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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.05.2003
Aktenzeichen: 3 Wx 391/02
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 25
BGB § 164
BGB § 167
BGB § 168
Eine von einem Wohnungseigentümer einem Miteigentümer für eine konkrete Eigentümerversammlung erteilte Stimmrechtsvollmacht hat Vorrang vor einer allgemeinen im Erwerbervertrag enthaltenen Vollmachtsklausel, durch die der Verwalter zur Vertretung des Erwerbers in den Eigentümerversammlungen umfassend ermächtigt wird.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 391/02

In dem Wohnungseigentumsverfahren betreffend die

Wohnungseigentümergemeinschaft K... in Wuppertal,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 15. November 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G..., des Richters am Oberlandesgericht Dr. S... und der Richterin am Oberlandesgericht S...

am 5. Mai 2003

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde fallen der Beteiligten zu 1 zur Last. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 10.000,00 Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 2 bis 35 bilden die im Rubrum genannte Eigentümergemeinschaft. Die Wohnungen wurden seinerzeit veräußert durch die Firma D..., deren Inhaber Herr U... D... war. Dieser ist gleichzeitig Geschäftsführer der Beteiligten zu 1, die in der Teilungserklärung vom 05.03.1996 für die Dauer von fünf Jahren zur ersten Verwalterin bestellt wurde.

In der Eigentümerversammlung vom 12. September 2001 stimmten die Miteigentümer darüber ab, ob die Beteiligte zu 1 weiterhin für sie als Verwalterin tätig sein sollte oder der Beteiligte zu 36.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 der Gemeinschaftsordnung, die Anlage der notariellen Teilungserklärung ist, entscheiden die Eigentümer mit einfacher Mehrheit nach Miteigentumsanteilen. § 8 Abs. 3 Satz 6 der Gemeinschaftsordnung bestimmt, dass Vertretungsvollmachten dem Verwalter schriftlich vorzulegen sind.

In den notariell beglaubigten Kaufverträgen zwischen dem Verkäufer, der Fa. D..., Inhaber U... D..., und den Erwerbern des Wohnungseigentums ist folgende Klausel enthalten:

"Der Verkäufer ermächtigt hiermit den Käufer, bereits ab dem Tag des Besitzübergangs an seiner Stelle das Stimmrecht in den Eigentümerversammlungen nach seinem eigenen Ermessen auszuüben. Soweit eine Verwaltervollmacht bisher bestand, wird sie vom Käufer mit dem gleichen Inhalt erteilt. Umgekehrt bevollmächtigt hiermit der Käufer den Verkäufer, auch nach Erwerb den Käufer in den Eigentümerversammlungen umfassen zu vertreten, sofern nicht der Käufer als neuer Eigentümer selbst an den Eigentümerversammlungen teilnimmt, insoweit also das Stimmrecht auch weiterhin umfassend auszuüben, insbesondere auch den Verwalter zu bestellen oder abzuberufen. Diese Bevollmächtigung ist zeitlich befristet auf die Dauer von 5 Jahren ab Vollzug der Auflassung..."

Die Miteigentümer Z..., K..., J..., F..., K..., R..., P..., D..., N..., S...und K... hatten der Miteigentümerin D... für die Eigentümerversammlung vom 12.09.2001 schriftliche Vollmachten erteilt. Der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 war durch Einzelvollmachten der Miteigentümer B..., R... und O... mit der Vertretung beauftragt. Darüber hinaus nahm er aufgrund der vorgenannten Klausel in den Kaufverträgen die Vertretung der oben genannten Eigentümer mit Ausnahme der Eigentümer J..., F... und S... ebenfalls in Anspruch.

