Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 12.03.2009
Aktenzeichen: 8 U 177/08
Rechtsgebiete: AUB 88


Vorschriften:

AUB 88 § 2
AUB 88 § 7
1. Eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung im Sinne von § 2 I. (1) AUB 88 setzt nicht zwingend die Feststellung einer besonders hohen BAK voraus, sondern kann sich auch aus dem konkreten Verhalten des verletzten Versicherungsnehmers ergeben (hier: nächtlicher Sturz aus einem Hotelfenster).

2. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach die ärztliche Feststellung der Invalidität gemäß § 7 I. (1) Satz 3 AUB 88 eine schriftliche Invaliditätsfeststellung innerhalb der 15-Monats-Frist voraussetzt.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

8 U 177/08

Verkündet am 12. März 2009

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht G., den Richter am Landgericht S. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. D. für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 5. August 2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht einen Anspruch aus einer Unfallversicherung geltend.

Zwischen den Parteien besteht seit 1992 ein Vertrag über eine Unfallversicherung (Versicherungsschein Bl. 70 d. A.). Vereinbart sind die AUB 88, Ausgabe 1991 (Bl. 62 ff. d. A.).

Seinen Anspruch gründet der Kläger auf ein Ereignis am 19. Mai 2006. Er nahm zu dieser Zeit an einer zweitägigen Veranstaltung der ...akademie N. in H. teil. Gegen 02:30 Uhr stürzte er, nur mit einer Unterhose bekleidet, unter Alkoholeinfluss aus seinem Hotelfenster mehrere Meter tief in ein Beet. Die hinzugezogenen Polizeibeamten stellten fest, dass das Bett im Zimmer des Klägers unbenutzt war.

Der Kläger erlitt bei dem Sturz erhebliche Verletzungen, die nach seiner Darstellung dauerhafte Beeinträchtigungen und einen Grad der Behinderung von 30 % zur Folge haben.

Der Kläger zeigte den Schaden an (Bl. 83 d. A.). Daraufhin übersandte die Beklagte dem Kläger ein Schreiben vom 11. Juli 2006 (Bl. 84 f. d. A.), in dem es u. a. heißt:

"Den Versicherungsschutz haben wir noch nicht prüfen können. Die private Unfallversicherung hat einige Besonderheiten, auf die wir Sie gern schon heute aufmerksam machen.

Invalidität:

Eine Invaliditätsentschädigung wird fällig, wenn die Funktionsfähigkeit von Gliedmaßen und Sinnesorganen oder die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit durch einen Unfall dauernd beeinträchtigt ist, und wenn die Unfallfolgen innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eintreten und spätestens innerhalb weiterer drei Monate ärztlich festgestellt werden, der Anspruch auf Invaliditätsentschädigung spätestens 15 Monate nach dem Unfall angemeldet wird.

(...)

Wenn sich deshalb etwa ein Jahr nach dem Unfall noch Unfallfolgen bemerkbar machen und der behandelnde Arzt nicht bestätigen kann, dass diese noch abklingen, empfehlen wir Ihnen, den Invaliditätsanspruch geltend zu machen und uns auch mitzuteilen, aus welchen Verletzungen Ansprüche erhoben werden.

Versäumen Sie bitte unter keinen Umständen die Anmeldefrist, weil sonst schon allein deshalb Ihre Ansprüche ausgeschlossen sind."

Mit Schreiben vom 1. November 2006 zeigten die Klägervertreter ihre Bevollmächtigung der Beklagten an. Am Ende des Schreibens der Klägervertreter vom 7. Juni 2007 (Bl. 95/97 d. A.) heißt es, dass der Klägervertreter davon ausgehe, dass zusätzlich zu der von der Beklagten erwähnten 15-Monatsfrist zur Anmeldung des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung keine weiteren Fristen klägerseits zu beachten seien. Anderenfalls werde um Mitteilung gebeten.

Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 19. Juni 2007 (Bl. 98 f. d. A.), in dem insoweit lediglich auf die Klagfrist von sechs Monaten verwiesen wurde.

Der Kläger hat gemeint, die von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen (Bl. 76 f., Bl. 78 ff., Bl. 81, Bl. 147 und Bl. 158 f. d. A.) erfüllten die Anspruchsvoraussetzungen. Weiter hat der Kläger die jeweiligen Ärzte als Zeugen für die fristgerechte ärztliche Feststellung eines Dauerschadens benannt. Zudem ergebe sich schon aus der Art des Sturzes und den dabei erlittenen Verletzungen, dass die Beeinträchtigungen dauerhaft seien. Soweit sich die Beklagte auf Fristablauf berufe, sei dies treuwidrig.

Die Blutalkoholbestimmung des ...stifts H. sei unzutreffend. Nicht richtig sei die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei alkoholbedingt nicht mehr in der Lage gewesen, die konkrete Situation zu meistern. Der Sturz sei durch die bauordnungsrechtlich unzulässige Höhe der Fensterbrüstung von nur 77 cm verursacht worden.

