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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.03.2002
Aktenzeichen: 23 U 140/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 650
BGB § 632 Abs. 2
BGB § 633 Abs. 1
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 234
ZPO § 343
ZPO § 344
ZPO § 525
ZPO § 536
ZPO § 540
ZPO § 713
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 234 Abs. 2
ZPO § 233 Abs. 1
ZPO § 339 Abs. 1
ZPO § 519 Abs. 3
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

23 U 140/01

Verkündet am 19. März 2002

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2002 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht D den Richter am Oberlandesgericht T und den Richter am Landgericht B

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. April 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Mai 2001 abgeändert und wir folgt neu gefasst:

Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 27.6.1996 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 27.6.1996 wird mit der Maßgabe, dass der Vornahme der Beklagten "K" (nicht: G) lautet, aufrecht erhalten, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 11.500,- DM (= 5.879,86 Euro) nebst 4 % Zinsen seit dem 12.1.1996 zu zahlen. Im übrigen wird es im Ausspruch zur Hauptsache aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Das zulässige Rechtsmittel hat bis auf einen Teil des Zinsbegehrens in der Sache keinen Erfolg.

A.

Die Berufung ist zulässig, obwohl die Beklagte nach dem Hauptantrag der Berufungsbegründung lediglich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht erstrebt und die Begründung selbst keinerlei Ausführungen zur materiellen Berechtigung des im Versäumnisurteil zuerkannten Anspruchs enthält.

§ 519 Abs. 3 ZPO dient dazu, innerhalb der Berufungsbegründungsfrist Klarheit über Umfang und Ziel des Rechtsmittels damit zugleich über die dem Berufungsgericht in den §§ 525, 536 ZPO auferlegten Bindungen zu schaffen. Antrag und Begründung müssen deshalb erkennen lassen, welche sachliche Abänderung der angefochtenen Entscheidung der Berufungskläger verfolgt; begehrt dieser erkennbar lediglich die Zurückverweisung um ihrer selbst willen, so ist die Berufung unzulässig (OLG Hamburg NJW 1987, 783, 784). Ergeben sich dagegen aus dem Berufungsvorbringen keine Anhaltspunkte für einen derartigen Willen, ist der Berufungsantrag dahin auszulegen, dass der Berufungsführer sein bisheriges Sachbegehren weiterverfolgt; es ist deshalb unschädlich, dass innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ein ausdrücklicher Sachantrag unterblieben ist (BGH NJW 1987, 2364, 2365; NJW 1989, 3149; WM 1990, 2128, 2129; DtZ 1993, 182, 183 = FamRZ 1993, 1192, 1193; NJW 1994, 2835, 2836; NJW-RR 1995, 1154 f.; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 46; Gummer in: Zöller, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 519, Rn. 28).

So liegt der Fall hier. Die fristgemäß eingereichte Berufungsbegründung enthält eine eingehende Auseinandersetzung mit sämtlichen Gründen, aus denen sich das Landgericht den Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 27.6.1996 als verspätet, die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als nicht gegeben und sich deshalb an einer sachlichen Überprüfung des Vergütungsanspruchs gehindert gesehen hat. Sie entspricht damit nicht nur den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, sondern lässt darüber hinaus erkennen, dass die beantragte Aufhebung und Zurückverweisung lediglich dazu dienen soll, entsprechend dem erstinstanzlichen Begehren der Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung eine materiellrechtliche Überprüfung des dem Versäumnisurteil zugrunde liegenden Anspruchs zu bewirken. In einem solchen Fall wird auch die auch die sachliche Berechtigung der zuerkannten Forderung zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt (vergl. BGH DtZ 1993, 182, 183 = FamRZ 1993, 1192, 1193).

B.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel zum überwiegenden Teil ohne Erfolg. Der Beklagten war zwar auf ihren fristgerecht gestellten Antrag Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren (unten I.); die damit eröffnete Sachprüfung nach § 343 ZPO führt jedoch bis auf einen Teil des Zinsbegehrens zur Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils (unten II.).

I.

