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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 08.07.2003
Aktenzeichen: 6 W 63/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2346
Nach dem Erbfall kann ein Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs nicht mehr angefochten werden.
6 W 63/03

Beschluss

In der Nachlasssache betreffend die Erteilung eines Erbscheins nach dem am 3. September 2002 verstorbenen #######, zuletzt wohnhaft gewesen in #######,

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4) vom 19. Juni 2003 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 26. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 8. Juli 2003 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 53.333,33 EUR.

Der Beschwerdewert im Beschluss des Landgerichts wird in je 53.333,33 EUR geändert.

Gründe:

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1 S. 1, § 29 Abs. 1 S. 2 FGG), in der Sache jedoch unbegründet.

1.

Allerdings kann die weitere Beschwerde nicht mehr mit dem Ziel der Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts vom 26. Mai 2003 sowie der Aufrechterhaltung des den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) - 3) zurückweisenden Beschlusses des Amtsgerichts Sulingen vom 14. März 2003 sowie des der Beteiligten zu 4) erteilten Erbscheins, der sie als Erbin zu 1/2 und die Beteiligten zu 1) - 3) als Erbinnen zu je 1/6 ausweist, weiter verfolgt werden. Nach dem Erlass der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts hat das Amtsgericht nämlich am 13. Juni 2003 einen Erbschein erteilt, der die Beteiligten zu 1) - 3) antragsgemäß als Erbinnen zu je 1/3 des Erblassers Paul Karasch ausweist. Entsprechend hat es im Verfahren VI 101/02 den der Beteiligten zu 4) erteilten Erbschein mit Beschluss vom 13. Juni 2003 als unrichtig eingezogen.

Mit der antragsgemäßen Erteilung des Erbscheins an die Beteiligten zu 1) - 3) ist das auf Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts gerichtete Erbscheinsverfahren gegenstandslos geworden und damit die weitere Beschwerde unzulässig.

Allerdings ist es in derartigen Fällen zulässig und zur Vermeidung eines weiteren Verfahrens aus prozessökonomischen Gründen auch sachgerecht, den im Verfahren der weiteren Beschwerde gestellten Antrag auf Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts und Aufrechterhaltung des Beschlusses des Amtsgerichts in einen Antrag auf Einziehung des erteilten Erbscheins umzudeuten (vgl. Beschluss des Senats vom 13. Dezember 2002 - 6 W 143/02 -, in: FamRZ 2003, 787, 788 = Nds.Rpfl. 2003, 171, 172 für den Fall einer weiteren Beschwerde gegen einen Vorbescheid, wenn während des Beschwerdeverfahrens der Erbschein entsprechend dem Vorbescheid erteilt wird). Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind Anträge der Beteiligten grundsätzlich so auszulegen, dass sie dem verfolgten Rechtsschutzziel entsprechen. Ging das Begehren der Beteiligten zu 4) bereits auf Zurückweisung des von den Beteiligten zu 1) - 3) gestellten Erbscheinsantrags, so hat sie erst recht ein Interesse daran, dass ein gleichwohl erteilter Erbschein wieder eingezogen wird.

2.

Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i. V. m. § 546 ZPO) davon ausgegangen, dass die Beteiligten zu 1) - 3) gem. § 1924 Abs. 1, 3 und 4 BGB Erbinnen zu je 1/3 des Erblassers ####### geworden sind. Die Beteiligte zu 4) ist demgegenüber von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, da sie durch den notariellen Vertrag vom 10. Januar 1985 auf ihr Erbrecht verzichtet hat (§ 2346 Abs. 1 S. 1, 1. Halbsatz BGB).

a)

Ohne Erfolg rügt die Beteiligte zu 4) demgegenüber, sie habe nur auf ihr Pflichtteils-, nicht dagegen auf ihr Erbrecht verzichtet. Zu Recht hat demgegenüber das Landgericht darauf hingewiesen, dass der Vertrag vom 10. Januar 1985 nach seinem unmißverständlichen Wortlaut einen Erbverzicht enthält. So ist er bereits ausdrücklich als "Erbverzichtsvertrag" bezeichnet. Ferner heißt es in Nr. 1 des Vertrages, dass die Eheleute ####### und ####### sich verpflichten, der Beteiligten zu 4) "zur endgültigen Abfindung ihrer Nachlaßansprüche" einen Betrag von 20.000,- DM zu zahlen. Weiter ist in Nr. 2 des Vertrages bestimmt, dass die Beteiligte zu 4) sich mit der Zahlung der 20.000,- DM "für insgesamt abgefunden" erklärt sowie "gleichzeitig und ausdrücklich auf ihre künftigen Erbteils- und Pflichtteilsansprüche gegenüber ihren beiden Eltern" verzichtet.