Obliegenheiten gemäß § 9 II. AUB 88 habe der Kläger nicht verletzt. Seine Angaben in der Schadenanzeige zum Alkoholkonsum seien nach seiner Kenntnis zutreffend. Anderenfalls fehle es jedenfalls am Verschulden bzw. wäre eine Obliegenheitsverletzung folgenlos geblieben, weil die Beklagte durch Einsicht in die Untersuchungsberichte der Krankenhäuser die Blutalkoholkonzentration festgestellt habe.

Die Beklagte hat eine unfallbedingte Invalidität in Abrede genommen und insbesondere bestritten, dass eine etwaige Invalidität des Klägers innerhalb von 15 Monaten seit dem Unfall, also bis zum 19. August 2007, ärztlich festgestellt worden sei.

Der Anspruch des Klägers sei darüber hinaus infolge bedingungsgemäßen Leistungsausschlusses gemäß § 2 I. (1) AUB 88 unbegründet. Die Trunkenheit des Klägers sei jedenfalls mitursächlich für den erlittenen Unfall.

Schließlich habe der Kläger durch seine unrichtigen und unvollständigen Angaben in der Schadenanzeige sowie im weiteren Verlauf der Leistungsprüfung mit für die Beklagte leistungsbefreiender Wirkung seine Obliegenheiten gemäß § 9 II. AUB 88 verletzt.

Das Landgericht hat mit Hinweisbeschluss vom 7. Mai 2008 (Bl. 149 d. A.) darauf hingewiesen, dass es die Anspruchsvoraussetzung der ärztlichen Feststellung eines Dauerschadens binnen einer Frist von 15 Monaten ab dem Unfalltag nicht als gegeben ansehe.

Es hat sodann die Klage abgewiesen.

Es fehle an der Anspruchsvoraussetzung der fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität gemäß § 7 I. (1) AUB 88. Zwar seien an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. Aus der Invaliditätsfeststellung müssten sich aber die ärztlicherseits dafür angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben, damit der Versicherer Gelegenheit zur Prüfung erhalte. Zugleich solle die Invaliditätsfeststellung eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglichen, die in der Regel nur schwer abklärbar und überschaubar seien und die der Versicherer deshalb von der Deckung ausnehmen wolle. Deshalb könnten nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein. Daraus folge die Erforderlichkeit der Angabe eines konkreten, die Arbeitsfähigkeit des Versicherten beeinflussenden Dauerschadens. Diesen Anforderungen genügten die ärztlichen Stellungnahmen nicht. Diese verhielten sich nur durch die sturzbedingten Verletzungen und zurzeit noch bestehenden Einschränkungen des Klägers. Ein in jedem Fall verbleibender Dauerschaden werde nicht festgestellt.

Das Berufen des Klägers auf das mündliche Zeugnis der behandelnden Ärzte sei unbeachtlich, da die ärztliche Feststellung schriftlich erfolgen müsse.

Schließlich könne der Kläger auch nicht mit dem Einwand gehört werden, die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf sei rechtsmissbräuchlich. Die Belehrung des Klägers in dem Schreiben vom 11. Juli 2006 sei weder unrichtig noch missverständlich. Ein erhöhter Belehrungsbedarf sei nicht zu erkennen. Allein beachtlich sei letztlich aber, dass bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung überhaupt keine ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität vorliege, also auch keine verfristete, worauf der Kläger seitens des Gerichts mehrfach hingewiesen worden sei.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Zahlungsantrages.

Entgegen der Annahme des Landgerichts ergebe sich aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen eine dauerhafte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Klägers. Die Ärztin W. habe mit ärztlicher Bescheinigung vom 25. August 2008 (Bl. 214 d. A.) klargestellt, dass sich ihre früheren Einschränkungen in Gestalt des "zur Zeit" darauf beziehen, dass nicht habe ausgeschlossen werden können, dass sich der Zustand dauerhaft verschlechtere. Die Möglichkeit einer Verbesserung habe nicht zum Ausdruck gebracht werden sollen. Auch aus der Stellungnahme der M. vom 26. Februar 2007 (Bl. 158 f. d. A.) ergebe sich ebenso wie aus der Stellungnahme von Frau W. vom 15. Mai 2007 (Bl. 76 f. d. A.) ein Dauerschaden.

Weiter wiederholt und vertieft der Kläger seinen Vortrag zur Rechtsmissbräuchlichkeit des Berufens der Beklagten auf den Fristablauf. Die Ausführungen der Beklagten im Schreiben vom 11. Juli 2006 (Bl. 84 d. A.) seien unvollständig und unrichtig. Das Landgericht habe auch nicht mehrfach darauf hingewiesen, dass der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität vorlegen müsse. Die Belehrungsbedürftigkeit des Klägers sei im Schreiben vom 7. Juni 2007 (Bl. 95 d. A.) deutlich zum Ausdruck gekommen. Die Beklagte habe den Kläger sodann mit Schreiben vom 19. Juni 2007 (Bl. 98 d. A.) noch vor Verstreichen der 15-Monats-Frist in gutem Glauben belassen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 5. August 2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover, Aktenzeichen: 2 O 396/07, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 51.129,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Die erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen belegten keinen unfallbedingten Dauerschaden. Neuer Vortrag sei verspätet.

