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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 26.04.2000
Aktenzeichen: 3 W 81/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1
Die Sanierung einer durchfeuchteten Fassade unter erstmaliger Aufbringung einer Wärmedämmung kann eine modernisierende Instandsetzungsmaßnahme darstellen.

Kommen mehrere gleichermaßen erfolgversprechende Sanierungsmaßnahmen in Betracht, steht der Eigentümergemeinschaft bei der Auswahl ein Ermessensspielraum zu.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

BESCHLUSS

3 W 81/00 6 T 719/98 LG Wuppertal 7 II a 24/96 WEG AG Mettmann

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft

hat der dritte Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 14. Januar 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Schütz und der Richterin am Oberlandesgericht Schaefer-Lang am 26. April 2000

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1 trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird - auch für das Beschwerdeverfahren - auf 100.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2 bilden die im Rubrum näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Verwalterin die Beteiligte zu 3 ist. An den inneren Wand- und Deckenflächen des Hauses S Straße welches zu der genannten Wohnungseigentumsanlage gehört, traten in den letzten Jahren Nässeschäden auf. Nachdem der von der Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechend beauftragte Architekt am 28.6.1995 ein Gutachten über die Ursächlichkeit der Schäden und Erforderlichkeit der Sanierung der Gebäudefassade erstattet hatte, beschloss die Wohnungseigentümergemeinschaft in der Eigentümerversammlung vom 20.9.1995 mehrheitlich, die Nordseite vom Eingang bis zur Nordwestecke und die gesamte Westseite einschließlich Travertinfassade des Hauses S Straße 9 durch ein Wärmedämm-Verbundsystem mit Flachverblendern ( Klinkerimitat ) zu sanieren. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 8.12.1995 beschlossen die Wohnungseigentümer unter Aufhebung des zuvor genannten Beschlusses, die Nordseite vom Eingang bis zur Nordwestecke sowie die gesamte Westseite einschließlich der Travertinfassade des Hauses Straße durch eine Erneuerung des Verblendmauerwerkes unter Einschluss einer Wärmedämmung zu sanieren.

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 8.3.1996 faßten die Wohnungseigentümer mehrheitlich den folgenden Beschluss über die Sanierung der Fassade:

"Der Beschluss vom 8.12.1995, Tagesordnungspunkt 6, wird mit Ausnahme der damals beschlossenen Sonderumlage wieder aufgehoben.

Die Nordseite vom Eingang bis zur Nordweststrecke und die gesamte Westseite einschließlich der Travertinfassade des Hauses S Str. sollen durch ein Wärmedämm-Verbundsystem mit Flachblendern ( Klinkerimitat ) saniert werden..."

Der Beteiligte zu 1 hat diesen Beschluss im vorliegenden Verfahren angefochten. Er macht geltend, beider beschlossenen Sanierungsmaßnahme handele es sich um eine bauliche Veränderung, die nur einstimmig beschlossen werden könne. Im übrigen sei die Haltbarkeit der vorgesehenen Maßnahme zweifelhaft; die Verkleidung der Fassade mit einem Wärmedämm-Verbundsystem habe nur eine Lebenserwartung von ca. 30 Jahren, während bei einer Neuerstellung einer Klinkerwand eine Lebensdauer von ca. 90 Jahren gegeben sei.

