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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 28.11.2001
Aktenzeichen: 4 W 203/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 15 Abs. 3
WEG § 22 Abs. 1
Die Ausweitung einer Terrasse durch einen Wohnungseigentümer in das gemeinschaftliche Eigentum kann eine wesentliche Beeinträchtigung des Gebrauchsrechts anderer Wohnungseigentümer darstellen und deren Zustimmung bedürfen. Der in seinem Gebrauchsrecht wesentlich beeinträchtigte Wohnungseigentümer hat einen Anspruch auf Rückbau der Terrasse.
4 W 203/01

Beschluss

In der Wohnungseigentumsache betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft #######

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### am 28. November 2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner vom 31. Juli 2001 gegen den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 5. Juli 2001 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner tragen die Kosten dieses zweiten weiteren Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Der Beschwerdewert wird auf 7.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft #######in #######. Die Antragsgegner zu 1 bis 3 haben die Umrandungen ihrer Terrassen gärtnerisch und durch Ausbau gestaltet. Von den Terrassen führt jeweils eine Treppe in den im Gemeinschaftseigentum stehenden Garten.

Das Amtsgericht Winsen/Luhe hat mit Beschluss vom 12. November 1999 (Bl. 202 ff GA) die Antragsgegner zu 1 bis 3 verpflichtet, ihre über die obere Terrassenebene ihres Wohnungseigentums hinausgehenden und insoweit das Gemeinschaftseigentum in Anspruch nehmenden Anpflanzungen und Ausbauten zu beseitigen und die Treppenaufgänge auf eine Breite von 60 cm zurück zu bauen.

Mit Beschluss vom 29. Juni 2000 (Bl. 322 ff GA) hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg den Beschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 12. November 1999 insoweit aufgehoben, als die Antragsgegner zu 1 bis 3 zum Rückbau der Terrassenanpflanzungen und Treppenaufgänge verpflichtet worden sind.

Hiergegen legte der Vertreter der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 20. Juli 2000 (Bl. 353 f GA) sofortige weitere Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2000 hat der Senat auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner vom 20. Juli 2000 den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 29. Juni 2000 hinsichtlich der Terrassenanpflanzungen und Treppenaufgänge aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen (Bl. 369 ff GA).

Durch Beschluss vom 5. Juli 2001, den Antragsgegnern zugestellt am 18. Juli 2001 (Bl. 411 GA), hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen (Bl. 407 ff GA).

Hiergegen hat der Vertreter der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 31. Juli 2001 (Bl. 412 GA), eingegangen beim Oberlandesgericht Celle am 31. Juli 2001, sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 14. September 2001 (Bl. 428 ff GA) wurde die sofortige weitere Beschwerde begründet und der Antrag gestellt, den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 5. Juli 2001 abzuändern und den Beschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 12. November 1999 aufzuheben, soweit er die Beschwerdeführer zum Rückbau der Terrassenanpflanzungen und Treppenaufgänge verpflichtet.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 22. August 2001 beantragt, die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen (Bl. 427 GA) und ihren Antrag mit Schriftsatz vom 27. September 2001 begründet (Bl. 433 GA).

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29, 22 FGG zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses der Kammer vom 5. Juli 2001 durch den Senat hat jedoch Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer nicht ergeben.

1. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegner zu 1 bis 3 gemäß §§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG einen Anspruch auf den von ihr begehrten Rückbau der Terrassen.

Die Kammer hat zutreffend angenommen, dass es sich bei den von den Antragsgegnern zu 1 bis 3 vorgenommenen Anpflanzungen und Ausbauten an ihren Terrassen, soweit sie das Gemeinschaftseigentum in Anspruch nehmen, um eine bauliche Veränderung handelt, die gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 12. Oktober 2000 ausgeführt, dass die Errichtung von Terrassenumrandungen unter Ausdehnung auf die Gemeinschaftsflächen eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG darstellt, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instanzsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Die Aufschüttung und Anlage einer Terrasse im Bereich des Gemeinschaftseigentums stellt eine bauliche Veränderung dar, die gemäß § 22 Abs. 1 WEG über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht (OLGR Celle, 1996, 193; zur Ausdehnung von Terrassen in das Gemeinschaftseigentum vgl. auch BayObLG NJW-RR 1997, 971; BayObLG NZM 1999, 1009, OLG Zweibrücken, Wohnungseigentümer 1999, 151; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, OLGR Schleswig 2001, 301).