Der am 18.7.2000 eingegangene Einspruch war verspätet, weil die zweiwöchige Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO ungeachtet des unzutreffend bezeichneten Vornamens der Beklagten und ohne Rücksicht auf das spätere Verhalten von Postbediensteten durch die Zustellung vom 12.7.1996 rechtswirksam in Gang gesetzt worden ist; der Senat hält insoweit auch unter Berücksichtigung des Berufungsvortrags an der im Urteil vom 27.6.2000 vertretenen Rechtsauffassung fest und nimmt hierauf Bezug. Die Beklagte war jedoch bis zur Zustellung des Senatsurteils am 4.7.2000 infolge eines unverschuldeten Rechtsirrtums an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert (§§ 233 Abs. 1 ZPO, 85 Abs. 2 ZPO). Ihr am 18.7.2000 eingegangenes Wiedereinsetzungsgesuch war deshalb rechtzeitig im Sinne des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO (unten 1); auch Abs. 3 dieser Vorschrift steht der Wiedereinsetzung nicht entgegen (unten 2.).

1.

Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts, dessen Verschulden sich eine Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, schließt die Wiedereinsetzung nicht schlechthin aus; entscheidend ist vielmehr, ob er auf einer nicht oder jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sorgfalt überprüften Rechtsauffassung beruht (BGH NJW 1985, 495, 496; NJW 1995, 1095, 1096; Zöller-Greger, § 233 ZPO, Rn. 23 Stichwort "Rechtsirrtum" mwN.). Hierbei sind allerdings bei anwaltlichen Vertretern strenge Maßstäbe anzulegen (BGH NJW 1993, 2538,2539). Ein Rechtsanwalt handelt deshalb schuldhaft, wenn er aufgrund einer Rechtsauffassung von fristwahrenden Maßnahmen absieht, die weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung oder Kommentarliteratur eine Stütze findet (BGH aaO.; NJW 1994, 3358, 3359); bei unsicherer oder zweifelhafter Rechtslage muss der Rechtsanwalt im Interesse seines Mandanten den sichersten Weg gehen (BVerfG NJW 1991, 2894, 2895; BGH aaO.; NJW 1995, 521, 522; Borgmann, NJW 2000, 2953, 2958 f. mwN.). Anderes gilt jedoch dann, wenn aus Sicht des Rechtsanwalts die Rechtlage eindeutig ist und es an einer klarstellenden gegenteiligen Entscheidungen fehlt; in diesem Fall kann dem Anwalt nicht rückblickend als Verschulden zur Last gelegt werden, den von seiner Beurteilung abweichende Rechtsauffassung der Gerichte nicht vorhergesehen zu haben (vergl. BGH NJW 1985, 495, 496; NJW 1985, 2709, 2710; NJW 1993, 3323, 324; BFH NJW 1999, 3655, 3656; Ganter, NJW 1996, 1310, 1315).

Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Die Frage der Wirksamkeit einer Urteilszustellung durch Niederlegung unter falschen Vornamen wird - soweit ersichtlich - in Rechtsprechung und Literatur bis heute nicht erörtert; eben deshalb hat der Senat in seinem Urteil vom 27.6.2000 die Revision zugelassen. Bis zu den Erörterungen in dem diesem Urteil vorangegangenen Senatstermin vom 6.6.2000 sind beide Parteien trotz anwaltlicher Beratung in beiden Rechtszügen des Parallelverfahrens davon ausgegangen, dass das im vorliegenden Rechtsstreit ergangene Versäumnisurteil "keine Wirkungen" haben könne (vergl. Senatsurteil unter Ziffer I.3. der Gründe); gerade deshalb hat Klägerin selbst die hieraus eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen eingestellt und die Beklagte in einem neuen Verfahren auf Zahlung in Anspruch genommen. Außerdem hat sich auch das Landgericht im Parallelprozess in Kenntnis der Akten beider Verfahren - einschließlich der nunmehr in gleicher Besetzung zur Begründung seines Verschuldensvorwurfs herangezogenen Schriftstücke - an einer Sachentscheidung über die bereits im Versäumnisurteil titulierte Forderung nicht gehindert gesehen; die Ansicht der Beklagten und ihrer Prozessbevollmächtigten, ein unter falschem Vornamen ergangenes und zugestelltes Versäumnisurteil sei wirkungslos und bedürfe deshalb keines Einspruchs, entsprach somit der übereinstimmenden Rechtsauffassung aller Verfahrensbeteiligter. Unter diesen Umständen kann der Beklagten nicht nach §§ 233 Abs. 1, 85 Abs. 2 ZPO als Verschulden angelastet werden, dass sie oder ihre Prozessbevollmächtigten die abweichende Beurteilung des Senats nicht vorhergesehen haben. Ebenso wenig war das der Einspruchseinlegung entgegenstehende Hindernis bereits durch die Erörterungen im damaligen Senatstermin oder den vorangegangenen telefonischen Hinweis des Berichterstatters vom 29.5.2000 im Sinne des § 234 Abs. 2 ZPO behoben. Die Beklagte durfte vielmehr wegen der Schwierigkeit der ungeklärten Rechtsfrage abwarten, bis ihr das Senatsurteil vorlag und sie anhand seiner Gründe eine Entscheidung über die ihr ermöglichte Revision treffen konnte; hiervon geht offenbar auch die Klägerin aus. Die somit erst am 4.7.2000 in Gang gesetzte Frist des § 234 ZPO ist somit durch das am 18.7.2000 eingegangene Wiedereinsetzungsgesuch gewahrt worden.

