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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 10.10.2007
Aktenzeichen: 7 U 54/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1
Für einen eventuellen Anspruch auf Rückzahlung eines Brautgeldes ist grundsätzlich nicht der Onkel, sondern der Vater der Braut als richtiger Anspruchsgegner anzusehen.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

7 U 54/07

Verkündet am 10. Oktober 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 8. März 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt die Rückzahlung von 45.000 EUR, die im Frühjahr 2003 unstreitig dem Beklagten oder seinen Familienmitgliedern übergeben worden sind, und zwar im Zusammenhang mit der Beziehung und beabsichtigten Eheschließung zwischen dem Sohn des Klägers Z. E. und der Nichte des Beklagten, J. K.

Die Parteien sind Kurden. Sie und ihre Familien gehören der Glaubensgemeinschaft der Yeziden an. Unter kurdischen Yeziden ist weitgehend die Sitte verbreitet, dass der Vater des Bräutigams an die Familie der Braut ein sog. Brautgeld zahlt.

Zwischen den Familien des Klägers einerseits und des Bruders der Beklagten andererseits herrschten Spannungen, die darauf zurückgingen, dass die Nichte des Beklagten, J. K., damals erst 17 Jahre alt, gemeinsam mit dem damals zweiunddreißigjährigen Sohn des Klägers und ohne Absprache mit den Eltern auf die Insel B. "geflohen" war.

Der Kläger behauptet, von der Familie des Beklagten und seines Bruders (Vater von J.) sei es daraufhin zu Vorwürfen gekommen, der Sohn des Klägers habe J. "weggebracht". Es soll auch Drohungen gegeben haben und die Forderung, einen Betrag von 120.000 EUR zu zahlen. Man habe dann miteinander verhandelt und sich auf einen Betrag von 45.000 EUR geeinigt, welcher in zwei Teilbeträgen von 38.000 EUR und weiteren 7.000 EUR dem Beklagten übergeben worden seien.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zahlung dieses Betrages sei ohne Rechtsgrund erfolgt, sodass eine Rückzahlungspflicht nach § 812 Abs. 1 BGB bestehe. Er, der Kläger, sei zu der Zahlung erpresst worden.

Ein insoweit von der Staatsanwaltschaft Lüneburg eingeleitetes und geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der räuberischen Erpressung und Bedrohung hatte zunächst zu einer entsprechenden Anklage und Durchführung einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht - Schöffengericht - Celle geführt. Dieses Verfahren ist inzwischen beendet. Die dort angeklagten Mitglieder der Familie des Beklagten sind rechtskräftig freigesprochen worden, weil es nicht gelungen ist, den Sachverhalt im Einzelnen aufzuklären.

Der Beklagte hat bestritten, dass das Geld an ihn persönlich geleistet worden und er deshalb passivlegitimiert sei. Es habe sich um Brautgeld gehandelt, welches an den Vater der Braut gezahlt werde. Das Geld sei vom Kläger freiwillig gezahlt worden, nachdem die Höhe, wie unter den Yeziden üblich, vorher unter den Familien ausgehandelt worden sei. Unter den gegebenen Umständen sei das hier bezahlte Brautgeld von 45.000 EUR auch angemessen und nicht unüblich hoch gewesen.

Das Landgericht, auf dessen Urteil zur näheren Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift. Das Landgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und im Ergebnis zu Unrecht eine Bedrohung und Erpressung verneint.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 8. März 2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 45.000 EUR nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil des Landgerichts und bestreitet nochmals seine Passivlegitimation. Das Geld sei nicht an ihn persönlich gezahlt worden. Er vertritt im Übrigen die Auffassung, dass die Zahlung von Brautgeld, worum es sich hier gehandelt habe, nicht gegen die guten Sitten verstoße.

Der Senat hatte zunächst die Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO erwogen. Insoweit wird auf den Hinweisbeschluss vom 10. Mai 2007 Bezug genommen (Bl. 217 ff. d. A.).