Schließlich ist im Vertrag ausdrücklich festgehalten, dass der Notar die Beteiligte zu 4) darauf hingewiesen hat, dass sie mit diesem Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge nach ihren Eltern ausgeschlossen ist. Anhaltspunkte dafür, dass entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Vertrages die Beteiligte zu 4) nur auf ihren Pflichtteil, nicht dagegen auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtet hat, sind demgegenüber nicht ersichtlich.

In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landgericht ferner darauf abgestellt, dass auch die Eheleute ####### in ihrem gemeinschaftlichem Testament vom 8. Mai 1985 von einem derartigen Erbverzicht ausgegangen sind, wie es dort tatsächlich heißt, die Beteiligte zu 4) habe in dem Vertrag vom 10. Januar 1985 auf ihre Erb- und Pflichtteilsrechte verzichtet und sei abgefunden. Entsprechend haben die Eheleute in § 2 des Testamentes bestimmt, dass ihre Tochter #######, die am 24. Januar 1997 verstorbene Mutter der Beteiligten zu 1) - 3), nur den Pflichtteil bekommen und insoweit die Erben mit einem Vermächtnis von 20.000,- DM zugunsten der Tochter ####### belastet werden sollen. Dieses Vermächtnis sollte dem Betrag entsprechen, den auch die Beteiligte zu 4) bereits abfindungshalber erhalten hatte. Entsprechend hatten der Erblasser und seine Ehefrau auch am 6. Februar 1989 einen Erbverzichtsvertrag mit ihrer Tochter ####### geschlossen, der allerdings wegen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen notariellen Form gem. § 2348 BGB keine Wirkung entfalten konnte.

b)

Ohne Erfolg rügt die Beteiligte zu 4) ferner, jedenfalls habe kein Verzicht auf Erb- und Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des letztlebenden Elternteils, sondern nur nach dem Tod des Erstversterbenden erklärt werden sollen. Auch einer solchen Auslegung steht der unmißverständliche Wortlaut des Erbverzichtsvertrages vom 10. Januar 1985 entgegen. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass die Beteiligte zu 4) auf ihre Erb- und Pflichtteilsansprüche "gegenüber ihren beiden Eltern" verzichtet und der Notar darauf hingewiesen hat, dass die Beteiligte zu 4) durch den Erbverzicht "von der gesetzlichen Erbfolge nach ihren Eltern" ausgeschlossen ist. Anhaltspunkte für einen Verzicht nur nach dem Tod des Erstversterbenden sind demgegenüber nicht vorhanden.

Mit Recht weist das Landgericht auch darauf hin, dass dem nicht die Regelung in § 5 des Testamentes entgegensteht. Dort haben der Erblasser und seine Ehefrau ausdrücklich "lediglich für den Fall unseres gemeinsamen Todes" bestimmt, dass ihre beiden Töchter ####### und ####### sowie ihre vier Enkelkinder, die Beteiligten zu 1) - 3) sowie der Sohn ####### ihrer Tochter #######, je zu 1/6 erben sollen. Für den Fall des Nacheinanderversterbens haben die Eheleute demgegenüber in § 1 des Testamentes nur eine gegenseitige Erbeinsetzung vorgenommen und die Einsetzung des Schlusserben ausdrücklich dem Längstlebenden überlassen. Da der Erblasser indessen keine weitere Verfügung von Todes wegen getroffen hat, trat nach seinem Tod die gesetzliche Erbfolge unter Ausschluss der Beteiligten zu 4) und gem. § 2349 BGB auch ihres Sohnes ####### ein.