Aus der seinerzeit außergerichtlich vorgelegten Prozessvollmacht ergebe sich, dass jedenfalls seit dem 3. Juli 2006 - für die Beklagte erkennbar - der Kläger anwaltlich beraten und vertreten gewesen sei. Von einem gesteigerten Belehrungsbedarf könne keine Rede sein. Im Übrigen habe das Landgericht den Kläger mit Hinweisbeschluss vom 7. Mai 2008 ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass eine hinreichende ärztliche Feststellung nicht vorliege. Für die Beklagte habe es auch zu keinem Zeitpunkt nahegelegen, dass eine unfallbedingte Invalidität ggf. beim Kläger eingetreten sein könnte.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, das angefochtene Urteil, den Hinweisbeschluss vom 7. Mai 2008 und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 1. Alt., 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).

1. Der hier in Rede stehende Unfall des Klägers war nicht versichert.

Nicht unter den Versicherungsschutz fallen gemäß § 2 I. (1) AUB Unfälle durch Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen. Die Beklagte hat dazu die Auffassung vertreten, der Kläger sei aufgrund seiner Alkoholisierung aus dem Hotelfenster gestürzt, und sie sei daher leistungsfrei. diese Argumentation trifft zu.

Der Ausschluss beruht darauf, dass der Genuss von Alkohol zu einer Störung der Aufnahme oder Reaktionsfähigkeit des geschädigten Versicherungsnehmers führen kann, sodass dieser nicht in der Lage ist, eine drohende Unfallgefahr klar zu erkennen und ihr angemessen zu begegnen. Der Versicherer soll nur für solche Unfälle haften müssen, die jedermann bei normaler geistiger und körperlicher Verfassung zustoßen können, nicht aber für solche Unfälle, die Folge einer schon vor dem Unfall vorhandenen gefahrerhöhenden Gesundheitsbeeinträchtigung sind.

Der Konsum von Alkohol genügt für sich genommen nicht. Der Unfall muss auf einer Bewusstseinsstörung beruhen, wobei Bewusstseinsstörung nicht mit Bewusstlosigkeit gleichzusetzen ist (vgl. BGHZ 18, 311, 313. BGH, VersR 1985, 583, 584. VersR 1990, 1343, 1344). Den Ausschlusstatbestand erfüllen vielmehr bereits solche erheblichen Störungen der Aufnahme und Reaktionsfähigkeit, die den Versicherungsnehmer außerstande setzen, den Sicherheitsanforderungen seiner Umwelt zu genügen (vgl. ebenda). Andererseits genügt eine Beeinträchtigung durch Alkohol, die zu einem Unfall führt, den ein Nüchterner vermieden hätte, nicht. Vielmehr muss die Störung einen solchen Grad erreicht haben, bei dem die Gefahrenlage nicht mehr beherrscht werden kann (vgl. ebenda).

a) Von einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung muss vorliegend ausgegangen werden.

aa) Dass der Kläger in erheblichem Maße alkoholisiert war, steht für den Senat fest. Alkoholkonsum hat er in seinem Schadenbericht eingeräumt. Die Blutalkoholmessung im ...stift in H. am Unfalltag um 04:02 Uhr, also etwa 1 1/2 Stunden nach dem Unfall, weist eine Blutalkoholkonzentration von 1,46 ? aus (Bl. 88 d. A.). Eine Untersuchung in der M. am Unfalltag um 06:30 Uhr weist einen Wert von 0,69 ? aus (Bl. 89 d. A.). Entgegen der Annahme des Klägers ergibt sich aus der Differenz nicht, dass die erste Messung im ...stift fehlerhaft gewesen sein muss. Geht man von einem maximalen stündlichen Abbauwert von 0,2 ? zzgl. eines einmaligen Sicherheitszuschlages von 0,2 ? aus (vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl., Rdnr. 21 zu § 316), sind von der zuerst gemessenen Konzentration von 1,46 ? 0,7 ? abzuziehen, und verbleibt daher zu dem in der M. gemessenen Wert nur eine ganz geringfügige Differenz von unter 0,1 ?. Fest steht jedenfalls, dass von einer Konzentration von 0,69 ? zur Zeit des Unfalls ohnehin nicht ausgegangen werden kann, weil der Alkoholabbau zu berücksichtigen ist. selbst wenn man insoweit von einem minimalen Wert von 0,1 ? pro Stunde ausgeht, hatte der Kläger danach zum Unfallzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von - mindestens - 1,1 ?. Dieser Wert begründet bei Kraftfahrern eine absolute Fahruntüchtigkeit. Dies bedeutet, dass regelmäßig von solchen Wahrnehmungs- und Reaktionsdefiziten aufgrund des Alkoholgenusses ausgegangen wird, dass dem Alkoholisierten die Möglichkeit des Gegenbeweises, er sei fahrtüchtig gewesen, regelmäßig verschlossen bleibt.

