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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.04.2000
Aktenzeichen: 24 U 56/99
Rechtsgebiete: BRAGO, ZVG, AO, EstG, GewStG,


Vorschriften:

BRAGO § 13 Abs. 2 S. 1
BRAGO § 7 Abs. 2
BRAGO § 118
BRAGO § 68 Abs. 1 Nr. 1
BRAGO § 31
BRAGO § 57 Abs. 1
BRAGO § 68 Abs. 1
BRAGO § 68 Abs. 3 Nr. 2, Halbs. 1
BRAGO § 12 Abs. 2, Halbs. 1
BRAGO § 12 Abs. 1
ZVG § 15
ZVG § 30 ff.
AO § 42
EStG § 15 Abs. 2
GewStG § 2 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 56/99

Verkündet am 18. April 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 07. März 2000 unter Mitwirkung seiner Richter Z E und T

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichter - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand 32.427,13 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. April 1997 zu zahlen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Kläger zu gleichen Anteilen zu 33 %, der Beklagte zu 67 %; die Kosten des zweiten Rechtszuges tragen die Kläger zu gleichen Anteilen zu 14 %, der Beklagte zu 86 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel des Beklagten, mit welchem er unter Hinnahme eines Urteilsteilbetrags von 5.324,96 DM nebst Zinsen seine Verurteilung zur Zahlung weitergehender 31.466,41 DM bekämpft, hat nur einen geringen Teilerfolg. Er schuldet den klagenden Rechtsanwälten aus außergerichtlicher Beratung statt 36.791,37 DM nebst Zinsen, wie das Landgericht erkannt hat, nur 32.427,13 DM nebst Zinsen. In diesem Umfange führt seine Berufung zur Teilabänderung des angefochtenen Urteils, im Übrigen unterliegt sie der Zurückweisung. Zu den einzelnen Berufungsangriffen gilt das Folgende:

I. Honorarrechnung vom 15. Januar 1997 über 20.099,24 DM, vom Landgesicht gekürzt auf 8.627,87 DM.

Die Berufung des Beklagten führt zu einer weiteren Kürzung um 4.364,24 DM auf 4.263,63 DM. Mit der Herabsetzung des Honorars auf den genannten Betrag erschöpft sich aber auch schön der vom Beklagten erzielte Berufungserfolg.

1. Der Ansicht des Beklagten, die hier in Rechnung gestellte Beratung (Bemühungen der Kläger, die C zur "Stundung" des fällig gestellten Darlehens zu bewegen), sei im honorarrechtlichen Sinne eine Angelegenheit mit der Beratung über die Behebung seiner Liquiditätsprobleme und den damit verbundenen Verhandlungen über die Veräußerung seines Grundbesitzes, so dass nur ein Honorar nach den addierten Gegenstandswerten zu berechnen sei, folgt der Senat nicht. Das Landgericht, das sich mit dieser im ersten Rechtszug nicht thematisierten Rechtsfrage nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat, ist zutreffend davon ausgegangen, dass es um zwei verschiedene Angelegenheiten geht, die deshalb auch getrennt abzurechnen sind.

Die honorarrechtlich gemäß §§ 13 Abs. 2 S. 1, 7 Abs. 2 BRAGO gebotene Abgrenzung der anwaltlichen Beratungstätigkeit nach "Angelegenheiten" und "Gegenständen", die einer künstlichen Fragmentierung und dadurch bewirkten unangemessenen Verteuerung der angebotenen Leistung entgegenwirken soll, hat sich abstrakt an der Frage zu orientieren, ob die in Auftrag gegebene Geschäftstätigkeit des Rechtsanwalts einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt (dann eine Angelegenheit gegebenenfalls mit verschiedenen Gegenständen, z.B. Regelung der Ehescheidung mit sämtlichen Scheidungsfolgen) oder ob es um verschiedene Lebensvorgänge geht (dann verschiedene Angelegenheiten). Die Einheitlichkeit eines Lebensvorgangs wird äußerlich vielfach indiziert durch die gleichzeitige Auftragserteilung, die einheitliche Zielrichtung der Beratung, den rechtlichen Zusammenhang und, wenn es um eine kontradiktorische Interessenwahrnehmung geht, durch die persönliche Identität oder Verschiedenheit des in Betracht kommenden Kontrahenten (vgl. dazu Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 13 Rn. 5 m.w.N.). Der wirtschaftliche Zusammenhang ist zwar stets eine notwendige Voraussetzung, um eine Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs. 2 S. 1 BRAGO annehmen zu können, aber nicht jede Interessenwahrnehmung, die mit einer anderen einen wirtschaftlichen Zusammenhang aufweist, führt zur Annahme einer Angelegenheit auch im honorarrechtlichen Sinne.

