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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.11.1999
Aktenzeichen: 10 W 124/99
Rechtsgebiete: ZPO, GKG, KV-GKG


Vorschriften:

ZPO § 5
ZPO § 260
GKG § 15
GKG § 21 Abs. 3
KV-GKG Nr. 1201
KV-GKG Nr. 1202c
Nimmt der Kläger bei Fortsetzung des Rechtsstreits nach Einspruch des Beklagten gegen ein Versäumnisurteil eine Klageerweiterung vor, so tritt auch dann keinerlei Ermäßigung der nach dem Gesamtstreitwert angefallenen allgemeinen Verfahrensgebühr im Falle eines die gesamte Klageforderung erfassenden Vergleichs ein, wenn die Erweiterung einen anderen Streitgegenstand betraf.

OLG Düsseldorf vom Beschluß 23.11.1999 - 10 W 124/99 -


Gründe:

Die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde der Kostenschuldnerinnen zu 1) und 2), deren Erinnerung das Landgericht zurückgewiesen hat, sowie die nach § 577 a ZPO zulässige Anschließung der Kostenschuldnerin zu 3) haben in der Sache keinen Erfolg. Die Kostenschuldner dringen nicht mit ihrem Einwand durch, die dreifache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 1201 KV-GKG dürfe nur für den auf das Versäumnisurteil entfallenden Streitwertanteil von 9.495,05 DM Berücksichtigung finden, während die mit der nachfolgenden Klageerweiterung im Umfang von 9.779,96 DM verbundene Streitwerterhöhung wegen des diesbezüglichen Prozeßvergleichs vom 7. April 1999 unter den Ermäßigungstatbestand der Nr. 1202 KV-GKG falle. Eine derartige differenzierte Gebührenerhebung gemäß § 21 Abs. 3 GKG kommt nicht in Betracht. Vielmehr ist die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen entsprechend der Berechnung in dem angefochtenen Kostenansatz uneingeschränkt nach dem Gesamtstreitwert von 19.275,01 DM zu bestimmen.

1)

Die Kostenschuldnerin zu 3) hat mit einer Klage vom 23. Dezember 1997 eine Werklohnforderung in Höhe von 9.495,05 DM gegen die Kostenschuldner zu 1) und 2) geltend gemacht. Beide wurden durch eine Versäumnisentscheidung des Amtsgerichts Velbert vom 25. März 1998 antragsgemäß verurteilt. Nachdem die Kostenschuldner zu 1) und 2) fristgerecht Einspruch eingelegt hatten, erweiterte die Kostenschuldnerin zu 3) nach der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 1998 ihre Klage, indem sie mit Schriftsatz vom 3. November 1998 eine weitere Werklohnforderung in Höhe von 9.779,96 DM geltend machte. Am 7. April 1999 kam es zum Abschluß eines das gesamte Verfahren beendenden Prozeßvergleichs mit der Maßgabe, daß die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs als gegeneinander aufgehoben gelten sollten. Durch Kostenansatz vom 15. April 1999 hat die Kostengläubigerin eine Prozeßgebühr gemäß Nr. 1201 KV-GKG nach einem Gegenstandswert von bis zu 20.000 DM in Höhe von 1.155,00 DM festgesetzt. Die dagegen gemäß § 5 Abs. 1 GKG eingelegte Erinnerung der Kostenschuldner zu 1) und 2) hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluß zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich ihre Beschwerde sowie die - unselbständige - Anschließung der Kostenschuldnerin zu 3), die der Senat in deren Beschwerde vom 19. Oktober 1999 sieht.

2)

Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 GKG richtet sich die Höhe der Gerichtsgebühren grundsätzlich nach dem Wert des Streitgegenstandes. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sind die Gebühren in der Regel nach dem für die Zuständigkeit des Prozeßgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels maßgeblichen Wert des Streitgegenstandes zu bestimmen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Nach der Bestimmung des § 5 erster Halbsatz ZPO werden mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet. Die Zusammenrechnung ist vorzunehmen, wenn bei einer objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) die Ansprüche - wie hier - verschiedene Streitgegenstände haben (Zöller/Herget, Kommentar zur ZPO, 20. Aufl., § 5 Rdn. 3 mit Hinweis auf BGH AnwBl. 1976, 339 sowie Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 56. Aufl., § 5, Rn. 3 mit Hinweis auf BGH VersR 91, 360 und jeweils weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Im Falle der Klageerweiterung ist der im Sinne des § 15 GKG maßgebliche Zeitpunkt für die Wertberechnung der Tag des Eingangs des die Klageerweiterung ankündigenden Schriftsatzes (Markl/Meyer, 3. Aufl., § 15, Rn. 3).

