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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: I-18 U 137/06
Rechtsgebiete: BGB, HGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 254 Abs. 2
BGB § 307
HGB § 425 Abs. 2
HGB § 435
ZPO § 531
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. Juni 2006 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (31 O 116/05) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin ist führender Transportversicherer der Firmen E. E. GmbH & Co. KG und der A. L. GmbH in P. Sie nimmt die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen eines Paketverlusts in Anspruch.

Die A. L. GmbH ist EDI-Kunde der Beklagten. Sie übergab der Beklagten am 11. Januar 2005 ein Paket mit dem Auftrag, es zur Firma D. A. in M./Frankreich zu transportieren. Dort kam das Paket nicht an. Wegen dieses Schadensfalls leistete die Beklagte vorprozessual eine Entschädigung in Höhe von 510,- €.

Die Klägerin hat behauptet, in dem verloren gegangenen Paket hätten sich elektronische Bauteile im Wert von 95.056,60 € befunden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 94.546,60 € nebst 5 % Zinsen seit dem 7. April 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, das Paket sei am 12. Januar 2005 in Frankreich bei einem Raubüberfall auf das Auslieferungsfahrzeug gestohlen worden. Am frühen Morgen dieses Tages habe der Auslieferungsfahrer die A 86 in Richtung G. befahren. Die Täter hätten den von ihnen gesteuerten VW Golf älteren Modells zunächst vor das Auslieferungsfahrzeug gefahren, um den Fahrer auszubremsen. Als dies misslungen sei, hätten die Täter auf dem Dach des VW Golf ein Blaulicht positioniert und so vorgetäuscht, sie seien Polizisten. Nachdem der Auslieferungsfahrer angehalten habe, seien drei schwarz maskierte Männer, bewaffnet mit Polizeiknüppeln, aus dem VW Golf gesprungen und hätten ihn gezwungen auszusteigen. Anschließend hätten sie ihn im Kofferraum des VW vom Tatort gefahren, um ihn etwa 30 Minuten später wieder frei zu lassen. Das leere Auslieferungsfahrzeug sei dann am 17. Januar 2005 in der Nähe von G. wieder aufgefunden worden. In diesem Auslieferungsfahrzeug habe sich zum Zeitpunkt des Überfalls auch das hier in Rede stehende Paket befunden.

Schließlich hat die Beklagte behauptet, dem Beförderungsvertrag hätten ihre Beförderungsbedingungen Stand Januar 2005 zugrunde gelegen. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte gegen ihre Inanspruchnahme eingewandt, das Paket sei nicht bedingungsgerecht gewesen, sondern gemäß Ziffer 3 (a) (ii) ihrer Beförderungsbedingungen vom Transport ausgeschlossen gewesen, denn danach belaufe sich der höchstzulässige Warenwert pro Paket auf 50.000,- $. Hieraus resultiere zugleich auch ein Mitverschulden der Versenderin, die es unterlassen habe, sie, die Beklagte, auf die Gefahr eines drohenden ungewöhnlich hohen Schadens hinzuweisen.

Schließlich müsse sich die Versenderin als weiteres Verschulden entgegen halten lassen, dass sie das Paket nicht als Wertpaket versandt habe, obwohl sie gewusst habe, dass sie, die Beklagte, wertdeklarierte Pakete mit größerer Sorgfalt transportiere.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Schadensersatzanspruch sei wegen eines weit überwiegenden Mitverschuldens der Versenderin ausgeschlossen, weil sie es bei Auftragserteilung unterlassen habe, die Beklagte auf den drohenden ungewöhnlich hohen Schaden hinzuweisen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt. Sie ist der Auffassung, die Versenderin treffe kein Mitverschulden wegen des unterlassenen Hinweises auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Schaden, denn die Beklagte habe nicht dargetan, was sie unternommen hätte, wenn die Versenderin ihr den Warenwert des Pakets angezeigt hätte. Tatsächlich hätte die Beklagte auf diesen Hinweis keine Maßnahmen getroffen, die den Eintritt des Schadens hätten verhindern können. Dies habe die Beklagte selbst bereits in mehreren Verfahren eingeräumt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 94.546,60 € nebst 5 % Zinsen seit dem 7. April 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, sie hätte den Transportauftrag nicht angenommen, wenn sie den Wert des Paketinhalts gekannt hätte, da das Paket wegen dieses Warenwerts nicht bedingungsgerecht gewesen sei. Die Versenderin habe als Dauerkundin auch gewusst, dass in ihren, der Beklagten, Beförderungsbedingungen für den Warenwert pro Paket eine Obergrenze von 50.000,- $ festgelegt sei.