Außerhalb des Straßenverkehrs gelten anerkanntermaßen andere Maßstäbe. Meist wird für Fußgänger eine Blutalkoholkonzentration von 2 ? oder - insbesondere wegen der präzisierten Messverfahren - eine Blutalkoholkonzentration etwas unterhalb dieser Marke gefordert. Eine solche Blutalkoholkonzentration kann hier zwar nicht sicher festgestellt werden, es ergibt sich aber daraus noch nicht, dass eine Bewusstseinsstörung nicht angenommen werden könnte.

bb) Die Bewusstseinsstörung ergibt sich hier aus weiteren Anhaltspunkten, die darauf hinweisen, dass der Kläger in seiner Aufnahme und Reaktionsfähigkeit in einem solchen Maße gestört war, dass er der Gefahrenlage, in der er sich befand, nicht mehr in ausreichendem Maße gewachsen war. Darlegungs- und beweispflichtig für eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung ist der Versicherer, dem dabei die Erleichterung des Anscheinsbeweises nicht zugute kommt. vielmehr muss der Tatrichter diese Voraussetzungen im Wege des Vollbeweises feststellen (vgl. BGH, VersR 1990, 1343, 1344).

Vorliegend hat ersichtlich der Kläger die Gefahrenlage nicht mehr beherrscht, wobei davon auszugehen ist, dass ein Nüchterner sie in jedem Fall beherrscht hätte, ohne dass es dazu der Anwendung besonderer Sorgfalt bedurft hätte. Die Gefahrenlage ergab sich erst aus der Alkoholisierung. Das Öffnen eines Fensters an sich ist in keiner Weise gefahrbehaftet, jedenfalls nicht mit der Gefahr behaftet, aus dem Fenster zu fallen, wenn, wie hier, die Fensterflügel nach innen öffnen. Der Sturz lässt in Anbetracht der an sich alltäglichen Situation den Schluss zu, dass der Kläger gerade alkoholbedingt nicht mehr in der Lage war, die - für sich genommen harmlose und in keiner Weise besonders gefahrbehaftete - Situation zu meistern.

Das Kammergericht hat in einem Beschluss vom 4. Februar 2003 (6 W 12/03, NJWRR 2003, 976) es für möglich erachtet, dass ohne jedes Gutachten zur Blutalkoholkonzentration eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung aus dem Verhalten des Verletzten geschlossen werden könne. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach aus dem Bericht des Krankenhauses immerhin geschlossen werden konnte, dass in größeren Mengen Alkohol getrunken worden war. Dem Versicherungsnehmer wurde Prozesskostenhilfe verweigert, weil sein Sturz aus dem Hotelfenster eine Bewusstseinsstörung infolge Alkoholisierung nahe lege.

Das OLG Schleswig (VersR 1992, 436) hat eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung als Ursache für einen Fenstersturz bei einer Blutalkoholkonzentration von (mindestens) 1,1 bis 1,2 ? angenommen. Der Grund für das nächtliche Klettern auf ein Fenstersims sei nur durch die Alkoholisierung zu erklären.

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und geht aufgrund der Alkoholisierung des Klägers und seines konkreten Verhaltens, nämlich der Unfähigkeit, eine harmlose Alltagssituation zu bewältigen, von einer Bewusstseinsstörung aus.

cc) Da ausweislich der Feststellungen der zum Unfallort hinzugerufenen Polizeibeamten (Bl. 131 d. A.) das Bett im Hotelzimmer des Klägers unbenutzt war, ist auch nichts für eine andere Ursache einer Bewusstseinsstörung ersichtlich, insbesondere nicht etwa eine Kreislaufschwäche nach dem Aufstehen aus dem Bett. Der Kläger hat zwar in seiner Klagschrift noch dazu vorgetragen, dass er während der Nacht aufgestanden sein könnte, um ins Bad zu gehen. Damit ist freilich ein Bestreiten der Feststellungen der Polizei schon deswegen nicht verbunden, weil dieser Vortrag nicht auf eigener Erinnerung des Klägers beruht, sondern ersichtlich nur eine vom Kläger behauptete, aber nicht belegte und nur spekulative, aufgrund der polizeilichen Feststellungen widerlegte Möglichkeit ist.

b) Die alkoholbedingte Bewusstseinsstörung war auch ursächlich für den Fenstersturz des Klägers. Dabei genügt es, dass der Sturz auf der trunkenheitsbedingten Bewusstseinsstörung zumindest mitberuht (vgl. BGH, VersR 1957, 509. Senat, VersR 2002, 1411).

