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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 26.11.2008
Aktenzeichen: 4 U 91/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 906
BGB § 1004
1. Zum Unterlassungsanspruch eines Landwirts gegen Geruchsimmissionen eines benachbarten landwirtschaftlichen Betriebes.

2. Die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) ist in Niedersachsen als Orientierungs- und Entscheidungshilfe zur Beurteilung der Wesentlichkeitsschwelle des § 906 BGB anwendbar.

3. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung von Geruchsbelästigungen ist es im Einzelfall geboten, über den Vergleich der auf der Grundlage der Geruchshäufigkeit objektiv berechneten Messwerte der GIRL hinaus Feststellungen zur subjektiv empfundenen Geruchsqualität und Geruchsintensität zu treffen.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

4 U 91/08

Verkündet am 26. November 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 2. Mai 2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 313 a Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

B.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.

Die Klage ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig.

Soweit der Kläger mit seinem Antrag die Unterlassung mehr als nur unwesentlicher Beeinträchtigungen von den Beklagten verlangt, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken, weil der Antrag den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt. Denn grundsätzlich muss es dem Störer überlassen werden, auf welchem Wege er eine von ihm verursachte Eigentumsstörung abstellt. Im Falle einer Geruchsbelästigung ist zu bedenken, dass diese nicht objektiv messbar ist und deshalb anders als z. B. im Falle einer Lärmbeeinträchtigung in der TA Luft normierte Grenz oder Richtwerte fehlen. Die Rechtsprechung nimmt daher bei einem etwaigen Erfolg einer Klage mit entsprechend allgemein gehaltenem Tenor die im Vollstreckungsverfahren auftretenden Probleme hin (z. B. BGHZ 140, 1. OLG Karlsruhe in NJW RR 2001, 1236).

Vergeblich wenden die Beklagten ferner ein, der Zulässigkeit der zivilgerichtlichen Klage stehe die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 2. Juni 2005 (Az. 2 A 159/04) entgegen. In diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ging es um die Rechtmäßigkeit seitens der Verwaltungsbehörde aufgehobener Auflagen der den Beklagten im Jahr 1994 erteilten Baugenehmigung sowie um einen von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtsrechtliches Einschreiten gegen die Rinderställe der Beklagten. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat damit in seinem Urteil über die von der zuständigen Baubehörde getroffenen Entscheidungen sowie über die Frage, ob zugunsten des Klägers Schutzanordnungen zu treffen waren, entschieden und dieser Entscheidung lag die Frage der Einhaltung des öffentlich rechtlichen Immissionsschutzes zugrunde. D. h. in dem Verwaltungsverfahren ging es um die Frage, ob der Betrieb der Beklagten ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde nach den Vorschriften der Niedersächsischen Bauordnung erforderte. Auch wenn sich das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang mit der Frage der Beeinträchtigung des Klägers als Nachbarn befassen musste und insofern eine Beurteilung der von dem Grundstück der Beklagten ausgehenden Belastungen vorgenommen hat, hat es sich nicht mit der Frage des privatrechtlichen Immissionsschutzes auseinander gesetzt, der ausschließlich anhand der Vorschriften der §§ 1004, 906 BGB zu beurteilen und im Zivilrechtsweg zu klären ist. Die Nichteinhaltung öffentlich rechtlicher Vorschriften kann sich zwar auf die privatrechtlich zu klärende Frage der Wesentlichkeit einer Eigentumsbeeinträchtigung auswirken. hingegen indiziert die Feststellung, dass ein bauaufsichtsrechtliches Einschreiten wegen nicht verletzter öffentlich rechtlicher Vorschriften nicht gerechtfertigt ist, nicht zwangsläufig das Fehlen der Voraussetzungen einer nach zivilrechtlichen Normen zu beurteilenden wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung.

II.

Die Berufung ist indessen nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB nicht zusteht. Denn der Kläger wird durch die von dem Rinderstall der Beklagten ausgehenden Gerüche nicht mehr als nur unwesentlich i. S. d. § 906 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB beeinträchtigt. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit einer objektiv nicht messbaren Geruchsimmission ist eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wobei unter Einbeziehung wertender Momente auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen ist (BGHZ 121, 248. BGHZ 140, 1. BGH in MDR 2006, 504).

