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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.03.2002
Aktenzeichen: 24 U 124/01
Rechtsgebiete: MV, BGB, ZPO


Vorschriften:

MV § 8 Abs. 6
BGB § 537
BGB § 536 a.F.
BGB § 539 a.F.
BGB § 545 a.F.
BGB § 535 Satz 2 a.F.
ZPO § 713
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 124/01

Verkündet am 19. März 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2002 durch seine Richter Z, T und D

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. Mai 2001 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

1.)

Die Klägerin hat aus § 535 Satz 2 BGB a.F. (= § 535 Abs.2 BGB n.F.) in Verbindung mit Ziffer 4 Abs.2 des Vergleichs vom 11. August 1999 keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 5.675,34 € (= 11.100,- DM) Mietzins.

Der zwischen den Parteien für die hier im Streit stehende Zeit (Januar und Februar 2001) vereinbarte Mietzins von 18.500,- DM incl. Mehrwertsteuer war jedenfalls um 30% gemindert (§ 537 BGB a.F. = § 536 BGB n.F.), weil das Mietobjekt mangelhaft war.

a.)

Es entspricht allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Beschränkungen Fehler der Mietsache im Sinne des § 537 BGB sind, wenn sie mit der Art, Lage oder Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben (vgl. BGH NJW 1980,777 (zu Anforderungen der Warenhausverordnung); OLG Düsseldorf, 10. ZS., ZMR 1993, 275 (zu Brandschutzmängeln); Senat, B. v. 28.2.2000, 24 W 6/00 (zur Genehmigungsfähigkeit einer Galerie - n.v.)). Dies ist nicht der Fall, wenn die Behörde trotz Verstoßes gegen ihre Bestimmungen oder Richtlinien den von den Parteien vereinbarten Gebrauch der Mietsache duldet (vgl. OLG Düsseldorf, 10. Zivilsenat, ZMR 1976,218; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rdnr. 248). Die Androhung einer ordnungsbehördlichen Maßnahme kann jedoch einen Mangel begründen, wenn sie zu einer Ungewissheit über die Möglichkeit des künftigen Gebrauchs führt und hierdurch gegenwärtige Interessen des Mieters beeinträchtigt sind (vgl. BGH WM 1983, 660, 661; NJW 1971,555; Wolf/Eckert/Ball a.a.O.).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Im Streitfall hat die Stadt W durch Schreiben vom 31. März 2000 wegen Mängeln des Brandschutzes den Erlass einer Ordnungsverfügung angedroht und dabei eine Nutzungsuntersagung des gesamten Gebäudes in Erwägung gezogen. Die darin liegende Ungewissheit bedeutete schon einen Mangel der Mietsache. Ob objektbezogene Mängel des Brandschutzes unabhängig von den Anordnungen der Ordnungsbehörde auch deshalb einen Mangel darstellten, weil die Sicherheit der Nutzer des Gebäudes durch sie gefährdet wurde, kann dabei offen bleiben.

b)

Die Klägerin war auch verpflichtet, Mängel des Brandschutzes und der Be- und Entlüftung zu beseitigen; diese Verpflichtung oblag nicht der Beklagten.

Dass der Klägerin Wartung und Reparatur der Be- und Entlüftung oblagen, haben die Parteien in § 4 Abs.1 Mietvertrag (MV) ausdrücklich vereinbart. Diese Verpflichtung hat allerdings durch den Prozessvergleich, den die Parteien am 11. August 1999 im Verfahren 3 O 476/96 vor dem Landgericht Duisburg abgeschlossen haben, insoweit eine Modifizierung erfahren, als sich die Parteien darüber einig waren, dass bis zum Ablauf der Mietzeit der damalige Zustand der Lüftungsanlage bestehen bleiben solle (Ziffer 3 des Vergleichs).

Anforderungen an das Gebäude in Bezug auf den Brandschutz musste die Klägerin aufgrund ihrer aus § 536 BGB a.F. folgenden Verpflichtung, die Räume in vertragsgemäßem Zustand zu erhalten, erfüllen (vgl. BGH ZMR 1994, 253).