Anders als bei der Frage nach der alkoholbedingten Bewusstseinsstörung können für die Frage, ob die Bewusstseinsstörung ursächlich für den Unfall geworden ist, die Regeln des Anscheinsbeweises Anwendung finden (vgl. BGH, VersR 1990, 1343, 1344).

aa) Der Anscheinsbeweis spricht für eine Ursächlichkeit der alkoholbedingten Bewusstseinsstörung. Das Öffnen eines Fensters oder das Vorbeigehen an einem geöffneten Fenster sind für sich genommen ganz und gar alltägliche, in keiner Weise gefahrbehaftete Vorgänge. Ein Sich-Hinauslehnen hat der Kläger weder vorgerichtlich in seiner Schadenmeldung noch im Rahmen dieses Rechtsstreits behauptet.

bb) Diesen Anscheinsbeweis hat der Kläger nicht entkräftet. Er hat eine ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs nicht dargelegt und bewiesen. Zur Entkräftung wäre es erforderlich gewesen, dass konkrete Tatsachen die naheliegende Möglichkeit ergeben hätten, dass auch ein Nüchterner eine solche Gefahrenlage bei Anwendung üblicher Aufmerksamkeit und Sorgfalt nicht gemeistert hätte (vgl. BGH, VersR 1957, 509, 510).

Seine Darstellung zum Unfallhergang aus der Anlage zur Schadenmeldung (Bl. 132 d. A.), er sei aus dem Tiefschlaf aufgestanden, zwischen die Fensterflügel geraten und gefangen in diesem Zwischenraum über die zu niedrige Fensterbrüstung gestürzt, ist nicht nur mit seiner Einlassung, er könne sich an nichts mehr erinnern, unvereinbar, sondern widerspricht dem - vom Kläger letztlich nicht mehr in Frage gestellten, sondern in seinem Vortrag selbst in Bezug genommenen (Bl. 144 d. A.) - Polizeibericht (Bl. 131 d. A.), wonach das Bett gar nicht benutzt gewesen ist, und auch den von ihm zu den Akten gereichten Fotos (Bl. 148 d. A.), die nicht nur belegen, dass das Fenster sich nicht in unmittelbarer Nähe des Bettes befindet, sondern auch, dass dann, wenn man (wie auch immer man sich das vorstellen soll) zwischen die Fensterflügel gerät, man gegen den Steg in der Fenstermitte prallen müsste. Dass nur einer der beiden Fensterflügel geöffnet gewesen sei, ergibt sich entgegen der Behauptung des Klägers (Bl. 144 d. A.) aus dem Polizeibericht gerade nicht. Selbst wenn dem so wäre und man zwischen einen Fensterflügel und den mittigen Fenstersteg gerät, wobei der Fensterflügel nur wenig geöffnet gewesen sein soll (was freilich wieder bedeutet, dass man sich nur langsam vorwärts bewegen kann), könnte dies den Sturz nicht plausibel erklären. Selbst wenn dem so gewesen wäre, wie der Kläger in ganz unterschiedlichen Varianten behauptet hat, wäre mit keiner dieser Schilderungen dargetan, dass ein Nüchterner in gleicher Weise gestürzt wäre. Allein der Umstand, dass die Fensterbrüstung nur 77 cm hoch war, genügt nicht, denn allein deswegen kommt es nach der Lebenserfahrung beim Öffnen eines Fensters oder beim Vorbeigehen an einem geöffneten Fenster nicht zum Sturz aus dem Fenster.

Ansprüche des Klägers aus der Unfallversicherung scheiden damit aus.

2. Der Senat kann überdies auch nicht davon ausgehen, dass eine Invalidität des Klägers eingetreten und überdies rechtzeitig festgestellt worden ist.

Invalidität definiert § 7 I. (1) AUB 88 als dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit. Diese muss beim Versicherten durch den Unfall eingetreten sein. Weiter fordert die genannte Bestimmung, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sowie spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein muss.

a) Dies bedeutet, wie auch das Landgericht nicht verkannt hat, dass das Vorliegen einer durch den Unfall verursachten dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, wie sie hier vom Kläger in Gestalt mehrerer unfallbedingter körperlicher Beeinträchtigungen geltend gemacht wird, für sich allein nicht ausreicht. Daneben bedarf es für den Anspruch auf Invaliditätsleistung der Beachtung der genannten Fristen. Dies dient dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führt selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden trifft. Auch eine Leistungsablehnung des Versicherers ändert nichts daran, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers nicht entsteht, wenn die Invalidität nicht fristgerecht ärztlich festgestellt worden ist (vgl. nur BGH, IV ZR 137/06, Urteil vom 7. März 2007, unter II. 1., m. w. N.).

Weiter hat das Landgericht nicht verkannt, dass an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Diese muss sich weder abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern, noch muss die Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens richtig sein oder dem Versicherer innerhalb der Frist zugehen, sofern sie nur fristgerecht getroffen worden ist. In dieser Auslegung hält nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die Fristenregelung einer sachlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB stand (ebenda).

Aus der Invaliditätsfeststellung müssen sich die ärztlicherseits dafür angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben, damit der Versicherer dem geltend gemachten Versicherungsfall nachgehen und seine Leistungspflicht auf Grundlage der ärztlichen Feststellung prüfen kann. Nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden können Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein (ebenda). Was sich darin nicht befindet, hat außen vor zu bleiben.