1. Das Landgericht hat zur Beurteilung der Wesentlichkeitsschwelle i. S. d. § 906 BGB auf die Geruchsimmissionsrichtlinie (=GIRL) des Länderausschusses für Immissionsschutz (= LAI) abgestellt und ausgeführt, dass vorliegend unter Berücksichtigung des ländlich geprägten Umfeldes von einer erheblichen Geruchsbelastung nicht auszugehen sei, da die landwirtschaftlichen Gerüche ausweislich des Sachverständigengutachtens der Sachverständigen Diplom Meteorologin S. B. 15 % der Jahresstunden nicht übersteigen würden, vielmehr nur von 12 % der Jahresstunden auszugehen sei. Die grundsätzliche Anwendbarkeit der GIRL, die gemäß Runderlass vom 30. Mai 2006 auch in Niedersachsen wieder eingeführt worden ist, ist nicht zu beanstanden. Allerdings darf sich die Tatsachenfeststellung nicht ausschließlich in der Verwertung eines auf der Grundlage der GIRL erstellten Sachverständigengutachtens erschöpfen. Denn die GIRL ist als Richtlinie keine normativ konkretisierende Verwaltungsvorschrift i. S. d. § 48 BImSchG. Sie entfaltet daher nach einhelliger zivilgerichtlicher und verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung keine abschließende und bindende Wirkung für die Beurteilung von Gerüchen. Sie kann vielmehr nur als Orientierungs- und Entscheidungshilfe im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung von Geruchsbelästigungen dienen (BGHZ 140, 1 zur VDI Richtlinie Schweine. BGH in NJW 2001, 3054. OVG Münster in Gewerbearchiv 2004, 438. OVG Münster in ZfBR 2008, 188. OLG Karlsruhe in NJW RR 2001, 1236).

Der generellen Eignung der GIRL steht aber nicht bereits entgegen, dass die Berechnung der Geruchsimmission allein aufgrund der Geruchshäufigkeit erfolgt, während die Geruchsqualität und Geruchsintensität unberücksichtigt bleiben. Dies hat seinen Grund darin, dass diese Merkmale wissenschaftlich fundiert und berechenbar nicht ermittelt werden können, da sie auch dem subjektiven Empfinden unterliegen. Aus diesem Grund bestimmt auch Nr. 5 Satz 1 b der Richtlinie, dass ein Vergleich mit den nach der Richtlinie festgelegten Richtwerten dann nicht ausreichend ist, wenn Anhaltspunkt dafür bestehen, dass wegen der außergewöhnlichen Verhältnisse hinsichtlich ihrer Art z. B. Ekel und Übelkeit auslösende Gerüche und der Intensität der Geruchseinwirkung trotz Einhaltung der berechneten Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können (OVG Münster in Gewerbearchiv 2004, 438). Die Tatsachenfeststellung zu diesen nicht messbaren Einwirkungen erfordert regelmäßig einen Ortstermin, damit sich das Tatsachengericht den erforderlichen persönlichen Eindruck verschaffen kann (z. B. BGHZ 121, 248. BGHZ 140, 1). Insofern ist die Tatsachenfeststellung des Landgerichts zu beanstanden, als dass dieses eine Beweisaufnahme durch Einnahme des Augenscheins nicht angeordnet hatte. Dies gebietet eine erneute Feststellung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und der Senat hat den erforderlichen Ortstermin durchgeführt.

2. Im Ergebnis hält aber das erstinstanzliche Urteil einer rechtlichen Überprüfung Stand, weil unter Berücksichtigung sämtlicher auch über das Vorliegen der Voraussetzungen der GIRL hinausgehender zu berücksichtigender Umstände des Einzelfalls eine wesentliche Beeinträchtigung nicht vorliegt. Im Einzelnen:

a) Die Entscheidung des Landgerichts, mit den Feststellungen der Sachverständigen B. sei von einer Belastung des Grundstücks des Klägers durch von dem Grundstück der Beklagten ausgehenden Geruchsimmissionen in Höhe von ca. 12 % der Jahresstunden auszugehen und damit liege eine wesentliche Beeinträchtigung nach der GIRL, die für landwirtschaftliche Gerüche im Dorfgebiet etwa 15 % der Jahresstunden für hinnehmbar hält, nicht vor, ist nicht zu beanstanden. Die Rechtsprechung hält zum Teil einen Wert von über 15 % der Jahresstunden in einem Dorfgebiet, das von landwirtschaftlichen Betrieben mit Tierhaltung geprägt ist, für zumutbar (OVG Münster in ZfBR 2008, 188. OVG Lüneburg in NvWZ RR 2003, 24). Soweit der Kläger insoweit die Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Landgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen sowie die Beweiswürdigung angreift, indem er meint, das Landgericht habe in rechtlich fehlerhafter Weise die von der Sachverständigen B. erstellten Sachverständigengutachten unter Einschluss ihrer mündlichen Ausführungen, die das Landgericht seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt hat, falsch gewürdigt und es infolge einer unkritischen Würdigung unterlassen, eine weitere Beweiserhebung durch Einholung eines neuen bzw. ergänzenden Sachverständigengutachtens anzuordnen, so bleibt dieser Angriff erfolglos.