Außerdem wirft sie der Versenderin vor, diese treffe auch deshalb ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens, weil sie den Transportauftrag in Kenntnis des Umstandes erteilt habe, dass sie, die Beklagte, keine Schnittstellenkontrollen durchführe. In diesem Zusammenhang weist sie darauf hin, dass sie die Versenderin hierüber in Ziffer 2 ihrer Beförderungsbedingungen Stand Januar 2005 informiert habe.

Ziffer 2 dieser Beförderungsbedingungen lautet auszugsweise wie folgt:

"Sofern keine anderen Dienstleistungen vereinbart werden, beschränkt sich der von UPS angebotene Service auf Abholung, Transport,...und Zustellung der Sendung....

Eine Kontrolle des Transportweges durch Ein- und Ausgangskontrollen an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des UPS-Systems ist nicht Gegenstand der vereinbarten Leistung...."

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache erfolglos. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht dahin entschieden, dass der Klägerin wegen des hier in Rede stehenden Paketverlusts gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche aus Art. 17 Abs. 1 CMR zustehen.

Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Art. 17 CMR sind zwar gegeben und die Beklagte muss dem Grunde nach für den entstandenen Schaden auch Schadensersatz leisten, ohne sich auf die in der CMR vorgesehenen Haftungsbeschränkungen berufen zu können, weil sie den Schaden leichtfertig verursacht hat, Art. 29 CMR. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich in Ziffer 2 ihrer Beförderungsbedingungen ausbedungen hat, den Transport ohne Schnittstellenkontrollen durchführen zu dürfen, denn diese Vertragsvereinbarung ist sowohl gemäß Art. 41 CMR als auch nach § 307 BGB unwirksam, weil die Beklagte sich mit dieser allgemeinen Geschäftsbedingung von der Kardinalpflicht des Frachtvertrages, während der Beförderung das Transportgut vor Verlust schützen zu müssen, weitgehend freizeichnet.

Gleichwohl stehen der Klägerin im Ergebnis keine Schadensersatzansprüche zu, weil die Versenderin, die A. L. GmbH, ein so schwerwiegendes Mitverschulden an der Entstehung des Schadens trifft, dass sie den ihr entstandenen Schaden allein tragen muss.

Im Einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:

A.

Die A. L. GmbH trifft im vorliegenden Fall zum einen ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens, weil sie die Beklagte mit dem Transport des Pakets beauftragt hat, obwohl sie, die Firma A., wusste oder hätte wissen müssen, dass die Beklagte den Transport so organisieren wird, dass an den Umschlagstellen keine Schnittstellenkontrollen durchgeführt werden. Diese Kenntnis beziehungsweise das Kennenmüssen ergibt sich aus Ziffer 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten Stand Januar 2005, weil die Beklagte ihre Kunden in dieser - wenn auch, wie dargelegt, unwirksamen - AGB-Klausel zugleich darüber informiert, dass sie, die Beklagte, während des Transports an den Umschlagstellen keine Ein- und Ausgangskontrollen durchführen wird.

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, verstößt ein Versender gegen Treu und Glauben, wenn er einerseits einen Spediteur mit der Beförderung beauftragt, von dem er weiß oder zumindest hätte wissen müssen, dass es in dessen Unternehmen aufgrund von groben Organisationsmängeln immer wieder zu Verlusten kommt, er andererseits aber wegen dann tatsächlich eingetretener Warenverluste vollen Schadensersatz verlangt. Ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben führt dazu, dass der Schadensersatzanspruch des Versenders nach § 254 BGB wegen mitwirkenden Verschuldens des Geschädigten beschränkt oder ausgeschlossen ist. (vgl. BGH TranspR 2004, 460; TranspR 1999, 410; TranspR 2003, 255). Es entspricht ebenfalls gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein Frachtunternehmen, das an den Umschlagstellen keine Schnittstellenkontrollen einrichtet und durchführt, grob fehlerhaft organisiert ist.

Dieses Mitverschulden der Versenderin hat den eingetretenen Warenverlust auch mitverursacht, denn wenn der tatsächliche Verlustgrund - wie hier - im Dunkeln liegt, wird vermutet, dass der Warenverlust durch die groben Organisationsmängel in der Betriebsorganisation des Frachtführers verursacht worden ist.