Erforderlich ist die Angabe eines konkreten, die Arbeitsfähigkeit des Versicherten beeinflussenden Dauerschadens (ebenda). Auch das hat das Landgericht wiederum nicht verkannt und die klägerseits vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen unter diesem Aspekt einer Prüfung unterzogen und für ungenügend gehalten. Der Senat schließt sich dieser Würdigung an.

Die in chronologischer Reihenfolge erste medizinische Stellungnahme ist die der M. vom 16. Juni 2006 (Bl. 78 f. d. A.). Sie wurde mithin nur rund vier Wochen nach dem Unfall erstellt. Angaben zu einem Dauerschaden sind darin nicht zu erwarten und auch nicht enthalten.

Die Stellungnahme von Frau Dr. H. vom Klinikum B. vom 14. Dezember 2006 enthält eine Beurteilung aus neurologischer Sicht. Für einen Dauerschaden findet sich dort wiederum nichts.

Nichts anderes gilt für das - kurze - ärztliche Attest von Frau W., Fachärztin für innere Medizin, vom 25. Januar 2007 (Bl. 147 d. A.). Es heißt dort, dass beim Kläger als Folge des im Mai 2006 erlittenen Unfalls zur Zeit noch die dort genannten Defizite bestehen. Ein Dauerschaden wird damit gerade nicht bestätigt.

Auch der Bericht der M. vom 26. Februar 2007 (Bl. 158 f. d. A.) hilft dem Kläger im Hinblick auf die Anforderungen von § 7 I. (1) AUB 88 nicht weiter. Hintergrund des Berichts war eine "Verlaufskontrolle". Ausweislich des Berichts gab der Kläger an, von Seiten der Wirbelsäule weitestgehend beschwerdefrei zu sein. Im Bereich des Rückens und im Bereich des Beckens zeigten sich bei der Untersuchung reizlose Wund und Weichteilverhältnisse. Auch im Hinblick auf die Untersuchung der LWS zeigt der Bericht nichts auf, was Grundlage für die Annahme sein könnte, es liege ein Dauerschaden vor. Das gilt auch für die rezidivierenden Lymphödeme im Bereich beider oberen Sprunggelenke, von denen der Kläger berichtet habe. Wegen der dem Kläger ausweislich des Berichts empfohlenen kardiologischen Abklärung ist schon nicht klar, ob insoweit ein Zusammenhang mit dem Unfall besteht. Jedenfalls ist wiederum ein konkreter, die Arbeitsfähigkeit des Klägers beeinflussender Dauerschaden nicht erkennbar. Das gilt auch für die Vorwölbung im Bereich des linken Unterbauches des Klägers. Diese Vorwölbung ist zwar unfallbedingt, weil sie aus der Versorgung der Unfallfolgen herrührt. Soweit es weiter heißt, dass es keine weiteren chirurgischen Optionen gebe und der Kläger sich ggf. bei dringendem Wunsch noch in der ...klinik ... vorstellen solle, zeigt sich aber, dass das Problem eher kosmetischer Art zu sein scheint, jedenfalls keinen Dauerschaden i. S. v. § 7 AUB darstellt.

Es verbleibt dann noch die Stellungnahme von Frau W. vom 15. Mai 2007 (Bl. 76 f. d. A.). Es heißt dort, dass über die konkret erlittenen Schmerzen keine Aussage gemacht werden könnten. Zur Zeit bestünden beim Kläger Schmerzen bei langem Laufen sowie bei Zwangshaltungen. Außerdem bestünden zur Zeit als Folge des Unfalls noch die dort genannten Einschränkungen. Ob diese Einschränkungen bereits einen Schaden darstellen, der die Arbeitsfähigkeit des Klägers beeinflusst, ist schon zweifelhaft. Jedenfalls enthält die Stellungnahme nichts, was die Annahme eines Dauerschadens rechtfertigen könnte. Die Beeinträchtigungen sind gerade mit dem Zusatz "zur Zeit" bzw. "noch" versehen. Dies gilt schließlich auch für die Annahme der Ärztin, es bestehe aufgrund des Unfalls "zur Zeit" ein Grad der Behinderung von 30 %. Zwar ist in dieser Stellungnahme im Zusammenhang mit einer Lungenarterienembolie von einer lebenslangen Medikation die Rede - was eine dauernde Beeinträchtigung im umgangssprachlichen Sinne ergibt , ohne dass aber dargetan oder sonst ersichtlich ist, dass sich daraus eine Invalidität des Klägers ergibt, also eine "dauernde Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit" mit einem messbaren Grad.

Am Fehlen einer konkreten Prognose im Hinblick auf eine bereits eingetretene oder zu erwartende Invalidität ändert auch die ergänzende Stellungnahme von Frau W. vom 25. August 2008 (Bl. 214 f. d. A.) nichts. Als eigene Stellungnahme ist sie schon wegen der zeitlichen Befristung in § 7 I. (1) AUB ausgeschlossen, da zwischenzeitlich - deutlich - mehr als 15 Monate vergangen sind. Nachgeschobene ärztliche Stellungnahmen sind mit der Funktion der Frist nicht vereinbar (vgl. Senat, 8 U 2/01, RuS 2002, 260). Der Versicherer hat ein schützenswertes Interesse an einer zeitnahen Klärung seiner Leistungspflicht. Dieser kann und muss einem Dauerschaden nur insoweit nachgehen, als zu dessen Ursache und Auswirkungen sich die innerhalb von 15 Monaten erstellte ärztliche Bescheinigung bereits verhält (ebenda). Bei objektiver Auslegung musste die Beklagte auch nicht davon ausgehen, dass die Ärztin etwas anderes meinte als sie tatsächlich zu Papier gebracht hatte.

