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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 18.06.2008
Aktenzeichen: 32 Ss 77/08
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 41
StGB § 41 S. 2
StGB § 47
StGB §§ 73 ff.
StGB § 73 Abs. 1 S. 2
StGB § 73 a
StGB § 74 a Nr. 1
Zum Verhältnis zwischen der neben einer Freiheitsstrafe verhängten Geldstrafe (§ 41 StGB) und Verfall (§ 73 StGB) bzw. Verfall von Wertersatz (§ 73 a StGB).
Oberlandesgericht Celle Beschluss

32 Ss 77/08

In der Strafsache

gegen A. D.

geboren am 29. August 1977 in H., wohnhaft P. Straße, L.,

wegen Kennzeichenverletzung

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 18.06.2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts B. zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht erließ am 06. März 2007 einen Strafbefehl gegen den Angeklagten wegen strafbarer Kennzeichenverletzung in 101 Fällen. Gegen den Strafbefehl legte er einen auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruch ein. Daraufhin ging das Amtsgericht von der Teilrechtskraft des Schuldspruchs aus und verurteilte den Angeklagten wegen der 101 Fälle der Kennzeichenverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu 10,- €. Zugleich verhängte das Amtsgericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Darüber hinaus wurde der Verfall von Wertersatz in Höhe von 90.000,- € angeordnet und Miteigentumsanteile des Angeklagten an einem jeweils näher bezeichneten PC und einem Notebook eingezogen.

Durch das jetzt angefochtene Urteil verwarf das Landgericht die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe, dass der für verfallen erklärte Betrag auf 73.000,- € festgesetzt wurde.

Das Landgericht ist ebenfalls von Teilrechtskraft des Schuldspruchs durch den Strafbefehl ausgegangen und hat dementsprechend lediglich Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch getroffen. Danach erhält der in einer Umschulung zum Fitnesstrainer befindliche Angeklagte derzeit 325,- € monatliche Leistungen nach "Hartz IV". Im Übrigen hat das Landgericht einen rechtskräftigen Schuldspruch wegen 101 Fällen der Kennzeichenverletzung durch Veräußerung vor allem von Imitaten von Markenparfums angenommen und aus dem Umfang der Straftatbegehung auf das Vorliegen der Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung geschlossen.

Im Rahmen der Strafzumessungserwägungen hat die Kammer die Voraussetzungen von § 41 StGB wegen der in erheblichem Umfang eingetretenen Bereicherung angenommen und die Höhe der Einzelgeldstrafen auf 30 Tagessätze festgelegt. Bei den Einzelfreiheitsstrafen hat die Kammer jeweils 3 Monate Freiheitsstrafe für tat- und schuldangemessen erachtet. Die Verhängung dieser im Sinne von § 47 StGB kurzen Freiheitsstrafen hat sie auf den generalpräventiven Grund des Schutzes vor Produktpiraterie gestützt und betont, dies entspreche einer im Ermittlungsverfahren getroffenen Absprache zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten.

Bei den Ausführungen zu der Anordnung des Verfalls von Wertersatz verweist die Kammer gleichfalls darauf, dass die ursprünglich im amtsrichterlichen Urteil festgesetzte Höhe von 90.000,- € der Absprache zwischen Angeklagtem und Staatsanwaltschaft entsprochen habe. Die Kammer habe den Betrag um 17.000,- € gekürzt, weil das Finanzamt Steuern in entsprechender Höhe auf die Einkünfte aus den begangenen Straftaten erhoben habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerechte Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

II.

Das Rechtsmittel hat - zumindest vorläufig - Erfolg.

1. Die getroffenen Feststellungen tragen weder den von dem Berufungsgericht als teilrechtkräftig bewerteten Schuldspruch noch den Rechtsfolgenausspruch. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beschränkung der eingelegten Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch nicht wirksam.

