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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 21.04.2008
Aktenzeichen: 4 W 216/07
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 3
WEG § 8
Der Vertrag über die Begründung des Wohnungseigentums entfaltet denselben verbindlichen Charakter wie die Teilungserklärung.
4 W 216/07

Beschluss

In der Wohnungseigentumssache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... am 21. April 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner vom 15. November 2007 wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 30. Oktober 2007 abgeändert.

Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen, soweit nicht der ihn zurückweisende Beschluss des Amtsgerichts Tostedt vom 8. Januar 2007 mangels Rechtsmittels der Antragstellerin gegen die zum Teil erfolgte Zurückweisung der sofortigen Beschwerde rechtskräftig ist.

Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Verfahrens in allen Instanzen. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt den teilweisen Rückbau des von den Antragsgegnern errichteten Wohnhauses.

Die Antragstellerin war zunächst Alleineigentümerin eines Flurstücks. Mit notariellem Kaufvertrag vom 11. August 2003 (UR-Nr. .../2003 des Notars G. H. in B.) veräußerte sie an die Antragsgegner zu je 1/2 einen aus diesem Flurstück noch herauszuvermessenden Miteigentumsanteil von 1.000/2.024. Gemäß § 14 dieses Vertrags war die beabsichtigte Aufteilung des herauszuvermessenden Flurstücks im Wohnungseigentum festgehalten. Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 2. Juni 2004 (UR-Nr. .../2004 des Rechtsanwalts C. D. als amtlich bestellten Vertreter des Notars G. H. in B.) begründeten die Beteiligten Wohnungs- und Teileigentum. Wegen der Einzelheiten dieser Erklärungen wird auf die zu den Akten gereichte Ablichtung Bl. 14 ff. (Anlage K 2) Bezug genommen. Als Anlage zu dieser Urkunde ist ein in Ziffer II. Nr. 6 in Bezug genommener Lageplan vorhanden. Das von den Antragsgegnern errichtete Einfamilienhaus hat eine Grundfläche von 133,71 m². Das Richtfest fand am 27. März 2004 statt.

Die Antragstellerin macht geltend, die Antragsgegner hätten ihr Wohnhaus auf einer Wohnfläche von maximal 123,46 m² errichten dürfen. Dies ergebe sich daraus, dass nach § 3 der Entwicklungs- und Abrundungssatzung der Gemeinde H. für ein Baugrundstück (welches gem. § 4 eine Mindestgröße von 2.000 m² haben musste) eine maximale Grundfläche von 250 m² festgesetzt sei. Auf das von den Antragsgegnern errichtete Einfamilienhaus entfalle demnach entsprechend deren Miteigentumsanteil von 1.000/2.024 eine Grundfläche von 123,46 m². Entsprechendes folge aus dem Kaufvertrag und der notariell beurkundeten Erklärung vom 2. Juni 2004.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht u. a. ausgeführt, die Antragstellerin könne keine Ansprüche aus dem Kaufvertrag vom 11. August 2003 herleiten, da dort Grenzen der Bebaubarkeit nicht bestimmt wären. Ein Verstoß gegen die Erklärung vom 2. Juni 2004 liege gleichfalls nicht vor. Eine Regelung dahin, dass die Wohnhausbebauung die anteilige bauliche Ausnutzung nicht überschreiten dürfe, sei aus den Verträgen - auch nicht im Wege der Auslegung - ersichtlich. Das Wohngebäude habe zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen bereits gestanden.

Das Landgericht hat auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und - nach Beweisaufnahme - die Antragsgegner dazu verpflichtet, ihr Wohnhaus nach Einholung einer entsprechenden Baugenehmigung so zurückzubauen, dass eine Grundfläche von 125 m² nicht überschritten werde. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, die Antragstellerin habe einen Beseitigungsanspruch aus § 1004 i. V. m. § 743 Abs. 2 BGB. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft habe zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes noch nicht bestanden. Den Antragsgegnern sei deutlich gewesen, dass sie lediglich ein Haus mit einer Grundfläche von 125 m² hätten errichten dürfen. Dies sei auch nicht durch eine spätere Einwilligung der Antragstellerin gerechtfertigt gewesen. Ein diesbezüglich den Antragsgegnern obliegender Beweis sei nicht geführt worden.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner. Zur Begründung der weiteren Beschwerde wird auf den Schriftsatz vom 14. Januar 2008 Bezug genommen.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ist gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG 27, 29 FGG statthaft und zulässig, insbesondere form und fristgerecht eingelegt worden (§§ 29 Abs. 1 und 4, 22 Abs. 1 FGG). Der Beschwerdewert gemäß § 45 WEG ist erreicht.

2. Die weitere Beschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin auf Vornahme eines Rückbaus. Wegen des weitergehenden Antrags (Rückbau auf 123,46 qm statt 125 qm und Zahlungsantrag) ist die sofortige Beschwerde der Antragstellerin schon vom Landgericht zurückgewiesen und der Beschluss des Amtsgerichts rechtskräftig.

Gemäß § 27 Abs. 1 FGG ist das Rechtsmittel im Verfahren der weiteren Beschwerde in der Hauptsache nur begründet, wenn das Beschwerdegericht eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet hat und dessen Entscheidung gerade auf einer derartigen Verletzung des Rechts i. S. v. §§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG, 546 ZPO n. F. beruht. Dies ist vorliegend der Fall.