Das Landgericht hat das Beweisergebnis zutreffend gewürdigt und der Senat ist von der Richtigkeit dieses Ergebnisses überzeugt. Die Sachverständige gelangt in ihrem Gutachten vom 18. November 2007 zu dem Ergebnis, dass die Geruchswahrnehmungshäufigkeit auf dem Grundstück des Klägers aufgrund des Betriebes auf der Hofstelle der Beklagten bei etwa 12 % der Jahresstunden liegt. Den von dem Kläger gestellten weiteren Fragen ist das Landgericht nachgegangen. Die Sachverständige ist vom Landgericht antragsgemäß persönlich angehört worden und der Kläger hatte Gelegenheit, im mündlichen Termin vom 8. Februar 2008 ergänzende Fragen zu stellen, die dann mit dem Ergänzungsgutachten vom 2. März 2008 beantwortet worden sind. Das Landgericht hat daher umfassend den Sachverständigenbeweis erhoben. Die Beweiswürdigung ist in sich widerspruchsfrei und logisch, frei von Denkfehlern und läuft allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen nicht zuwider. Das Landgericht hat sich ausführlich mit dem Inhalt der Sachverständigenbegutachtung auseinander gesetzt und die von ihm gefundene Überzeugung dargelegt. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen. Die Einwendungen des Klägers in der Berufung, das Landgericht habe verkannt, dass die Sachverständige von einer zu geringen Anzahl der gehaltenen Tiere ausgegangen sei, greifen nicht durch. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die von der Sachverständigen insoweit durchgeführten Ermittlungen, die zu einem Viehbestand von ca. 200 Stück führten, keinen Bedenken begegnen. Im Übrigen betrug ausweislich des von den Beklagten vorgelegten Bestandsregisters für ihren Betrieb der Viehbestand im Jahr 2006 234 Tiere, im Jahre 2007 217 Tiere und im Jahr 2008 218 Tiere. Dem ist der Kläger auch in seiner Berufungsbegründung substantiiert nicht entgegen getreten. Die Einwendungen des Klägers gegen die von der Sachverständigen zugrunde gelegten Windverhältnisse greifen ebenfalls nicht durch. Die Sachverständige hat sich mit den dahingehenden Einwendungen in der mündlichen Anhörung auseinander gesetzt und in ihrem Ergänzungsgutachten vom 2. März 2008 nach Durchführung weiterer Ermittlungen und Berechnungen berücksichtigt. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht ausführlich und nachvollziehbar seine Überzeugungsbildung begründet (S. 10/11 des Urteils), sodass hier eine weitere Überprüfung nicht geboten ist. Soweit der Kläger ferner meint, unter Berücksichtigung des Güllerührens sei mit einer Geruchsbelästigung von mindestens 16 % der Jahresstunden zu rechnen, ergibt sich das nach den Feststellungen der Sachverständigen ebenfalls nicht. Auch hierzu hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass selbst bei einem Aufrühren der Gülle alle zwei Tage die Geruchswahrnehmungshäufigkeit nicht über 15 % der Jahresstunden steigen würde. Der Einwand des Klägers, das Sachverständigengutachten und die sich darauf gründende Entscheidung des Landgerichts habe die nicht ordnungsgemäß funktionierende TraufFirstLüftung des Stalles der Beklagten nicht berücksichtigt, ist unerheblich. Nach den Ausführungen der Sachverständigen B. ist die nicht ordnungsgemäß funktionierende TraufFirstLüftung nicht auf einen technischen Mangel zurückzuführen, sondern durch die ungünstige Lage des Stalles bedingt. Für diesen existiert allerdings eine Baugenehmigung. Des Weiteren ist es nach dem Ergebnis der Sachverständigenbegutachtung fraglich, ob eine funktionierende Lüftung die Immissionen wesentlich reduzieren würde. Im Übrigen hat die Sachverständige bei der Berechnung der Geruchsimmissionen die gestörte Lüftung des Stalls der Beklagten berücksichtigt.

