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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 03.09.2004
Aktenzeichen: 4 W 123/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
1. Die zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft entwickelten Grundsätze sind auf die Bestellung einer Sicherungsgrundschuld grundsätzlich nicht übertragbar (im Anschluss an BGH NJW 2002, 2633).

2. Das gilt i. d. R. auch insoweit, als sich der Sicherungsgeber hinsichtlich der Haftung für den Grundschuldbetrag der Vollstreckung in sein persönliches Vermögen unterwirft.


4 W 123/04

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H., den Richter am Oberlandesgericht S. und die Richterin am Oberlandesgericht W.S. am 3. September 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landegerichts Hildesheim vom 13. Mai 2004 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 7. Juli 2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 153.387,56 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in R. und bestellte zu Gunsten der Beklagten in notarieller Urkunde vom 19. Dezember 1996 URNr. ... des Notars S. in B. - eine Grundschuld über 300.000 DM, übernahm in dieser Urkunde "für den Eingang des Grundschuldbetrages und aller Nebenleistungen die persönliche Haftung" und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in ihr gesamtes Vermögen. Aus dieser Urkunde betreibt die Beklagte die Zwangsvollstreckung. Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine dagegen gerichtete Vollstreckungsabwehrklage sowie Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Sie hält die der Vollstreckung zugrunde liegende Forderung der Beklagten wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB für nichtig und beruft sich dazu auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften und Mithaftungsabreden zugunsten von Angehörigen, durch die der Bürge oder Mithaftende finanziell krass überfordert wird und die er nur aufgrund einer zum Hauptschuldner bestehenden emotionalen Verbundenheit übernommen hat. Sie vertritt die Rechtsauffassung, dass diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall anwendbar seien.

Unstreitig liegt der vollstreckbaren Urkunde folgende Vorgeschichte zugrunde:

Die Klägerin und ihr Ehemann lebten in Gütertrennung. Der Ehegatte der Klägerin betrieb eine Einzelfirma, die geschäftlich mit der Beklagten zusammenarbeitete. Die Firma des Ehemanns der Klägerin hatte 1996 erhebliche Verbindlichkeiten gegenüber der Darlehensgeberin und anderen Gläubigern. In dieser Situation gewährte die Beklagte der Klägerin als Darlehensnehmerin durch zwei Darlehensverträge vom 19. Dezember 1996 zwei Darlehen über 100.000 DM und 150.000 DM, die durch die Grundschuld mit Unterwerfung, aber auch durch die Übernahme einer Bürgschaft des Ehemanns der Klägerin und weitere Sicherheiten abgesichert wurden. In der Präambel der Darlehensverträge ist auf einer Schreibmaschinenseite die schlechte wirtschaftliche Situation der Einzelfirma des Ehemanns der Klägerin dargelegt. Wörtlich heißt es:

"Darlehensnehmerin (das ist die Klägerin) erwähnte anlässlich des Gesprächs auf eine Frage des Geschäftsführers der Darlehensgeberin (das ist die Beklagte), Herrn Wi., dass sie über alle Zahlungsprobleme ihres Ehegatten informiert sei. Auch wolle sie durch Hergabe von Grundschulden auf dem eigenen Grundbesitz in R. und der eigenen und persönlichen Darlehensaufnahme mit dazu beitragen, dass der Fortbestand des Unternehmens gewährleistet ist und im Falle der zwangsweisen Verwertung Forderungen der Darlehensgeberin als gesichert gelten" (Bl. 7 d. A.).

Bestimmungsgemäß wurden die Darlehenssummen nicht an die Klägerin ausgezahlt, sondern entsprechend dem Verwendungszweck nach § 2 der Darlehensverträge im Wege der Forderungsabtretung zur Tilgung von Verbindlichkeiten der Einzelfirma des Ehemanns der Klägerin verwendet.