2.

Auch Abs. 3 des § 234 ZPO steht der Wiedereinsetzung nicht entgegen.

a)

Jene Bestimmung schließt nach Ablauf der Jahresfrist lediglich den in § 233 Abs. 1 ZPO vorausgesetzten Antrag der Partei auf Wiedereinsetzung aus. Ist aber innerhalb der Antragsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO die versäumte Prozesshandlung nachgeholt worden, so kann nach § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Durch diese - auch in anderen Verfahrensordnungen enthaltene (§§ 93 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 BVerfGG, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO, 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO, 67 Abs. 2 Satz 4 SGG, 56 Abs. 2 Satz 4 FGO, 26 Abs. 3 Satz 4 EGGVG) - Regelung soll vermieden werden, dass ein innerhalb der Antragsfrist bereits erkennbar berechtigter Wiedereinsetzungsanspruch nur mangels (wirksamen) Antrags versagt wird (BVerwG NJW 2000, 1967); sie verzichtet auf ein Wiedereinsetzungsgesuch der Partei, weil das Gesetz im Falle einer schuldlosen Fristversäumung bei rechtzeitiger Nachholung der Prozesshandlung eine bedeutsame Verletzung öffentlicher Interessen oder solcher des Prozessgegners nicht für gegeben hält und verhindern will, dass die Wiedereinsetzung an einem Behördenverschulden jeglicher Art scheitert (Zöller-Greger, § 236 ZPO, Rn. 5). In den Fällen des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist deshalb die reine Antragsfrist des § 234 Abs. 3 ZPO von vornherein unanwendbar; die Wiedereinsetzung von Amts wegen ist zeitlich unbegrenzt möglich (BAG NJW 1989, 2708). Da deren Voraussetzungen vorliegend gegeben sind (oben 1.), steht der seit Ablauf der versäumten Einspruchsfrist verstrichene Zeitraum einer Wiedereinsetzung nicht entgegen.

b)

Aber auch unabhängig hiervon hindert § 234 Abs. 3 ZPO eine Wiedereinsetzung nicht. Die Anwendung dieser Vorschrift hätte zur Folge, dass der Beklagten jedwede Rechtsverteidigung gegen den im Versäumnisurteil titulierten Anspruch abgeschnitten wäre, obwohl ihr diese Entscheidung wegen der unrichtigen Angabe ihres Vornamens innerhalb der am 26.7.1997 abgelaufenen Jahresfrist überhaupt nicht ausgehändigt worden ist und die Klägerin vor wie nach diesem Tage durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, dass sie selbst das Urteil als wirkungslos ansehe. In einem solchen Fall ist § 234 Abs. 3 ZPO schon nach seinem Normzweck unanwendbar (unten aa); die Gewährung von Wiedereinsetzung auch nach Ablauf der Jahresfrist ist vielmehr auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten (unten bb).

aa)

Die Vorschriften der §§ 233 ff. ZPO beruhen auf der Überlegung, dass die Folgen der Säumnis denjenigen nicht treffen sollen, der ihren Eintritt nicht verschuldet hat. Ihnen liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Prozessbeteiligter den schweren prozessualen Nachteil, mit seinem Vorbringen ausgeschlossen zu sein, dann nicht hinzunehmen braucht, wenn er schuldlos gehindert war, entscheidungserhebliche Umstände rechtzeitig vorzubringen (BVerwG NJW 94, 673, 674; Ganter, NJW 94, 164, 167). Die Ausgestaltung der Wiedereinsetzungsmöglichkeit in den verschiedenen Verfahrensordnungen beruht auf einer Abwägung der Erfordernisse der Rechtssicherheit gegen die Forderung der materiellen Gerechtigkeit (BVerfG NJW 1992, 38; NJW 1993, 720; NJW 1995, 711; G. Müller, NJW 1995, 3224; Zöller-Greger, § 233 ZPO, Rn. 3); der Gesetzgeber hat dabei bewusst die Möglichkeiten einer Wiedereinsetzung beschränkt, um Prozessverschleppung und jede unnötige Gefährdung der Rechtskraft zu verhindern (J. Meyer, NJW 95, 2139, 2141 mwN.).