Entgegen der Ansicht der Antragsgegner war eine Zustimmung der Antragstellerin zur Vornahme dieser Maßnahmen auch nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG entbehrlich. Durch die von den Antragsgegnern zu 1 bis 3 vorgenommenen Veränderungen wurden die Rechte der Antragstellerin über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Dies hat die Kammer in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt.

Gemäß § 22 Abs. 1 WEG wird die Zustimmung eines Wohnungseigentümers zu einer Maßnahme, für die an sich Einstimmigkeit erforderlich wäre, für entbehrlich erklärt, wenn aus der Maßnahme für ihn kein Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeintliche Maß hinausgeht. Ein Wohnungseigentümer kann und darf hiervon aber nur Gebrauch machen, wenn er daran kein nachvollziehbares Interesse hat, weil die Maßnahme, die er verhindern will, ihn nicht oder nicht in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt, sodass stets zu prüfen ist, ob er beeinträchtigt ist (OLG Hamburg WE 1987, 161; dem folgend OLGR Celle 1996, 193). Unter einem beeinträchtigenden Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen, wobei für die Beurteilung, ob der Widersprechende beeinträchtigt ist, nicht auf seine subjektiven Empfindungen abzustellen ist, sondern darauf, ob nach der Verkehrsauffassung ein Wohnungseigentümer in der betreffenden Lage sich verständigerweise beeinträchtigt fühlen darf (BayObLG WE 1987, 165; dem folgend OLGR Celle 1996, 193).

Die Kammer hat zu den baulichen Veränderungen und Beeinträchtigungen der Antragstellerin, insbesondere durch den vom Vorsitzenden als beauftragten Richter am 22. Mai 2001 durchgeführten Ortstermin, ausreichende Tatsachenfeststellungen getroffen, aus denen sich eine rechtserhebliche Beeinträchtigung der Antragstellerin ergibt.

So hat die Kammer in ihrem Beschluss vom 5. Juli 2001 ausgeführt, nach der Ortsbesichtigung sei davon auszugehen, dass die baulichen Veränderungen, die durch den Ausbau der Terrassenanlagen vorgenommen worden seien, eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung darstellen. So rage die Terrasse des Beschwerdeführers ####### in den Durchgang zwischen der Hauswand des Hauses 4 c und der Grundstücksgrenze etwa 1,20 m hinein. Sie sei mit Formsteinen ausgebaut. Auf der anderen Seite der Reihenhauskette sei das Problem mit einer Abböschung gelöst worden. Der ursprüngliche Ausbau der Terrasse####### habe eine geringere Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums dargestellt, als der jetzige Ausbau. Weiter hat die Kammer festgestellt, dass nicht nur der Ausbau der Terrasse des Antragsgegners####### zum Durchgang hin, sondern auch die Ausbauten der Terrasse aller Antragsgegner zum Garten hin eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums darstellen, sodass die Ausbauten auch insoweit zu entfernen seien. Der ursprüngliche Ausbau sei der abgeböschten leicht abfallenden Grünanlage in Höhe der Wohnung ####### nahegekommen. Der sich jetzt daran anschließende durch Holzpalisaden oder Formsteine befestigte Ausbau der Terrassen ####### und ####### gehe über den ursprünglichen Ausbau hinaus. Weiter hat die Kammer ausgeführt, zwar ginge dieser Aufbau grenzmäßig nicht über das Ende der Abböschung in der Höhe der Wohnung #######hinaus. Die Abgrenzung mit Palisaden und Formsteinen rage jedoch insgesamt vier Meter in das Gemeinschaftseigentum hinein.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegner handelt es sich hierbei auch um eine nennenswerte Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums. Dies hat z.B. das BayObLG bei einer Vergrößerung der Terrasse um ca. 50 cm bis 60 cm verneint (BayObLG NJW-RR 1997, 971). Im vorliegenden Sachverhalt beträgt die Umgestaltung und somit die Beeinträchtigung jedoch ein Vielfaches. Nach den Feststellungen der Kammer ragen die Abgrenzungen mit Palisaden und Formsteinen vier Meter in das Gemeinschaftseigentum hinein. Der Ausbau der Terrasse des Antragsgegners ####### reicht in den Durchgang zur Grundstücksgrenze etwa 1,20 m hinein und nimmt demnach von diesem Durchgang 40 % in Anspruch. Zu einer anderen Entscheidung hätte man nur kommen können, wenn den Antragsgegnern die gärtnerische Nutzung in der Teilungserklärung überlassen worden wäre (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht OLGR Schleswig 2001, 301). Dies wurde von der Kammer jedoch nicht festgestellt und von den Antragsgegnern auch nicht behauptet.

