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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 311 SsBs 43/08
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 17 Abs. 3 Satz 2
Eine geringfügige Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG mit der Folge, dass regelmäßig die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen vom Tatrichter nicht aufgeklärt werden müssen, ist dann anzunehmen, wenn die verhängte Geldbuße den Betrag von 250 EUR nicht übersteigt (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
Oberlandesgericht Celle Beschluss

311 SsBs 43/08

In der Bußgeldsache

wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts H. vom 27. Dezember 2007 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### - dieser zu 1) als Einzelrichter - und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 16. Juli 2008 beschlossen:

Tenor:

1. Die Sache wird auf den Senat übertragen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass der Tenor wie folgt neu gefasst wird:

"Der Betroffene ist des fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung berauschender Mittel schuldig.

Er wird zu einer Geldbuße von 250 EUR verurteilt.

Gegen den Betroffenen wird ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.

Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gegeben wird, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Angewendete Bußgeldvorschriften: §§ 24 a Abs. 2 und 3, 25 Abs. 1 und 2 a StVG."

3. Der Beschwerdeführer wird darauf hingewiesen, dass er sich nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar macht, wenn er nach Ablieferung des Führerscheins oder vier Monate nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung, also nach dem 16. November 2008, ein Kraftfahrzeug führt, dass die Fahrverbotsfrist aber erst vom Tage der Ablieferung des Führerscheins bei der Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft H.) an gerechnet wird (§ 25 Abs. 5 Satz 1 StVG).

Gründe:

I.

Das Amtsgericht H. hat gegen den Betroffenen wegen einer "fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach §§ 25 Abs. 2, 24 Abs. 2 a, Abs. 3 StVO, 24, 25 StVG" eine Geldbuße von 250 EUR festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat unter Anwendung des § 25 Abs. 2 a StVG angeordnet.

Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 29. Mai 2007 um 22:45 Uhr mit einem Pkw, amtliches Kennzeichen ####### die B. Straße in H.. Im Rahmen einer durch den Zeugen POM M. durchgeführten Verkehrskontrolle entstand bei diesem der Verdacht, der Betroffene könne unter Rauschgifteinfluss stehen. Daraufhin ordnete er die Entnahme einer Blutprobe zur Untersuchung an, die um 23:41 Uhr durchgeführt wurde. Das Blut wies nach dem Ergebnis der Untersuchung 37,6 ng/ml THC auf.

Das Amtsgericht hat eine Eilkompetenz des Zeugen M. nach § 81 a Abs. 2 StPO angenommen. Zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen hat es keine Feststellungen getroffen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

1. Die Sache ist gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG zur Fortbildung des Rechts auf den Senat übertragen worden. Der Senat hatte darüber zu entscheiden, ob die bisher angenommene Grenze von 100 EUR für die Beurteilung einer geringfügigen Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG beizubehalten ist.

2. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.

a. Die Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg. Sie genügt nicht den Anforderungen gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. § 344 Abs. 2 StPO. Eine Verfahrensrüge ist in einer solchen Weise zu begründen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der abgegebenen Rechtsbeschwerdebegründung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das Beschwerdevorbringen zutrifft (vgl. Meyer-Goßner, § 344 StPO, Rn. 21 m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall, weil sich die Rechtsbeschwerdebegründung zu einem wesentlichen Umstand nicht verhält. Es fehlt an der Angabe, ob der Betroffene in die Blutprobenentnahme eingewilligt hat. Diese Angabe war unabdingbar erforderlich, weil die Einwilligung eine richterliche Anordnung entbehrlich macht (vgl. Meyer-Goßner, § 81 a Rn. 3. Beschluss des hiesigen 2. Senats vom 11. Februar 2008, 322 SsBs 25/08). Diese war nach den Feststellungen auch nicht fernliegend, weil der Betroffene dem Zeugen M. bereits vor Ort erklärt hatte, vor der Fahrt einen "Joint" geraucht zu haben.