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den angefochtenen Beschluss für ungültig erklärt. Das Landgericht hat den Beschluss auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 aufgehoben und den Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 8.3.1996 zu TOP 7 "Fassadensanierung Sch Str. 25" zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde. Die Beteiligten zu 2 sind dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 bleibt in der Sache ohne Erfolg, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften im Sinne von §§ 27 FGG, 550 ZPO.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, bei der am 8.3.1996 zu TOP 7 beschlossenen Sanierungsmaßnahme handele es sich nicht um eine bauliche Veränderung, die nur einstimmig beschlossen werden könne. Der Mehrheitsbeschluss sei ausreichend, denn die beschlossene Maßnahme diene der ordnungsgemäßen Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums; auch bei einer über die bloße Wiederherstellung des bisherigen Zustands hinausgehenden Maßnahme handele es sich um eine Instandsetzung, wenn sie die technisch bessere und wirtschaftlich sinnvollere Lösung zur Behebung eines Mangels darstelle. Eine solche modernisierende Instandsetzung könne mehrheitlich beschlossen werden. Dass an dem in Rede stehenden Gebäude Feuchtigkeitsschäden aufgetreten sind und deshalb eine Sanierung der Fassade erforderlich sei, stehe bereits aufgrund des Gutachtens des Architekten fest und sei auch von dem Beteiligten zu 1 nicht in Frage gestellt worden. Wenn aber die Fassade ohnehin erneuert werden müsse, trage das Aufbringen einer Wärmedämmung der technischen Entwicklung Rechnung und nutze diese. Der vom Amtsgericht beauftragte Sachverständige G habe in seinem Gutachten vom 24.3.1998 ausgeführt, dass eine Wärmedämmung sowohl durch die Aufbringung eines Wärmedämm-Verbundsystems mit Flachverblendern möglich sei als auch durch Abriß der bisherigen Klinkeraußenwand und einem anschließenden Neuaufbau mit Wärmedämmung. Der angefochtene Beschluss sei so zu verstehen, dass ein Wärmedämm-Verbundsystem auf das vorhandene Mauerwerk aufgebracht werden solle. Kämen aber nach den Ausführungen des Sachverständigen grundsätzlich beide Möglichkeiten zur erfolgreichen Sanierung in Betracht, stehe der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Ermessensspielraum hinsichtlich der von ihr bevorzugten Lösung zu. Wenn die beschlossene Maßnahme nicht unvertretbar sei, sei sie als Ermessensentscheidung hinzunehmen. Anders als bei einem Abriß der bisherigen Klinkerwand und einem Neuaufbau der Außenwand erweise sich die Sanierung mit einem Wärmedämm-Verbundsystem als erheblich kostengünstiger. Der Aufwand für eine Sanierung in Form des Capatect Meldorfer Systems betrage ca. 100.000,00 DM, während für den Abriß und die Neuerstellung der Klinkerwand mit Wärmedämmung ein Betrag zwischen ca. 217.000,00 DM und 336.000,00 DM aufzuwenden sei. Zudem sei ein Aufbringen des Capatect Meldorfer Systems mit weniger Belastungen für die Hausbewohner verbunden. Diese müßten ihre Wohnungen nämlich bei einem Abriß und Neuaufbau der Fassade räumen.

2. Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung stand.

2.1. Ein mehrheitlicher Beschluss der Wohnungseigentümer war ausreichend, denn die beschlossene Maßnahme dient der ordnungsgemäßen Instandsetzung des Eigentums. Die Frage, ob eine Maßnahme noch als Instandsetzung oder Instandhaltung zu bewerten ist oder diese bereits eine darüber hinausgehende bauliche Veränderung oder Aufwendung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG darstellt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien zu beurteilen. Dabei ist allgemein anerkannt, dass der Begriff der Instandhaltung bzw. Instandsetzung nicht bloß auf die Erneuerung bzw. das Auswechseln bereits vorhandener Bauteile oder Einrichtungen beschränkt ist, sondern bei der Ersatzbeschaffung die technische Weiterentwicklung und den verbesserten Standard unter Berücksichtigung einer vernünftigen Kosten-Nutzen-Analyse umfasst. Auch eine über die bloße Reproduktion des bisherigen Zustands hinausgehende bauliche Veränderung, die eine technisch bessere und wirtschaftlich sinnvollere Lösung zur Behebung eines Mangels darstellt, ist eine ordnungsgemäße Instandsetzung ( vgl. Senatsbeschluss vom 3.5.1999 3 Wx 76/99; OLG Köln ZMR 1998, 49; KG OLGZ 1989, 171, 172; Bärmann/Pick/Merle WEG 7. Aufl. Rn. 34 zu § 21 ).