Dabei spielt es auch keine Rolle, dass der von der Beteiligten zu 4) erklärte Erbverzicht zu einer Erhöhung des Pflichtteils der Tochter ####### führen konnte. Soweit es in einem früheren Testamentsentwurf des Notars in dessen § 3 heißt, dem Erblasser und seiner Ehefrau sei nach einem Hinweis des Notars bewußt, dass der Erbverzicht der Beteiligten zu 4) bei der Berechnung des Pflichtteils der Tochter ####### außer Betracht bleibe, sich deren Pflichtteil also nicht erhöhe, beruht dies auf einer Verkennung von § 2310 S. 2 BGB, wonach bei der Feststellung des für den Pflichtteil maßgebenden Erbteils der durch Erbverzicht von der Erbfolge Ausgeschlossene nicht mitgezählt wird. Tatsächlich ist diese noch im Entwurf des Testamentes enthaltene Regelung auch in das später beurkundete notarielle Testament nicht übernommen worden. An dem bereits zeitlich vorangegangenen umfassenden Erbverzicht der Beteiligten zu 4) nach ihren Eltern vermag ein derartiger in einem bloßen Testamentsentwurf enthaltener mißverständlicher Passus ohnehin nichts mehr zu ändern.

c)

Die Beteiligte zu 4) hat ihren Erbverzicht schließlich auch nicht wirksam angefochten. Zwar war die Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen, als die Beteiligte zu 4) mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2002 die Anfechtung erklärte. Die maßgebende Frist von 10 Jahren gem. § 121 Abs. 2 BGB n.F. begann gem. Art. 229 § 6 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 EGBGB nämlich erst am 1. Januar 2002 neu zu laufen, da sie kürzer ist als die dreißigjährige Frist des § 121 Abs. 2 BGB a.F. und diese am 31. Dezember 2001 noch nicht abgelaufen war.

Indessen scheidet eine Anfechtung des Erbverzichts nach dem Eintritt des Erbfalles aus (OLG Koblenz NJW-RR 1993, 708, 709; OLG Schleswig ZEV 1998, 28, 30; Pentz MDR 1999, 785, 786; Palandt - Edenhofer, BGB, 62. Aufl., Überbl. v.§ 2346 Rdnr. 7; offen gelassen von BGH NJW 1999, 789; a.A. Mankowski ZEV 1998, 33). Dies ergibt sich aus dem Gedanken der Rechtssicherheit, der es gebietet, die mit dem Erbfall eintretenden erbrechtlichen Folgen, die auch Interessen Dritter, etwa von Nachlaßgläubigern, berühren, nicht nachträglich zu beseitigen. Die Erbfolge muss mit dem Tod des Erblassers feststehen und darf nicht noch nach beliebig langer Zeit, begrenzt nur durch die Fristen der §§ 121, 124 BGB, wieder umgestoßen werden (so auch BGH, a.a.O., für die Frage, ob die Wirkungen eines Erbverzichts wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage entfallen können). Dem steht auch nicht entgegen, dass gem. §§ 2078, 2079 BGB eine Anfechtung letztwilliger Verfügungen des Erblassers möglich ist. In diesen Fällen geht es lediglich darum, dem wahren Willen des Erblassers zum Erfolg zu verhelfen, während die Frage der Anfechtung eines Erbverzichts nach dem Erbfall lediglich die Interessen des verzichtenden Erben berührt. Diese müssen indessen hinter dem Gebot der Rechtssicherheit zurückstehen.

Hinzu kommt vorliegend, dass für einen Irrtum der Beteiligten zu 4) darüber, dass der Verzicht sich nur auf ihre Pflichtteils-, nicht dagegen auf ihre Erbansprüche bezieht, ohnehin keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Aus dem Verzichtsvertrag ergibt sich vielmehr eindeutig, dass der Notar die Beteiligte zu 4) auf ihren Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge nach ihren Eltern hingewiesen hat.

Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht. Die Pflicht, die Gerichtskosten zu tragen, folgt aus Gesetz. Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht anzuordnen, weil kein im entgegengesetzten Sinne Beteiligter sich dem Senat gegenüber am Verfahren der weiteren Beschwerde beteiligt hat.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes richtet sich nach § 30 Abs. 1, § 131 Abs. 1 S. 2, § 131 Abs. 2 KostO. Ausweislich des von der Beteiligten zu 4 in ihrem Erbscheinsantrag angegebenen Nachlasswertes von 160.000 EUR und der von ihr angestrebten hälftigen Beteiligung ergibt sich ein Wert von 80.000 EUR, von dem mit Rücksicht auf die eingeschränkte Funktion des Erbscheins als bloßes Legitimationspapier ein Abzug von 1/3 vorzunehmen ist, sodass der Beschwerdewert sich auf 53.333,33 EUR beläuft. Entsprechend ist auch die Wertfestsetzung im angefochtenen Beschluss abzuändern, weil für jeden der Beschwerdeführer der auf ihn entfallende Teilwert maßgeblich ist.

Ende der Entscheidung

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