Dies gilt auch und insbesondere für die Bestimmung des § 234 Abs. 3 ZPO. Jene Vorschrift setzt aus Gründen der Rechtssicherheit eine von der Behebung des Hindernisses unabhängige ("endgültige") Ausschlussfrist von einem Jahr, die ihrerseits nicht wiedereinsetzungsfähig ist und selbst dann eingreift, wenn die Partei an der Fristversäumung kein Verschulden trifft (BVerwG NJW 97, 2966, 2968; Zöller-Greger, § 234 ZPO, Rn. 1). Diese absolute Zeitgrenze verfolgt den Zweck, Verfahren für die vergangenen Zeiträume angemessen zu beschränken; sie soll sowohl im öffentlichen Interesse wie dem des Gegners Prozessverschleppungen entgegenwirken und eine Gefährdung der Rechtskraft verhindern. Die zwischen den Parteien eines Rechtsstreits bestehende Unsicherheit, ob eine gerichtliche Entscheidung Bestand hat oder nicht, soll auch in Fällen unverschuldeter Fristversäumung nach Ablauf der gesetzlichen Jahresfrist endgültig beseitigt werden (BVerwG aaO.; BAG MDR 1982,171; OLG Schleswig NJW-RR 1990, 1215, 1216; OLG Düsseldorf [8. Zivilsenat] MDR 1994, 99 - OLGR 1993, 265; OLG Rostock OLGR 1999, 374, 375; Zöller-Greger aaO.). Durch diesen Normzweck wird auch der Anwendungsbereich des § 234 Abs. 3 ZPO bestimmt und begrenzt. Die absolute Wirkung des Fristablaufs darf zwar nicht mit Rücksicht auf bloße Billigkeitsgesichtspunkte beiseite geschoben werden (OLG Hamm MDR 1997,1155 mwN.); sie hat jedoch zurückzutreten, wenn die Partei den Ablauf der Jahresfrist nicht zu vertreten hat, die Verantwortung für die Nichteinhaltung der Frist in der staatlichen Sphäre liegt und der Prozessgegner keines Schutzes bedarf, weil er auf den Bestand der ihm durch die Rechtskraft entstandenen Rechtsposition nicht vertrauen konnte und nicht vertraut hat (BayVerfGH NJW 1987, 314, 315 mwN.; BGH NJW 1973, 1373; BAG aaO.; OLG Schleswig aaO.; KG KGR 1999, 281 f. mwN.; Zöller-Greger aaO.; im Grundsatz auch OLG Düsseldorf aaO.).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte trifft keine Verantwortung dafür, dass ihr die am 12.7.1996 niedergelegte Sendung innerhalb der Jahresfrist nicht zur Kenntnis gelangt ist. Die erste Ursache hat vielmehr die Klägerin durch die unzutreffende Angabe des Vornamens in der Klageschrift vom 9.4.1996 gesetzt, die zweite - entscheidende - Ursache liegt in dem (dem gerichtlichen Zustellungswesen zuzurechnenden) Verhalten der Postbediensteten, die sich durch die falsche Namensangabe zwar nicht an einer Niederlegung, wohl aber an einer Aushändigung der Sendung an die Beklagte gehindert gesehen haben. Die Klägerin hat auch auf den Bestand der Rechtskraft des Versäumnisurteils nicht vertraut; sie ist vielmehr nach Erhalt des die Verhältnisse klarstellenden Anwaltsschreibens der Beklagten vom 24.1.1997 selbst von der Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung ausgegangen (oben 1.). Unter diesen Umständen hatte die Beklagte auch keinen Anlass, noch vor Ablauf der Jahresfrist Nachforschungen nach dem Inhalt der ihr unbekannten Sendung anzustellen.

bb)