In der Eigentümerversammlung entstand unter den Anwesenden Streit über die Frage, wer zur Vertretung der nicht anwesenden Miteigentümer bei der Abstimmung berechtigt sei. Um zu einem Ergebnis zu gelangen, einigte man sich darauf, dass zunächst die persönlich anwesenden Miteigentümer abstimmen sollten. Danach entfielen auf den Beteiligten zu 36/255,06/1000 Stimmanteile. Sodann stimmte Frau D... für die von ihr allein vertretenen Eigentümer J..., F... und S... ab, womit der Beteiligte zu 36 weitere 95,94/1000 Stimmanteile erhielt. Weiterhin stimmte sie für den Beteiligten zu 36 aufgrund der ihr von den Miteigentümern Z..., K..., K..., R..., P..., D..., N... und K... erteilten Vollmachten ( 260,56/1000 Anteile ). Im Anschluss daran stimmte auch der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 aufgrund der Vollmachten in den Kaufurkunden im Namen der vorgenannten Miteigentümer ab, und zwar für die D... GmbH. Die Beteiligte zu 1 erhielt darüber hinaus 388,44/1000 Stimmanteile.

Die Beteiligte zu 1 hat im vorliegenden Verfahren beantragt, festzustellen, dass sie durch die Wahl vom 12. September 2001 zur Verwalterin bestellt worden sei. Sie hat geltend gemacht, die aufgrund der Doppelvertretung abgegebenen Stimmen seien ungültig. Sie habe daher die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen können.

Die Beteiligten zu 2 haben demgegenüber beantragt, festzustellen, dass der Beteiligte zu 36 als neuer Verwalter gewählt worden sei.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und dem Antrag der Beteiligten zu 2 stattgegeben. Die Beteiligte zu 1 hat sofortige Beschwerde eingelegt, die beim Landgericht ohne Erfolg geblieben ist. Gegen den Beschluss des Landgerichts wendet sich die Beteiligten zu 1 mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde.

Die Beteiligten zu 2 und 3 bis 19 sind dem Rechtsmittel entgegengetreten.

In der Eigentümerversammlung vom 15.02.2003 fassten die Wohnungseigentümer einstimmig folgenden Beschluss:

"Aus Gründen äußerster Vorsorge für den Fall einer von den Vorinstanzen abweichenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem anhängigen Verfahren zwischen der Eigentümergemeinschaft und der Firma D... GmbH wird erklärt: Unter Berücksichtigung aller Umstände ist den anwesenden Wohnungseigentümern nach Treu und Glauben die Fortsetzung einer Zusammenarbeit mit der Firma D... GmbH als Verwalterin nicht mehr zuzumuten; das Vertrauensverhältnis ist nachhaltig zerstört. Aus diesen Gründen wird die Firma als Verwalterin abberufen."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist gemäß §§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG, §§ 27, 22 FGG zulässig. Insbesondere ist nicht etwa das Rechtsschutzbedürfnis durch den Beschluss der Eigentümer vom 15.02.2003 entfallen. Dieser sollte nach dem ausdrücklich erklärten Willen der Eigentümer lediglich hilfsweise für die Zukunft Wirkung entfallen, sofern der von der Beteiligten zu 1 im vorliegenden Verfahren zur Entscheidung gestellte Feststellungsantrag Erfolg haben würde. Ein solcher Beschluss lässt das Rechtsschutzbedürfnis für das Feststellungsbegehren der Beteiligten zu 1 unberührt.

Das Rechtsmittel ist indes sachlich nicht begründet, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, zwar sei der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 aufgrund der notariell beurkundeten Kaufverträge berechtigt gewesen, die nicht anwesenden Miteigentümer in der Eigentümerversammlung vom 12. September 2002 zu vertreten, denn er habe als Inhaber der Fa. D..., der Nachfolgefirma der Verkäuferin, gehandelt. Aber auch Frau D... sei aufgrund der ihr ausdrücklich erteilten Vollmachten zur Vertretung bei der Stimmabgabe berechtigt gewesen. Die Stimmabgabe durch Herrn D... habe indes keine Rechtswirkung entfaltet, da Frau D... bereits zuvor von dem Stimmrecht Gebrauch gemacht hätte und dieses damit verbraucht war. Jeder Eigentümer dürfe nur ein Mal abstimmen und nicht zweimal nacheinander und gegensätzlich. Insgesamt seien somit auf den Beteiligten zu 36/611, 56/1000 Stimmanteile entfallen, so dass er mehrheitlich zum neuen Verwalter der Eigentumsanlage bestellt worden sei.

2. Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

Das Landgericht hat zunächst zu Recht festgestellt, dass die in den notariell beurkundeten Kaufverträgen enthaltenen Vollmachten dem Inhaber der Verkäuferfirma, Herrn D..., grundsätzlich wirksam erteilt worden waren und bis zur Eigentümerversammlung vom 12.9.2001 auch nicht widerrufen waren. Insbesondere liegt kein stillschweigender Widerruf in der Erteilung gesonderter Vollmachten an die Miteigentümerin D..., da es insoweit an einem Erklärungsbewusstsein der betroffenen Eigentümer fehlte. Auch die Frau D... erteilten Vollmachten waren wirksam erteilt. Die im Kaufvertrag erteilte Bevollmächtigung an den Veräußerer schließt eine anderweitige Bevollmächtigung nicht aus. Nach dem Sinn und Zweck der dortigen Regelung sollte die ordnungsgemäße Durchführung der Eigentümerversammlungen gesichert und insbesondere vermieden werden, dass diese wegen fehlender Beschlussfähigkeit nicht abgehalten werden können. Weder ein genereller Widerruf noch eine anderweitige Bevollmächtigung für einen Einzelfall sind danach ausgeschlossen. Folgerichtig hat die Beteiligte zu 1 auch die ihr ( nach der Eigentümerversammlung vom 11.09.2001 ) zugegangenen Widerrufserklärungen ausdrücklich akzeptiert und nicht etwa die Auffassung vertreten, dass die Vollmachten bis zum Ablauf der in den Kaufverträgen genannten Frist ( fünf Jahre ab Eintragung ) unwiderruflich seien.

Die der Miteigentümerin D... für die Eigentümerversammlung vom 12.09.2001 erteilten Vollmachten haben nach Ansicht des Senats gemäß § 8 der zur Teilungserklärung gehörenden Gemeinschaftsordnung Vorrang vor den in den schuldrechtlich abgeschlossenen Kaufurkunden enthaltenen Vollmachten. Nach dieser Bestimmung sind dem Verwalter schriftliche Vertretungsvollmachten für die Eigentümerversammlung vorzulegen. Wenn aber eine Vertretung aufgrund schriftlich erteilter Vollmacht ausdrücklich und ohne weitere Einschränkungen vorgesehen ist, kann diese Regelung im Zusammenhang mit den Vollmachten in den Kaufurkunden nur so verstanden werden, dass die im Einzelfall erteilten Vollmachten vorrangig sind und die in den Kaufurkunden enthaltenen Bevollmächtigungen lediglich - subsidiär - dann zum Zuge kommen sollten, wenn die in einer Eigentümerversammlung nicht anwesenden Miteigentümer keine besondere Vollmacht erteilt hatten. Damit ist einerseits dem Interesse des Verwalters an der Beschlussfähigkeit einer Eigentümerversammlung genüge getan, andererseits aber auch die Möglichkeit einer nach der Gemeinschaftsordnung ausdrücklich vorgesehenen Bevollmächtigung eines anderen Vertreters gewährleistet. Eine solche Auslegung der in der Teilungserklärung enthaltenen Bestimmung, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht selbständig vorzunehmen hat, berücksichtigt schließlich auch die Tatsache, dass grundsätzlich in der Erteilung einer neuen Vollmacht ein stillschweigender Widerruf früher erteilter Bevollmächtigungen liegt.

Damit hat die Miteigentümerin D... in der Eigentümerversammlung vom 12.09.2001 die Miteigentümer Z..., K..., K..., R..., P..., D..., N... und K... bei der Abstimmung über die Wahl des Verwalters wirksam vertreten, so dass der Beteiligte zu 36 mehrheitlich als neuer Verwalter bestellt worden ist.

Amts- und Landgericht haben somit den Feststellungsantrag der Beteiligten zu 1 zu Recht zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde konnte danach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Für eine Erstattungsanordnung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten nach Billigkeitsgesichtspunkten war kein Raum.

Ende der Entscheidung

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