wissen gestellten Behauptungen bestätigt und erklärt:

"Dann hat mein Vater Herrn S. gefragt, was passiert, wenn sich herausstellt, dass die Bauleistungen wirklich von seinen, Herrn S. Leuten erbracht worden sind. Herr S. hat erklärt, wenn er es zu vertreten hätte, dann würde er einstehen."

c) Ungeachtet des Umstandes, dass der Zeuge ausweislich dieser Protokollierung die in sein Wissen gestellten Behauptungen bestätigt hat, hat das Oberlandesgericht Brandenburg die Klage mit der Begründung abgewiesen, in der vom Zeugen geschilderten Erklärung liege kein Anerkenntnis und kein Verzicht auf die Einrede der Verjährung. Aus diesen Ausführungen des Oberlandesgerichts Brandenburg ergibt sich, dass das Oberlandesgericht nach der Durchführung der Beweisaufnahme deren Überflüssigkeit und - wie schon zutreffend das Landgericht im ersten Rechtszug - die Unschlüssigkeit des vom Beklagten unterbreiteten Sachvortrags erkannt hat.

3. Der Beklagte kann sich im Rahmen seiner Rechtsverteidigung auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Oberlandesgericht Brandenburg als Kollegialgericht zunächst seiner Auffassung, sein Vortrag sei beweiserheblich, gefolgt ist und eine Beweisaufnahme durchgeführt hat. Eine entschuldigende Wirkung von Kollegialgerichtsentscheidungen ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht anerkannt. Die vom Bundesgerichtshof vertretene Auffassung, dass eine objektive Amtspflichtverletzung eines Beamten dann als entschuldigt anzusehen ist, wenn ein Kollegialgericht nach mündlicher Verhandlung aufgrund sorgfältiger Sachverhaltsfeststellung und erschöpfender Würdigung die Auffassung des Beamten teilte, ist auf den - hier maßgeblichen - Bereich der Anwaltshaftung nicht übertragbar (vgl. Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 26 Rn. 33 ff., 36 m. w. N.).

4. Der Höhe nach beläuft sich der Schadensersatzanspruch der Klägerin auf unstreitig 16.906,88 EUR - die von der Klägerin gezahlten Gerichts und Anwaltskosten. Darüber hinaus ist die Beklagte von der Verpflichtung, die Rechnung des Beklagten vom 21. Februar 2003 über 7.436,13 EUR auszugleichen, freizustellen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen ist, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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