Im Streitfall handelt es sich deshalb um verschiedene Beratungstätigkeiten, weil die Beratungsziele unterschiedlicher Natur, die in Betracht kommenden Kontrahenten personenverschieden gewesen sind und auch ein rechtlicher Zusammenhang nicht bestanden hat. Ziel der Beratungstätigkeit gegenüber der C ist es gewesen, sie zum Stillhalten zu bewegen. Ziel der Beratungstätigkeit gegenüber der E H GmbH ist es gewesen, sie zu einem Vertragsabschluss mit dem Beklagten über die Veräußerung eines Teils seines Grundbesitzes zu bewegen und zwar unter Vermeidung steuerlicher Nachteile zu Lasten des Beklagten. Der wirtschaftliche Zusammenhang ist äußerlicher Natur, weil der durch die Grundbesitzveräußerung zu erzielende Erlös dazu dienen sollte, Liquidität zu schaffen, um die fällige Darlehensverbindlichkeit bei der C ablösen zu können. Die C und die F H GmbH verbinden keine gemeinsamen wirtschaftlichen, geschweige denn rechtlichen Interessen im Verhältnis zum Beklagten. Die Richtigkeit dieser Beurteilung wird ferner, worauf die Kläger zu Recht hinweisen, dadurch indiziert, dass die Interessen des Beklagten gegenüber den Interessengegnern verfahrensrechtlich nicht gemeinsam hätten verfolgt werden können (vgl. dazu Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, aaO, Stichwort "Zusammengehörigkeit"; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 18. Aufl., Stichwort "Angelegenheit"). Die Interessenwahrnehmung gegenüber der E H GmbH konnte allenfalls zum Scheitern der Vertragsverhandlungen führen, Ansprüche gegen diese Gesellschaft hatte der Beklagte nicht.

2. Die Abrechnung der Beratungstätigkeit gegenüber der C als besondere Angelegenheit ist aber sowohl in der Art, wie sie in der hier umstrittenen Honorarabrechnung der Kläger zum Ausdruck gekommen ist, als auch in der Art, wie sie das Landgericht im angefochtenen Urteil für richtig gehalten hat, unzutreffend. Die Angelegenheit ist nicht nach § 118 BRAGO, sondern nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zu honorieren.

a) Richtig ist, dass für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts grundsätzlich die Honorarregelung des § 118 BRAGO die zutreffende Norm darstellt. Dieser Grundsatz erleidet aber Ausnahmen, wenn die Honorarbestimmung des § 118 BRAGO in Wertungswidersprüche gerät zu solchen Gebührenbestimmungen, die die vergleichbare Tätigkeit des Rechtsanwalts in einem gerichtlichen Verfahren geringer honorieren als sie bei bloß außergerichtlicher Tätigkeit nach § 118 BRAGO honoriert würde (vgl. dazu BGH NJW 1967, 2312 zum Fall außergerichtlicher Beratung in Sozialsachen im Verhältnis der vergleichbaren Tätigkeit im Sozialgerichtsverfahren gemäß § 116 Abs. 1 BRAGO; ebs. BSG AnwBl. 1985, 652; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 116 Rn. 6; Göttlich/Nümmler, aaO, Stichwort "Sozialgerichtssachen"; vgl. allg. auch Schumann/Geißinger, BRAGO, 2. Aufl., § 2 Anm. 5 ff; a.A. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, aaO, § 116 Rn. 12).

