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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 8 U 16/04
Rechtsgebiete: VVG, ARB 75/95


Vorschriften:

VVG § 158 l
ARB 75/95 § 4
ARB 75/95 § 25
1. Die Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter an einer Publikums-Aktiengesellschaft zwecks Aufbaus einer Altersvorsorge durch die Zahlung eines Einmalbetrages sowie weiterer monatlicher Raten stellt im Rahmen der Rechtsschutzversicherung keine unter den Risikoausschluss für selbständige Tätigkeit gem. § 25 ARB 75/95 fallende Tätigkeit dar, wenn es sich um die bloße Verwaltung privaten Vermögens handelt und der atypisch stille Gesellschafter auch keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben kann.

2. Die atypisch stille Gesellschaft ist keine Handelsgesellschaft, so dass der Risikoausschluss für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften nach § 4 Abs. 1c) ARB 75/95 nicht eingreift.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

8 U 16/04

Verkündet am 29. Juli 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. Dezember 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO analog) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Den Klägern steht ein Anspruch auf Gewährung von Kostenschutz zur Durchsetzung ihrer Kündigungsansprüche gegenüber der S. AG aus der mit der Beklagten geschlossenen Rechtsschutzversicherung gem. § 1 Abs. 1 S. 1, § 158 l Abs. 1 S. 1 VVG i. V. m. § 1 der dem Vertrag zugrundeliegenden ARB 1975/95 zu.

1. Zunächst ist auch der Kläger zu 1 berechtigt, Versicherungsansprüche gegenüber der Beklagten im eigenen Namen prozessual geltend zu machen. Da der Versicherungsfall gem. § 14 Abs. III ARB nach dem Vorbringen der Kläger bereits im Jahr 2001 erfolgte, ist maßgebend für den Versicherungsschutz der mit Wirkung zum 11. November 1994 geschlossene Vertrag. Dieser sieht einen pauschalen Rechtsschutz für Gewerbe und freie Berufe gem. §§ 21, 24, 25, 29 ARB vor und weist ausweislich des Versicherungsscheins nur die Klägerin zu 2 als Versicherungsnehmerin auf. Der Kläger zu 1 als Ehegatte der Klägerin zu 2 ist hier nur mitversicherte Person gem. § 25 Abs. 1 S. 1 ARB.

Gem. § 75 Abs. 2 VVG kann der Versicherte ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers über seine Rechte nur verfügen und diese nur gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist. Hier hat die Klägerin zu 2 zwar mit Erklärung vom 1. September 2003 der selbständigen Geltendmachung von Ansprüchen durch den Kläger zu 1 im Rahmen des Versicherungsvertrages ausdrücklich zugestimmt. Indessen enthält § 11 Abs. 2 S. 1 ARB 75 eine den § 75 Abs. 2 VVG modifizierende Regelung. Hiernach steht die Ausübung der Rechte des Versicherungsnehmers und der mitversicherten Person aus dem Versicherungsvertrag, sofern nicht - wie hier nicht - etwas anderes vereinbart ist, ausschließlich dem Versicherungsnehmer zu. Der Versicherer ist lediglich berechtigt, grundsätzlich aber nicht verpflichtet, den mitversicherten Personen Versicherungsschutz zu gewähren, solange der Versicherungsnehmer nicht widerspricht.

Allerdings kann der Versicherer sich auf § 11 Abs. 2 ARB im Einzelfall nicht berufen, wenn dies gegen Treu und Glauben verstößt. Dies wurde etwa angenommen, wenn der Versicherungsnehmer den Anspruch gegen den Versicherer aufgibt bzw. erkennbar nicht weiterverfolgen will (BGH VersR 1964, 709; OLG Schleswig ZfS 1986, 113; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 11 ARB 75 Rdnr. 1; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl., § 11 ARB Rdnr. 19) oder wenn der Versicherer bereits vorprozessual mit dem Versicherer verhandelt hat und der Versicherungsnehmer einer direkten Regulierung nicht widerspricht, selbst aber auch nicht klagen will (OLG Karlsruhe VersR 1995, 1352; Harbauer, a. a. O.).