An den festgestellten Beeinträchtigungen durch die Antragsgegner zu 1 bis 3 fehlt es auch nicht aufgrund des Hinweises in der Beschwerdebegründung vom 14. September 2001, im Ortstermin vom 22. Mai 2001 sei festgestellt worden, dass die Terrassen der Antragsgegner zu 1 bis 3 aus der Linie der übrigen Terrassenbereiche nicht heraustreten. Unstreitig nehmen die Anpflanzungen und Ausbauten das Gemeinschaftseigentum in Anspruch.

Die Antragsgegnerin hat nach alledem ein nachvollziehbares Interesse an der Beseitigung und darf sich verständigerweise durch die von den Antragsgegnern zu 1 bis 3 vorgenommenen Anpflanzungen und Ausbauten an den Terrassen beeinträchtigt fühlen. Durch die Maßnahmen wird ihr die tatsächliche Möglichkeit genommen, das Gemeinschaftseigentum, soweit es von den Veränderungen betroffen ist, zu betreten und zu benutzen. Gemäß § 13 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer, also auch die Antragstellerin, zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG berechtigt.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegner ist das Begehren der Antragstellerin, die Anpflanzungen und Ausbauten zu entfernen, wegen der tatsächlichen Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit auch nicht rechtsmissbräuchlich, zumal die Ausweitung der Terrassenanlagen nicht unerheblich gewesen ist.

2. Soweit die Antragsgegner in der Beschwerdebegründung an ihrer Auffassung festhalten, allein aufgrund des zeitlichen Ablaufs sei das Begehren der Antragstellerin rechtsmissbräuchlich, verbleibt es auch nach nochmaliger Überprüfung durch den Senat bei der bereits im Beschluss vom 12. Oktober 2000 vertretenen Ansicht. Der Senat weist die Antragsgegner erneut darauf hin, dass bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, dass die Antragsgegner sich nicht auf einen Bestandschutz berufen können, nachdem der Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 13. Juni 1996 über die Genehmigung von Terrassenausbauten vom Amtsgericht mit Beschluss vom 3. Dezember 1996 rechtskräftig für ungültig erklärt wurde.

III.

Da die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegenüber dem früheren Vorbringen keine nennenswerten weiteren Gesichtspunkte aufzeigt, Rechtsfehler in dem angefochtenen Beschluss der Kammer nicht vorliegen und den Antragsgegnern die Rechtsansicht des Senats bereits aus dem Beschluss vom 12. Oktober 2000 bekannt gewesen ist und die Kammer die seinerzeit noch fehlenden Tatsachenstellungen nachgeholt hat, erscheint es angemessen, nach § 47 Satz 2 WEG zu bestimmen, dass die außergerichtlichen Kosten dieses zweiten weiteren Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin durch die Antragsgegner zu erstatten sind.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes orientiert sich an der Festsetzung durch die Kammer, welche von den Beteiligten nicht beanstandet worden ist und gegen die auch sachliche Einwände nicht ersichtlich sind.

Ende der Entscheidung

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