Um eine derartige Ausnahme geht es z.B. auch dann, wenn ein Rechtsanwalt im Vorfeld der Zwangsvollstreckung außergerichtlich tätig wird. Wird er im Zwangsvollstreckungsverfahren mit der Vertretung beauftragt, werden seine Tätigkeiten gemäß §§ 31, 57 Abs. 1 BRAGO mit 3/10-Gebühren honoriert. Würde die außergerichtliche Beratung gemäß § 118 BRAGO abgerechnet, könnte der Rechtsanwalt eine Rahmengebühr zwischen 5/10 und 10/10 verlangen, im Ergebnis also stets ein höheres Honorar, als ihm im gerichtlichen Verfahren zustünde. Nach einer weit verbreiteten Meinung, kann deshalb der Rechtsanwalt auch im Vorfeld der gerichtlichen Zwangsvollstreckung seine geleistete Beratungstätigkeit nur nach § 57 Abs. 1 BRAGO abrechnen (insoweit auch Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, aaO, § 57 Rn. 24 m.w.N.; anderes gilt selbstverständlich dann, wenn es nicht um die Abwehr der erwarteten oder angedrohten Zwangsvollstreckungsmaßnahme geht, sondern z.B. darum, die dem Titel zugrunde liegende Forderung gemäß § 767 ZPO zu bekämpfen).

b) Auch im Streitfall geht es um einen derartigen Ausnahmetatbestand. Gegenstand des Auftrages war es nicht gewesen, die durch Grundpfandrechte gesicherte Forderung der C in Frage zu stellen. Dem Beklagten ging es vielmehr darum, dass die C davon abgehalten werde, aus der dinglichen Sicherung gegen ihn vorzugehen und die Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks gemäß § 15 ZVG zu beantragen, wie es von der Gläubigerin angekündigt worden war. Wären die Kläger mit der Vertretung des Beklagten erst im Zwangsversteigerungsverfahren beauftragt worden, wäre ihre Leistung gemäß § 68 Abs. 1 BRAGO zu honorieren gewesen. Im Zwangsversteigerungsverfahren verdient der Rechtsanwalt eine 3/10-Gebühr für alle entfalteten Tätigkeiten bis zur Einleitung des Verteilungsverfahrens, § 68 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO. Erfasst werden von dieser Gebührenbestimmung demnach auch alle Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt entfaltet, um für den Mandanten eine vorläufige Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 30 ff ZVG zu erreichen einschließlich eventueller Besprechungen mit dem Gegner (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, aaO, § 68 Rn. 5; Riedel/Sußbauer, aaO, § 68 Rn. 8; Schumarin/Geißinger, aaO, § 68 Anm. 8). Gelingt es dem beauftragten Rechtsanwalt, den Gegner zur Bewilligung einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung zu bewegen und kann der Mandant den Zeitgewinn nutzen, um sich Liquidität zur Begleichung der gesicherten Forderung zu verschaffen, bleibt es bei der verdienten 3/10-Gebühr, wenn es anschließend (nach Befriedigung des Gläubigers) zur endgültigen Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens oder der Rücknahme des Antrags kommt.

Im Streitfall hatten die Kläger eben diese Tätigkeit zu entfalten, allerdings bereits im Vorfeld der angedrohten Zwangsversteigerung. Es sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, die vergleichbare außergerichtliche Tätigkeit der Kläger mit einem höheren Honorar, als dem im gerichtlichen Verfahren zu verdienenden zu vergüten.

c) Wird die umstrittene Beratung der Kläger nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO honoriert, ist es folgerichtig und notwendig, die entsprechende Bestimmung des § 68 Abs. 3 Nr. 2, Halbs. 1 BRAGO zur Bewertung des Gegenstands anzuwenden. Danach richtet sich der Wert der zu honorierenden Tätigkeit nach dem Wert des der Zwangsversteigerung unterliegenden Gegenstandes. Das ist im Streitfall der Grundstückswert, der (unstreitig) drei Millionen Deutsche Mark beträgt.