Zwar ist auch in Bezug auf einen Einspruch gegen einen Strafbefehl grundsätzlich eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch möglich (BayObLG NJW 2003, 2397; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 113, 114; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., 2007, § 410 Rn. 4). Wie bei der Berufung hängt die Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs davon ab, dass der angefochtene Entscheidungsteil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung der übrigen Entscheidungsteile notwendig zu machen (siehe nur Meyer-Goßner § 318 Rn. 6 für die Berufung). Dementsprechend ist eine Beschränkung des Einspruchs - wie bei einer entsprechend beschränkten Berufung auch - auf den Rechtsfolgenausspruch nicht wirksam, wenn die Feststellungen zum Schuldspruch so unzulänglich und lückenhaft sind, dass sie keine ausreichende Grundlage für eine Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs bieten (BayObLG DAR 2004, 282; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 113; Meyer-Goßner § 410 Rn. 5).

So verhält es sich vorliegend. Weder der Strafbefehl vom 06. März 2007 noch das amtsrichterliche Urteil, in dem bereits von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs ausgegangen worden ist, bieten eine nach dem Vorgenannten tragfähige Grundlage für den Schuldspruch und vor allem den Rechtsfolgenausspruch. Da auch das Berufungsgericht von der Teilrechtskraft des Schuldspruchs ausgegangen ist, hat es ebenfalls keine Feststellungen mehr getroffen, die eine ausreichende Grundlage für die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs ermöglichen würden. Dies zeigt sich an den einzelnen Rechtsfolgenentscheidungen des Landgerichts.

a) So fehlen ausreichende Feststellungen zu den Voraussetzungen der Verhängung einer Geldstrafe gemäß § 41 StGB neben der ausgeurteilten Gesamtfreiheitsstrafe und der Anordnung des Verfalls von Wertersatz. Bei § 41 StGB handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, die wegen der Kumulation mit der Freiheitsstrafe negative Auswirkungen auf die angestrebte Resozialisierung des Täters haben kann (vgl. BGHSt 26, 325, 330; BGHSt 32, 60, 85 f.; MünchKommStGB/Radtke, Band 1, 2003, § 41 Rn. 6). Die Voraussetzungen des § 41 StGB liegen trotz einer eingetretenen oder erstrebten Bereicherung regelmäßig nicht vor, wenn die zusätzliche Auferlegung der Geldstrafe den Täter finanziell überfordert, weil er weder Vermögen noch Einkommen hat und ohne sichere ausreichende Erwerbsaussichten ist (MünchKommStGB/Radtke § 41 Rn. 28). Darüber hinaus ist bei der Beurteilung der Frage, ob, wie von § 41 StGB vorausgesetzt, bei dem Täter eine Bereicherung eingetreten und eine kumulative Verhängung der Geldstrafe angebracht ist, das Verhältnis zu den §§ 73 ff. StGB zu bedenken. Der im unmittelbaren Anwendungsbereich obsolet gewordenen Regelung in § 41 S. 2 StGB kann man den Rechtsgedanken der Subsidiarität des § 41 StGB entnehmen; werden eingetretene Vermögensvorteile gemäß §§ 73 ff. für verfallen erklärt, müssen diese bei der Bewertung des Vermögens des Täters außer Betracht bleiben (Fischer, StGB, 55. Aufl., § 41 Rn. 2; MünchKommStGB/Radtke § 41 Rn. 9). Wird daher bei objektiv eingetretener Bereicherung des Täters der Verfall oder der Verfall von Wertersatz angeordnet und die Bereicherung des Täters auf diese Weise abgeschöpft, bleibt für § 41 StGB kein Raum mehr (MünchKommStGB/Radtke § 41 Rn 9 a.E; ebenso Albrecht, in Nomos Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 41 Rn 6; unklar BGHSt 32, 60,63 f.).