Das Ergebnis der Begutachtung rechtfertigt die vom Landgericht gefundene Entscheidung und lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Sachverständige S. B. ist öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für das Sachgebiet "Emissionen und Immissionen: geruchsintensive Stoffe in der Luft". Sie ist damit für die hier zu entscheidenden Fragen fachlich ausreichend qualifiziert. Die Feststellungen der Gutachterin sind in sich widerspruchsfrei und gut nachvollziehbar. Sofern die Sachverständige Prognosen stellt und teilweise von Wahrscheinlichkeiten spricht und nicht von einer 100 %igen Gewissheit, so ist dies bereits durch die der Begutachtung zugrunde liegende Fragestellung bedingt. Wie eingangs bereits ausgeführt, sind Geruchsimmissionen objektiv nicht messbar, sondern von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig. Darüber hinaus ist eine 100 %ige Gewissheit für die Überzeugungsbildung des Gerichts nicht erforderlich. Denn das Sachverständigengutachten unterliegt der im freien Ermessen des Gerichts stehenden Beweiswürdigung und das Landgericht hat mit nachvollziehbarer Begründung die Überzeugung gewonnen, dass auf der Grundlage der GIRL jedenfalls von einer Geruchsimmission mit deutlich weniger als 15 % der Jahressstunden auszugehen ist. Eine absolute Gewissheit ist dagegen nicht erforderlich. vielmehr reicht eine persönliche Gewissheit aus, die etwaigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Diese Bildung der persönlichen Gewissheit erfordert im Falle der Würdigung von Sachverständigengutachten, die zumeist nur auf Wahrscheinlichkeiten gegründet sind, eine subjektive Überzeugung i. S. eines für das praktische Leben brauchbaren Grads von Gewissheit aufgrund des Inhalts des Gutachtens und allgemeiner Denk und Erfahrungsgesetze (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 286 Rn. 19. BGH in NJW 1994, 801). Diese Überzeugungsbildung hat das Landgericht nachvollziehbar dargelegt.

Indessen war das Landgericht nicht verpflichtet, dem Beweisangebot des Klägers durch Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens nachzugehen und hierfür besteht auch in der Berufungsinstanz kein Anlass. Die Anhörung der Sachverständigen und das Ergänzungsgutachten befassen sich mit den von dem Kläger erhobenen Einwendungen, sodass das Landgericht keinen Anlass hatte, die Beweisaufnahme weiter fortzusetzen bzw. zu ergänzen. Da sich keine Zweifel oder Unklarheiten an der Richtigkeit der Ausführungen der Sachverständigenbegutachtung sowie der auf dieser Grundlage vorgenommenen Beweiswürdigung des Landgerichts ergeben, hatte auch der Senat keinen Anlass zur Einholung eines neuen oder ergänzenden Sachverständigengutachtens von Amts wegen, was nur im Rahmen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO möglich wäre.

Der Kläger kann sich zur Begründung einer wesentlichen Beeinträchtigung auch nicht auf die Richtlinien des Freistaates Sachsen zu Rinderanlagen aus dem Jahr 2005 berufen, wonach zur Vermeidung von Geruchsimmissionen in einem Dorfgebiet der Mindestabstand von einer Stallanlage zum Wohnhaus des Klägers mindestens 90 m betragen müsste. Diese Abstandsregelung ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil die genannten Richtlinien in Niedersachsen nicht gelten. Allerdings können sich die Beklagten in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass ihr Betrieb ca. 70 m vom Wohnhaus des Klägers entfernt sei und in dieser Entfernung nach den Ergebnissen der Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen, die die Bayerische Landesanstalt für Landtechnik der TU München Weihenstephan hat durchführen lassen, Rinderstallgerüche jedenfalls nicht mehr deutlich wahrnehmbar seien. Nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg bietet zwar die Weihenstephaner Untersuchung eine geeignete Grundlage, die Verträglichkeit landwirtschaftlicher Tiernutzung mit konkurrierender Wohnnutzung zu bestimmen (z. B. OVG Lüneburg in NvWZ 2007, 478). Dies hat auch das Verwaltungsgericht Lüneburg, das in dem vorliegenden Fall auf verwaltungsrechtlicher Ebene mit der Sache befasst war, zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Nach der genannten Geruchsfahnenbegehung sollen von einem Rinderstall mit bis zu 500 Tieren ausgehende Gerüche ab 70 m Entfernung nicht mehr wahrnehmbar sein, bei einer funktionierenden TraufFirstLüftung sogar ab einer Entfernung von 30 m. Dies lässt sich vorliegend allerdings nicht mit dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens in Einklang bringen, wonach aufgrund der konkreten örtlichen Verhältnisse und der bestehenden Windverhältnisse hier eine Geruchsschwellenentfernung mit einem Wert von ca. 145 m angesetzt werden müsste, um deutliche Gerüche in nicht mehr als 10 % der Jahresstunden nicht mehr wahrzunehmen. Aus diesem Grund ist wie oben ausgeführt eine Gesamtbeurteilung auf der Grundlage sämtlicher Einzelumstände vorzunehmen.