Zwar liegt eine derartige Fallkonstellation hier nicht vor, da die Klägerin zu 2 als Versicherungsnehmerin ihre Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag selbst weiter verfolgt, für den Kläger zu 1 als Mitversicherten mithin auch nicht die Gefahr eines Verlustes seiner Rechte aus § 75 Abs. 1 VVG droht. Gleichwohl kann die Beklagte sich nach Treu und Glauben nicht auf die fehlende Aktivlegitimation des Klägers zu 1 berufen. Durch die Regelung in § 74 Abs. 2 VVG sowie verschärft durch § 11 Abs. 2 ARB soll mit der dadurch herbeigeführten Spaltung von materieller Rechtsinhaberschaft und formellem Verfügungsrecht das Interesse des Versicherers anerkannt werden, zugunsten der Rechtssicherheit sowie einer kostensparenden Abwicklung des Versicherungsfalles nur mit einer Person, nämlich dem Versicherungsnehmer, verhandeln zu müssen. Ferner soll ein kollusives Zusammenwirken von Versicherungsnehmer und mitversicherter Person dergestalt verhindert werden, dass ein Dritter Versicherungsansprüche geltend macht und der Versicherungsnehmer dann ggf. als Zeuge auftritt (BGH VersR 1983, 823; Harbauer, a. a. O., Rdnr. 18; Prölss/Martin, § 75 Rdnr. 1).

Derartige schutzwürdige Interessen der Beklagten sind hier indessen nicht ersichtlich. Es geht nicht darum, dass sie im Schadensfall mit einer Vielzahl ihr unbekannter Personen das Vertragsverhältnis abwickeln müsste, statt sich alleine mit der Klägerin zu 2 als ihrer Versicherungsnehmerin auseinandersetzen zu müssen. Als versicherte Person, für die aus dem konkreten Schadensfall weitere Rechte neben der Klägerin zu 2 in Betracht kommen können, gibt es nur den Kläger zu 1. Auch sonst sind der Beklagten hier die für die Beurteilung des Versicherungsanspruchs wesentlichen Umstände bereits aus ihrem Verhältnis mit der Klägerin zu 2 als Versicherungsnehmerin bekannt. Es geht um ein und denselben Sachverhalt, ohne dass sich inhaltliche Unterschiede ergäben. Sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich haben die Kläger ihre Ansprüche jeweils gemeinsam durch einen Rechtsanwalt geltend gemacht. Die Beklagte hat auch in ihrem letzten außergerichtlichen Schreiben vom 17. Februar 2003 die von beiden Klägern erhobenen Ansprüche rein aus materiellen Gründen abgelehnt, ohne sich auf die fehlende Aktivlegitimation des Klägers zu 1 zu berufen. Die Gefahr einer Verschiebung von Parteirollen und des Schaffens eines "künstlichen Zeugen" besteht ebenfalls nicht, da die Klägerin zu 2 gleichfalls als Klägerin in diesem Verfahren auftritt. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte durch das gleichzeitige Auftreten des Klägers zu 1 Rechte abgeschnitten würden, die sie sonst gegenüber der Klägerin zu 2 als ihrer Versicherungsnehmerin geltend machen könnte.

Hinzu kommt, dass auch der Kläger zu 1 ein berechtigtes Interesse daran hat, seinen materiellrechtlichen Anspruch mit in diesem Prozess klären zu lassen und nicht auf ein späteres Verfahren verwiesen zu werden, indem er inhaltlich mit demselben Verteidigungsvorbringen der Beklagten konfrontiert wird, welches diese bereits im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht hat.

2. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Kläger fällt auch unter den Deckungsschutz der geschlossenen Rechtsschutzversicherung. Der Risikoausschluss für selbständige Tätigkeit gem. § 25 Abs. 1 S. 2 und 3 ARB 75/95 greift nicht ein. Die entsprechende Klausel lautet (Bl. 75 d. A.):

"... Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit, durch die eine einmalige Erwerbsmöglichkeit oder fortdauernde Erwerbsquelle geschaffen, genutzt oder aufgegeben wird, sowie im Zusammenhang mit der eigenen Vermögensverwaltung unter Aufnahme von Fremdmitteln ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn die selbständige Tätigkeit oder die Vermögensverwaltung ohne planmäßigen Geschäftsbetrieb oder nicht berufsmäßig betrieben wird und nach § 24 nicht versicherbar ist."

