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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 16.08.2006
Aktenzeichen: 9 U 6/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 705
1. Enthalten Sozietätsverträge zwischen Rechtsanwälten keine ausdrückliche Beschränkung nachvertraglicher Tätigkeit, unterliegen die Sozien nach einer Beendigung des Vertrages keinen wettbewerblichen Einschränkungen.

2. Aus dem Umstand, dass eine Vertragspartei bei Abschluss eines Sozietätsvertrages diesen für sittenwidrig hält, kann die andere Partei - sofern der Vertrag wirksam abgeschlossen ist - keine Rechte auf Schadensersatz herleiten. Ihr steht vielmehr ein Anspruch auf Erfüllung der vertraglichen Pflichten zu; Schadensersatzansprüche aus der verschwiegenen Rechtsauffassung bestehen nicht.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

9 U 6/06

Verkündet am 16. August 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie der Richter am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 2. Dezember 2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung seitens der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Mit der Berufung macht der Kläger geltend, zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass Ende Januar 2005 eine endgültige Regelung für die Trennung der Parteien getroffen worden sei. In seinem Kündigungsschreiben vom 31. Januar 2005 habe der Kläger lediglich eine die technische Trennung der Arbeitsbereiche betreffende vorläufige Regelung angesprochen. Auf Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten, zu denen auch der Anspruch auf Unterlassung der von den Beklagten ausgeübten Konkurrenztätigkeit gehöre, habe der Kläger nicht verzichtet, vielmehr sich den Ersatz "allen Schadens" in seinem Kündigungsschreiben vorbehalten. Der Kläger bekräftigt sein Vorbringen, er sei von den Beklagten getäuscht worden. Zum einen sei er über die Vertragslaufzeit irregeführt worden, zum anderen darüber, dass die Beklagten keine dauerhafte, loyale Zusammenarbeit mit ihm angestrebt hätten. Aus ihrem Bestreiten einer bestimmten Vertragslaufzeit sei erkennbar, dass sie nie ernstlich vorgehabt hätten, den Vertrag zu erfüllen. Er hätte mit den Beklagten niemals einen Sozietätsvertrag abgeschlossen, wenn er von diesen Umständen gewusst hätte.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten gemäß den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie machen geltend, die von den Parteien seit ihrer Trennung praktizierte Nutzungsregelung entspreche der Bestimmung in § 15 Ziff. 1 des Sozietätsvertrages, da die von den Beklagten genutzten Räume im II. Oberschoss der ...straße ihnen zuzuordnen seien, weil sie - wie unstreitig ist - im Eigentum ihrer Ehefrauen stünden. Die jetzige Nutzung entspreche zudem der Zuordnung der Räumlichkeiten, die der Kläger selbst in seinem Kündigungsschreiben vom 31. Januar 2005 vorgenommen habe; in einem Gespräch am 31. Januar 2005 sei schließlich diese Nutzung besprochen worden. Sie bestreiten, den Kläger im Zusammenhang mit dem Abschluss des Sozietätsvertrages über ihre Bereitschaft, mit dem Kläger dauerhaft zusammenzuarbeiten, getäuscht zu haben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet; dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung einer Konkurrenztätigkeit im Haus ...straße 7 - 9 in H. gegen die Beklagten nicht zu.

1. Der Kläger kann seinen Unterlassungsanspruch nicht auf eine vertragliche Grundlage stützen.

a) Aus einem fortdauernden Sozietätsvertrag kann der Kläger keine Rechte herleiten; beide Parteien sind sich - ungeachtet der von ihnen unterschiedlich beurteilten Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen - darüber einig, dass die Sozietät aufgrund des ursprünglichen Vertrages nicht mehr fortgeführt wird.

b) Ein Unterlassungsanspruch ist auch nicht auf Erfüllung vertraglich fixierter Pflichten der Beklagten für den Fall der Beendigung der Sozietät gerichtet. Der zwischen den Parteien geschlossene Sozietätsvertrag sieht nämlich kein besonderes - wettbewerbliches - Unterlassungsgebot für den Fall der Trennung der Sozien vor. Inwiefern § 15 Nr. 1 Satz 4 des Sozietätsvertrages sogar insofern für die Beklagten streiten könnte, nach dem nämlich die eingebrachten Kanzleiräume im Fall der Trennung dem "wirtschaftlich Berechtigten" verbleiben und die Beklagten als Berechtigte in diesem Sinne angesehen werden könnten, da ihre Ehefrauen die Räume im II. Obergeschoss erworben und an die Kanzlei vermietet haben, kann dahinstehen. Sofern nämlich im Vertrag nicht ausdrücklich eine Beschränkung der nachvertraglichen Tätigkeit vereinbart worden ist, unterliegen die Beklagten keinem Wettbewerbsverbot, sodass sie eines ausdrücklichen Einverständnisses mit ihrer Tätigkeit in der Osterstraße durch den Sozietätsvertrag nicht bedürfen.