b) In die Gesamtbeurteilung sind entsprechend der obigen Ausführungen die Örtlichkeiten, die Geruchsqualität und Geruchsintensität mit einzubeziehen. Der Senat hat zur Beurteilung dieser Fragen die erforderliche Augenscheinseinnahme durchgeführt. Diese bestätigt das von dem Landgericht gefundene Ergebnis, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung des Klägers nicht vorliegt. Von dem Betrieb der Beklagten geht keine besonders unangenehme, ekel oder übelkeitserregende Wirkung aus. Nach den Feststellungen des Senats, der sich auch auf die Hofstelle der Beklagten bis unmittelbar vor das Stallgebäude begeben hatte, waren keine außergewöhnlichen Rinderstallgerüche wahrnehmbar. Auf dem Hof des Klägers waren überhaupt keine unangenehmen Gerüche festzustellen. Dies deckt sich mit dem Eindruck des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts Lüneburg, der im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Rechtsstreits zwischen den Parteien ebenfalls eine Augenscheinseinnahme vorgenommen hatte (vgl. S. 10 des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 2. Juni 2005, Az.: 2 A 159/04). Auch die Sachverständige hat anlässlich ihrer Besichtigung eine ekelerregende Geruchsbelastung nicht festgestellt. Weitere Besonderheiten, die den vom Betrieb der Beklagten ausgehenden Geruch als besonders unangenehm kennzeichnen, konnten ebenfalls nicht festgestellt werden (vgl. BGHZ 140, 1). Der Vorwurf des Klägers, die Beklagten würden beim Gülleaufrühren Futterreste verwerten, was eine besonders unangenehme Geruchsintensität zur Folge habe, konnte weder durch die Sachverständige noch anlässlich des Ortstermins des Senats bestätigt werden.

Der Senat konnte sich anlässlich des Ortstermins einen Eindruck von dem örtlichen Charakter des beeinträchtigten Grundstücks des Klägers verschaffen. Hiernach steht fest, dass sich der Hof des Klägers in einem ländlich geprägten Dorfgebiet (§ 5 NBauNVO) befindet d. h. in einer von Land und Viehwirtschaft geprägten Umgebung. Unstreitig befindet sich in dem Ort neben der Stallanlage der Beklagten noch ein benachbarter Stall mit ca. 40 Kühen, der früher von dem Kläger betrieben wurde und den er nun verpachtet hat. Des Weiteren befindet sich dort nur noch der Schweinemastbetrieb des Klägers, den er nunmehr aufzugeben beabsichtigt. Bei der Frage, welche Geruchsbelästigungen der Kläger hinnehmen muss, ist zu berücksichtigen, dass der im Dorfgebiet lebende und selbst jedenfalls bislang Viehhaltung betreibende Kläger als verständiger Durchschnittsmensch naturgemäß mit landwirtschaftlichen Gerüchen lebt und im Gegensatz zum "Großstadtmenschen" an diese gewöhnt ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der landwirtschaftliche Betrieb der Beklagten der Schaffung ihrer Lebensgrundlage dient und auch aufgrund seiner Lage im Außenbereich ebenso wie bislang der Betrieb des Klägers privilegiert ist. Daraus ergibt sich ein Rücksichtnahmegebot, das eine erhöhte wechselseitige Toleranz gegenüber den Immissionen der jeweiligen landwirtschaftlichen Betriebe erfordert. Auch vor diesem Hintergrund sind die von der Sachverständigen festgestellten 12 % der Jahresstunden in jedem Fall hinzunehmen.