d) Die Tätigkeit der Kläger gegenüber der C ist demgemäß wie folgt abzurechnen:

Gegenstandswert: 3,0 Mill. DM

3/10-Gebühr (§ 68 I Nr. 1 BAGO) 3.667,50 DM Postpauschale (§ 26 BRAGO) 40,00 DM 3.707,50 DM 15 % Mehrwertsteuer 556,13 DM Honorar 4.263,63 DM

II. Honorarrechnung vom 15. Januar 1997 über 28.163,50 DM, vom Landgericht antragsgemäß zuerkannt

1. Soweit der Beklagte diese Honorarrechnung angreift, weil die zugrunde liegende und die gegenüber der C entfaltete Tätigkeit eine Angelegenheit darstellten, bleibt das Vorbringen ohne Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Erwägungen des Senats unter Nr. I.1. verwiesen.

2. Ohne Erfolg greift der Beklagte die von den Klägern im Rahmen des (hier zutreffenden) § 118 BRAGO berechneten Geschäfts- und Besprechungsgebühren von jeweils 10/10 an. Die Gebührenhöhe hält der Senat mit dem Landgericht und der gutachtlich gemäß § 12 Abs. 2, Halbs. 1 BRAGO angehörten Rechtsanwaltskammer für angemessen. Die Tätigkeit der Kläger war mit Blick auf die mitgeschuldete steuerrechtliche Prüfung von hohem Niveau, was auch der Beklagte nicht in Abrede stellt. Mit dem Gegner wurden drei Besprechungen geführt, obwohl schon eine ausreichte, um die Besprechungsgebühr dem Grunde nach auszulösen. Der Beklagte ist mit Blick auf seinen Grundbesitz sehr vermögend, auch wenn er im Zeitpunkt der Beratung über keine oder nicht sehr hohe Liquidität verfügte. Diese, gemäß § 12 Abs. 1 BRAGO für die Höhe der Rahmengebühr maßgeblichen Kriterien liegen in einer Intensität vor, die die Höchstgebühr nicht unangemessen erscheinen lassen, auch wenn die Kläger bei den Verhandlungen mit der E H GmbH auf einen Kaufvertragsentwurf zurückgreifen konnten, der ihnen vom Beklagten aus einer früheren Verhandlung zur Verfügung gestellt worden war. Die Honorarrechnung ist somit nach Grund und Höhe nicht zu beanstanden.

III. Zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzansprüche

Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass der die Sache bearbeitende Rechtsanwalt B fehlerfrei beraten hat. Aufrechenbare Schadensersatzansprüche des Beklagten bestehen deshalb nicht.

1. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass Rechtsanwalt B dem Beklagten dazu geraten hat, den Grundbesitz zu veräußern, anstatt ihn (zunächst) in eine von ihm noch zu gründende Gesellschaft mit beschränkter Haftung einzubringen und den Grundbesitz erst durch die Gesellschaft veräußern zu lassen. Jede Grundstücksveräußerung, gleichviel, ob unmittelbar durch den Beklagten oder mittelbar durch eine GmbH war mit Risiken verbunden. Diese beruhten darauf, dass sich das Finanzamt ausweislich der Stellungnahme vom 12. Juni 1996 (GA 157 f) auf den (nach Ansicht des Senats rechtsirrigen) Standpunkt gestellt hatte, die Veräußerung des Grundbesitzes sei nach dem Gewerbesteuergesetz steuerpflichtig (und dann auch einkommensteuerpflichtig), weil der Erwerb des Grundbesitzes im Jahre 1983 durch ein Tauschgeschäft indiziere, dass der Beklagte gewerblich mit Grundstücken handele (so genannte "Infektion").

Die Ansicht des Beklagten, die in Rede stehende Stellungnahme des Finanzamtes habe Rechtsanwalt B dazu veranlassen müssen, ihm zur Einbringung des Grundbesitzes in eine GmbH zu raten, um auf diesem Wege den dann nur fälligen halben Einkommensteuertarif zu sichern, ist unzutreffend. Ein solcher Rat hätte die Risiken einerseits nicht ausgeschlossen und hätte den Beklagten am Ende stärker belasten können, als der tatsächlich erteilte Rat.