Die Klägerin behauptet, sie habe sich nur ihrem Ehemann zuliebe unter dem Druck der Verhältnisse auf diese Verträge eingelassen. Sie sei auch krass überfordert gewesen. Nach Aufgabe einer früheren Tätigkeit im Unternehmen ihres Ehemannes sei sie im Jahre 1996 arbeitslos gewesen; das im Jahre 1995 von ihr für 160.000 DM erworbene Dreifamilienhaus in R. sei in der Folgezeit mit rund 50.000 DM von ihr und ihrem Ehemann ausgebaut worden und habe allenfalls einen Wert von 220.000 DM gehabt. Es sei aber mit einer Grundschuld zugunsten der Sparkasse über160.000 DM vorbelastet gewesen; die aus dem Haus zu ziehenden Mieteinnahmen von 1.100 DM hätten den an die Sparkasse zu leistenden Abtrag von 1.000 DM nur knapp überstiegen. Sie habe die Hintergründe des Geschäfts auch nicht durchschaut. Es sei ihr damals erklärt worden, dass die Beträge eigentlich nicht von ihr zu zahlen wären, sondern durch den Betrieb ihres Ehemannes geleistet würden.

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss Prozesskostenhilfe zunächst mit der Begründung versagt, dass die Klägerin die subjektiven Voraussetzungen dafür nicht dargetan habe. Nachdem die Klägerin dagegen fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt hat, hat das Landgericht mit dem Nichtabhilfebeschluss ausgeführt, dass die Bedenken hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht aufrechterhalten würden. Die Klage habe jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Darlehensverträge seien nicht sittenwidrig, selbst wenn man von einer krassen finanziellen Überforderung ausgehe. Durch die Präambel des Darlehensvertrages sei jedoch die Vermutung, dass das Eingehen der Darlehensverpflichtung nicht aufgrund einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos, sondern aufgrund emotionaler Verbundenheit erfolgt sei, widerlegt.

Nach Vorlage der Beschwerde beim erkennenden Senat ist der Klägerin zunächst durch Verfügung des Vorsitzenden vom 8. Juli 2004 Gelegenheit zur Stellungnahme zu der nunmehrigen Begründung des Landgerichts - fehlende Erfolgsaussicht - gegeben und auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2002, 2633) hingewiesen worden. Die Sache ist zudem in entsprechender Anwendung von § 568 ZPO auf den Senat als Beschwerdegericht übertragen worden. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20. Juli 2004 ihr Beschwerdevorbringen ergänzt und die Auffassung vertreten, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sittenwidrigkeit der Bestellung von Sicherungsgrundschulden auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Dies gelte zumindest, soweit die Vollstreckung nicht nur in das Grundstück, sondern in das sonstige persönliche Vermögen der Klägerin betrieben werde. Dem trägt die Klägerin durch Hilfsanträge Rechnung. Sie behauptet unter Berufung auf das Zeugnis ihres Ehemannes, sie sei 1996 ""aufgrund der sich überstürzenden Ereignisse" nicht in der Lage gewesen, die sich ihr darstellenden Risiken konkret zu erkennen und zu bewerten.

Die Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie trägt in dem innerhalb der ihr gesetzten Erwiderungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 18. August 2004 unter Vorlage eines Beratungsberichts aus dem Jahre 1996 vor, dass die Klägerin sehr wohl umfassend vor den hier fraglichen Verträgen vom 19. Dezember 1996, insbesondere in den Gesprächen vom 2. November 1996 informiert worden sei. In das von dem Berater mit dem Ehemann der Klägerin und der Klägerin entworfene Sanierungskonzept sei die Klägerin einbezogen gewesen, zumal die Klägerin erst kurz vor der Krise des Unternehmens ihres Ehemannes das Dreifamilienhaus erworben habe und dieses anschließend mit Mitteln ausgebaut worden sei, die in Höhe von mindestens 151.000 DM aus dem Unternehmen des Ehemannes finanziert worden seien. Die Klägerin stelle sich bewusst wahrheitswidrig als unwissend dar.

Zu diesem Schriftsatz hat die Klägerin nicht mehr Stellung genommen, obwohl der Senat 10 Tage zugewartet hat.

II.

Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg, weil das Landgericht mit Recht Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage verneint hat. Aus diesem Grunde kommt auch die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde nicht in Betracht.

