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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 11.02.2009
Aktenzeichen: 32 Ss 225/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 331 Abs. 1
Zur Reichweite des Verschlechterungsverbotes gemäß § 331 Abs. 1 StPO.
Oberlandesgericht Celle Beschluss

32 Ss 225/08

In der Strafsache

wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 11. Februar 2009 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts V. vom 2. September 2008 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Geldstrafe auf 35 Tagessätze zu jeweils 20 € reduziert wird.

Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Nachdem die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage vom 28. März 2007 tateinheitlich begangene Vergehen der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung, des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zur Last gelegt hatte, verurteilte ihn das Amtsgericht D. am 9. November 2007 wegen Nötigung in zwei Fällen neben der Verhängung eines zweimonatigen Fahrverbots zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 €, die aus zwei Einzelstrafen von jeweils 35 Tagessätzen zu je 25 € gebildet worden war. Den Nötigungstatbestand sah das Amtsgericht zum einen dadurch als erfüllt an, dass der Angeklagte die Polizeibeamten K. und S. mit ihrem Fahrzeug während eines Überholvorgangs durch Herüberziehen seines Fahrzeugs nach links abgedrängt hatte, und zum anderen auch dadurch, dass der Angeklagte, nachdem die Polizeibeamten sich wieder hinter das Fahrzeug des Angeklagten hatten zurückfallen lassen, ohne verkehrsbedingten Grund abrupt sein Fahrzeug mitten auf der Fahrbahn abgebremst hatte, so dass die Polizeibeamten ebenfalls abrupt anhalten mussten.

Auf die Berufung des Angeklagten hob die 5. Kleine Strafkammer des Landgerichts V. das Urteil des Amtsgerichts auf und verurteilte den Angeklagten wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20 €, wobei das Landgericht die Widerstandshandlung allein in dem vom Amtsgericht als erste Nötigung gewerteten Abdrängen des Polizeifahrzeugs sah. Daneben verhängte die Kammer ein einmonatiges Fahrverbot.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts mit dem Ziel eines Freispruchs rügt.

II.

Das zulässig erhobene Rechtsmittel hat nur zu einem geringen Teil Erfolg und führt zur Änderung des Rechtsfolgenausspruchs im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Im Übrigen ist es unbegründet und wird auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs.2 StPO verworfen.

1.

Auf die Sachrüge musste das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben werden, weil das Landgericht § 331 Abs.1 StPO nicht beachtet hat. Die Kammer hat, obwohl das amtsgerichtliche Urteil allein vom Angeklagten angefochten worden war, wegen des als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gewerteten Abdrängens des Polizeifahrzeugs auf eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu jeweils 20 € erkannt, obwohl das Amtsgericht wegen des von ihm als Nötigung bewerteten identischen tatsächlichen Geschehens lediglich eine Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu jeweils 25 € verhängt hatte. Das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs.1 StPO gilt sowohl für die Einzelstrafen als auch für die Gesamtstrafe (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., Rn. 18 zu § 331 m.w.N.), wobei ausschlaggebend für die Höhe einer Geldstrafe in erster Linie die mit dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat korrespondierende Anzahl der Tagessätze ist (so bereits OLG Celle MDR 1976, 156; vgl. a. KK-Paul, StPO, 6. Aufl., Rn. 4 zu § 331). Deshalb hätte das Landgericht nicht mehr als 35 Tagessätze verhängen dürfen.

Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass das Produkt aus Tagessatzhöhe und -anzahl auch hinsichtlich der Einzelstrafe im amtsgerichtlichen Urteil höher ist als im landgerichtlichen Urteil. Denn grundsätzlich kommt der Tagessatzhöhe für das Ausmaß des Strafübels keine selbständige Bedeutung zu, sondern stellt sie lediglich ein Hilfsmittel dar, mit dem die Geldstrafe den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten angepasst werden soll (OLG Celle a.a.O.).

Es war vorliegend für die Prüfung einer Verschlechterung der Rechtsfolgen auch nicht etwa auf die vom Amtsgericht verhängte Gesamtstrafe abzustellen. Die Gesamtstrafe wäre nur dann der richtige Bezugspunkt, wenn die Kammer bei Zugrundelegung eines identischen Sachverhalts lediglich die Konkurrenzfrage anders beurteilt hätte und statt von Tatmehrheit von Tateinheit ausgegangen wäre. So liegt die Sache hier jedoch nicht. Vielmehr lassen die Gründe des angefochtenen Urteils hinreichend deutlich erkennen, dass die Kammer im Abbremsen des Fahrzeugs am Ende der Verfolgungsfahrt ein strafbares Verhalten nicht gesehen hat. Das Landgericht hat damit dasselbe tatsächliche Verhalten geahndet, für das das Amtsgericht , das insoweit eine Tat im materiell-rechtlichen Sinn angenommen hat, auf eine Einzelstrafe von 35 Tagessätzen erkannt hat, die deshalb auch die Obergrenze einer vom Landgericht zu verhängenden Strafe darstellen musste (vgl. hierzu OLG Düsseldorf StV 1986, 146; KK-Paul a.a.O., Rn. 2a).

2.

Trotz des aufgezeigten Rechtsfehlers bedurfte es keiner Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr kann der Senat gemäß § 354 Abs.1 StPO entsprechend selbst auf eine Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 20 € erkennen, weil auszuschließen ist, dass das Landgericht bei Beachtung des Verschlechterungsverbotes auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass die Einführung des § 354 Abs. 1a und 1b StPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz dieser Entscheidungsbefugnis, die bis dato allgemein anerkannt war (etwa: BGH bei Kusch NStZ-RR 2000, 39 f.; BayObLG NStZ-RR 2004, 22 f.; OLG Düsseldorf VRS 1987, 202 f.; StV 1986, 146), nicht entgegen steht. Denn mit diesen Änderungen durch das Justizmodernisierungsgesetz sollten die Entscheidungsmöglichkeiten der Revisionsgerichte im Interesse der Verfahrensvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung erweitert und keineswegs eingeschränkt werden (ebenso OLG Hamm NStZ-RR 2008, 118 = juris m.w.N.).

3.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs.1 und 4 StPO. Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittel in Form der Herabsetzung der Geldstrafe um fünf Tagessätze rechtfertigt eine Gebührenermäßigung und teilweise Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse nicht. Selbst nach Mitteilung der umfänglichen Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft hat der Angeklagte ausweislich der Gegenerklärung vom 30. Januar 2009 weiterhin seinen Freispruch erstrebt, so dass auszuschließen ist, dass der Angeklagte Revision nicht eingelegt hätte, wenn bereits das Landgericht auf die jetzt vom Senat festgesetzte Geldstrafe erkannt hätte. Im Übrigen ist der Teilerfolg auch objektiv geringfügig.

Ende der Entscheidung

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