Die Unanwendbarkeit des § 234 Abs. 3 ZPO ist vorliegend auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung dient dazu, die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Garantie auf wirksam Rechtsschutz sowie den Anspruchs der Parteien auf rechtliches Gehör nach Art. 103 I GG zu gewährleisten (BVerfGE 67, 208, 212 = NJW 1984, 2567, 2568 mwN.; BayVerfGH NJW1994,1857,1858; BGH NJW 1988, 713, 714; BVerwG NJW 1994, 673, 674 f.), um das hieraus folgende Gebot der Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit und rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung zu verwirklichen (BVerfG NJW 1992, 38; NJW 1993, 720; NJW 1995, 711). Diese Verfassungsnormen gelten auch für die Auslegung und Anwendung des § 234 Abs. 3 ZPO; der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör steht nicht zur Disposition des Gesetzgebers (aA. offenbar OLG Frankfurt OLGR 1997, 263). Dieser darf zwar Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken. Solche Einschränkungen müssen aber mit den Belangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den einzelnen Rechtssuchenden nicht übermäßig belasten. Darin findet die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers ihre Grenze; der Rechtsweg darf danach nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe der genannten Art nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfGE 88, 118, 123 ff. = NJW 93, 1635 mwN.; BVerfGE 93, 99, 103 ff. = NJW 95, 3173 f.).

Das Rechtsstaatsprinzip fordert für das gerichtliche Verfahren einen wirkungsvollen Rechtsschutz des einzelnen Rechtssuchenden, andererseits aber auch die Herstellung von Rechtssicherheit, die voraussetzt, das strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit geklärt werden. Sowohl im öffentlichen Interesse als auch - allgemein gesehen - im Interesse der Rechtssuchenden selbst kann der Gesetzgeber daher durch verfahrensbeschleunigende Vorschriften, insbesondere durch Fristenregelungen und Präklusionsnormen, Vorkehrungen dagegen treffen, dass gerichtliche Verfahren unangemessen lange dauern. Das Rechtsstaatsprinzip gibt nicht im einzelnen vor, wie der Widerstreit zwischen dem allgemeinen Interesse an Rechtssicherheit und Verfahrensbeschleunigung einerseits und dem subjektiven Interesse des Rechtssuchenden an einem möglichst uneingeschränkten Rechtsschutz andererseits zu lösen ist. Es ist Sache des Gesetzgebers, bei der Ausgestaltung des Verfahrens die einander widerstreitenden Interessen abzuwägen und für die einzelnen Abschnitte des gerichtlichen Verfahrens zu entscheiden, welchen von ihnen jeweils der Vorzug zu geben ist. Er muss dabei allerdings, wie ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, die betroffenen Belange angemessen gewichten und in Bezug auf die Auswirkungen der Regelungen auf den einzelnen Rechtssuchenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (BVerfG aaO.). Diese Grundsätze gelten nicht nur für den ersten Zugang zu Gericht, sondern für die Ausgestaltung des gesamten Verfahrens. Sie sind für das Rechtsschutzbegehren der klagenden Partei in gleicher Weise wie für das auf Rechtsverteidigung gerichtete Begehren des Gegners anwendbar. Auch der Richter muss die Tragweite des Grundrechts auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz beachten. Er darf verfahrensrechtliche Regelungen, die den vorgenannten Grundsätzen nicht entsprechen, nicht anwenden (Art. 100 Abs. 1 GG); soweit Verfahrensvorschriften einen Auslegungsspielraum lassen, darf er sie nicht in einem Sinne auslegen, die zu einem solchen Widerspruch führen würde (BVerfGE 88, 118, 127 f. = NJW 93, 1635 mwN.).

Nach diesen Maßstäben steht der Ablauf der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO vorliegend der Wiedereinsetzung nicht entgegen. Dass die darin normierte Ausschlussfrist nicht ausnahmslos gilt, ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt (oben aa) mwN.). Ein solcher Ausnahmetatbestand ist auch dann gegeben, wenn einer Partei - wie hier - eine sie belastende gerichtliche Entscheidung innerhalb der Rechtsbehelfs- oder Wiedereinsetzungsfristen aus von ihr nicht zu verantwortenden Gründen überhaupt nicht zur Kenntnis gelangt, da ihr andernfalls jegliche Möglichkeit der Rechtsverteidigung genommen und ihr verfassungsrechtlicher Anspruch auf rechtliches Gehör und effektiven Rechtsschutz zunichte gemacht wird.

II.