Die hier vereinbarten AVB weichen damit von der in den Standardbedingungen enthaltenen Regelung des § 25 Abs. 1 S. 2 ARB 75 ab. Dort heißt es:

"Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einer selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen."

In einer zu § 25 Abs. 1 S. 2 ARB 75 ergangenen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, unter dem in § 25 Abs. 1 S. 2 ARB 75 verwendeten Begriff der selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit sei die eines Gewerbetreibenden oder frei beruflich Tätigen im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 1 ARB zu verstehen (NJW 1992, 3242). Da der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht annehmen könne, der Versicherer wolle mit seinen Versicherungsbedingungen eine Deckungslücke entstehen lassen, müsse die Auslegung dahin vorgenommen werden, dass eine den Versicherungsschutz nach § 25 Abs. 1 S. 2 ARB 75 ausschließende Tätigkeit eine solche ist, für die der Versicherungsnehmer nach § 24 ARB Versicherungsschutz erhalte. Hieraus folge, dass auch in der Rechtsschutzversicherung das Risiko entweder dem nach § 25 ARB versicherbaren privaten Bereich oder dem nach § 24 ARB zu versichernden Bereich eines Gewerbetreibenden oder freiberuflich Tätigen zuzuordnen ist.

a) Zunächst gehört die Verwaltung eigenen Vermögens, auch wenn es beträchtlich ist, grundsätzlich zum privaten Bereich und stellt keine Berufsausübung dar (BGH, a. a. O.; OLG Bamberg NJWRR 1994, 1507; LG Koblenz r+s 1998, 468; Prölss/Martin, § 25 ARB 75 Rdnr. 5; Harbauer, § 24, Rdnr. 11; § 25 Rdnr. 21). Maßgebend ist, ob der Umfang der Vermögensverwaltung einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung der Geschäfte (BGH, a. a. O.). Das Tätigkeitsfeld muss sich hiernach von bloß alltäglicher Ausgestaltung abheben und bereits nach seinem äußeren Erscheinungsbild bei zwangloser Betrachtung als Ausübung eines Berufs erscheinen (OLG Bamberg, a. a. O.). Selbständig sind nach allgemeinem Sprachgebrauch u. a. Erwerbstätige, die einen Betrieb insbesondere gewerblicher Art wirtschaftlich und organisatorisch als Eigentümer oder Pächter führen (BGH NJW 1978, 816, 817). Erforderlich ist also eine fortgesetzte Tätigkeit, die sich als Beteiligung am Wirtschaftsleben darstellt und sich in einem nach außen selbständigen, von der privaten Lebenssphäre abgrenzbaren Lebensbereich vollzieht (LG Hechingen ZfS 1986, 272, 273).

Von einer derartigen selbständigen Tätigkeit kann hier bei den Klägern nicht ausgegangen werden. Sie waren selbständig als Bestattungsunternehmer tätig. Ihre Tätigkeit beschränkte sich hier darauf, eine Einmalzahlung von 63.000 DM bei Vertragsschluss sowie anschließend monatliche Raten von 2.000 DM zu leisten, die von ihrem Konto per Lastschriftverfahren abgebucht wurde. Diese Geldanlage, für die die S. AG unter dem Werbeslogan "Private Altersvorsorge nach Maß" geworben hat, stellt mithin keine selbständige Tätigkeit der Kläger, sondern nur eine bestimmte Form der im privaten Bereich verbleibenden Geldanlage zum Aufbau einer Altersversorgung dar.

An dieser fehlenden Einordnung als selbständige Tätigkeit ändern auch die von der Beklagten gegenüber den Standardbedingungen der ARB 75 verwendeten modifizierten Versicherungsbedingungen nichts. Soweit dort zunächst die eigene Vermögensverwaltung genannt wird, greift dieser Ausschlusstatbestand schon deshalb nicht ein, weil dieser nur bei der Aufnahme von Fremdmitteln zum Tragen kommt, die Kläger indessen unwidersprochen vorgetragen haben, die Einlagen aus ihrem privaten Vermögen geleistet zu haben. Als Umkehrschluss folgt hieraus, dass der Versicherer die eigene Vermögensverwaltung unter Verwendung von Eigenmitteln gerade nicht unter die Risikoausschlussklausel fallen lassen will.