Art und Ausmaß des Mitverschuldens durch Auftragserteilung in Kenntnis des Umstandes, dass während des Transports keine Schnittstellenkontrollen durchgeführt werden, wiegen nach Auffassung des Senats schwer, weil der Versender hierdurch einen sehr gewichtigen Mitverschuldensbeitrag zur Schadensverursachung setzt.

Dieses Mitverschulden beruht wie dargelegt in erster Linie auf der Erwägung, dass der Auftraggeber in einen nach der genannten Vorschrift beachtlichen Selbstwiderspruch gerät, wenn er mit der Transportdurchführung einen Spediteur beauftragt, von dem er weiß, dass es in dessen Unternehmen aufgrund grober Organisationsmängel zu Verlusten kommen kann. Wenn er gleichwohl den Spediteur beauftragt, so nimmt er damit bewusst ein Risiko in Kauf, dessen Verwirklichung allein dem Schädiger anzulasten unbillig erscheint und mit dem § 254 BGB zugrunde liegenden Gedanken von Treu und Glauben unvereinbar ist.

Ein Transportunternehmen, das nach seiner Betriebsorganisation außerstande ist, während des Transports insbesondere an den erfahrungsgemäß besonders schadensträchtigen Umschlagstellen den für die fachgerechte Ausführung der Beförderung absolut notwendigen Schutz des Transportgutes vor Verlust zu gewährleisten, ist für jeden Versender erkennbar für den Transport werthaltiger Güter, insbesondere für die Beförderung von Gütern im kaufmännischen Handelsverkehr, objektiv ungeeignet. Folglich wird auch kein Kaufmann, der im Fall eines Verlusts eines wertvollen Transportgutes den Schaden selbst tragen müsste, einen Frachtführer mit dem Transport beauftragen, von dem er weiß, dass er seiner Obhutsverpflichtung während des Transports im erheblichen Umfang nicht nachkommen wird. Für den Fall des Versendungskaufs gilt im Ergebnis nichts anderes, weil der Versender des Transportgutes bei der Auswahl des Frachtführers das Interesse des Empfängers, die Warensendung tatsächlich zu erhalten, berücksichtigen muss.

Schnittstellenkontrollen sind bei jeder Güterbeförderung schlechthin unerlässlich, damit ein Frachtführer seine Kardinalpflicht, das Transportgut auf dem Transportweg ständig unter Kontrolle zu halten und vor Verlust zu schützen, tatsächlich erfüllen kann. Auf dem Transportweg stellt jeder Warenumschlag einen besonders schadensträchtigen Beförderungsvorgang dar. Hierbei kommen viele Menschen - häufig auch nicht nur Mitarbeiter des Frachtführers, sondern auch Mitarbeiter der von ihm eingeschalteten Subunternehmer - mit der Warensendung unmittelbar in Berührung. Dies bewirkt eine erhebliche Gefährdung des Transportguts durch Warendiebstahl. Während des Warenumschlags besteht des Weiteren die Gefahr, dass die Warensendung fehlverladen wird und hierdurch außer Kontrolle gerät. Werden keine Schnittstellenkontrollen durchgeführt, bleibt es schließlich auch längere Zeit unentdeckt, wenn die Warensendung innerhalb des Umschlagslagers - absichtlich oder versehentlich - an falscher Stelle abgelegt wird. Hieraus folgt, dass ein Frachtführer, der keinerlei Schnittstellenkontrollen eingerichtet hat, Warenverluste geradezu vorprogrammiert hat.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass dieser Vorwurf mitwirkenden Verschuldens an der Schadensentstehung umso schwerer wiegt, je höher der Wert der Warensendung ist. Denn je wertvoller die zu transportierenden Güter sind, desto mehr muss der Versender davor zurückschrecken, einen Frachtführer mit der Beförderung zu beauftragen, der erklärtermaßen die zum Schutz vor Verlust der Waren erforderlichen und anerkannten Sicherheitsstandards in besonders schadensanfälligen Bereichen nicht einhalten kann oder will.

In der Gesamtschau dieser einzelnen Gesichtspunkte erachtet es der Senat nach umfassender Abwägung der Gesamtumstände als angemessen, das Mitverschulden des Versenders durch eine stufenweise Kürzung des Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen. Sofern der Fall keine weiteren, für die Abwägung bedeutsamen Besonderheiten aufweist, wird der Senat bei dem hier in Rede stehenden Mitverschulden durch Auftragserteilung in Kenntnis der Organisationsmängel den Schadensersatzanspruch für den Sendungswert bis 510,- € ungekürzt lassen, weil die Beklagte insoweit durch die von ihr freiwillig angebotene Haftungsübernahme bis zu einem Wert von 510,- € auch das durch ihre Organisationsmängel erhöhte Verlustrisiko in voller Höhe übernimmt.