Der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Rückbau durch die Antragsgegner weder aus § 1004 BGB noch aus einer anderen Vorschrift zu. Eine Beeinträchtigung i. S. einer Störung (z. B. einer Abweichung der Bauausführung von der Bauplanung, vgl. BayObLG NJW-RR 1986, 954, 955) liegt nicht vor. Zwar gewährt das Wohnungseigentumsrecht Ansprüche in den Fällen, in denen die Realität vom Aufteilungsplan abweicht, wobei dies sowohl bei dem durch einen Vertrag i. S. v. § 3 WEG als durch eine Teilungserklärung nach § 8 WEG begründetem Wohnungseigentum der Fall ist (vgl. Weitnauer-Briesemeister, WEG, 9. Aufl., § 3 Rn. 41 ff.. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 3 Rn 27. OLG Zweibrücken ZMR 2002, 469 - aus juris). Der Vertrag über die Begründung des Wohnungseigentums gem. § 3 WEG - der grundlegenden Vorschrift über die vertragliche Begründung des Wohnungseigentums (Bärmann/Pick/Merle, a. a. O., § 3 Rn 1) - entfaltet dabei nach Auffassung des Senats denselben verbindlichen Charakter wie die Teilungserklärung nach § 8 WEG (vgl. hierzu Senat OLGR 2007, 756. Senat OLGR 2005, 706), so dass es hier keiner Entscheidung bedarf, wie die Begründung des Wohnungseigentums i. e. vorgenommen wurde. Eine Abweichung im o. g. Sinne ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

Das von den Antragsgegnern errichtete Einfamilienhaus entspricht dem zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Vertrag über die Errichtung von Wohnungs- und Teileigentum vom 2. Juni 2004. Die Beteiligten haben als Miteigentümer unter Ziffer II. 6 der Teilungserklärung i. V. m. dem Lageplan, der als Anlage zur Teilungserklärung genommen worden ist, beurkundet, dass den Antragsgegnern das Sondereigentum an dem zu dieser Zeit unstreitig schon errichteten Wohnhaus mit einer aus dem Lageplan ersichtlichen Grundfläche von 13,73 x 9,73 m zukommen sollte. Diese Teilungserklärung entspricht dem Abbild in der Realität. Änderungen der Bauausführung sind von den Antragsgegnern in der Folgezeit nicht vorgenommen worden. jedenfalls behauptet die Antragstellerin derartiges nicht. Der Vertrag vom 2. Juni 2004 ist auch nicht abgeändert worden. Abweichungen von dieser für die Rechtsbeziehung der Beteiligten verbindlichen Regelung sowie des im Grundbuch dokumentierten Zustands sind nicht ersichtlich oder vorgetragen. Nur dann könnte die Antragstellerin von den Antragsgegnern jedoch einen Rückbau verlangen, um einen in Übereinstimmung mit dem gemäß § 3 WEG geschlossenen Vertrag bzw. dem Grundbuch stehenden Zustand zu erreichen. Vielmehr wird zunächst eine - notariell beurkundete - Änderung des Vertrags vom 2. Juni 2004 notwendig sein, um die Antragsgegner zu einem Rückbau verpflichten zu können. Ob die Antragstellerin auf eine solche Änderung einen Anspruch hat, ist jedoch im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

Es bedarf deshalb keiner Entscheidung dazu, ob sich aus dem Kaufvertrag oder den übrigen Regelungen im Wege der Auslegung - abgesehen von dem als Anlage beigefügten Lageplan sind keine konkreten Angaben über die Größe des Baugrundstücks der Antragsgegner vorhanden - eine Beschränkung der Grundfläche des von den Antragsgegner zu errichtenden bzw. schon errichtetes Haus ergibt. Entscheidend ist darauf abzustellen, dass mit dem gem. Ziffer II Nr. 6 als Anlage in Bezug genommenen Lageplan die genaue Größe der Grundfläche festgelegt ist und die Beteiligten diese als Bestandteil ihrer Erklärung zugrunde gelegt haben.

Es kommt aus den o.g. Gründen nicht darauf an, ob die Antragstellerin - was sie in Abrede nimmt - bei Unterzeichnung der Erklärung vom 2. Juni 2004 Kenntnis von der ihrer Auffassung nach abweichenden Bauausführung hatte, weswegen eine Auseinandersetzung mit der vom Landgericht vorgenommenen und von der Antragstellerin verteidigten Beweiswürdigung nicht erforderlich ist. Zu Unrecht meint die Antragstellerin, die Auslegung der Teilungserklärung richte sich nach dem "Empfängerhorizont". sie, die Antragstellerin habe immer wieder darauf hingewiesen, dass sie eine Überschreitung der Grundfläche nicht dulden werde (Seite 6 des Schriftsatzes vom 4. März 2008, Bl. 352 d. A.). Das steht nicht mit dem im WEG-Recht anerkannten Grundsatz in Einklang, dass die Teilungserklärung wegen ihrer grundlegenden Bedeutung für den dinglichen Inhalt des Rechts, welches sich im Verkehrsinteresse aus dem Grundbuch ergeben muss, nicht wie eine vertragliche Willenserklärung, sondern nach den für eine Grundbucheintragung anzuwendenden Grundsätzen auszulegen ist. Danach kommt es nicht auf den Willen des oder der Verfasser der Teilungserklärung an, sondern allein auf den Wortlaut und Sinn, wie er sich bei objektiver Betrachtung als nächstliegende Bedeutung ergibt (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 8, Rdnr. 26 m. w. N.).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG a. F. Der Senat hat von einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten entsprechend dem Regelfall des WEG-Verfahrens abgesehen, da die Vorinstanzen unterschiedliche, voneinander abweichende Auffassungen vertreten haben.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht - in Übereinstimmung mit dem vom Landgericht festgesetzten Wert - auf § 48 Abs. 3 WEG a. F.

Ende der Entscheidung

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