Ob es jedenfalls eine Feststellung der Invalidität in mündlicher Form gegeben hat, bedarf, von der Frage, ob entsprechender Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren noch zuzulassen ist, ganz abgesehen, weder der Erörterung noch der weiteren Klärung. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats (8 U 161/07, Urteil vom 22. November 2007, unter II. 2., m. w. N., rkr.), dass den Anforderungen der AUB nur durch eine schriftliche Feststellung genügt werden kann. Der Senat hält an dieser Auffassung, die auch von der Mehrzahl der anderen Oberlandesgerichte vertreten wird, fest. Diese Auffassung entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 7 AUB und dient der Beweissicherung ebenso wie der Rechtssicherheit. Eine unzumutbare Überforderung des Versicherungsnehmers liegt in dem Erfordernis einer schriftlichen Invaliditätsfeststellung, an die inhaltlich nur geringe Anforderungen zu stellen sind, nicht.

Festzuhalten bleibt danach, dass jedenfalls innerhalb der genannten Frist keine ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität des Klägers getroffen worden ist.

b) Irgendwelche Aufklärungs-, Hinweis- oder Beratungspflichten hat die Beklagte nicht verletzt. Auch hat sie sich nicht rechtsmissbräuchlich verhalten.

aa) Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 11. Juli 2006 (Bl. 84 d. A.) die sachlichen und zeitlichen Tatbestandsvoraussetzungen von § 7 I. (1) AUB 88 wiedergegeben, und zwar in einer aufgegliederten, für den Kläger vermutlich sogar leichter verständlichen Fassung. Das Schreiben enthält sowohl die Hinweise auf die Notwendigkeit einer dauernden Beeinträchtigung sowie insbesondere darauf, dass die Unfallfolgen innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und spätestens innerhalb weiterer drei Monate ärztlich festgestellt werden müssen.

Vorwerfen lässt sich der Beklagten im Hinblick auf dieses Schreiben allenfalls, dass der Eindruck entstehen könnte, innerhalb vom 15 Monaten nach dem Unfall müssten nur die Unfallfolgen ärztlich festgestellt werden, nicht auch die Invalidität. Diese Formulierung stellt für sich genommen eine Abweichung von § 7 I. (1) AUB dar, denn dort ist nicht von Unfallfolgen die Rede, sondern von Invalidität. Beide Begriffe sind auch nicht deckungsgleich. Für einen Versicherungsnehmer kann der - unzutreffende und möglicherweise zum Verlust von Ansprüchen führende - Eindruck entstehen, er müsse nur ärztliche Unterlagen zu den Unfallfolgen vorlegen, ohne Rücksicht darauf, ob diese auch eine Invalidität ausweisen. Dass es aber um die Feststellung einer Invalidität geht, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Gesamtzusammenhang des Schreibens. Dort wird nämlich nicht nur wiederholt der Begriff der Invalidität verwendet, sondern es wird auch darauf hingewiesen, dass eine dauernde Beeinträchtigung Voraussetzung des Anspruchs ist.

bb) Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in dem erwähnten Schreiben vom 7. Juni 2006 (Bl. 95 d. A.) um "entsprechende Mitteilung" gebeten hat, ob zusätzlich zu der 15-Monats-Frist zur Anmeldung des Anspruchs weitere Fristen zu beachten seien, hat dies keine weiteren Pflichten der Beklagten ausgelöst. Eine weitere als die 15-Monats-Frist gibt es nicht. Es geht nicht um eine weitere Frist, sondern lediglich darum, was innerhalb dieser Frist gegenüber dem Versicherer darzulegen ist. In ihrem Schreiben vom 11. Juli 2006 (Bl. 84 d. A.) hat die Beklagte auch gerade nicht nur auf die Frist selbst, sondern insbesondere auch darauf hingewiesen, dass es innerhalb dieser Frist der ärztlichen Feststellung bedarf.