Etwas anders würde nur gelten, wenn die eigene Vermögensverwaltung unter Verwendung von Eigenmitteln sich zugleich als selbständige Tätigkeit darstellt. Das ist hier indessen nicht der Fall, woran sich auch dadurch nichts ändert, dass nach § 25 Abs. 1 S. 3 ARB 75/95 der Ausschluss auch dann gelten soll, wenn selbständige Tätigkeit ohne planmäßigen Geschäftsbetrieb oder nicht berufsmäßig betrieben wird. Für den Risikoausschluss ist nämlich immer noch erforderlich, dass jedenfalls eine selbständige Tätigkeit des Versicherungsnehmers vorliegt. Das ist bei der hier erfolgten Einzahlung und Verwaltung der Geldbeträge zum Zweck des Aufbaus einer Altersvorsorge indessen gerade nicht der Fall.

Eine selbständige Tätigkeit wird in derartigen Fällen vielmehr erst dann anzunehmen sein, wenn die Verwaltung des angelegten Vermögens einen so außergewöhnlichen Umfang annimmt, dass sie neben einer sonstigen beruflichen Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann oder die Vermögensverwaltung auf Erzielung von das sonstige Einkommen praktisch ersetzenden Einkünften ausgelegt ist (so OLG München NJWRR 2003, 321 für den Fall eines angestellten Kfz.Elektrikers, der - auch bei der S. AG (vgl. Bl. 66 d. A.) - zehn verschiedene Beteiligungsverträge über ca. 1,6 Mill. DM abgeschlossen hatte). Ein solcher Fall liegt bei der hier einmaligen Anlage eines Kapitalbetrages von 63.000 DM sowie eines weiteren monatlich zu erbringenden Betrages von 2.000 DM nicht vor. Das gilt auch dann, wenn man auf den Verwaltungsaufwand nicht der Kläger als Gesellschafter der S. AG, sondern auf den bei dieser anfallenden Verwaltungsaufwand abstellt. Anderenfalls würde der Begriff der selbständigen Tätigkeit in § 25 Abs. 1 S. 2 und 3 ARB 75/95 zu weit ausgedehnt und bereits weite Bereiche eigener Vermögensverwaltung erfassen, obwohl für diese nach den Versicherungsbedingungen ein Risikoausschluss grundsätzlich nur dann bestehen soll, wenn diese unter Aufnahme von Fremdmitteln erfolgt.

b) Eine selbständige Tätigkeit ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt der gesellschaftsrechtlichen Stellung der Kläger, die sich an der S. AG als sog. atypische stille Gesellschafter beteiligt haben. Während die stille Gesellschaft in §§ 230 ff. HGB geregelt ist, fehlt es für die atypische stille Gesellschaft an gesetzlichen Vorgaben. Wegen der Vielfalt der im Einzelfall in Betracht kommenden schuldrechtlichen Vereinbarungen entzieht sie sich auch einer klaren dogmatischen Einordnung (vgl. Münchener Kommentar - K.Schmidt, HGB, § 230 Rdnr. 74; Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 230 Rdnr. 3). Je nach Ausgestaltung des Vertrages kann im Einzelfall der atypisch stille Gesellschafter wie der Kommanditist einer Innen-KG behandelt werden (BGH NJW 1978, 424; Baumbach/Hopt, a. a. O.).