Für den zwischen 510,- € und 5.000,- € liegenden Warenwert der Sendung ist mindestens ein hälftiges Mitverschulden anzusetzen, so dass der Schadensersatzanspruch um mindestens 50 % zu kürzen ist, soweit er sich zwischen diesen beiden Wertgrenzen bewegt. Bei darüber hinausgehenden Warenwerten erachtet es der Senat als angemessen, den Kürzungsprozentsatz stufenweise für jede angefangenen weiteren 5.000,- € jeweils um 2 % zu erhöhen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich wegen des Mitverschuldens durch Auftragserteilung in Kenntnis des Organisationsmangels im vorliegenden Fall eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs um 64.394,81 €, weil sich der Warenwert der verloren gegangenen Sendung auf 95.056,60 € belief.

II.

Die Beklagte hat in Ziffer 3 (a) (ii) ihrer Beförderungsbedingungen zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Pakete befördern will, wenn der Warenwert des Pakets über 50.000,- $ liegt, sie mithin ihren Kunden keinen Paketversand anbieten will, wenn die Ware im Paket diese Wertgrenze überschreitet.

Über diesen von der Beklagten erklärten Willen hat sich die Versenderin entweder vorsätzlich oder fahrlässig hinweggesetzt, je nachdem, ob die bei ihr im Versand tätigen Mitarbeiter die Beförderungsbedingungen der Beklagten vor Erteilung des Transportauftrages gelesen haben oder nicht. Im letztgenannten Fall begründet die Weigerung, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zur Kenntnis zu nehmen, den Fahrlässigkeitsvorwurf.

Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, begründet auch der Versand eines nicht bedingungsgerechten Pakets ein erhebliches Mitverschulden des Versenders (vgl. BGH TranspR 2006, 448).

Auch dieses Mitverschulden war mitursächlich für die Entstehung des Schadens, weil die Beklagte die Beförderung des Pakets abgelehnt hätte, wenn ihr bei Auftragserteilung der Wert der Warensendung bekannt gewesen wäre. Hiervon ist auszugehen, obwohl die Klägerin dies im nachgelassenen Schriftsatz vom 31. Januar 2007 bestreitet. Dass die Beklagte in derartigen Fällen grundsätzlich die Beförderung ablehnen will, folgt bereits daraus, dass sie in allen dem Senat bekannten Fassungen ihrer Beförderungsbedingungen einen Beförderungsausschluss für Warensendungen über 50.000,- $ normiert hat. Bei dieser Sachlage hätte es daher der Klägerin oblegen, konkret darzutun, dass die Beklagte für den hier in Rede stehenden Paketversand eine Ausnahme von ihrem generell gegenüber jedem Kunden erklärten Willen gemacht hätte, nur einen Paketversand für Waren im Wert bis zu 50.000,- $ anbieten zu wollen.

Nach Auffassung des Senats rechtfertigt das fahrlässige Unterschieben eines nicht bedingungsgerechten Pakets mindestens ein Mitverschulden von einem Drittel, was eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs um weitere 31.685,53 € rechtfertigt, wodurch der nach der Kürzung des Anspruchs wegen des Mitverschuldens durch Auftragserteilung noch verbliebene Schadensersatzanspruch vollständig aufgezehrt wird.

III.

Da im vorliegenden Fall allein schon die bisher aufgezeigten Mitverursachungsbeiträge der Versenderin zu einem völligen Haftungsausschluss führen, gibt der vorliegende Fall dem Senat keine Veranlassung zu entscheiden, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass es der Versenderin auch noch zum Mitverschulden gereichen könnte, dass sie das Paket nicht als Wertpaket versandt hat und sie die Beklagte auch nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass im Verlustfall ein ungewöhnlich hoher Schaden droht.

B.

Die gegenüber diesem vom Senat in Ansatz gebrachten doppelten Mitverschulden erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.

I.

Entgegen der Auffassung der Klägerin steht Art. 17 Abs. 2 CMR nicht entgegen, ein Mitverschulden des Versenders bei der Entstehung des Schadens zu berücksichtigen.