b. Auch die Sachrüge verhalf der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Der Senat verwirft diese auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. § 349 Abs. 2 StPO. Hierzu bedarf es indes weiterer Ausführungen, soweit das Amtsgericht gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 250 EUR festgesetzt hat, ohne Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen getroffen zu haben. Grundsätzlich hat der Tatrichter bei der Bemessung der Geldbußenhöhe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen aufzuklären, soweit es sich nicht um geringfügige Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG handelt. Nach der bisherigen Rechtsprechung beider Senate des Oberlandesgerichts Celle war bislang von einer nicht mehr geringfügigen Ordnungswidrigkeit auszugehen, wenn die Geldbuße 100 EUR überstieg (vgl. OLG Celle, ZfS 1992, 32. OLG Celle ZfS 2005, 314. zuletzt noch Beschluss vom 5. November 2007, 311 SsBs 119/07 (1. Senat). Beschluss vom 13. Februar 2008, 322 SsBs 238/07 (2. Senat)). Hingegen nehmen andere Bußgeldsenate die Verpflichtung zur Aufklärung der Vermögensverhältnisse des Betroffenen durch den Tatrichter erst bei Geldbußen über 250 EUR an (vgl. grundlegend OLG Zweibrücken, NZV 1999, 219. OLG Jena, VRS 108, 269. OLG Köln, BeckRS 05, 13444. BayObLG DAR 2004, 593. OLG Düsseldorf DAR 2002, 175. OLG Köln VRS 97, 381. OLG Hamm, Beschluss vom 6. Mai 2008, 4 Ss Owi 289/08 burhoff. vgl. auch OLG Hamburg NJW 2004, 1813). Der Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung auf und schließt sich der mittlerweile überwiegenden Ansicht der Bußgeldsenate an. Das in den letzten Jahren gestiegene allgemeine Lohn und Preisniveau rechtfertigt es, nur bei Vorliegen besonderer Umstände eine Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betroffenen zu verlangen, wenn die verhängte Geldbuße nicht 250 EUR übersteigt. Dabei orientiert sich der Senat an der in § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG festgelegten Wertgrenze, die erreicht werden muss, um ein Urteil mit der Rechtsbeschwerde angreifen zu können. Hierin kommt der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, das Ordnungswidrigkeitenrecht im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung zu entlasten (vgl. OLG Zweibrücken a. a. O.). Dieser Gedanke findet sich auch in der für die Verwaltungsbehörde maßgeblichen BKatV wieder, die in ihrem Bußgeldkatalog für mehrere Verstöße pauschal eine Geldbuße von 250 EUR vorsieht, ohne dass es dabei auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen ankommen soll. Werden dem Tatrichter im Einzelfall besondere Umstände bekannt, die befürchten lassen, dass die Geldbuße die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen in unzumutbarer Weise überspannt, verbleibt es indes bei der Verpflichtung, diese aufzuklären. Dadurch und auch durch die Gewährung von Ratenzahlung können die Interessen der Betroffenen ausreichend gewahrt werden.

c. Der Senat hat den Urteilstenor aus Klarstellungsgründen neu gefasst. Wiederholt hat der Senat darauf hingewiesen, dass nach dem über § 71 Abs. 1 OWiG geltenden § 260 StPO die Urteilsformel die rechtliche Bezeichnung der Tat mit der Schuldform anzugeben hat, während die angewendeten Bußgeldvorschriften nach der Urteilsformel anzuführen sind. Die Urteilsformel ist in knapper und verständlicher Sprache abzufassen und von allem freizuhalten, was nicht unmittelbar der Erfüllung ihrer Aufgabe dient (vgl. Meyer-Goßner, § 260 StPO, Rn. 20). Zur rechtlichen Bezeichnung der Tat soll die gesetzliche Überschrift des Tatbestandes oder bei deren Fehlen die übliche Bezeichnung der Tat gebraucht werden (vgl. Meyer-Goßner a. a. O., Rn. 23).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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