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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 12.02.2002
Aktenzeichen: 6 W 10/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
Telefongebühren sind auch für Gespräche zu entrichten, deren Inhalt "Telefonsex" war.
6 W 10/02

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde des Beklagten vom 11. Januar 2002 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 12. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### sowie die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### am 12. Februar 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die beabsichtigte Rechtsverteidigung des Beklagten hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die in den Rechnungen der Klägerin vom 14. Januar 1999 (Bl. 13 f. d. A.) und vom 12. Februar 1999 (Bl. 15 f. d. A.) abgerechneten 'Verbindungen zum Tele-Info-Service 0190x' zu einem Gesamtpreis von 10.287 DM (= 3.665,94 DM + 5.202,17 DM + 16 % Mehrwertsteuer) Telefonate mit den Anbietern von so genanntem 'Telefonsex' betrafen und ob solche Telefonsexverträge noch als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB anzusehen sind, nachdem § 1 Satz 1 des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetzes für den Fall, dass sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden sind, bestimmt, dass diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung begründet (vgl. BGH NJW 2002, Seite 361 bis 363 in Abgrenzung zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 1998, Seite 2895 bis 2897, die die Sittenwidrigkeit von Telefonsexverträgen noch bejaht hat). Denn gegen einen Netzbetreiber, der auf der Grundlage eines bestehenden (wertneutralen) Telefondienstvertrags einem Kunden für die Inanspruchnahme von Telefon- oder Sprachmehrwertdiensten (0190-Sondernummern) das nach der geltenden Preisliste ermittelte Entgelt in Rechnung stellt, kann der Kunde nicht einwenden, die in der Rechnung aufgeführten 0190-Sondernummern seien zu dem Zweck angewählt worden, (sittenwidrige) Telefonsex-Gespräche zu führen, was sich aus der besonderen Natur des Telefondienstvertrages und den dieses Vertragsverhältnis ausformenden Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes und des Teledienstgesetzes ergibt (BGH NJW 2002, Seite 361 bis 363). Die von der Klägerin als Netzbetreiberin für die Anwahl von 0190-Sondernummern in Rechnung gestellten Beträge beruhen auf dem zwischen den Parteien geschlossenen und wertneutralen Telefondienstvertrag über den ISDN-Telefonanschluss unter der Anschrift ####### in ####### mit der Rufnummer ####### (Anlage K 1, Bl. 12 d. A.) in Verbindung mit den jeweils geltenden Preislisten der Klägerin. Der Netzbetreiber hat keinen Einfluss darauf, welche Teilnehmer zu welchen Zwecken in telefonischen Kontakt treten. Der Inhalt der geführten Gespräche ist für ihn nicht kontrollierbar und geht ihn grundsätzlich nichts an. Daher stellt der zwischen einem Netzbetreiber und seinem Kunden geschlossene Telefondienstvertrag ein wertneutrales Hilfsgeschäft dar mit der Folge, dass sowohl die Wirksamkeit des Vertrags überhaupt als auch der Entgeltanspruch für die vertragsgegenständliche Telekommunikationsdienstleistung davon unberührt bleibt, ob ein Fernsprechteilnehmer die durch das Anwählen einer bestimmten Anschlussnummer hergestellte Fernsprechverbindung dazu benutzt, ein Telefongespräch mit sittenwidrigem Inhalt zu führen (BGH a. a. O.). Bei Inanspruchnahme der unter den 0190-Sondernummern angebotenen Telefon- und Sprachmehrwertdiensten sind mindestens zwei unterschiedliche Vertrags- und Rechtsverhältnisse zu unterscheiden: die die technische Seite des Vorgangs betreffende und im Rahmen des Telefondienstvertrags zu erbringende Dienstleistung des Telekommunikationsunternehmens und die die inhaltliche Seite des Vorgangs betreffende 'weitere Dienstleistung', z. B. die Erbringung von Telefonsex-Diensten. Bei dieser weiteren Dienstleistung handelt es sich um Teledienste im Sinne des Teledienstgesetzes. Daraus folgt, dass nach § 5 Abs. 1 und 3 TDG die Verantwortlichkeit für den Inhalt der angebotenen Dienste den Diensteanbieter, nicht aber daneben (auch) den den Zugang zur Nutzung vermittelnden Netzbetreiber trifft. Auch im Bereich der 0190-Sondernummern bleibt es dabei, dass sich der Netzbetreiber grundsätzlich nicht darum kümmern muss, wer zu welchen Zwecken und aus welchen Motiven seine Leistungen in Anspruch nimmt (BGH a. a. O.). Die Wertneutralität der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kunden und dem jeweiligen Netzbetreiber decken auch den für 0190-Sondernummern berechneten Gesamtpreis ab. Die Höhe des für die Inanspruchnahme von Mehrwertdiensten zu zahlenden Entgelts, das nicht nur die wertneutralen Verbindungspreise, sondern auch die Vergütung des Diensteanbieters umfasst, ergibt sich aus der angewählten Untergasse (z. B. 01901 oder 01902 usw.) in Verbindung mit der allgemein bekannt gemachten Preisliste der #######, wobei an der Erbringung dieser Dienste zwar nicht notwendig, aber typischerweise eine Mehrzahl von Unternehmen beteiligt ist (Teilnehmernetzbetreiber, Verbindungsnetzbetreiber, Plattformbetreiber, Diensteerbringer), so dass es die 'Funktionsfähigkeit des Massengeschäfts Mehrwertdienste' erfordert, nicht auf jeder Abrechnungsstufe getrennt zu prüfen, wie hoch der Vergütungsanteil für die jeweilige Telekommunikationsdienstleistung ist und ob er ggf. von dem auf der letzten Stufe durchgreifenden Sittenwidrigkeitsverdikt erfasst wird (BGH a. a. O.). Dadurch, dass es dem Vertragspartner des Netzbetreibers verwehrt ist, sich auf die Sittenwidrigkeit in Rechnung gestellter Telefonsex-Dienste zu berufen, werden schützenswerte Belange derjenigen, die derartige Dienste in Anspruch nehmen, nicht verletzt. Ob und mit welcher Intensität sexualbezogene Gespräche geführt werden, unterliegt allein der freien, vom Netzbetreiber nicht beeinflussbaren und nicht kontrollierbaren individuellen Entscheidung des Anrufers, der zudem zuverlässiger als jeder andere die Beschaffenheit der nachgefragten Dienstleistung beurteilen kann (BGH a. a. O.).

Ende der Entscheidung

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