Zu den Voraussetzungen des § 41 StGB hat das Landgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Diese beschränken sich auf die Mitteilung, die Annahme eines Vermögensvorteils in Höhe von 90.000,- € stimme mit der ursprünglichen Absprache zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten überein. Dem kann gerade noch ausreichend entnommen werden, es sei eine Bereicherung in Höhe von 90.000,- € bei dem Angeklagten eingetreten. Das angefochtene Urteil verhält sich aber nicht dazu, ob diese Bereicherung aus den angeklagten Taten stammt oder aus einer Vielzahl weiterer Markenrechtsverletzungen des Angeklagten, die nicht Gegenstand des Verfahrens sind. § 41 StGB verlangt aber die Erlangung der Bereicherung durch die Tat. Darüber hinaus hat das Tatgericht keine genügenden Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten getroffen. Dies wäre aber nach den Ausführungen im vorstehenden Absatz aber Voraussetzung für die kumulative Anordnung der Geldstrafe (vgl. MünchKommStGB/Radtke § 41 Rn. 24). Die wenigen getroffenen Feststellungen tragen die Annahme, die Verhängung der Geldstrafe sei angebracht, nicht. So lassen die Einkommensverhältnisse des Angeklagten, die die Kammer auf monatliche Leistungen in Höhe von 325,- € festgestellt hat, die Verhängung einer kumulativen Geldstrafe allenfalls unter engen Voraussetzungen zu (BGHR StGB § 41 Bereicherung 1).

b) Auch zu den Voraussetzungen für den Verfall von Wertersatz enthält das angefochtene Urteil keine ausreichenden Feststellungen. Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, gestatten die bisherigen Feststellungen nicht die Annahme, die eingetretene Bereicherung in Höhe von 90.000,- € stamme aus den 101 angeklagten Fällen der Markenverletzung. Darüber hinaus finden sich im Urteil des Berufungsgerichts keine Erwägungen zu einem möglichen Ausschluss des Verfalls wegen Ansprüchen Dritter im Sinne von § 73 Abs. 1 S. 2 StGB. Mögliche Rückzahlungsansprüche durch den Kauf von Imitaten Geschädigter, schließen nicht nur gemäß § 73 Abs. 1 S. 2 den Verfall sondern auch den Verfall von Wertersatz nach § 73 a StGB aus (MünchKommStGB/Joecks, Band 2/1, 2005, § 73 a Rn. 3.).

2. Angesichts der zu Unrecht angenommenen Wirksamkeit der Beschränkung des Rechtsmittels und der daraus resultierenden unzulänglichen Feststellungen zum Schuldspruch und zum Rechtsfolgenausspruch war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an eine andere Kammer des Landgerichts B. zurück zu verweisen.

III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

1. Sollte der neue Tatrichter das Vorliegen der Voraussetzungen für den Verfall einer eingetretenen Bereicherung oder für den Verfall von Wertersatz rechtsfehlerfrei feststellen können, wird bei Abschöpfung des Gewinns die kumulative Anordnung einer Geldstrafe nach den Ausführungen zu II.1.a) kaum mehr in Betracht kommen, wenn zugleich eine Gesamtfreiheitsstrafe verhängt wird. Zudem wird der neue Tatrichter angesichts der bereits angedeuteten Möglichkeit von Ansprüchen Dritter den Ausschluss von Verfall und Verfall von Wertersatz gemäß § 73 Abs. 1 S. 2 StGB zu bedenken haben. Soweit die Anordnung von Verfall ausgeschlossen sein sollte und damit die Anwendung von § 41 StGB doch in Betracht kommen kann, muss geprüft werden, ob die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten die Verhängung einer kumulativen Geldstrafe gestatten.

2. Um eine Einziehung der für die Begehung der Taten verwendeten Hardware anordnen zu können, wird der Tatrichter die Eigentumsverhältnisse an diesen Geräten zu klären haben. Soweit von Alleineigentum der Lebensgefährtin des Angeklagten auszugehen sein sollte, bedarf es näherer Darlegungen zu den Voraussetzungen von § 74 a Nr. 1 StGB.

Ende der Entscheidung

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