Zutreffend weisen die Kläger nämlich darauf hin, dass das Finanzamt auf der Grundlage der Stellungnahme vom 12. Juni 1996 aller Voraussicht nach den Standpunkt vertreten hätte, hier liege ein Umgehungsgeschäft gemäß § 42 AO vor. Folge wäre gewesen, dass der Beklagte auch bei dieser Variante zum vollen Einkommensteuertarif und zur Gewerbesteuer herangezogen worden wäre (vgl. dazu BFH NV 1996, 746 und BFH GmbHR 1998, 1087, 1089 f) und er zusätzlich mit den Kosten belastet gewesen wäre, die er zur Gründung der GmbH hätte aufwenden müssen (Notarkosten, Eintragungskosten).

Rechtsanwalt B durfte deshalb zum Verkauf durch den Beklagten raten, weil die vom Finanzamt eingenommene Rechtsposition zur Frage, wann Einkünfte aus Grundstücksveräußerung solche gewerblicher Art im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG sind, auf ersichtlich "schwachen Füßen" stand (vgl. dazu BMF BStBl 1990, 884 Tz. 2; Littmann/Bitz/Hellwig, EStG, § 15 Rn. 132 m.w.N.). Nachdem seit dem als steuerschädlich angesehenen Tauschgeschäft mehr als zehn Jahre vergangen waren, bestand keine tatsächliche Vermutung mehr dafür, dass der Beklagte gewerblich mit Grundstücken handelte (Littmann/Bitz/Hellwig, aaO Rn. 132 a m.w.N.). Der von Rechtsanwalt B eingenommene gegenteilige Rechtsstandpunkt war nicht nur vertretbar, sondern entspricht der Auffassung des Bundesfinanzhofes (vgl. die Nachw. bei Littmann/Bitz/Hellwig, aaO). Das damit verbundene Prozessrisiko war nicht größer als das Risiko, vom Finanzamt wegen eines Umgehungsgeschäfts gemäß § 42 AO zur Steuer herangezogen zu werden. Dieser rechtliche Angriff hätte zwar auch abgewehrt werden können, weil auch er nur zum Erfolg hätte führen können, wenn der Beklagte als Grundstückshändler zu qualifizieren gewesen wäre, was er aber nach Ansicht des Senats im Jahre 1997 nicht gewesen ist. Im Ergebnis hätte der Beklagte aber nicht nur eine Zeitverzögerung zu beklagen gehabt, die er sich mit Blick auf die angedrohte Zwangsvollstreckung der C nicht leisten konnte, sonder er wäre zusätzlich mit den Kosten der GmbH-Gründung belastet gewesen, ohne aus der Gesellschaftsgründung steuerrechtliche Vorteile zu gewinnen. Das hat im übrigen auch der nachfolgende steuerrechtliche Berater B so gesehen, denn er hat dem Beklagten, wie es Rechtsanwalt B getan hat, zur Grundstücksveräußerung geraten, ohne den Grundbesitz zuvor in eine noch zu gründende GmbH einzubringen.

2. Fehlerfrei war die Beratung des Rechtsanwalts B auch insoweit, als er gegen die Aufnahme des § 8 Abs. 3 in den mit der E H GmbH ausgehandelten Kaufvertrag nichts unternommen hatte. Die Ansicht des Beklagten, die Übernahme der dort genannten Leistungen (Beseitigung des Bewuchses, des Sperrmülls und der aufstehenden Scheune) hätte im Falle der Durchführung des Kaufvertrags steuerpflichtigen Grundstückshandel im Sinne des § 2 Abs. 1 GewStG und des § 15 Abs. 2 EStG indiziert, ist unzutreffend.

a) Soweit es um "Bewuchs" und "Sperrmüll" geht, liegt das auf der Hand. Wer landwirtschaftlich genutztes Land verkauft, veräußert es ohne Bewuchs und ohne Sperrmüll. Früchte sind üblicherweise zu trennen, wenn sie nicht mitverkauft werden sollen. Sperrmüll ist zu beseitigen, weil er die Qualität des Grundstücks im Sinne des Gewährleistungsrechts nachteilig beeinflusst, § 459 BGB.