2. Das Unterlassungsbegehren des Klägers ergibt sich auch nicht als Rechtsfolge eines Schadensersatzanspruchs wegen eines rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten vor oder bei Beginn des Sozietätsvertrages. Zwar hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagten hätten sich die Sozietät erschlichen, indem sie ihn insbesondere über die Laufzeit des Sozietätsvertrages getäuscht hätten. Es ist aber weder erkennbar, dass die Beklagten gegen sie treffende Pflichten aus einem vorvertraglich entstandenen Vertrauensverhältnis verstoßen haben, noch dass die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB, auf die der Kläger hier ersichtlich abstellt, vorliegen.

a) Es ist schon nicht erkennbar, dass die Beklagten durch Irreführung des Klägers eine Zusammenarbeit unter Vorspiegelung einer zwischen den Parteien diskutierten fünfjährigen Vertragslaufzeit verursacht hätten. Denn einerseits ist der Senat schon nicht überzeugt davon, dass die Beklagten bei Abschluss des Vertrages mit Betrugsvorsatz handelten (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2005, 9 U 92/05). Aus dem Umstand, dass die Beklagten sich später - nämlich nachdem deutliche Konflikte zwischen den Parteien zutagegetreten waren - auf das Fehlen einer Mindestlaufzeit berufen haben, kann nämlich nicht geschlossen werden, dass sie eine solche Vertragsregelung dem Kläger in bewusster Irreführung mehrere Jahre zuvor "untergeschoben" haben. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Beklagten den Kläger getäuscht hätten und dieser aufgrund der Täuschung die Zusammenarbeit mit den Beklagten aufgenommen hätte, fehlte es andererseits an einem beim Kläger eingetretenen Vermögensschaden. Dieser setzte nämlich voraus, dass der Kläger aufgrund der von den Beklagten verübten Täuschung eine Einbuße dadurch hätte erleiden können, dass die Beklagten sich auch entsprechend eher vom Vertrag lösen könnten. Dies ist aber gerade nicht der Fall, da der Vertrag - wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat (Urteil vom 9. Dezember 2005, 9 U 92/05) - tatsächlich mit einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren zustande gekommen ist.

Der Kläger kann deshalb auch nicht geltend machen, er sei mit dem Vertrag als solchem "belastet", da er - wenn ihm das von ihm behauptete Verhalten der Beklagten offenkundig geworden wäre - die Vertragsverhandlungen abgebrochen hätte. Hinsichtlich der Vertragslaufzeit liegt dies auf der Hand: Der Kläger hätte nämlich vielmehr darauf gedrängt, dass der Vertragstext entsprechend den geführten Verhandlungen umgesetzt worden wäre. In diesem Fall hätte der Kläger sein Ziel - durch eine ausdrückliche Vereinbarung, die der Senat erst im Wege der Auslegung gewonnen hat - erreicht.

b) Der Kläger kann einen Schadensersatzanspruch auch nicht auf seine Behauptung stützen, die Beklagten hätten ihn bei Abschluss des Vertrages getäuscht, da sie schon damals die Absicht gehabt hätten, sich später gegenüber dem Kläger auf die Sittenwidrigkeit des Vertrages zu berufen und demzufolge - entgegen den beim Kläger erweckten Erwartungen - aus der Sozietät "auszubrechen"; die Beklagten hätten also gleichsam - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - mit einem "Mentalvorbehalt" gehandelt. Abgesehen davon, dass der Senat keine Anhaltspunkte für die Sittenwidrigkeit des Sozietätsvertrages hat, würde es sich bei dieser Einschätzung lediglich um eine besondere Rechtsauffassung der Beklagten handeln, die allerdings am bestehenden Vertrag - und damit gerade an durchsetzbaren Rechten des Klägers - nichts geändert hätte. Warum die Beklagten gehalten sein sollten, eine solche Rechtsauffassung dem Kläger gegenüber bei Vertragsschluss zu offenbaren, ist nicht ersichtlich. Es besteht zudem keine Pflicht, bestimmte Rechtsauffassungen nicht zu vertreten; im Verhältnis zum Vertragspartner zählt die Unterschrift, durch die hier - wie der Senat bereits ausgeführt hat - ein wirksames Vertragsverhältnis entstanden ist. Hinzu kommt, dass der Vortrag des Klägers hinsichtlich des Verhaltens der Beklagten bei Vertragsschluss - der Sozietätsvertrag ist am 15. September 2001 abgeschlossen worden - lediglich spekulativ ist. Allein aus späteren Querelen kann nicht geschlossen werden, dass die Beklagten den Vertrag von Anfang an für sittenwidrig hielten und deshalb gleichsam mit einem "mentalen Vorbehalt" die Zusammenarbeit mit dem Kläger in der Absicht begonnen haben, aus dem Vertrag sodann "auszubrechen". Die wechselseitigen Kündigungen der Parteien sind im Januar bzw. Februar 2005 erfolgt. Anlass dafür waren unterschiedliche Auffassungen der Parteien über einzelne Aspekte der Zusammenarbeit in der Sozietät. Inwieweit diese Geschehnisse mit einem vom Kläger behaupteten Verhalten bzw. einer inneren Einstellung der Beklagten im September 2001 zusammengehangen haben sollten, ist nicht erkennbar.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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