Der Senat hat dann jedoch von einer Verfahrensweise nach § 522 Abs. 2 ZPO wieder Abstand genommen, um die eventuelle Sittenwidrigkeit einer Brautgeldzahlung, die ebenfalls einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auslösen könnte, zu prüfen. Insoweit wird auf den weiteren Senatsbeschluss vom 15. Mai 2007 verwiesen (Bl. 221 ff. d. A.).

Der Senat hat ergänzende Feststellungen durch Anhörung der Parteien getroffen. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. September 2007 Bezug genommen (Bl. 260 f. d. A.).

II.

Die Berufung des Klägers erweist sich letztlich als unbegründet.

1. Aus den Gründen des Hinweisbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO bleibt der Berufungsangriff, der sich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet, ohne Erfolg. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dortigen Erwägungen Bezug genommen. Ergänzend wird, wie in der mündlichen Verhandlung bereits erörtert, klargestellt, dass der Senat die im Hinweisbeschluss auf Seite 2 im letzten Absatz unter Bezug genomme Würdigung des Landgerichts (Seite 4, letzter Absatz, Seite 5, erster Absatz des angefochtenen Urteils) für überzeugend hält und ihr deshalb beitritt.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rückzahlung der 45.000 EUR aus dem Gesichtpunkt der Sittenwidrigkeit der Hingabe dieses Geldbetrages als Brautgeld. Denn selbst wenn, wie vom Senat im Hinweisbeschluss vom 15. Mai 2007 erwogen, die Sittenwidrigkeit einer Brautgeldzahlung (jedenfalls in der hier gegebenen Höhe) und daraus resultierend ein Rückzahlungsanspruch aus dem Gesichtpunkt der ungerechtfertigten Bereicherung bejaht würde, fehlte es aber an der Passivlegitimation des Beklagten.

Für einen gegen den Beklagten gerichteten Rückzahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung würde es nämlich an einer tatsächlichen Bereicherung des Beklagten fehlen. Inhalt des Anspruchs aus § 812 BGB ist, dass der Benachteiligte vom Bereicherten Herausgabe des Erlangten verlangen kann (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 812, Rn. 101). Das setzt beim Begünstigten einen Vorteil voraus, der sein Vermögen zweckgerichtet vermehrt hat (BGH NJW 1995, Seite 53, Rn. 12, zit. n. Juris; ebenso Palandt, a.a.O., Rn. 16).

Leistungsempfänger ist derjenige, dessen Vermögen durch die Zuwendung gemäß der Zweckbestimmung vermehrt werden soll (Palandt a. a. O., § 812 Rdnr. 42a), wobei maßgeblich auf den Empfängerhorizont abzustellen ist (Palandt a. a. O., § 812 Rdnr. 41).

An einem solchen Leistungsempfang des Beklagten würde es hier - unabhängig von dem Umstand, dass der Beklagte (Onkel der Braut) einer der Verhandlungsführer und unmittelbarer Empfänger des Bargeldbetrags wollte - fehlen, wenn man von einem Brautgeld ausgehen will. Denn dieses ist nach der Darstellung des Beklagten für den Vater der Braut bestimmt, ist also eine zweckgerichtete Zuwendung an diesen. Dem hat der Kläger nicht widersprochen, sondern im Gegenteil unstreitig gestellt, wenn Brautgeld tatsächlich als solches gezahlt werde, übergebe in der Regel der Vater des Bräutigams dem Vater der Braut das Brautgeld (Bl. 95 d. A.). Der Beklagte als Verhandlungsführer und unmittelbarer Geldempfänger wäre dann nur für den Brautvater als Gehilfe und in Bezug auf das Geld als Empfangsbevollmächtigter tätig geworden.