Auch die in § 8 Abs. 6 MV getroffene Abrede "der Mieter sei verpflichtet, das Mietobjekt..... zu unterhalten sowie alle dem Eigentümer obliegenden Verkehrssicherungspflichten und Verpflichtungen nachbar-, ordnungs-, polizeirechtlicher und vergleichbarer Art zu beachten und zu erfüllen", ist die Einstandspflicht der Klägerin, Anforderungen des Brandschutzes zu erfüllen, nicht beseitigt worden. Dies folgt für die hier im Streit stehende Zeit zwingend aus dem Prozessvergleich vom 11. August 1999, in dessen Ziffer 3 es heißt:

".... Die Klägerin verpflichtet sich, ordnungsbehördlich festgestellte Missstände, insbesondere des Brandschutzes, unverzüglich zu beseitigen."

Der Senat ist davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass Grundlage dieser Regelung das Schreiben der Stadt W vom 16. Februar 1999 war. Denn die Klägerin hatte dieses Schreiben mit Schriftsatz vom 5. März 1999 in den Vorprozess eingeführt und sich auf die in diesem Schreiben beanstandeten Mängel des Brandschutzes berufen. Welcher andere Anknüpfungspunkt für die "Beseitigung ordnungsbehördlich festgestellter Missstände" bei Abschluss des Vergleichs bestanden haben könnte, hat die Klägerin auch nicht vorgetragen.

c)

Die vollständige Erfüllung dieser durch den Vergleich eingegangenen Verpflichtung hat die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt. Die pauschale Behauptung, die Verpflichtung sei im Sinne der Stadt W erfüllt (vgl. Bl.141 GA), ist unsubstantiiert und unzureichend. (wird ausgeführt)

d)

Eine Minderung des Mietzinses scheidet nicht im Hinblick darauf aus, dass die Beklagte unstreitig einen Teil der vermieteten Räume im Januar und Februar 2001 nicht als Verkaufsfläche genutzt hat. Denn eine Mietzinsminderung greift auch ein, wenn der Mieter im konkreten Fall nicht beeinträchtigt ist, etwa weil er das Mietobjekt nicht nutzt oder nicht in der vertraglich vorgesehenen Weise verwendet (vgl. BGH WM 1987, 219; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rdnr. 268).

Den vertraglich vereinbarten Verwendungszweck - nach § 1 MV war dies der Betrieb eines Warenhandelshandelsunternehmens - haben die Parteien nicht abgeändert. Ferner hatte die Beklagte nach § 2 MV das Recht, die Mietflächen ohne Zustimmung der Klägerin ganz oder teilweise an Einzelhandelsfachgeschäfte oder Dienstleistungsunternehmen unter zu vermieten. Die Beklagte hat auf die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes auch nicht verzichtet, sondern die Klägerin bereits mit Schreiben vom 14. April 2000 zur Beseitigung brandschutztechnischer Mängel aufgefordert.

e)

Eine Mietzinsminderung ist nicht in entsprechender Anwendung des § 539 BGB a.F. (§ 536 b BGB n.F.) ausgeschlossen.

Allerdings verliert der Mieter das Recht zur Mietzinsminderung, wenn er nach Kenntnis eines Mangels unangemessen lange Zeit verstreichen lässt. Ob sich der Mieter auf Gewährleistungsrechte wegen eines Mangels berufen kann, hängt vor allem von der Ernsthaftigkeit seiner Beanstandung sowie von der Dauer der Zeit ab, in der er den Mietzins ungekürzt und ohne Vorbehalt zahlt. Ein Zeitraum von sechs Monaten reicht in der Regel aus, Gewährleistungsrechte des Mieters auch für die Zukunft auszuschließen, während drei Monate noch im Rahmen der dem Mieter zuzubilligenden angemessenen Überlegungsfrist liegen mögen. Eine vorbehaltlose Zahlung liegt allerdings dann nicht vor, wenn der Mieter in der Erwartung einer baldigen Mängelbeseitigung leistet (vgl. BGH NJW 1997, 2674; 2000, 2663, 2664; Wolf/Eckert/Ball a.a.O., Rdnr.328). Letzteres ist hier der Fall.

Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vergleich vom 11. August 1999 hat eine Zäsur bewirkt. Die Höhe des zu zahlenden Mietzinses haben die Parteien im Vergleichsweg neu festgelegt. Es kann folglich dahinstehen, in welchem Umfang Mängel schon vor diesem Zeitpunkt bestanden haben. Nach dem 11. August 1999 hat die Beklagte in der erkennbaren Erwartung gezahlt, Mängel würden - entsprechend der im Vergleich eingegangenen Verpflichtung - von der Klägerin beseitigt. Unstreitig hat die Klägerin auch Arbeiten zur Beseitigung von Mängeln am Brandschutz durchführen lassen. Einen Vorbehalt bezüglich der Minderungsrechte hat die Beklagte erstmals mit Schreiben vom 29. August 2000 geltend gemacht. Dass die Klägerin die Mängelbeseitigungsarbeiten schon längere Zeit vor diesem Termin eingestellt hatte, ist weder ersichtlich noch dargetan. Aus einem Schreiben der Stadt W vom 31. März 2000 (Bl. 48 GA) ergibt sich, dass die Klägerin bis zum 20. März 2000 - wenn auch unzureichende - Mängelbeseitigungsarbeiten veranlasst hatte. Folglich hat die Beklagte (noch) rechtzeitig einen Vorbehalt bezüglich der weiteren Mietzinszahlungen geltend gemacht.

f.)

Eine Mietzinsminderung ist auch nicht nach § 545 BGB a.F. ( = § 536 c Abs.2 BGB n.F.) ausgeschlossen.

Nach § 545 BGB a.F. hat der Mieter dem Vermieter unverzüglich Anzeige zu machen, wenn sich im Laufe der Miete ein Mangel der gemieteten Sache zeigt. Unterlässt der Mieter schuldhaft die Anzeige, so wird er nach Absatz 2 dieser Vorschrift einerseits dem Vermieter gegenüber schadenersatzpflichtig, andererseits verliert er etwaige Minderungs- und Schadenersatzansprüche aus §§ 537 und 538 BGB a.F. (vgl. BGH NJW 1977, 1236 = BGHZ 68, 281), wenn der Vermieter wegen der unterbliebenen Mitteilung außerstande ist, Abhilfe zu schaffen (vgl. BGH NJW 1987, 1072, 1074).

Im Streitfall liegen ausreichende Mangelanzeigen vor.(wird ausgeführt)

g)

Der Höhe nach ist eine 30%ige Mietzinsminderung gerechtfertigt.

Im Falle einer Ordnungsverfügung, durch die der - vertraglich vorgesehene - Betrieb eines Warenhausunternehmens in den vermieteten Räumen gänzlich untersagt worden wäre, hätte sich der geschuldete Mietzins nach § 537 BGB a.F. auf Null gemindert (vgl. BGH ZMR 1987,257,258). Die Androhung einer Ordnungsverfügung rechtfertigt demgegenüber eine Minderung des Mietzinses von jedenfalls 30% (§ 287 ZPO). Denn die Beklagte musste angesichts der Dringlichkeit, mit welcher die Stadt W die Behebung von Brandschutzmängeln in ihrem Schreiben vom 31. März 2000 gefordert hatte, damit rechnen, dass bei einer Wiederaufnahme der vertraglich vorgesehenen Nutzung auf der gesamten von der Klägerin gemieteten Fläche alsbald eine Ordnungsverfügung erlassen werden würde.

2.)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO).

Es besteht kein Grund, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs.2 ZPO n.F.).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und der Wert der Beschwer für die Klägerin betragen 5.675,34 € (11.100,- DM).

Ende der Entscheidung

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