1. Gegenstand der beabsichtigten Vollstreckungsabwehrklage ist das notarielle Schuldanerkenntnis vom 19. Dezember 1996. Dieses lässt eine Vollstreckung nur in Höhe des Grundschuldbetrages von 300.000 DM nebst Nebenforderungen zu, und zwar auch in das sonstige Vermögen der Klägerin nur in dieser Höhe. Deshalb ist der Gegenstandswert auch nur auf den 300.000 DM entsprechenden Eurobetrag festgesetzt worden. Inwieweit die im Schreiben des Gerichtsvollziehers vom 3. Juli 2003 mit 329.284,75 EUR angegebene Forderungshöhe auf dem hier vorliegenden Titel beruht oder andere Titel mit einbezieht, ist nicht näher dargelegt. Dass sich diese Forderungshöhe per 3. Juli 2003 allein aus dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Schuldanerkenntnis vom 19. Dezember 1996 ergeben soll, erscheint fraglich, weil die Klägerin selbst geltend macht, die Beklagte habe unter Berufung auf das Schuldanerkenntnis mit Schreiben vom 2. Dezember 2002 zur Zahlung eines Gesamtbetrages von 171.578,92 EUR aufgefordert. Das bedarf aber keiner weiteren Aufklärung, weil jedenfalls die Vollstreckung aus dem notariellen Schuldanerkenntnis vom 19. Dezember 1996 zulässig ist und die Klägerin nicht nachvollziehbar behauptet, dass die Beklagte aus diesem Schuldanerkenntnis mehr vollstreckt, als aus ihm zulässig wäre (sodass sich auch nicht die Frage stellt, ob ggf. wegen des Differenzbetrages nicht Vollstreckungsabwehrklage, sondern Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO der richtige Rechtsbehelf wäre).

2. Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass der gegen den Vollstreckungstitel erhobene Sittenwidrigkeitseinwand der Klägerin nicht durchgreift. Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze über die Sittenwidrigkeit von Bürgschaften und Mithaftungsübernahmen zugunsten von Angehörigen sind auf die hier vorliegende Fallkonstellation schon im Ausgangspunkt nicht unmittelbar anwendbar.

a) Zum einen richtet sich die Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckung aus einer Grundschuld mit Unterwerfungsklausel. Der Bundesgerichtshof hat aber bereits entschieden, dass die zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft entwickelten Grundsätze auf die Bestellung einer Sicherungsgrundschuld grundsätzlich nicht übertragbar sind (BGH NJW 2002, 2633). Das gilt auch, soweit sich der die Grundschuld bestellende Eigentümer in Höhe des Grundschuldbetrages der Vollstreckung in sein persönliches Vermögen unterwirft. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, was wie folgt wörtlich zitiert wird:

"Es entspricht jahrzehntelanger Praxis, dass sich der mit dem persönlichen Kreditschuldner identische Grundschuldbesteller bei Bankdarlehen regelmäßig der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwerfen muss; eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners liegt darin nicht." (BGH NZM 2003, 175, 176 = NJW 2003, 885 unter Zitierung der ständigen Rechtsprechung BGHZ 99, 274, 282 und BGHZ 114, 9, 12 = NJW 1991, 1677).

So aber liegt es im vorliegenden Fall: Die Klägerin hat zur Sicherung der ihr selbst gewährten Darlehen eine Sicherungsgrundschuld an ihrem eigenen Grundstück mit üblicher Unterwerfungsklausel bestellt. Darauf, dass der Bundesgerichtshof jedenfalls unter dem Aspekt formularvertraglicher Überprüfung sogar die in einer Grundschuldurkunde enthaltene Unterwerfungsklausel betreffend das persönliche Vermögen bezüglich eines Sicherungsgebers, der selbst nicht Eigentümer oder Miteigentümer des belasteten Grundstücks war, für unbedenklich gehalten hat (BGH NJW 2000, 2675, 2676), kommt es hier nicht einmal an.

b) Zum andern übersieht die Klägerin, dass sie im vorliegenden Fall nicht etwa eine Bürgschaft oder Mithaftung für von der Einzelfirma ihres Ehemanns aufgenommene Darlehen übernommen hat. Vielmehr war sie selbst und nicht ihr Ehemann alleinige Darlehensnehmerin. Bei dieser vertraglichen Gestaltung kann es aber schon vom Grundsatz her nicht sittenwidrig sein, wenn ein Darlehensnehmer für die Rückzahlung des Darlehens nicht nur mit dem Grundstück haftet, an dem die Grundschuld bestellt ist, sondern auch mit seinem sonstigen persönlichen Vermögen. Insofern geht es hier nicht um die Frage, ob die Klägerin aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann eine sie krass überfordernde Mithaftung übernommen hat, sondern um den schlichten Tatbestand, dass die Klägerin für die von ihr selbst unmittelbar begründete Darlehensschuld auch selbst haftet.