Durch den angefochtenen Beschluss haben sich die Wohnungseigentümer mehrheitlich dafür entschieden, die Fassade mit einem Wärme-Verbundsystem und Klinkerimitaten zu versehen. Die Kammer hat diesen Beschluss zu Recht dahin ausgelegt, dass das Wärmedämm-Verbundsystem mit den Flachblendern auf die vorhandene Fassade aufgebracht werden soll. Die Außenwände des Gebäudes sind überwiegend als zweischaliges Mauerwerk ausgebildet, wobei die tragende Schale aus 24 cm dickem Mauerwerk besteht, welches innenseitig geputzt worden ist; die Außenseite besteht aus einer 11,5 cm dicken Vormauerschale aus Hochlochziegeln. Diese ist in einem Zwischenraum von 2 - 3 cm vorgesetzt worden. Der Sachverständige G hat hierzu in seinem Gutachten ausgeführt, dass eine Wärmedämm-Verbundfassade aus drei Schichten besteht, wobei auf die äußerste die Flachverblender aufgebracht werden. Dies kann nur so verstanden werden, dass ein solches System auf die vorhandene Klinkerfassade aufgebracht wird; dafür, dass es in den zwischen den Schalen befindlichen Zwischenraum eingearbeitet werden kann, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. In diesem Fall machte die Anbringung von Flachblendern keinen Sinn, da eine optische Verschönerung nicht erforderlich wäre. Eine andere Ausführungsart ist nicht ersichtlich. Eine Wärmedämmung in dem Zwischenraum kommt nur dann in Betracht, wenn die Ziegelsteinmauer abgerissen und neu aufgebaut wird. Diese Bewertung entspricht auch den von dem Vertreter der Verwalterin, Herrn B, im Termin vor der Kammer am 29.11.1999 überreichten Skizzen der beiden zur Diskussion stehenden Ausführungsmöglichkeiten ( Bl. 308, 309 GA ). In der Beschreibung der Wärmedämm-Verbundsystemmaßnahme heißt es, die Klinkerwand bleibe vollständig erhalten, die Wärmedämmung werde aufgeklebt und sodann die Flachblender aufgebracht.

Die beschlossene Maßnahme ist nach den Ausführungen des Sachverständigen G auch zur Behebung der vorhandenen Feuchtigkeitsmängel geeignet. Der von den Wohnungseigentümern beauftragte Architekt P hat bereits in seinem Gutachten vom 28.7.1995 ausgeführt, dass die festgestellten Feuchtigkeitsschäden durch die mangelhafte Wandkonstruktion verursacht worden sind ( Bl. 19 ff. des Gutachtens ). Insbesondere die Vormauerschale ist hochgradig wasserdurchlässig. Auch der Architekt P hat daher eine Sanierung der Fassade, nicht etwa - wie der Beteiligte zu 1 nunmehr meint - eine Reparatur der Verbindung von Dachkonstruktion mit den Wänden ( SS v. 29.11.99, Bl. 311, 312 GA ) für erforderlich gehalten. Aus dem Sachverständigengutachten G vom 24.3.1998 ergeben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte. Richtig ist, dass sich beide Sachverständige, auch mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob eine Instandsetzung mit Wärmeverbundsystem zu empfehlen ist. Grundsätzlich kommt nach ihren Ausführungen eine solche Instandsetzungsmaßnahme in Betracht. Der Sachverständige G hat allerdings im Hinblick auf fehlende langfristige Erfahrungen mit diesem System offen gelassen, ob die Lebensdauer der Außenwand bei Verwendung eines Wärmeverbundsystems gleichermaßen hoch ist wie die bei einem Abriß und der Neuerstellung. Insgesamt hält er einen Abriß und Neuaufbau für höherwertig.