In der Sache führt der - trotz § 538 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nach § 540 ZPO einer sachlichen Prüfung des Senats zugängliche (oben A.) - Einspruch lediglich wegen eines Teils des Zinsbegehrens zur Aufhebung des Versäumnisurteils und zur Klageabweisung; im übrigen war dieses aufrecht zu erhalten (§ 343 ZPO). Nach dem Sach- und Streitstoff des Parallelrechtsstreits 8 O 423/97 LG Düsseldorf = 23 U 186/99 OLG Düsseldorf, auf den beide Parteien im vorliegenden Rechtsstreit Bezug genommen haben, steht der Klägerin gegen die Beklagte ein einredefreier Vergütungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 11.500,- DM zu.

1.

Da die Parteien nach den zutreffenden Ausführungen der Entscheidung des Landgerichts vom 2.9.1999 keine bestimmte Preisvereinbarung getroffen haben, kann die Klägerin nach § 632 Abs. 2 BGB die ortsübliche Vergütung verlangen. Diese erstreckte sich auch auf die Einbringung eines Sandbetts, weil die Erstellung eines Unterbaus nach den Ausführungen des Sachverständigen M in seinem Ergänzungsgutachten vom 18.5.1999 für eine ordnungsgemäße Bepflasterung erforderlich war und ein Verzicht hierauf fehlerhaft im Sinne des § 633 Abs. 1 BGB gewesen wäre. Dass der Auftrag die Stufen der Treppe des Zuwegs umfasste, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.6.1998 (Seite 5, Bl. 92 BA) ausdrücklich eingeräumt; ausweislich des von ihr mit diesem Schriftsatz vorgelegten Foto 4 (Bl. 96 BA) hat die Klägerin diese Arbeiten auch tatsächlich vorgenommen.

Die Verjährungseinrede der Beklagten ist unbegründet, weil die zweijährige Frist des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB für die 1994 entstandene Vergütungsforderung bereits vor ihrem Ablauf Ende 1996 (§§ 198, 201 BGB) durch die Zustellung der Klageschrift am 4.5.1996 unterbrochen worden war (§§ 209 Abs. 1 BGB, 253 ZPO); hiervon geht offenbar nunmehr auch die Beklagte aus. Für eine - mit Schriftsatz vom 15.2.2001 eingewandte (Bl. 99 f. GA) - Verwirkung des Klageanspruchs ist schon mit Rücksicht auf die Korrespondenz der Parteien im Januar 1996 sowie die der Beklagten im Januar 1997 bekannt gewordenen Vollstreckungsversuche der Klägerin kein Raum.

Der Höhe nach überschreitet die Klageforderung nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen M in beiden Gutachten die angemessene und ortsübliche Vergütung nicht. Die Einwendungen der Berufungsbegründung des vorangegangenen Verfahrens gegen seine Kalkulation für die Stufen liegen schon deshalb neben der Sache, weil der dort genannte Betrag von 375,55 DM die Fläche des Höfchens betrifft. Ebenso unsubstantiiert sind die Angriffe gegen die vom Sachverständigen in die Vergleichsberechnung eingestellten Aufwendungen für den Maschineneinsatz. Einen "Kostenanschlag im Sinne des § 650 BGB" hat die Klägerin schon deshalb nicht abgegeben, weil hierzu überschlägige Angaben des Unternehmers zur Höhe der zu erwartenden Vergütung nicht genügen; im übrigen hat die Beklagte in beiden Rechtszügen nichts dafür vorgetragen, dass der Mitarbeiter U zu verbindlichen Preiserklärungen im Namen der Klägerin überhaupt berechtigt gewesen sei. Sonstige näher ausgeführte Angriffe gegen die auch im übrigen zutreffende Entscheidung des Landgerichts hat die Beklagte im Vorprozess mit ihrer Berufungsbegründung nicht vorgetragen; die darin enthaltene allgemeine Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen genügt nicht den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.

2.

Der über 4 % seit dem 2.1.1996 hinausgehende Zinsanspruch ist der Klägerin bereits mit dem - insoweit unangefochtenen - Urteil des Landgerichts vom 2.9.1999 rechtskräftig aberkennt worden (vergl. Senatsurteil vom 27.6.2000 unter Ziffer II. Abs. der Gründe, Seite 19 UA). Wegen des auf die Zeit bis zum 11.1.1996 entfallenden Zinsbegehrens ist die Klage ebenfalls unbegründet, weil die der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 27.12.1995 gesetzte Zahlungsfrist erst an diesem Tag ablief (Bl. 6 f. GA).

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 344 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.

Streitwert für den Berufungsrechtszug und Beschwer für die Beklagte: 11.500,- DM = 5.879,86 Euro

Ende der Entscheidung

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