3. Der Senat hat geprüft, ob trotz der eben dargelegten formalrechtlichen Gründe, die einem Erfolg der beabsichtigten Vollstreckungsabwehrklage entgegenstehen, wenigstens eine entsprechende Anwendung der zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften und Mithaftungsübernahmen zugunsten von Angehörigen entwickelten Grundsätzen in Betracht zu ziehen ist. Denn er hat nicht verkannt, dass die Valuta der von der Klägerin im eigenen Namen aufgenommenen Darlehen ihr nicht unmittelbar zugeflossen ist, sondern aufgrund der getroffenen Verrechnungsabrede sogleich zur Tilgung von Schulden der Einzelfirma ihres Ehemannes verwendet worden ist. Ebenso hat der Senat erwogen, dass die im vorliegenden Fall durch die Darlehensverträge vom 19. Dezember 1996 gewählte rechtliche Konstruktion gezielt gewählt worden seien könnte, um den Konsequenzen der sich schon damals abzeichnenden Rechtsprechung zu Bürgschaften und Mithaftungsübernahmen zugunsten von Angehörigen zu entgehen. Eine solche Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall scheitert jedoch an zwei Gründen:

a) Zum einen macht es einen wesentlichen Unterschied, ob sich ein Ehegatte oder sonstiger Angehöriger eines Gewerbetreibenden durch Bürgschaft oder Übernahme einer Mithaftung als zusätzlicher Schuldner für dessen Verbindlichkeiten zur Verfügung stellt oder aber ob er ausschließlich und allein Darlehen aufnimmt, deren Gegenwert er dem Gewerbetreibenden zuwendet. Denn im Falle der Sittenwidrigkeit der Bürgschaft oder Mithaftung verbliebe es - selbstverständlich - bei der Haftung des unmittelbaren Schuldners, also des Gewerbetreibenden. Würde man dagegen im vorliegenden Fall, in dem die Klägerin selbst alleinige Darlehensnehmerin war, zur Nichtigkeit des Darlehensvertrages kommen, gäbe es für den Darlehensgeber überhaupt keinen vertraglichen Schuldner für die Rückzahlung des Darlehens. Die hier fragliche Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme knüpft gerade an die besonderen Risiken an, die der Ehegatte oder sonstige Angehörige eines Gewerbetreibenden übernimmt, wenn er für dessen Schulden mithaften soll, obwohl er weder auf das Entstehen dieser Schulden Einfluss nehmen kann noch an den wirtschaftlichen Vorteilen einer Kreditaufnahme partizipiert. Dagegen ist es vom Grundsatz her niemandem verwehrt und also auch nicht als sittenwidrig anzusehen, wenn sich jemand selbst - und sei es auf Kredit - Mittel verschafft und diese seinem gewerbetreibenden Ehegatten oder sonstigen Angehörigen zuwendet.

Der Senat lässt freilich offen, ob unter besonderen Umständen des Einzelfalls auch ein Darlehensvertrag, den ein Ehegatte eigenständig und allein eingeht, sittenwidrig sein kann, wenn durch den Gläubiger unter Ausnutzung emotionaler Verbundenheit und unter krasser finanzieller Überforderung von vornherein sichergestellt wird, dass die Darlehensvaluta einem dem Gläubiger genehmen Zweck zugeführt wird. Darauf kommt es aus den folgenden Gründen letztlich nicht an:

b) Das Landgericht hat knapp aber zutreffend darauf hingewiesen, dass ungeachtet einer finanziellen Überforderung der Klägerin die tatsächliche Vermutung dafür widerlegt sei, dass das Eingehen der Darlehensverpflichtung nicht aufgrund einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos, sondern lediglich aufgrund emotionaler Verbundenheit erfolgt sei. Auch im Falle der Bürgschaft oder Übernahme einer Mithaftung kommt es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit auf eine Gesamtwürdigung an, bei der die Vermutung der Sittenwidrigkeit widerlegt werden kann (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 138, Rn. 38 c m. w. N.). Dass im vorliegenden Fall die Klägerin sehr wohl und aufgrund gründlicher Überlegung wusste was sie tat, ergab sich schon auf der Grundlage des dem Landgericht vorgetragenen Sachverhalts. Denn ausweislich der ausführlichen Einleitung der Darlehensverträge ist die Klägerin in aller Klarheit sich darüber bewusst gewesen, dass die Einzelfirma ihres Ehemannes wirtschaftlich notleitend war, dass die Firma ihres Ehemannes weitere Kredite nicht erhalten würde und dass die Zusammenarbeit der Beklagten mit der Firma des Ehemannes nur fortgeführt würde, wenn die Klägerin durch Aufnahme der hier fraglichen Darlehen und deren Absicherung an ihrem Grundstück dem Unternehmen ihres Ehemannes Mittel zuführen würde. Das damit verbundene wirtschaftliche Risiko hätte nur jemandem entgehen können, der den Darlehensvertrag ungelesen unterschrieb. Die Klägerin hat überdies in der Einleitung ausdrücklich erklärt und durch ihre Unterschrift bestätigt, dass sie über die zuvor dargestellten Zahlungsprobleme ihres Ehegatten informiert sei.

Zwar geht der Senat - entgegen der wohl salvatorischen Formulierung der Einleitung des Darlehensvertrages, die Klägerin solle sich "in keinster Weise unter Druck gesetzt fühlen" (Bl. 16 d. A.) - durchaus davon aus, dass die Klägerin den Druck fühlte, dass andernfalls die Beklagte die für den Fortbestand des Unternehmens des Ehemanns der Klägerin wichtige Zusammenarbeit aufgeben würde. Das ändert aber nichts an der Entscheidungsfreiheit der Klägerin, die über die Notlage der Einzelfirma ihres Ehemannes im Klaren war. Es ist nicht von vornherein sittenwidrig, Leistungen in einer Notlage von Gegenleistungen abhängig zu machen (BGHZ 69, 299). Privatautonomie bedeutet nicht nur Selbstbestimmung, sondern auch Selbstverantwortung. Der Schuldner hat grundsätzlich selbst zu prüfen und zu entscheiden, wo die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit liegen und ob er Verbindlichkeiten eingehen will. Die Überforderung des Schuldners - anders als die Überforderung eines Bürgen oder Mithaftenden - ist daher im Allgemeinen nicht sittenwidrig, und zwar selbst dann nicht, wenn die vom Schuldner zu leistenden Zahlungen höher wären als sein pfändbares Einkommen (BGH NJW 1989, 1666; OLG Celle NJWRR 1989, 1135; Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 138, Rn. 36).