b) Nichts Anderes gilt aber auch für die auf einem kleinen Teil des veräußerten Grundbesitzes aufstehende Scheune. Den Kaufvertragsparteien war es darum gegangen, ein nicht bebautes Grundstück zu veräußern. Die aufstehende Scheune wollte die Käuferin nicht erwerben und dafür auch keinen Kaufpreisanteil bezahlen müssen.

aa) Doch selbst dann, wenn zur steuerrechtlichen Qualifizierung mehr auf die wirtschaftliche Seite des Geschäfts abgehoben wird, nämlich darauf, dass die E H GmbH auf den Grundstücken Wohnhäuser errichten wollte, wobei eine aufstehende Scheune nicht zu einer Wertverbesserung des Grundstücks, sondern wegen notwendiger Abbruchkosten zu einer Wertverschlechterung beitrug, stellte die vom Beklagten übernommene Beseitigungspflicht keine Maßnahme dar, die als steuerschädlich qualifiziert werden könnte.

Der Bundesfinanzhof (BStBl. 1984,137 m.w.N.) hat bereits im Jahre 1983 entschieden, dass nicht jede Maßnahme eines Grundstücksveräußerers, die zu einer Wertverbesserung des Grundstücks führt, Grundstückshandel indiziere. Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn die Maßnahmen einen nicht mehr unerheblichen Umfang annehmen, insbesondere, wenn sich der Veräußerer aktiv an der Erschließung der von ihm veräußerten Grundstücke beteiligt. Bloße Vorbereitungen zum Verkauf einschließlich der Parzellierung gehen nach Ansicht des Bundesfinanzhofes über die (steuerneutrale) Verwaltung privaten Grundbesitzes nicht hinaus. Erst dann, wenn der Veräußerer Maßnahmen ergreift, die über die Herstellung der Verkaufsfähigkeit des Grundbesitzes hinausgehen (z.B. Modernisierungsmaßnahmen nicht nur unerheblichen Umfangs), wird die Grenze privater Vermögensverwaltung überschritten (BFH, aaO. S. 140).

Diese Grenze wäre im Streitfall nicht überschritten worden. Sowohl dem Umfang als auch der Art nach handelte es sich um eine unerhebliche Maßnahme, die auch mit Blick auf den in Rede stehenden Kaufpreis von rund 3,0 Mill. DM kaum ins Gewicht fällt.

bb) Der Ansicht des Beklagten, er habe gleichwohl von dem vereinbarten Rücktrittsrecht schadensvermeidend Gebrauch machen dürfen, weil er nur so habe sicher sein können, dass diese Rechtsfrage von dem Finanzamt und den Finanzgerichten nicht anders beantwortet werde, kann nicht gefolgt werden. Die zum Schutz des Mandanten von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebildete Konstruktion des "sichersten Wegs" überbürdet dem Rechtsanwalt das Risiko der Schadensersatzpflicht, wenn er bei mehreren möglichen Wegen nicht den wählt, der der "sicherste" ist. Das bedeutet aber nicht, dass der Rechtsanwalt auch dann auf Schadensersatz haftet, wenn er zwar nicht den "sichersten Weg" gewählt hat, der von ihm gewählte Weg aber auch nicht, wie hier vom Senat festgestellt, falsch gewesen ist. Selbst wenn man in der Wahl des Weges eine Pflichtverletzung erblicken wollte, so war sie nicht geeignet, einen Schaden zu verursachen. Den hat erst der Beklagte verursacht, indem er den gewiesenen (richtigen) Weg nicht gehen wollte.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die von beiden Seiten durch das Senatsurteil erlittene Beschwer übersteigt nicht den Betrag von 60.000,00 DM; der Senat sieht auch keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 546 Abs. 1 ZPO.

Berufungsstreitwert: 31.466,41 DM

Ende der Entscheidung

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