c) Vergeblich wendet der Kläger letztlich ein, die Gesamtbelastung der von dem Betrieb der Beklagten ausgehenden Emmissionen gemeinsam mit weiteren Emmitenten aus der Nachbarschaft überschreite die Wesentlichkeitsschwelle, sodass er von den Beklagten Unterlassung bis zur Grenze der Unwesentlichkeit der Gesamtbelastung verlangen könne. Es bestehen bereits Zweifel, ob bei summierenden Emmissionen die Inanspruchnahme nur eines Emmitenten unabhängig von dessen Verursachungsbeitrag in jedem Fall gerechtfertigt sein kann. Insofern ist zu beachten, dass die Inanspruchnahme nur eines Emmitenten an den Grenzen aus dem Gebot von Treu und Glauben, insbesondere dem Willkürgebot, dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gemessen werden muss. Denn es kann nicht dem rein willkürlichen Verhalten des beeinträchtigten Grundstückseigentümers überlassen bleiben, welchen seinen Nachbarn er unabhängig von seinem Verursachungsbeitrag in Anspruch nimmt, weil dies u. U. zur Folge haben könnte, dass ein Nachbar aufgrund eines an sich unwesentlichen Beitrags gegenüber weiteren stärker emmitierenden Betrieben überobligatorisch bis hin zur Existenzgefährdung in Anspruch genommen wird. Vorliegend kommt aber eine Inanspruchnahme der Beklagten bereits deshalb nicht in Betracht, weil nach dem Ergebnis der Augenscheinseinnahme und dem unstreitigen Sachverhalt feststeht, dass eine die Wesentlichkeitsschwelle überschreitende Gesamtbelastung durch Geruchsimmissionen nicht vorliegt. Als emmitierende Betriebe kommen neben dem der Beklagten nur der Stall des Nachbars, der den früher vom Kläger genutzten Kuhstall betreibt, sowie der Betrieb des Klägers selbst in Betracht. Dabei ist der kleinere Stall des Nachbarn, in dem ca. 40 Kühe gehalten werden, zu vernachlässigen. Der Senat, der an diesem Stallgebäude vorbeigegangen ist, hat, obwohl dort die Stalltür offen stand, auch dort keine besonderen außergewöhnlich unangenehmen Stallgerüche festgestellt. Die Hauptverursacher der Immissionen sind daher die Beklagten mit ihrem Betrieb sowie der Kläger mit seinem Schweinemastbetrieb. Die von seinem Grundstück ausgehenden Immissionen muss der Kläger ohnehin hinnehmen. Die Immissionen, die von dem Stallgebäude der Beklagten ausgehen, liegen bei weitem unterhalb der nach der Rechtsprechung hinzunehmenden auf der Grundlage der GIRL berechneten Belästigungen, sodass von einer Überschreitung einer zulässigen Gesamtbelastung allein aufgrund des Betriebes des Nachbarn nicht ausgegangen werden kann. Auch insoweit bedurfte es daher nicht der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.

Im Ergebnis liegt daher eine wesentliche Beeinträchtigung nicht vor.

III.

Der über den geltend gemachten Unterlassungsanspruch hinausgehende Antrag des Klägers, die Beklagten zu verurteilen, ihren Viehstall nur im Rahmen der immissionsschutzrelevanten Bestimmungen der vorliegende Genehmigungen und entsprechend der guten landwirtschaftlichen Praxis der Immissionsvermeidung mit Vieh 57 Kühe und 138 Jungtiere zu besetzen und zu betreiben, hat ebenfalls keinen Erfolg. Zweifel bestehen bereits an der Zulässigkeit dieses Antrags, da dieser nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechen dürfte. Der Kläger legt nicht dar, welche immissionsschutzrelevanten Bestimmungen welcher vorliegenden Genehmigungen die Beklagten beachten sollen. Ein dahingehender Anspruch ist aber auch unbegründet. Unstreitig betreiben die Beklagten Viehhaltung im Rahmen einer bestehende Baugenehmigung. Eine Verletzung dort enthaltener Anordnungen oder Auflagen ist nicht ersichtlich. Soweit seitens der Verwaltungsbehörde in der Vergangenheit bauordnungsrechtliche Auflagen aufgehoben worden sind, hat sich der Kläger im Rahmen des dafür vorgesehenen widerspruchs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Ergebnis erfolglos zur Wehr gesetzt. Weitergehende Ansprüche sind nicht ersichtlich. Da im Übrigen die Beklagten entsprechend der obigen Ausführungen ihre Stallanlage ohne eine wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers betreiben, ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften, die auch nachbarschützende Wirkung entfalten.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache gemäß § 543 Abs. 2 ZPO weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

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