Erst recht gilt dies angesichts des von der Beklagten mit der Beschwerdeerwiderung und durch Vorlage des Beratungsberichts unterlegten Sachverhalts, den die Klägerin nicht bestritten hat (und angesichts des Inhalts des Beratungsberichts und der Einleitung der Darlehensverträge wohl auch nicht bestreiten kann). Danach ist es zum Abschluss der hier fraglichen Verträge und der finanziellen Einbindung der Klägerin in die Geschicke der Einzelfirma ihres Ehemannes aufgrund einer Sanierungsberatung gekommen. Diese Sanierungsberatung hatte der Ehemann der Klägerin in Auftrag gegeben, "nachdem Hausbank und Lieferanten die sich äußerst kritisch entwickelnde Zahlungsfähigkeit zum Anlass deutlicher Forderungen auf kurzfristige Besserung der Zahlungsfähigkeit nahmen" (Seite 2 des Sanierungsberichts). Das Sanierungskonzept war darauf angelegt, auch die beiderseitigen Vermögen, also auch das Dreifamilienhaus der Klägerin, einzubeziehen (Seite 10 ff des Sanierungsberichts). Im Rahmen dieses Konzepts, in welchem die Klägerin und ihr Ehemann bezeichnenderweise als "Unternehmerehepaar" bezeichnet sind (z. B. Seite 11 des Sanierungsberichts), lief ausdrücklich darauf hinaus, die liquiden Mittel aus Unternehmenstätigkeit, aus gewerblicher Vermietung und aus privater Vermietung zusammenzuführen. So gesehen handelte es sich um ein Konzept, welches von der Klägerin und ihrem Ehemann in Zusammenarbeit mit einem Sanierungsberater entwickelt war und welches nicht etwa von der Beklagten der Klägerin und ihrem Ehemann aufoktroyiert worden ist. Schließlich muss bei der Gesamtwürdigung auch berücksichtigt werden, dass die Klägerin und ihr Ehemann einerseits Gütertrennung vereinbart hatten, andererseits aber die Klägerin das mit der hier fraglichen Grundschuld belastete Grundstück erst kurz vor oder bereits am Beginn der Krise des Unternehmens ihres Ehemannes im Dezember 1994 erworben und im Folgejahr mit einem Aufwand von rund 51.000 DM modernisiert hatte, wobei nach dem Sanierungsbericht und der im Übrigen auch nicht näher bestrittenen Behauptung der Beklagten bei der Finanzierung nicht streng danach unterschieden wurde, ob die Finanzierungsbeiträge aus Vermögen und Einkünften der Klägerin allein oder auch ihres Ehemannes und dessen Gewerbebetrieb stammten. Da sich mit diesen deutlich dokumentierten Belegen für eine Kenntnis der Klägerin von der der Darlehensaufnahme zu Grunde liegenden Situation das prozessuale Vorbringen der Klägerin nicht auseinandersetzt, ist ihre unter das Zeugnis ihres Ehemanns gestellte Behauptung, sie sei aufgrund sich "überstürzender Ereignisse" zu einer realistischen Bewertung nicht in der Lage gewesen, ohne hinreichende tatsächliche Substanz. Der Sanierungsbericht ist im Sommer 1996 erstellt worden; der Darlehensaufnahme und Grundschuldbestellung vom 19. Dezember 1996 war ein Gespräch vom 2. November 1996 vorangegangen und auf alle Probleme ist in der Einleitung der Darlehensurkunde ausführlich hingewiesen. Insofern hatte die Klägerin genügend Zeit, sich reiflich zu überlegen, ob sie persönlich mit einem Darlehen nebst einer Grundschuld an ihrem Haus und üblicher Unterwerfungsklausel in das persönliche Vermögen für das Unternehmen ihres Ehemannes einspringen wollte.

Nach alledem beruhte der Abschluss der Darlehensverträge vom 19. Dezember 1996 nicht allein darauf, dass die Beklagte die Klägerin in unangemessener Weise unter Druck gesetzt hätte, sich durch Aufnahme des Darlehens für das Unternehmen ihres Ehemannes zu engagieren. Vielmehr war die Zusammenfassung der wirtschaftlichen Möglichkeiten beider Eheleute und des jeweiligen Privatvermögens zum Zwecke der Fortführung des Unternehmens des Ehemannes auch Ausfluss eines in der Sphäre der Klägerin und ihres Ehemannes entwickelten Konzepts seit dem Sommer 1996. Dieses der Klägerin bekannte Sanierungskonzept ist im Übrigen in der Einleitung der Darlehensverträge auch ausdrücklich erwähnt ebenso wie der Hinweis auf die "Besonderheiten der Gütertrennung". Bei dieser Vorgeschichte stand die Klägerin seinerzeit nicht anders, als wenn sie sich entschlossen hätte, bei einer neutralen Bank Darlehen unter üblicher Besicherung mit Grundschuldbestellung an ihrem eigenen Grundstück mit Vollstreckungsunterwerfung in ihr privates Vermögen aufzunehmen und die Darlehensvaluta für Schulden des Unternehmens ihres Ehemannes zu investieren in der Hoffnung, dadurch das Unternehmen zu retten. Auch dann müsste sie, wenn dieses Ziel nicht erreicht wird und sie die Darlehensaufnahme bereut, den Gegenwert zurückzahlen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO i. V. m. Nr. 1956 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 11 GKG a. F..

Ende der Entscheidung

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