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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 28.06.2000
Aktenzeichen: 9 U 54/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 765
Eine vom Gesellschafter der Gesellschaft - und nicht den Gläubigern der Gesellschaft - gegenüber abgegebene Patronatserklärung begründet nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens keine Ansprüche der Gesellschaft gegen den Gesellschafter.
9 U 54/00

Verkündet am 28. Juni 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### sowie die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18. Januar 2000 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hildesheim wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Sicherheit durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zu leisten.

Wert der Beschwer für den Kläger: 1.000.000 DM.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der ####### (im folgenden: Gemeinschuldnerin) die Feststellung, dass der Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe der im Vollstreckungsverfahren angemeldeten, aber ausgefallenen Forderungen verpflichtet ist.

Der Beklagte ist mit einem Anteil von 12,8 % (6.400 DM von 50.000 DM) Minderheitsgesellschafter der Gemeinschuldnerin, über deren Vermögen mit Beschluss vom 1. September 1998 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden ist.

Unter dem 28. Januar 1997 gab der Beklagte zu Gunsten der Gemeinschuldnerin eine als 'Patronatserklärung' bezeichnete Erklärung folgenden Inhalts ab:

'Herr ####### verpflichtet sich gegenüber der Firma ####### zur Abwendung einer Überschuldung der Gesellschaft dafür zu sorgen, dass diese so geleitet und finanziell gestellt wird, dass sie in der Lage ist, ihre gegenwärtigen und zukünftigen Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern fristgemäß zu erfüllen.'

Vor dem Landgericht hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass es sich bei dieser Erklärung um eine 'harte Patronatserklärung' handele, aus der der Beklagte auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung hafte. Da der den Gläubigern entstandene Schaden noch nicht endgültig beziffert werden könne, sei der Feststellungsantrag gerechtfertigt.

Der Beklagte hat das Vorliegen einer Patronatserklärung in Abrede genommen. Überdies habe die Gemeinschuldnerin ihn nie aufgefordert, Verpflichtungen aus dieser Erklärung zu erfüllen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei der Erklärung vom 28. Januar 1997 weder um eine Patronatserklärung noch um eine Bürgschaft, eine Schuldmitübernahme oder ein Garantieversprechen gehandelt habe.

In seiner Berufung vertritt der Kläger weiter die Auffassung, dass es sich bei der vom Beklagten abgegebenen Erklärung um eine harte Patronatserklärung handele. Hierbei sei unerheblich, dass die Erklärung nicht gegenüber den Gläubigern, sondern gegenüber der (späteren) Gemeinschuldnerin selbst abgegeben worden sei. Der der Gemeinschuldnerin zustehende Anspruch auf Ausstattung mit den zur Gläubigerbefriedigung erforderlichen Mitteln könne im Gesamtvollstreckungsverfahren vom Kläger geltend gemacht werden. Insoweit bestehe der ursprüngliche Erfüllungsanspruch der Gemeinschuldnerin fort. Der Gemeinschuldnerin sei durch die Nichterfüllung ein Schaden entstanden, der der Höhe nach den Beträgen entspreche, die zur Befriedigung der angemeldeten und nicht befriedigten Forderungen benötigt wurden.

Der Kläger beantragt,

das am 18. Januar 2000 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelsachen des Landgerichts Hildesheim zu ändern und

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an ihn denjenigen Betrag zu zahlen, in dessen Höhe im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der #######, geführt beim Amtsgericht ####### zum Aktenzeichen #######, im Range von § 17 Abs. 3 Nr. 1 - 4 GesO angemeldete und anerkannte Forderungen nicht befriedigt werden können.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

sowie für den Fall einer Maßnahme nach § 711 ZPO anzuordnen, dass Sicherheit auch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse sein darf.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und meint weiter, dass eine etwa von ihm eingegangene Verpflichtung mangels Bestimmtheit unwirksam sei. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, welche Verpflichtung er, der Beklagte, verletzt haben solle und worin sein Verschulden zu sehen sei. Schließlich sei auch kein Schaden ersichtlich, welcher der Gemeinschuldnerin entstanden wäre. Da der Kläger selbst einräume, dass es um die Befriedigung der Vollstreckungsgläubiger gehe, könne allenfalls bei diesen ein Schaden liegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht in der begehrten Art zu.

1. Der Senat vermag eine vertragliche Haftung des Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin auf Grund der Erklärung vom 28. Januar 1997 nicht festzustellen.