Die beschlossene Instandsetzungsmaßnahme ist aber nicht nur zur Behebung der Feuchtigkeitsmängel geeignet, sondern stellt sich - weil sie gleichzeitig für eine Wärmedämmung sorgt - als technisch bessere und wirtschaftlich sinnvollere Lösung im Vergleich zu einer bloßen Ausbesserung der Fassade ohne wärmeisolierende Wirkung dar.

Kommt daneben - wie vorliegend - eine weitere gleichermaßen erfolgversprechende Sanierungsmaßnahme in Betracht, steht der Eigentümergemeinschaft - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat - ein Ermessensspielraum bei der Auswahl zu. Wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat, sind vertretbare Mehrheitsentscheidungen in diesem Rahmen grundsätzlich hinzunehmen ( vgl. WE 1991, 252 sowie Beschluss vom 26.4.1999 zu 3 Wx 32/99 ). Die Wohnungseigentümer können sich für das ihnen am meisten zusagende Angebot entscheiden, sofern dies nicht nach Preis und Qualität der Ausführung negativ aus dem Rahmen fällt. Die beiden vorliegend zur Wahl stehenden Sanierungsmaßnahmen weisen nach den Ausführungen des Sachverständigen G beträchtliche Unterschiede auf. Die Neuerrichtung einer Fassade verbunden mit dem Abriß der vorhandenen Klinkermauer hat einerseits eine erheblich bessere Haltbarkeit, verursacht allerdings mindestens doppelt so hohe Kosten wie das Aufbringen eines Wärme-Verbundsystems mit Flachblendern. Dies hat die Kammer, auf deren Ausführungen insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, im einzelnen dargelegt. Darüber hinaus waren auch die erheblichen Belästigungen der Bewohner im Fall eines Abrisses und Neuaufbaus der Klinkerfassade zu berücksichtigen. Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft sich unter diesen Umständen für die weniger kostenverursachende Sanierungsmaßnahme entscheidet, widerspricht dieser Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Das Rechtsmittel konnte danach keinen Erfolg haben.

Den Geschäftswert hat der Senat nach den im Kostenvoranschlag des Architekten Schüller vom 16.12.1998 geschätzten Kosten für eine Sanierung in der Form des Wärme-Verbundsystems mit Flachblendern bewertet. Dies entspricht dem Interesse des Beteiligten zu 1 an der Ungültigerklärung des angefochtenen Beschlusses. Ein noch geringerer Wert kommt nicht etwa deswegen in Betracht, weil -wie der Beteiligte zu 1 meint- ansonsten die Rechtsweggarantie über die Kostenfrage ausgehöhlt werde. Der Beteiligte zu 1 hat selbst im Schriftsatz vom 5.8.1998 ( Bl. 184 GA ) Bedenken gegen die Wertfestsetzung des Amtsgerichts angemeldet und darauf hingewiesen, dass für die Wertfestsetzung das wirtschaftliche Gewicht des angefochtenen Beschlusses maßgeblich sei; der vom Amtsgericht angenommene Wert von 60.000,00 DM sei zu niedrig, vielmehr ein solcher von 85.000,00 DM zugrundezulegen. Der wirtschaftliche Wert liegt indes nach den nunmehr vorliegenden Schätzungen bei mindestens 100.000,00 DM.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren war dementsprechend abzuändern. Den Beschluss der Kammer vom 21.2.2000 legt der Senat als Nichtabhilfe über die von dem beteiligten zu 1 eingelegte Wertbeschwerde vom 31.1.2000 aus. Diese ist zulässig und führt zur Herabsetzung gemäß den vorstehenden Ausführungen. Lediglich eine weitere Beschwerde gegen die Festsetzung des Wertes wäre nach §§ 31 Abs. 3, 14 Abs. 3 KostO ausgeschlossen. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 richtet sich aber gegen die Festsetzung des Wertes für das Beschwerdeverfahren. Es handelt sich daher nicht um eine weitere Beschwerde, sondern um eine zulässige Erstbeschwerde ( so auch BayOblG ZWE 2000, 170, 171; KG ZWE 2000, 189 ).

Ende der Entscheidung

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