Insoweit ist die Sachlage eine andere, als bei der vom Kläger behaupteten, jedoch nicht bewiesenen Erpressung. Würde man eine Erpressung bejahen, würde der Beklagte als tatsächlich Handelnder (auch) zivilrechtlich in der Verantwortung stehen. Ist die Erpressung oder die Bezahlung eines Strafgeldes indes nicht nachgewiesen, bleibt nur, wie vom Beklagten behauptet, die Zahlung von Brautgeld. Insoweit kommt es aber nicht darauf an, wer für den "Familienclan" der Braut die Verhandlungen geführt und als Erster, Zweiter oder Dritter einen übergebenen Bargeldbetrag entgegen genommen hat, sondern Verpflichteter eines Rückzahlungsanspruchs kann nur derjenige sein, der das Geld bestimmungsgemäß letztendlich erhalten sollte und erhalten hat. Insoweit ist aber nicht dargetan oder sonst ersichtlich, inwiefern dies der Beklagte als Onkel der Braut sein sollte. So hat der Kläger nicht etwa behauptet, entweder im allgemeinen oder jedenfalls im vorliegenden Fall sei der Beklagte als Onkel derjenige, dem das Geld zugewendet werden sollte. Vielmehr hat der Kläger, wie dargelegt, bestätigt, dass ein Brautgeld an den Brautvater geleistet wird. Auch der Zeuge E. A., ein Geistlicher (Fakir) der Yeziden, hat insoweit bekundet:

"Normalerweise wird das Brautgeld letztlich an den Vater weitergegeben. Es kann üblich sein, dass das Geld zunächst bei der Übergabe an einen Onkel oder eine andere angesehene Person aus der Familie übergeben wird. . . . Für mich war bei der Übergabe klar, dass Empfänger des Brautgeldes letztlich der Vater der Braut sein sollte" (Bl. 68 d. A.).

Deshalb geht der Senat davon aus, dass auch der Kläger den Anspruch gegen den Vater der Braut und nicht gegen den Beklagten gerichtet hätte, hätte er die Zurückzahlung von Brautgeld verlangt. Dieser Gesichtspunkt ist indes erst durch die erkennenden Gerichte eingeführt worden (vgl. Ziffer 3. des Schriftsatzes des Beklagten vom 04.12.2003; Bl. 88 d. A. sowie den zitierten Hinweisbeschluss des Senats vom 15. Mai 2007; Bl. 221 ff. d. A.). Nach dem eigentlichen Inhalt seiner Klage und auch der Berufung verlangt er jedoch ein vom Beklagten persönlich erpresstes Strafgeld zurück, nicht aber ein an die Brautfamilie nach dem yezidischen Brauchtum geflossenes Brautgeld. Dementsprechend behauptet er auch nicht, dass das Geld als Brautgeld aus irgendwelchen Gründen hier dem Beklagten und nicht dem Brautvater zugeflossen sei, etwa weil dieser als "Sippenchef" oder Familienoberhaupt höher gestellt sei oder ähnliches. Im Gegenteil versucht er - nach Durchführung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme - gerade aus der von Zeugen bestätigten Geldübergabe an den Beklagten zu folgern, dass es sich nicht um Brautgeld gehandelt haben kann, weil ein Brautgeld als solches eben nicht an einen Onkel, sondern an den Vater der Braut gezahlt wird (Bl. 94 f. d. A.). Aus dem eigenen Vortrag des Klägers ergibt sich danach eine Alternativität zwischen erpresstem Geld, das der Beklagte bekommen hat und einem dem Brauchtum entsprechendes Brautgeld, das dem Brautvater oder jedenfalls unmittelbar der Brautfamilie zusteht, mit der Folge, dass der Beklagte nicht Empfänger und damit Rückzahlungsverpflichteter einer eventuellen Brautgeldzahlung sein kann. Das vom Senat erwogene Ergebnis, eine Erpressung durch den Beklagten als nicht bewiesen anzusehen, aber von einem an ihn, den Beklagten geleisteten und der Leistungskondiktion unterliegenden Brautgeld auszugehen, ist daher im Ergebnis nicht haltbar, sodass die gegen den Beklagten gerichtete Rückzahlungsklage und damit die Berufung ohne Erfolg bleiben muss.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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