Zutreffend ist allerdings die Ansicht der Berufung, dass der Wortlaut der vom Beklagten abgegebenen Erklärung weitestgehend dem typischen Wortlaut einer sog. 'harten Patronatserklärung' entspricht (vgl. hierzu BGHZ 117, 127/129 mit umfangreichen Nachweisen aus dem Schrifttum). Allerdings weist die vom Beklagten abgegebene Erklärung die Besonderheit auf, dass sie nicht gegenüber einem oder mehreren Gesellschaftsgläubigern, sondern gegenüber der Gesellschaft selbst abgegeben worden ist; diese hat die Erklärung offenbar nicht zur Erhaltung ihrer Kreditfähigkeit nach außen verwendet. Nimmt man hinzu, dass auch der Wortlaut der Erklärung eine etwaige Verpflichtung allenfalls 'gegenüber der #######', also gegenüber der Gesellschaft selbst, und nicht - wie in den Fällen, in denen eine harte Patronatserklärung bejaht worden ist - gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft eingegangen worden ist, dann führt dies im Ergebnis dazu, dass im vorliegenden Fall ein Anspruch der Gemeinschulderin gegen den Beklagten nicht bejaht werden kann.

Selbst wenn man trotz der dogmatischen Probleme, die bei der Bejahung der rechtlichen Verbindlichkeit einer derartigen Erklärung entstehen (vgl. hierzu Schneider, ZIP 1989, 619 ff.; Habersack, ZIP 1996, 257 ff.; Schäfer, WM 1999, 153 ff.; Fleischer WM 1999, 666 ff.) der Gemeinschuldnerin aus dieser Erklärung gegen den Beklagten einen Erfüllungsanspruch zubilligen würde, so wäre ein solcher Anspruch jedenfalls mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens untergegangen.

Der Sinn der vom Beklagten abgegebenen Erklärung kann bei verständiger Würdigung des Erklärungsinhaltes, §§ 133, 157 BGB, nur darin gesehen werden, die Gesellschaft lebensfähig zu erhalten, mithin den Eintritt des Vermögensverfalls und die Eröffnung eines Konkurs- oder Gesamtvollstreckungsverfahrens zu verhindern. Wenn - aus welchen Gründen auch immer - dieser mit der Erklärung verbundene Zweck nicht erreicht werden kann oder mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens - wie hier - verfehlt worden ist, besteht eine den Beklagten treffende Verpflichtung zur weiteren Stützung der Gesellschaft nicht mehr.

Ein gegebenenfalls zu bejahender Ausstattungsanspruch der Gesellschaft wandelt sich in einem solche Fall insbesondere nicht in eine Verpflichtung des Erklärenden um, die im Vollstreckungsverfahren befindliche Gesellschaft mit Mitteln zur Befriedigung der Vollstreckungsgläubiger auszustatten. Denn hierdurch würde allein dem Interesse der Gläubiger gedient, der mit der Erklärung verbundene Zweck - Sicherung der Teilnahme der Gesellschaft am Wirtschaftsleben - könnte hingegen nicht (mehr) erreicht werden.

2. Soweit der Kläger die Auffassung vertreten hat, der Feststellungsanspruch rechtfertige sich daraus, dass der Beklagte zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet sei, vermag er auch hiermit nicht durchzudringen.

Ein Schadensersatzanspruch der Gemeinschuldnerin scheitert bereits daran, dass ein Schaden der Gemeinschuldnerin nicht ersichtlich ist. Insbesondere die Tatsache, dass die Gemeinschuldnerin im Vollstreckungsverfahren ihre Gläubiger nicht oder nicht vollständig befriedigen kann, stellt keinen der Gemeinschuldnerin selbst entstandenen Schaden dar.

Ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaftsgläubiger - den der Kläger ausweislich seines Berufungsvortrages überdies gar nicht verfolgt - würde voraussetzen, dass im Verhältnis zu den Gesellschaftsgläubigern von der Erklärung des Beklagten vom 28. Januar 1997 Gebrauch gemacht worden ist und die Gläubiger im Vertrauen auf die Wirksamkeit dieser Erklärung der Gemeinschuldnerin Kredit gewährt hätten. Hierzu fehlt bereits hinreichender Vortrag des Klägers, so dass es darauf, dass der Kläger, der ohnehin nur den Quotenschaden geltend machen könnte, auch zur Quote nicht vorgetragen hat, nicht mehr ankommt.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1; 708 Nr. 10, 711; 546 Abs. 2 ZPO

Ende der Entscheidung

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