In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof bereits wiederholt entschieden, dass gemäß § 425 Abs. 2 HGB die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon abhängen, inwieweit bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders mitgewirkt hat. Die Vorschrift des 425 Abs. 2 HGB greift den Rechtsgedanken des § 254 BGB auf und fasst alle Fälle mitwirkenden Verhaltens des Ersatzberechtigten in einer Vorschrift zusammen. Mithin sind die vom Bundesgerichtshof zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 zu § 254 Abs. 1 und 2 BGB ergangenen Entscheidungen ohne inhaltliche Änderungen auf § 425 Abs. 2 HGB übertragbar (BGH Urteil vom 1. Dezember 2005, Az. I ZR 108/04).

Für Schadensersatzansprüche aus Art. 17 CMR gilt im Ergebnis dasselbe, sofern - wie hier - die Voraussetzungen des Art. 29 CMR vorliegen, weil sich dann die Schadensersatzansprüche nach dem nationalen, also nach dem deutschen allgemeinen Schadensrecht richten.

II.

Art. 41 CMR steht dem Mitverschuldenseinwand wegen Unterschiebens eines nicht bedingungsgerechten Pakets nicht entgegen, weil die Erklärung der Beklagten, Pakete mit einem Warenwert von mehr als 50.000,- $ nicht befördern zu wollen, keine Haftungsbegrenzung im Sinne dieser Norm darstellt. Haftungsbegrenzend - und damit Art. 41 CMR unterfallend - ist vielmehr ausschließlich die Regelung in Ziffer 3 (d) der Beförderungsbedingungen, in der sich die Beklagte von jeglicher Haftung für den Verlust nicht bedingungsgerechter Pakete freizeichnet.

Hierbei verkennt der Senat nicht, dass die Wertobergrenze gemäß Ziffer 3 mittelbar wie eine Haftungsobergrenze wirkt, wenn die Beklagte - wie im vorliegenden Fall - für den eingetretenen Warenverlust gemäß § 435 HGB unbeschränkt haften muss. Diese lediglich mittelbar haftungsbeschränkende Wirkung der Vertragsklausel kann jedoch nach Auffassung des Senats nicht gemäß Art. 41 CMR die Unwirksamkeit dieser Bestimmung nach sich ziehen.

Sinn und Zweck des Art. 41 CMR ist es, die Vertragsparteien im bestimmten dort näher geregelten Umfang vor haftungsbegrenzenden Vereinbarungen zu schützen, die zum Nachteil einer Vertragspartei vom Haftungsregime der CMR abweichen. Mithin befasst sich Art. 41 CMR mit der Frage, ob und in welchem Umfang haftungsbegrenzende Regelungen vereinbart werden können. Demgegenüber ist es nicht Sinn und Zweck des Art. 41 CMR zu regeln, ob und in welchem Umfang der Frachtführer selbst bestimmen kann, über welche Art von Warensendungen er einen Frachtvertrag abschließen möchte. Mithin soll durch diese Regelung die Vertragsabschlussfreiheit der Frachtführer nicht eingeschränkt werden. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Entscheidung des Frachtführers, ein bestimmtes Gut nicht befördern zu wollen, zwangsläufig immer mittelbar haftungsbeschränkend wirkt, weil er naturgemäß nur dann der Frachtführerhaftung unterliegen kann, wenn ein Frachtvertrag abgeschlossen wird. Mithin kann die Mitteilung der Beklagten an ihre potentiellen Kunden, sie wolle keine Frachtverträge über Pakete abschließen, die Waren oberhalb der Wertgrenze von 50.000,- $ enthalten, nicht der Bestimmung des Art. 41 CMR unterfallen.

III.

Dem Mitverschuldenseinwand wegen Auftragserteilung in Kenntnis der Organisationsmängel steht nicht entgegen, dass die Klägerin pauschal bestreitet, dass dem Transportauftrag der A. L. GmbH vom 11. Januar 2005 die Beförderungsbedingungen der Beklagten Stand Januar 2005 zugrunde gelegen haben. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, der A. L. GmbH habe zu diesem Zeitpunkt die UPS-Broschüre "Tariftabelle und Serviceleistungen" vorgelegen, in der ihre, der Beklagten, Beförderungsbedingungen Stand Januar 2005 abgedruckt seien. Zu diesem Vorbringen kann sich die Klägerin nicht mit Nichtwissen erklären, um diesen Sachvortrag wirksam zu bestreiten. Vielmehr hätte es ihr oblegen, sich bei ihrer Versicherungsnehmerin danach zu erkundigen, ob die Beklagte diese Broschüre tatsächlich vor dem 11. Januar 2005 übergeben hat und ob in dieser Broschüre tatsächlich die Beförderungsbedingungen Stand Januar 2005 abgedruckt sind.