Unabhängig von der rechtlichen Einordnung kommt aber eine selbständige Tätigkeit im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 2 ARB nur in Betracht, wenn der Gesellschafter beherrschenden oder maßgeblichen Einfluss im Rahmen der Gesellschaft ausübt (vgl. BGH VersR 1978, 816, 817: Gesellschafter einer OHG oder beherrschender Gesellschafter einer GmbH; OLG München r+s 1997, 509; Prölss/Martin, a. a. O., Rdnr. 4; Harbauer, § 24 Rdnr. 12: nicht beim Kommanditisten; § 25 Rdnr. 21). Die Beteiligung als stiller Gesellschafter im Rahmen einer Vermögensanlage überschaubaren Ausmaßes reicht hierfür dagegen nicht aus (LG Hannover ZfS 1990, 16). Sie erreicht erst dann den Umfang selbständiger Tätigkeit, wenn der atypisch stille Gesellschafter tatsächlich maßgebend im Unternehmen mitarbeitet und Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt (LG Berlin r+s 1987, 46; LG Hechingen ZfS 1986, 272; Prölss/Martin, a. a. O.). Davon kann bei den Klägern indessen nicht die Rede sein. Sie sind vielmehr von der Mitwirkung an der Geschäftsführung der S. AG grundsätzlich ausgeschlossen. Nach § 8 des Gesellschaftsvertrages obliegt die Geschäftsführung ausschließlich der Inhaberin. Lediglich bei über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Inhaberin hinausgehenden Maßnahmen, z. B. Änderung des Unternehmensgegenstandes, Verkauf oder Verpachtung des Unternehmens, besteht ein Zustimmungserfordernis, wobei auch hier die verweigerte Zustimmung nicht dazu führt, dass die Maßnahme zu unterbleiben hat, sondern lediglich bei der späteren Auseinandersetzung das Ergebnis dieser Maßnahme bei der Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens außer Betracht bleibt.

Das genügt für einen unternehmerischen Einsatz der Kläger als atypisch stille Gesellschafter indessen nicht. Ebenso wenig führt der Umstand, dass den Klägern Kontrollrechte nach § 233 HGB, § 716 BGB zustehen, zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit wie die Tatsache, dass die Kläger ausweislich des Prospektes als "Mitunternehmer" mit unternehmerischen Chancen und Risiken anzusehen sind, sie also einerseits bei Beteiligungsende einen Anspruch auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens zuzüglich Anteile am Vermögen, den stillen Reserven und dem Geschäftswert haben, andererseits aber auch eine Nachschusspflicht bei einem negativen Auseinandersetzungsguthaben besteht. Dies betrifft lediglich die finanziellen Chancen und Risiken der Beteiligung, sagt aber über das Erfordernis der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nichts aus, für die es hier jedenfalls am Erfordernis einer maßgeblichen unternehmerischen Mitsprache fehlt.

Schließlich spielt es auch keine Rolle, ob die Kläger als Folge der Ausgestaltung ihrer Beteiligung steuerlich als Mitunternehmer im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusehen sind. Die steuerrechtliche Einordnung besagt ebenso wenig etwas für die handelsrechtliche nach §§ 230 ff HGB (vgl. Münchener Kommentar, a. a. O., Rdnr. 75) wie für die versicherungsrechtliche nach § 25 ARB (vgl. BGH VersR 1978, 816, 817; OLG Köln r+s 2001, 421, 422). Für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Sichtweise bei verständiger Würdigung es für die Auslegung von Versicherungsbedingungen ankommt (BGH VersR 2003, 1122, 1123; NJW 1992, 3242), erschließt sich nicht ohne weiteres, dass selbständige Tätigkeit im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 2 ARB 75 und Mitunternehmerschaft gem. § 15 EStG dasselbe sind. Hätte die Beklagte einen Versicherungsschutz unabhängig von der Frage, ob eine selbständige Tätigkeit vorliegt oder nicht, bereits dann ausschließen wollen, wenn der Versicherungsnehmer sich gesellschaftsrechtlich an einem Unternehmen in einer Art und Weise beteiligt, dass er steuerrechtlich als Mitunternehmer anzusehen ist, hätte dies ausdrücklich in den Versicherungsbedingungen klargestellt werden müssen.

Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck der Ausschlussklausel in § 25 Abs. 1 S. 2 ARB nicht dafür, vorliegend Rechtsschutz zu verweigern. Selbst wenn von § 25 ARB überwiegend Risiken eines typischen Arbeitnehmerhaushaltes abgedeckt werden sollen, bedeutet dies nicht, dass die beabsichtigte Interessenwahrnehmung hiervon vorliegend nicht erfasst wäre. Bei der S. AG handelt es sich um ein Unternehmen, an dem sich eine Vielzahl von Privatanlegern beteiligt haben, um hier ihr Geld im Sinne des Aufbaus einer Altersvorsorge anzulegen (vgl. Urteil des LG Hannover vom 11. März 2004 - 19 O 151/03 , Anl. K 28: "Massengesellschaft mit mehr als 100.000 Gesellschaftern"). Dies sind mithin auftretende Risiken, wie sie auch im privaten Lebensbereich üblicherweise vorkommen können.