Dass es ohne Auswirkungen auf die einzuhaltende Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung ist, dass der Versicherer die Leistung endgültig abgelehnt hat, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (IV ZR 154/04, Urteil vom 30. November 2005) und beruht darauf, dass das Erfordernis fristgerechter ärztlicher Feststellung der Invalidität eine Anspruchsvoraussetzung ist, deren Nichtvorliegen nicht entschuldigt werden kann.

cc) Was die Frage einer Hinweispflicht des Versicherers betrifft insoweit, als in ärztlichen Angaben nur - was nicht genügt - von der Möglichkeit einer Invalidität die Rede ist, so entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass daraus keine Verpflichtung des Versicherers erwächst (8 U 2/01, RuS 2002, 260 f.). Daran ist festzuhalten, zumal der Kläger hier bereits frühzeitig anwaltlich vertreten war und die Beklagte auf die Notwendigkeit einer rechtzeitigen ärztlichen Feststellung bereits im Schreiben vom 11. Juni 2006 (Bl. 84 d. A.) hingewiesen hatte.

dd) Das Landgericht hat entgegen der Behauptung des Klägers sehr wohl in seinem Hinweisbeschluss vom 7. Mai 2008 (Bl. 149 d. A.) darauf hingewiesen, dass es die Anspruchsvoraussetzungen für die ärztliche Feststellung eines Dauerschadens binnen einer Frist von 15 Monaten ab dem Unfalltag nicht als gegeben ansieht. Es kommt darauf und auf die weitere Frage, ob der Kläger nochmals darauf hätte hingewiesen werden müssen, nicht an, denn dieser Hinweis konnte, weil zu dieser Zeit, und auch schon bereits bei Erhebung der Klage im Dezember 2007, die Frist von 15 Monaten abgelaufen war, dem Kläger keine Rechte mehr bewahren. Anders könnte es sich allenfalls im Falle einer Pflichtverletzung seitens der Beklagten verhalten, falls diese sich als Folge einer solchen Pflichtverletzung auf den Ablauf der Frist nicht würde berufen können. Dies aber ist nach obigen Ausführungen ohnehin nicht der Fall.

Vor diesem Hintergrund erscheint das Verhalten der Beklagten auch unter Zugrundelegung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 30. November 2005 (IV ZR 154/04) nicht als rechtsmissbräuchlich. Die Voraussetzungen einer solchen Hinweispflicht, wie der Bundesgerichtshof sie für Ausnahmefälle bejaht (und im konkreten Fall verneint) hat, liegen hier nicht vor. Wie oben bereits anhand der verschiedenen ärztlichen Stellungnahmen ausgeführt, ergab sich aus diesen, soweit sie der Beklagten überhaupt rechtzeitig vorlagen, keine Hinweispflicht, weil sie nämlich gerade nicht den Schluss auf einen unfallbedingten Dauerschaden nahe legten, wobei insoweit die Sichtweise der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Beklagten zugrunde zu legen ist und weiter, dass von diesen ärztliche Fachkenntnisse und Erfahrungen nicht erwartet werden können.

3. Aus obigen Gründen kann der Senat es dahingestellt sein lassen, ob sich die Beklagte mit Erfolg auch darauf berufen kann, sie sei gemäß § 10 AUB von der Leistungspflicht frei, weil der Kläger die Schadenanzeige entgegen § 9 II. AUB unrichtig und unvollständig ausgefüllt habe. Jedenfalls sei die angegebene Trinkmenge von angeblich drei Bieren à 0,3 l zum Abendessen deutlich zu niedrig gewesen.

Dies trifft sicherlich zu, selbst wenn man die dem Kläger günstigere Bestimmung der Blutalkoholkonzentration in der M. (Bl. 89 d. A.) zugrundelegt. Drei Biere am Abend ergeben nicht am nächsten Morgen eine Blutalkoholkonzentration von 0,69 ?. Damit steht der objektive Verstoß fest und hat sich dann die Prüfung anschließen, ob der Kläger insoweit vorsätzlich oder grob fahrlässig im Sinne von § 10 AUB gehandelt hat. § 10 AUB entspricht § 6 VVG a. F. Danach hat hier der Kläger Vorsatz bzw. grobe Fahrlässigkeit zu widerlegen.

Der Konsum von drei Bieren à 0,3 l zum Abendessen hätte einen vollständigen oder doch jedenfalls nahezu vollständigen Abbau des Blutalkohols zum Unfallzeitpunkt bedeutet. Tatsächlich aber muss selbst bei Zugrundelegung der Messung durch die M. und einer angenommenen Abbaumenge von nur 0,1 ? pro Stunde von einer erheblichen Alkoholkonzentration ausgegangen werden (s. o.). Diese grobe Unrichtigkeit der Angaben des Klägers dürfte die Annahme von Vorsatz ohne Weiteres rechtfertigen (s. a. LG Lüneburg, RuS 1991, 251). Seine nur behauptete fehlende Erinnerung kann ihn möglicherweise nicht entlasten. Auffällig ist dabei, wie von der Beklagten hervorgehoben, dass das Fehlen jeglicher Erinnerung an den Unfall und auch an die Stunden davor nicht mit der Unfallschilderung (Bl. 132 d. A.) korrespondiert, die, was insbesondere den Tiefschlaf angeht, auch nachweislich falsch ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zuzulassen, hat der Senat nicht. Dies gilt auch für die Frage, ob - entgegen der Ansicht des Senats - die ärztliche Feststellung der Invalidität mündlich erfolgen kann, und zwar deshalb, weil es für die Entscheidung des Senats darauf nicht entscheidend ankommt.

Ende der Entscheidung

Zurück