Da somit davon auszugehen ist, dass der A. L. GmbH am 11. Januar 2005 ein Exemplar der ab 2005 geltenden Beförderungsbedingungen der Beklagten vorlag, hatte die A. L. GmbH die zumutbare Möglichkeit, vom Inhalt dieser Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen. Dies reicht im kaufmännischen Verkehr aus, um diese Geschäftsbedingungen der Beklagten wirksam in den hier in Rede stehenden Frachtvertrag einzubeziehen, zumal die A. L. GmbH wusste, dass die Beklagte ihre jeweils gültigen Beförderungsbedingungen zur Grundlage ihrer ständigen Geschäftsbeziehung machen will, wie der Vereinbarung vom 22. August 2003 (Bl. 41/41 GA) zu entnehmen ist.

Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass auch schon Ziffer 11 dieser Vereinbarung vom 22. August 2003 die A. L. GmbH darüber informiert hat, dass die Beklagte während der Beförderung jedenfalls keine durchgehenden Schnittstellenkontrollen durchzuführen beabsichtigt, denn dort heißt es: "Der Kunde erklärt sich ... damit einverstanden, dass Ein und Ausgangskontrollen nicht durchgehend durchgeführt und dass Schnittstellen nicht dokumentiert und kontrolliert werden."

IV.

Schließlich ist der Mitverschuldenseinwand wegen Auftragserteilung in Kenntnis des Organisationsmangels zu berücksichtigen, obwohl die Beklagte diesen Einwand erstmals im Berufungsrechtszug erhoben hat. Zwar ist im Ausgangspunkt bei neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln im Berufungsrechtszug der Ausschluss neuen Vorbringens gemäß § 531 ZPO zu beachten. Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung, wenn - wie im vorliegenden Fall - das neue tatsächliche Vorbringen, auf dem das Angriffs- oder Verteidigungsmittel beruht, zwischen den Parteien unstreitig ist.

V.

Ohne Erfolg wendet die Klägerin gegenüber dem vom Senat angenommenen Ursachenzusammenhang zwischen den Mitverursachungsbeiträgen der Versenderin und dem eingetretenen Paketverlust ein, die Beklagte habe behauptet, das hier in Rede stehende Paket sei bei einem Raubüberfall gestohlen worden.

In diesem Zusammenhang übersieht sie, dass die Beklagte im Berufungsrechtszug ihre Rechtsverteidigung nur noch hilfsweise, nämlich für den Fall, dass die Mitverschuldenseinwände nicht zur vollständigen Klageabweisung ausreichen, auf diesen Sachverhalt stützt, so dass dieses Vorbringen der Beklagten im Rahmen der Prüfung der Mitverschuldenseinwände nicht zu berücksichtigen ist.

Damit könnte der Einwand, das Paket sei bei einem Raubüberfall verloren gegangen, gegenüber dem Mitverschuldenseinwand nur dann zu berücksichtigen sein, wenn die Klägerin sich diesen Sachvortrag im Berufungsrechtszug zu eigen gemacht hätte Davon kann der Senat indes nicht ausgehen, weil die Klägerin in der Berufungserwiderung lediglich referiert hat, die Beklagte habe erstinstanzlich diese Verlustursache behauptet, und die Klägerin im Übrigen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verweist, in dem sie sich zu dem von der Beklagten behaupteten Raubüberfall mit Nichtwissen erklärt und zudem bestritten hat, dass sich das verloren gegangene Paket tatsächlich zum Zeitpunkt des (angeblichen) Überfalls im Zustellfahrzeug befunden haben soll.

Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die Berufung auch dann erfolglos bleiben müsste, wenn man davon ausginge, die Klägerin habe im Berufungsrechtszug zugestanden, dass das Paket bei dem besagten Raubüberfall gestohlen worden sei. Denn bei dieser Schadensursache ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte den Paketverlust leichtfertig verursacht hätte, so dass die Beklagte sich gegenüber der erhobenen Klageforderung zu Recht auf die Haftungsbeschränkungen der CMR berufen kann. Der danach bestehende Schadensersatzanspruch für das verloren gegangene, 2,68 kg schwere Paket wäre dann durch die vorprozessual geleistete Entschädigung von 510,- € bereits ausgeglichen.

C.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Ein Anlass, zugunsten der Klägerin die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 94.546,60 €.

Ende der Entscheidung

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