3. Ferner greift auch der Risikoausschluss des § 4 Abs. 1 c) ARB 75/95 nicht ein, wonach sich der Versicherungsschutz nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften bezieht. Maßgebend auch für die Frage, was zum Recht der Handelsgesellschaften gehört, ist die Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers (vgl. BGH VersR 2003, 1122, 1123 für Ansprüche aus § 45 BörsG). Wegen der Verweisung auf rechtliche Kriterien in dieser Klausel wird und darf der Versicherungsnehmer annehmen, dass die vom Versicherungsschutz ausgeschlossene Interessenwahrnehmung jedenfalls keine Tatbestände betrifft, die nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht zum Bereich des Rechts der Handelsgesellschaften gehören (BGH, a. a. O.).

Hier zeigt bereits die Überschrift des zweiten Buchs des HGB ("Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft"), dass der Gesetzgeber die stille Gesellschaft, und damit erst recht die gesetzlich überhaupt nicht geregelte atypische stille Gesellschaft, nicht als Handelsgesellschaft ansieht. Eine Interessenwahrnehmung im Bereich des Rechts der stillen Gesellschaft wird deshalb von der Ausschlussklausel nicht erfasst (LG Berlin r+s 1987, 46, 47; Harbauer, § 4 Rdnr. 24). Als Handelsgesellschaften sind vielmehr nur OHG, KG, AG und GmbH anzusehen (Prölss/Martin, § 4 ARB 75 Rdnr. 3). Die als reine Innengesellschaft ausgestaltete stille Gesellschaft stellt dagegen keine Handelsgesellschaft dar (Baumbach/Hopt, a.a.O., Rdnr. 2). Bei ihr wird lediglich im Verhältnis der Parteien dieses Gesellschaftsvertrages das Gesellschaftsvermögen im Innenverhältnis und ohne dingliche Wirkung als gemeinsames Vermögen behandelt.

Keineswegs kann auch der typische stille Gesellschafter generell als Kommanditist angesehen werden. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der von der Beklagte herangezogenen Entscheidung BGH NJW 1978, 424. Dort lag vielmehr ein Gesellschaftsvertrag zugrunde, in dem ausdrücklich vereinbart war, dass die stillen Gesellschafter gegenüber der beizutretenden KG in einem Gesellschaftsverhältnis stehen, auf das, soweit möglich, die Bestimmungen des KG-Vertrages analog anzuwenden sind. Eine derartige vertragliche Ausgestaltung ist hier im Verhältnis der Kläger zur S. AG indessen gerade nicht vereinbart worden. Hinzu kommt, dass Ausschlussklauseln nicht über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus zum Nachteil des Versicherungsnehmers ausgelegt werden können. Für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließt sich indessen gerade nicht, dass unter das Recht der Handelsgesellschaften auch die (atypische) stille Gesellschaft fallen soll, weil ein derartiger Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen wie der Kommanditist einer Innen-KG behandelt werden kann.

Da die Beklagte auch nicht in Abrede gestellt hat, dass die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Kläger notwendig gem. § 1 ARB 75/95 und ein Versicherungsfall gem. § 14 Abs. 3 ARB 75/95 eingetreten ist, hat sie bedingungsgemäß Kostenschutz für die Durchsetzung der Kündigungsansprüche der Kläger gegenüber der S. AG zu gewähren.

Eine Erklärungsfrist auf den Schriftsatz der Kläger vom 21. Juni 2004 war der Beklagten entsprechend ihrem Antrag vom 13. Juli 2004 nicht zu bewilligen, da mit diesem Schriftsatz lediglich die Anlagen K 35 und 36 zur Gerichtsakte überreicht wurden, die die Beklagte im Termin vom 9. Juli 2004 zur Einsicht erhalten und mit Schriftsatz vom 13. Juli 2004 zurückgereicht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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