3)

Damit steht außer Zweifel, daß das durch den Vergleich abgeschlossene Verfahren insgesamt einen Streitwert von 19.275,01 DM zum Gegenstand hatte. Für eine teilweise Ermäßigung der nach diesem Wert angefallenen dreifachen Gebühr für das Verfahren im allgemeinen auf den einfachen Gebührensatz gemäß Nr. 1202 c) KV-GKG wegen des Prozeßvergleiches ist entgegen der durch die Kostenschuldner vertretenen Auffassung kein Raum.

a)

Voraussetzung für die Gebührenprivilegierung ist die Beendigung des gesamten Verfahrens durch den Abschluß eines Vergleichs vor Gericht, wenn nicht bereits ein Urteil vorausgegangen ist. Nach der Rechtsprechung des Senats hindert auch der vorherige Erlaß eines Versäumnisurteils den Eintritt der Gebührenermäßigung (Beschluß vom 10. Oktober 1996, Az: 10 W 101/96, veröffentlicht in NJW-RR 1997, 638, MDR 1997, 301 sowie in AnwBl. 1997, 287). Nichts anderes ergibt sich hier aus dem Umstand, daß das vorangegangene Versäumnisurteil nur einen Streitwertanteil von 9.495,05 DM betrifft. Der auf die Klageerweiterung entfallende Anteil kann ebenfalls nicht mit einer Gebührenermäßigung in Verbindung gebracht werden.

b)

Der Zweck einer Klageerweiterung besteht darin, daß der zusätzlich geltend gemachte Anspruch in dem bereits anhängigen Verfahren durchgesetzt werden soll. Eine kostenmäßige Begünstigung der Erweiterung vollzieht sich dadurch, daß die Gerichtsgebühren insgesamt nur aus dem Gesamtstreitwert erhoben werden mit dem sich daraus zugunsten des Klägers ergebenden Vorteil der Degression nach Maßgabe der Gebührentabelle. Deshalb bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen, eine spätere Klageerweiterung nur unter den engen Voraussetzungen der Nr. 1202 c) KV-GKG als gebührenprivilegiert zu behandeln. Demnach ist der vorherige Erlaß eines Urteils über einen Teil des späteren Gesamtstreitgegenstandes ermäßigungsschädlich - auch wenn keine Identität zwischen dem Gegenstand der Klageerweiterung und demjenigen der früheren gerichtlichen Entscheidung besteht (so auch OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 1535). Keiner der Ermäßigungstatbestände der Nr. 1202 KV-GKG enthält eine irgendwie geachtete Differenzierung nach Streitwertanteilen.

c)

Eine solche Differenzierung läßt sich auch nicht mit der Zielsetzung vereinbaren, die der Neufassung des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz mit Wirkung ab dem 1. Juli 1994 aufgrund des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 zugrunde lag. Nach der amtlichen Begründung zu Nr. 1202 KV-GKG (BT-Drucksache 12/6962, Seite 70, abgedruckt in Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, KV-Nr. 1202, Rn. 12) soll gerade der Ermäßigungsausschluß für die Fälle, in welchen nur bezüglich bestimmter Teile des Verfahrensgegenstandes die Ermäßigungsvoraussetzungen gegeben sind, eine deutliche Vereinfachung der Kostenberechnung zur Folge haben. Ließe man eine Teilermäßigung zu, wären gemäß § 21 Abs. 3 GKG zwangsläufig auch die Gebühren für die Teile gesondert zu berechnen. Zudem müßte bei Zulässigkeit einer partiellen Gebührenermäßigung in vielen Fällen eine Erstattung eines Teils der als Vorauszahlungen geleisteten Gebühren erfolgen. Unerheblich ist, ob anläßlich des dem Vergleichsschluß vorangegangenen und die Gebührenermäßigung ausschließenden Urteils bereits der weitere Teil des Streitgegenstandes rechtshängig war, der durch die gerichtliche Streitentscheidung nicht betroffen war, oder ob die Rechtshängigkeit dieses Teils später eintrat. In jedem Fall müßte wegen der gebotenen einheitlichen Berechnung eine differenzierende Gebührenerhebung folgen, welche durch die ausschließliche Privilegierung der Gesamterledigung des Rechtsstreites gerade vermieden werden soll.

Der Senat schließt sich deshalb der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart an, derzufolge die Gebührenermäßigung im Falle eines den gesamten Rechtsstreit erledigenden Vergleichsschlusses auch dann nicht eintritt, wenn das vorangegangene Urteil nur einen Teil des Streitgegenstandes betraf (NJW-RR 1996, 1535).



Ende der Entscheidung

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